Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein Gemeinschaftskonzept zur Verhütung von Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen KOM (2009) 82 endg.; Ratsdok. 7075/1/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 9. März 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 23. Februar 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 23. Februar 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 185/08 (PDF) = AE-Nr. 080240

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss UND den Ausschuss der Regionen

Ein Gemeinschaftskonzept zur Verhütung von Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen

1. Einleitung

Zwischen 1990 und 2007 hat die Zahl schwerer Natur- und menschengemachter Katastrophen in der Europäischen Union spürbar zugenommen; dies war ganz besonders bei Naturkatastrophen der Fall. Es muss damit gerechnet werden, dass im Zuge des Klimawandels immer häufiger und heftiger auftretende Wetterunbilden wie Hitzewellen, Stürme und sintflutartige Niederschläge weitere Todesopfer fordern und die wirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturen und die schon jetzt fragilen Ökosysteme weiter schädigen werden1.

Untersuchungen der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen verweisen auf eine wachsende Katastrophenanfälligkeit, die nicht zuletzt auf die immer intensivere Bodenbewirtschaftung, industrielle Entwicklung, Verstädterung und Infrastrukturkonstruktion zurückzuführen ist2.

Die Gemeinschaft hat bereits einige Instrumente erlassen, um verschiedene Aspekte der Katastrophenvorsorge und -abwehr und der Folgenbewältigung zu regeln, und auch eine Reihe sektorspezifischer Initiativen zum Schutz vor Hochwasser3, Technologiekatastrophen4 und Ölpest5 lanciert, die bestimmte Punkte der Katastrophenverhütung anschneiden. Es gibt auf Gemeinschaftsebene jedoch kein strategisches Konzept für die Katastrophenverhütung.

Ziel der vorliegenden Mitteilung ist es, auf Basis und durch Verknüpfung bereits existierender Instrumente Maßnahmen festzulegen, die in eine Gemeinschaftsstrategie zur Verhütung von Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen einfließen könnten. Verhütung bedeutet,

Mit dieser Mitteilung wird der Verpflichtung der Kommission, Vorschläge zur Katastrophenverhütung auszuarbeiten6, sowie den Aufforderungen des Europäischen Parlaments7 und des Rates8 nachgekommen, auf Gemeinschaftsebene mehr zu tun, um Katastrophen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen. Sie trägt zur Durchführung des Hyogo-Rahmenaktionsplans 2005-20159 bei und ist Teil eines Maßnahmenpakets von inner- und außergemeinschaftlicher Dimension10. Größere konfliktbedingte Notsituationen und Terroranschläge fallen nicht darunter.

2. Die Notwendigkeit eines Gemeinschaftskonzepts zur Verhütung von Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Katastrophen

Es gibt verschiedene Gründe, die Katastrophenverhütung auf europäischer Ebene zu prüfen, der eindeutigste ist jedoch, dass Katastrophen keine Grenzen kennen und transnationale Dimensionen annehmen können (wie dies bei den Überschwemmungen von 2002 und den Waldbränden von 2007 der Fall war). Katastrophen können sich auf bestehende Gemeinschaftspolitiken wie Landwirtschaft und Infrastrukturen negativ auswirken. Die wirtschaftlichen Folgen einer Katastrophe11 können auch das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Regionen (und somit der EU als Ganzer) beeinträchtigen. Und schließlich lassen sich die Folgen einer Katastrophe häufig nur mit Hilfe von Gemeinschaftsmitteln bewältigen.

Die Mitgliedstaaten verfügen bereits, wenn auch in unterschiedlichem Maße, über Strategien zur Katastrophenverhütung. Eine Gemeinschaftsaktion sollte die nationalen Maßnahmen ergänzen und sich auf Bereiche konzentrieren, in denen ein gemeinsamer Ansatz wirksamer ist als ein nationaler Alleingang. Die EU wird insbesondere versuchen, die Folgen von Katastrophen innerhalb der EU durch folgende Maßnahmen zu begrenzen:

Ein Gemeinschaftskonzept für die Katastrophenverhütung sollte explizit auf Maßnahmen aufbauen, die auf europäischer Ebene bereits getroffen wurden - entweder sektorale Vorschriften oder Bereitstellung von Gemeinschaftsmittels für Verhütungsmaßnahmen12.

3. Schlüsselelemente eines gemeinschaftlichen Verhütungskonzepts

3.1. Festlegung der Bedingungen für die Entwicklung wissensbasierter Verhütungsstrategien auf allen Regierungsebenen

Für die Festlegung wirksamer Katastrophenverhütungsstrategien ist ein besseres Katastrophenverständnis unerlässlich.

3.1.1. Erstellung eines Dateninventars für Katastrophen

Daten über Katastrophen sind zurzeit nur begrenzt verfügbar und daher schlecht vergleichbar: Angewandt werden Kriterien wie die Zahl der Opfer, die Höhe des Schadens, die Zahl der Ereignisse innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Daten über die materiellen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Katastrophen sind bestenfalls indikativ.

Die Kommission wird ein umfassendes Inventar über vorhandene Quellen von Katastropheninformationen erstellen, um diese auf Vergleichbarkeitsmängel und Informationslücken zu durchleuchten. Auf der Grundlage dieses Inventars soll auch geprüft werden, wie Informationen innerhalb der EU besser ausgetauscht werden können.

Wichtig sind vor allem Informationen über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Katastrophen, da sie politischen Entscheidungsträgern dazu verhelfen können, die Kosten und Nutzen unterschiedlicher Katastrophenverhütungsmaßnahmen richtig einzuschätzen. Die Kommission wird eine Interessengruppe einsetzen und beauftragen, vorhandene Informationen zu überprüfen, und auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Auswertung die Maßnahmen treffen, die sie für erforderlich hält, um etwaige Wissenslücken zu schließen.

3.1.2. Verbreitung bewährter Praktiken

Die Kommission wird ein Inventar über bewährte Praktiken erstellen, den Informationsaustausch zwischen Interessenträgern erleichtern und unter Beteiligung der Mitgliedstaaten und anderer Interessenträger Studien und Kooperationsprojekte durchführen.

Sie wird auf der Grundlage bisheriger Erfahrungen mit existierenden Verhütungsvorschriften prüfen, ob die derzeitigen sektoralen Ansätze allgemeiner angewandt werden könnten. So sieht die Hochwasser-Richtlinie beispielsweise Gefahren- und Risikokartierungsverfahren vor, während die Seveso-Richtlinie Vorschriften für die Flächennutzungsplanung, Sicherheitsberichte und Notfallpläne enthält. Diese Maßnahmen könnten sich auch zur Verhütung anderer Katastrophenfälle als zweckdienlich erweisen.

3.1.3. Festlegung von Leitlinien für die Gefahren-/Risikokartierung

Die Gefahrenkartierung dient der Identifizierung besonders gefährdeter Gebiete. Sie ist wesentlich zur Information der Öffentlichkeit und ein wichtiges Instrument für die Planungsbehörden.

Die Mitgliedstaaten sind dabei, eine Reihe von Initiativen zur Gefahren-/Risikokartierung zu lancieren. Die Vielfalt der methodologischen Ansätze macht Informationen schwer vergleichbar und daher auf europäischer Ebene schwer zu konsolidieren. Folglich gibt es keine allgemeine Übersicht über die Risiken, mit denen die EU konfrontiert ist. Politische Entscheidungsträger und Unternehmen (wie Infrastrukturbauer, Versicherungen) würden von EU-weit vergleichbareren Gefahren-/Risikoinformationen profitieren.

Die Kommission wird die derzeitigen Gefahren-/Risikokartierungspraktiken in den Mitgliedstaaten untersuchen und auf dieser Grundlage Gemeinschaftsleitlinien für die Gefahren-/Risikokartierung erarbeiten, die laufenden Initiativen der Gemeinschaft Rechnung tragen13 und sich auf Katastrophen mit potenziell grenzüberschreitenden Auswirkungen (wie dies beispielsweise bei Hochwasser oder der unbeabsichtigten Freisetzung von Chemikalien und radioaktiven Stoffen der Fall ist), Extremereignisse (Orkane), Katastrophen großen Ausmaßes (Erdbeben) und Katastrophen konzentrieren sollten, bei denen die Kosten der Folgenbewältigung im Vergleich zu den Kosten von Verhütungsmaßnahmen unverhältnismäßig hoch erscheinen. Die Möglichkeit einer besonderen Initiative im Bereich Waldbrände wird ebenfalls geprüft.

3.1.4. Förderung von Forschungsarbeiten

Verschiedene Themenbereiche des Siebten Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung (2007-2013)14 sind natürlichen und anthropogenen Gefahren gewidmet. Mit der Durchführung dieses Programms wird die Kommission

3.2. Abstimmung zwischen Akteuren und Strategien innerhalb des gesamten Katastrophenmanagement-Zyklus

Einige gemeinschaftliche und nationale Strategien lassen sich im Sinne des Katastrophenmanagement-Zyklus (Verhütung, Vorsorge, Abwehr, Folgenbewältigung) verwalten. Dies setzt allerdings Abstimmung zwischen den Akteuren voraus, die an der Festlegung und Umsetzung von Maßnahmen, die die Katastrophenverhütung nachhaltig beeinflussen können, beteiligt sind. Die Kommission wird darauf hinarbeiten, bewährte Praktiken EU-weit zu fördern.

3.2.1. Anwendung des Programms "Bisherige Erfahrungen" auf die Katastrophenverhütung

Die Kommission hat ein Programm "Bisherige Erfahrungen" mit Interventionen aufgestellt, die im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz durchgeführt wurden. Durch Bewertung der Sofortreaktion auf Katastrophen sollen potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten herausgearbeitet werden. Die Kommission wird das Programm "Bisherige Erfahrungen" ausdehnen, um auch Verbesserungsmöglichkeiten für die Katastrophenverhütung zu prüfen.

3.2.2. Schulung und Sensibilisierung im Bereich Katastrophenverhütung

Die Kommission erarbeitet derzeit Vorschläge, um die Schulung im Bereich Katastrophenmanagement auf Gemeinschaftsebene zu verbessern. Sie wird die Katastrophenverhütung in ihre Vorschläge einbeziehen und im Rahmen des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz gezielte Lehrgänge zum Thema Katastrophenverhütung anbieten.

Auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit kann zur Katastrophenverhütung beitragen - so sollten sich Bürger beispielsweise darüber im Klaren sein, was im Falle eines Erdbebens zu tun ist. Die Kommission wird die anstehenden Aufforderungen zur Einreichung von Kooperationsprojekten im Rahmen des Finanzierungsinstruments für den Katastrophenschutz nutzen, um die Möglichkeit der Förderung von Projekten zur Sensibilisierung und Aufklärung der Öffentlichkeit, beispielsweise Ermittlung bewährter Praktiken und Vorbereitung von Schullehrplänen, einzubeziehen.

3.2.3. Verbesserung der Abstimmung zwischen Akteuren

Die Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass koordinierte Mechanismen für Krisenmanagement, die unterschiedliche öffentliche und private Interessenträger einbinden, durchaus sinnvoll sind.

Die Kommission befürwortet derartige Initiativen der Mitgliedstaaten, die Folgendes abdecken sollten:

Ein europäisches Netz aus Vertretern aller zuständigen Ressorts der Mitgliedstaaten könnten ein nützliches Forum zur Ausarbeitung von Empfehlungen für bewährte Praktiken sein. Die Kommission beabsichtigt, ein derartiges Netz für die Bereiche Raumplanung, Risiko- und Gefahrenkartierung, Umweltschutz und Krisenvorsorge/-reaktion einzurichten. Der Informationsaustausch innerhalb des Netzes soll durch ein webbasiertes Instrument erleichtert werden.

Im Rahmen des Netzes sollen Arbeitsgruppen gebildet werden, um Empfehlungen für Maßnahmen zur politischen Koordinierung auszuarbeiten, die auf gemeinschaftlicher, nationaler oder subnationaler Ebene zu treffen sind. Die Arbeitsschwerpunkte des Netzes werden zunächst in folgenden Bereichen liegen:

3.2.4. Verbesserung von Frühwarnsystemen

Die Fähigkeit von Bürgern und politischen Entscheidungsträgern, Katastrophen zu begrenzen, hängt größtenteils von der Zugänglichkeit verlässlicher Frühwarnsysteme ab. Die Kommission wird die Verbindung zwischen Frühwarnsystemen verbessern und

3.3. Verbesserung der Funktionsfähigkeit existierender Instrumente mit Blick auf die Katastrophenverhütung

Die Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich Katastrophenverhütung werden durch verschiedene Finanz- und Rechtsinstrumente der Gemeinschaft untermauert. Die Kommission wird dafür Sorge tragen, dass Verhütungsbelangen in Politiken und Programmen (beispielsweise der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums) künftig konsequenter und wirksamer Rechnung getragen wird.

3.3.1. Effizientere Ausrichtung gemeinschaftlicher Fördermittel

Die Katastrophenverhütung sollte als sinnvolle Investition angesehen werden, denn die Kosten präventiver Maßnahmen sind in der Regel viel geringer als die der Folgenbewältigung. Um die Wirksamkeit gemeinschaftlicher Fördermittel für die Katastrophenverhütung zu verbessern, wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten

Auf dieser Grundlage werden die Mitgliedstaaten aufgefordert zu prüfen, wie sich die Katastrophenverhütung besser in die nationale operationelle Programmierung der EU-Fördermittel integrieren lässt. Bei Bedarf würde die Kommission die Verbesserung der nationalen operationellen Programme unterstützen.

Der Zeitrahmen für die Überprüfung der Finanzierungsinstrumente der EU und die Festlegung der nächsten finanziellen Vorausschau werden weitere Möglichkeiten bieten, um die Frage der Einbeziehung von Risikoverhütungsmaßnahmen in die EU-Finanzierung weiter zu prüfen.

3.3.2. Berücksichtigung der Katastrophenverhütung in geltenden Gemeinschaftsvorschriften

Verhütungsbelange sollten bei den vorgesehenen Überprüfungen bestimmter Rechtsakte der EU berücksichtigt werden, darunter:

Die Kommission wird ferner darauf hinarbeiten, die Auswirkungen von Erdbeben zu mildern, und die Mitgliedstaaten ermutigen, die gemeinsamen europäischen Bemessungsvorschriften für Gebäude und Tiefbauarbeiten (insbesondere "Eurocode 8") in ihre nationalen Planungsverordnungen einzubeziehen. In diesem Zusammenhang werden die Mitgliedstaaten gebeten, die von den Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen gebotenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen18.

4. Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in Bereich Verhütung

Die Kommission wird die Katastrophenverhütung bei künftigen Kooperationsinitiativen mit Drittländern in den Mittelpunkt stellen, vor allem

Die Kommission sorgt für Koordination mit der Internationalen Strategie für Katastrophenvorsorge (UN-ISDR) und enge Verbindungen zur EU-Strategie für Katastrophenvorsorge in Entwicklungsländern.

5. Schlussfolgerung und Perspektive

Diese Mitteilung beschreibt ein allgemeines europäisches Konzept für die Katastrophenverhütung. Es werden Handlungsbereiche herausgearbeitet und spezifische Maßnahmen dargelegt, mit denen die Katastrophenverhütung kurzfristig angekurbelt werden soll. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen werden Aktionen berücksichtigt, die die Gemeinschaft bereits eingeleitet hat, um auf diese Weise die erforderliche Grundlage für die Zusammenfassung dieser Aktionen in einem kohärenten und wirksamen Gemeinschaftsrahmen zu schaffen.

Das Europäische Parlament, der Rat, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden gebeten, der Kommission weitere Informationen vorzulegen, die zur Konsolidierung einer Gemeinschaftsstrategie zur Verhütung von Natur- und menschengemachten Katastrophen zweckdienlich sind.

Um das Konzept zu fördern und gegebenenfalls Vorschläge für seine Weiterentwicklung vorzulegen, wird die Kommission öffentliche und private Interessenträger erneut konsultieren und weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten.