Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt 88 der 813. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2005
Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters

A

1. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat,

Zu Artikel 4a (Änderung des KWG)

Artikel 4a ist zu streichen.

Begründung

Das Vorhaben des Gesetzes, der Kreditwirtschaft die Möglichkeit einer insolvenz- und vollstreckungsfesten Besicherung ihrer Refinanzierungskredite zum Nachteil aller anderen Gläubigergruppen zu eröffnen, begegnet grundsätzlichen rechtlichen und wirtschaftspolitischen Bedenken.

Um die Kapitalbeschaffung so genannter Zweckgesellschaften (Refinanzierungsgesellschaften der Banken, § 1 Abs. 26 KWG- neu) zu erleichtern, will das Gesetz diesen im Falle der Krise des Refinanzierungsunternehmens (Unternehmen, das zum Zwecke der Refinanzierung Gegenstände oder Ansprüche auf deren Übertragung aus ihrem Geschäftsbetrieb an Zweckgesellschaften veräußert, § 1 Abs. 24 KWG- neu, z.B. Bank oder Finanzinvestor) eine insolvenz- und vollstreckungsfeste Rechtsposition einräumen. Sind Sicherungsgegenstände in einem hierfür zu schaffenden "Refinanzierungsregister" eingetragen, dann soll die Zweckgesellschaft daraus gemäß § 22j KWG- neu ein umfassendes Vollstreckungsprivileg ableiten können: in Insolvenz, Zwangsvollstreckung und Arrestvollziehung wird zukünftig allein der schuldrechtliche Anspruch auf Übertragung bestimmter Wirtschaftsgüter (Forderungen, Grundschulden) die Zweckgesellschaft zur Aussonderung gemäß § 47 InsO berechtigen. Dieses Privileg soll sich auch auf alle Surrogate dieser Wirtschaftsgüter erstrecken.

Praktisch würde dieses Konzept bedeuten, dass ein Refinanzierungsunternehmen der Zweckgesellschaft sicherungshalber einen Anspruch auf Übertragung bestimmter (ihr z.B. selbst sicherungshalber überlassener) Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (Forderungen, Grundpfandrechte) einräumt. Der Zweckgesellschaft stünde dann im Falle der Krise des Refinanzierungsunternehmens ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu.

Die beabsichtigte Regelung ist unvereinbar mit dem geltenden System der insolvenz- und vollstreckungsrechtlichen Behandlung von Kreditsicherheiten.

Nach § 51 Nr. 1 InsO berechtigt die Übertragung eines Vermögensgegenstandes zum Zweck der Kreditsicherung in der Insolvenz nur zur abgesonderten Befriedigung. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung hat diese Rechtsposition bewusst derjenigen nach § 50 InsO gleichgestellt, um die Auszehrung des Schuldnervermögens durch Sicherungsgläubiger noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterbinden.

Die hier vorgesehene Rechtsposition der Zweckgesellschaft - ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung eines Wirtschaftsguts - kann nach der Systematik des geltenden Rechts prinzipiell nicht zu einem Aussonderungsrecht des Sicherungsnehmers führen. Es widerspricht dem anerkannten System des Gläubigerschutzes in der Insolvenz des Schuldners, der Masse solche Gegenstände zu entziehen, hinsichtlich derer der Schuldner zwar in eine schuldrechtliche Beschränkung seiner Befugnisse als Eigentümer eingewilligt hat, die ihm aber nach wie vor gehören (vgl. BGHZ 155, 227 <234>).

Die geplante Rechtsfolge eines Aussonderungsrechts der Zweckgesellschaft würde diese außerdem gegenüber absonderungsberechtigten Gläubigern des Refinanzierungsunternehmens ohne zureichenden Grund bevorzugen. Die Zweckgesellschaft wäre nicht mehr in den Pflichtenkreis der §§ 50, 165 ff. InsO eingebunden; damit entfiele insbesondere die Befugnis des Insolvenzverwalters, die Sicherheit zu Gunsten der Masse einzusetzen und diese am Verwertungserlös zu beteiligen.

Dieses Konzept würde es der Zweckgesellschaft erlauben, sich zukünftig in weitem Umfang ein "Recht des ersten Zugriffs" in der Krise von Refinanzierungsunternehmen zu sichern. Es steht zu erwarten, dass das geplante Aussonderungsrecht in seinem Anwendungsbereich zu einer Vorabbefriedigung der Zweckgesellschaft führen würde, womit der Zwangsvollstreckung anderer Gläubiger in vielen Fällen der Boden entzogen und in der Insolvenz der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu Lasten aller übrigen Gläubiger des Refinanzierungsunternehmens ausgehebelt würde.

Mit einer solchen Maßnahme könnte die Verteilungsgerechtigkeit im deutschen Vollstreckungsrecht erheblich beschädigt werden. Eine solche Rechtsentwicklung könnte sich außerdem wirtschaftspolitisch sehr ungünstig auswirken, weil sie der Kreditwirtschaft - als ohnehin stärkster Gläubigergruppe - einen kaum einholbaren Vorsprung vor anderen Gläubigern verschaffen würde. Zudem wäre damit der Einstieg in ein allgemeines Bankenprivileg in der Insolvenz vorprogrammiert.

Das Anliegen einer Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft ist grundsätzlich berechtigt und unterstützenswert. Es rechtfertigt jedoch nicht die hier beabsichtigte Regelung. Abgesehen davon, dass erhebliche Zweifel an der Praktikabilität des "Refinanzierungsregisters" bestehen, würde das Vollstreckungsprivileg unmittelbar nur die Position der Zweckgesellschaften und Refinanzierungsunternehmen, nicht aber die der Kredit suchenden Unternehmen verbessern. Die vage Hoffnung, dass damit auch die Kreditbeschaffung für Unternehmen erleichtert würde, rechtfertigt es nicht, grundlegende Gerechtigkeitsprinzipien des Insolvenz- und Vollstreckungsrechts beiseite zu schieben.

Die beabsichtigte Regelung erscheint auch zur Verbesserung der Refinanzierungsbedingungen nicht erforderlich. Bereits jetzt stehen der Kreditwirtschaft ausreichende Sicherungsformen zur Verfügung. Aus gutem Grund erfordern diese jeweils eine sachenrechtliche Verfügung. Damit ist bei Forderungen auch kein erkennbarer Aufwand verbunden. Transaktionskosten entstehen allenfalls bei der Sicherungsabtretung von Grundpfandrechten. Diese im Einzelfall überschaubaren Kosten können aber nicht die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit durch die Umgehung des Grundbuchs und die damit verbundenen Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand rechtfertigen. Demgegenüber entsteht mit der Einrichtung der Refinanzierungsregister ein unüberschaubarer zusätzlicher Aufwand für die Refinanzierungsunternehmen, den diese aller Voraussicht nach auf die Kredit suchenden Unternehmen abwälzen werden.

Neben den aufgeführten grundsätzlichen Einwänden wirft die Regelung weitere Fragen auf, denen bislang nicht nachgegangen wurde:

Angesichts der bestehenden grundsätzlichen Bedenken und wichtiger ungelöster Fragen sollte die Regelung nicht in der vorliegenden Fassung Gesetz werden. Derart einschneidende Eingriffe in das Insolvenz- und Vollstreckungsrecht bedürfen sorgfältiger Prüfung und Erörterung, in die die betroffenen Fachressorts einzubinden sind.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Landesjustizressorts bei der Erarbeitung der betreffenden Regelung nicht beteiligt worden sind. Der im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorschlag, der von der Bundesregierung im Referentenentwurf einer Novelle der Insolvenzordnung im Herbst 2004 vorgelegt worden war, ist bei den Ländern und von Seiten der Insolvenzverwalter auf grundsätzliche Kritik gestoßen, die bei der nunmehr vorliegenden Regelung keine nennenswerte Berücksichtigung gefunden hat.

B

2. Der federführende Finanzausschuss und der Rechtsausschuss

empfehlen dem Bundesrat, festzustellen,

Begründung

Entgegen seiner Eingangsformel bedarf das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates. Es sieht in Artikel 4 Abs. 21 (Änderung des Finanzausgleichsgesetzes - die geänderte Bestimmung führt zur Zustimmungsbedürftigkeit nach Artikel 107 Abs. 1 Satz 4 GG) und Artikel 4 Abs. 22 (Änderung der Abgabenordnung - die geänderte Bestimmung führt zur Zustimmungsbedürftigkeit nach Artikel 108 Abs. 5 Satz 2 GG) Änderungen von Bestimmungen vor, die ihrerseits die Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst haben. Damit bedarf das gesamte Gesetz der Zustimmung des Bundesrates (vgl. BVerfGE 37, 363 <383>).

C

3. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat,