Beschluss des Deutschen Bundestages
Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 104. Sitzung am 6. Juni 2019 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes - Drucksachen 19/9478, 19/10691 - den beigefügten Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/10715 angenommen.

Deutscher Bundestag Drucksache 19/10715
19. Wahlperiode 05.06.2019

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 19/9478, 19/10691 - Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung:

In Deutschland sind mehr als 310.000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt. Es ist dabei die vorrangige Aufgabe der Werkstätten, jeder und jedem Beschäftigten mit Behinderungen durch individuelle Hilfe die volle Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, unabhängig von ihrer oder seiner Leistungsfähigkeit.

Um Teilhabe an Arbeit zu erfahren, ist die Anerkennung und Wertschätzung von Leistung zentral. Als wesentliche Form der Anerkennung für geleistete Arbeit steht dabei das Arbeitsentgelt im Mittelpunkt. Die mit dem Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes vollzogene deutliche Erhöhung des Ausbildungsgeldes und des damit nach § 221 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) gekoppelten Grundbetrags von 80 auf 117 Euro bzw. auf 119 Euro ab dem 1. August 2020 wird deshalb sehr begrüßt.

Werkstätten stehen in diesem Zusammenhang aber vor der Herausforderung, auf der einen Seite personenzentrierte Teilhabeangebote zu ermöglichen und auf der anderen Seite wirtschaftlich verwertbare Arbeitsergebnisse zu erzielen, um so neben den erbrachten Rehabilitationsleistungen auch Arbeitsentgelte für die Beschäftigten in den Werkstätten auszahlen zu können. Das Entgeltsystem der Werkstätten befindet sich damit in einem Spannungsverhältnis.

Im Entgeltsystem der Werkstätten finden sich sowohl Aspekte des Solidar- als auch des Leistungsprinzips wieder. Alle Werkstattbeschäftigten erhalten unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit einen festen Grundbetrag, der von der Werkstatt erwirtschaftet werden muss, sowie ein Arbeitsförderungsgeld, das der Träger der Eingliederungshilfe finanziert, soweit das Arbeitsentgelt zusammen mit dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von 351 Euro nicht übersteigt. Die Beschäftigten sollen zudem einen leistungsangemessenen Steigerungsbetrag erhalten, den die Werkstatt ebenfalls zu erwirtschaften hat.

In der Praxis führt dies dazu, dass die Entgelthöhe von Beschäftigtem zu Beschäftigtem, aber auch von Werkstatt zu Werkstatt erheblich variiert. Im Schnitt beträgt das Entgelt inklusive Arbeitsförderungsgeld nach einer vorläufigen Berechnung derzeit bundesweit 214 Euro (2017).

Das Entgelt macht bei den meisten Werkstattbeschäftigten jedoch nur einen Teil des Gesamteinkommens aus. Ein Großteil der Werkstattbeschäftigten - derzeit über 150.000 Menschen - bezieht ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Werkstattbeschäftigte erhalten zudem nach 20 Jahren in der Werkstatt eine Erwerbsminderungsrente als Nachteilsausgleich in Form einer Aufstockung ihrer Rentenbeiträge. Sie werden rentenrechtlich so veranlagt, als ob sie 80 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße verdienten.

Mit dem Bundesteilhabegesetz hat der Gesetzgeber mit der Verdopplung des Arbeitsförderungsgeldes, mit Verbesserungen bei der Anrechnung von Werkstattentgelt auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Erhöhung der Vermögensfreigrenze im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von 2.600 auf 5.000 Euro bereits erhebliche Fortschritte erzielt.

Auch die Diskussion über die Anhebung des Grundbetrages bei der Entlohnung in Werkstätten für behinderte Menschen durch das Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes macht es erforderlich, das bestehende Entgeltsystem in den Werkstätten zu beleuchten. Dabei spielen vor allem die intransparente und für die Werkstattbeschäftigten nur schwer nachvollziehbare Gestaltung des Entgelts und des Gesamteinkommens sowie die Anrechnung auf die Grundsicherung eine wesentliche Rolle. Das Entgelt- und Einkommenssystem muss insgesamt transparenter gestaltet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

innerhalb von vier Jahren unter Beteiligung der Werkstatträte, der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), der Wissenschaft und weiterer maßgeblicher Akteure zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann.

Berlin, den 4. Juni 2019
Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Fraktion
Dr. Rolf Mützenich und Fraktion