Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts

Der Bundesrat hat in seiner 901. Sitzung am 12. Oktober 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat begrüßt die Aktivitäten des Bundes, um die in den Jahren zuvor gestiegenen Ausgaben der Länderhaushalte für Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe zu begrenzen.

Die Kostendeckungsquoten in der Justiz sind seit Jahren rückläufig. Ziel muss es daher sein, insofern eine Verbesserung zu erzielen. Zwar ermöglicht der Gesetzentwurf durch Neuordnung der Regelungen im Prozesskostenhilfeverfahren spürbare Minderausgaben bzw. Mehreinnahmen für die Länderhaushalte. Allerdings stehen diesen Verbesserungen deutliche Mehrarbeiten und damit einhergehend ein zusätzlicher laufender Erfüllungsaufwand in Form eines erhöhten Personalbedarfs sowie erhebliche Mehrausgaben gegenüber, die befürchten lassen, dass der Gesetzentwurf insgesamt zu keinem positiven Saldo führen wird.

Der Bundesrat fordert deshalb, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens dafür Sorge zu tragen, das Ziel der Verbesserung der Kostendeckungsquote zu erreichen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstabe aaa (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Buchstabe a ZPO)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstabe aaa ist der Punkt am Ende durch die Wörter'und die Angabe "10" durch die Angabe "5" ersetzt.' zu ersetzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf geht zutreffend davon aus, dass keine triftigen Gründe dafür bestehen, die für die Prozesskostenhilfebewilligung maßgeblichen Grundfreibeträge deutlich höher zu bemessen als im Sozialhilferecht (BR-Drs. 516/12 (PDF) , Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb). Das Anliegen, die Grundfreibeträge aneinander anzugleichen, sollte indes noch konsequenter umgesetzt werden als in dem Gesetzentwurf vorgesehen. Dies kann insbesondere dadurch erreicht werden, dass - in Anlehnung an die in Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des durch den Bundesrat in seiner 866. Sitzung am 12. Februar 2010 erneut beschlossenen Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz, PKHBegrenzG, BR-Drs. 037/10(B) HTML PDF sowie BT-Drs. 17/1216) vorgesehene Regelung - der in § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Buchstabe a ZPO geregelte Zuschlag gegenüber dem im Sozialhilferecht maßgeblichen Freibetrag von 10 auf 5 Prozent gesenkt wird. Grund dafür, überhaupt einen Zuschlag vorzusehen, ist der Umstand, dass hinsichtlich des im Sozialhilferecht maßgeblichen Freibetrags während der durch das Gericht im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung festgesetzten Ratenzahlungsdauer Erhöhungen vorgenommen werden können, von denen die Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei nicht automatisch profitiert. Das Ziel, insoweit einen Ausgleich zu schaffen, wird indes bereits durch einen Zuschlag in Höhe von 5 Prozent hinreichend zuverlässig erreicht.

3. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 118 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 ZPO)

In Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb ist in § 118 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 das Komma am Ende durch die Wörter "sowie über seine Kontoverbindungen im Sinne des § 24c Absatz 1 des Kreditwesengesetzes nebst Namen und Anschrift des Kreditinstituts bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht," zu ersetzen.

Begründung:

Die in Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (§ 118 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 ZPO-E) vorgesehene Möglichkeit, die Finanzämter um Auskunft zu ersuchen, ermöglicht den Gerichten vielfach nur unzureichend, die Angaben des Antragstellers zur Höhe seines Vermögens zu überprüfen. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Finanzämter regelmäßig über nähere Erkenntnisse über die Höhe des Vermögens verfügen, denn die Vermögensteuer wird nicht erhoben, und aus den im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer und gegebenenfalls zur Erbschaft- und Schenkungsteuer gewonnenen Erkenntnissen lassen sich nur mittelbar Rückschlüsse auf einzelne Vermögenswerte ziehen.

Um den Gerichten eine sachgerechte Überprüfung der Angaben des Antragstellers zu ermöglichen, ist es daher unabdingbar, ihnen den direkteren und häufig erfolgversprechenderen Weg zu eröffnen, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht abzufragen, über welche Kontoverbindungen der Antragsteller verfügt und in der Vergangenheit verfügt hat.

4. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 120a Absatz 3 und § 120b - neu - ZPO)

Artikel 1 Nummer 8 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die gerichtliche Praxis regt zu Recht an, den Zugriff der Staatskasse auf das durch die Rechtsverfolgung Erlangte zu effektivieren. Die in diesem Zusammenhang in Artikel 1 Nummer 8 des Gesetzentwurfs (§ 120a Absatz 3 ZPO-E) vorgesehene Regelung birgt indes die Gefahr, dass durch die Rechtsverfolgung erlangte finanzielle Vorteile mit anderweitig eingetretenen Vermögenseinbußen saldiert werden und ein Zugriff der Staatskasse somit im Ergebnis unterbleibt. Vorzugswürdig ist daher, eine Regelung zu schaffen, die unmittelbar an das Erlangte anknüpft und das Risiko anderweitig eingetretener Vermögensverschlechterungen der betroffenen Partei zuweist. Dieses Ziel wird durch die oben genannte Formulierung, die aus Artikel 1 Nummer 9 des durch den Bundesrat in seiner 866. Sitzung am 12. Februar 2010 erneut beschlossenen Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe - Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz - PKHBegrenzG, BR-Drs. 037/10(B) HTML PDF sowie BT-Drs. 17/1216 - übernommen wurde, erreicht. Wegen der Einzelheiten des für den Zugriff auf das Erlangte vorgesehenen Verfahrens wird auf die Begründung zu dem genannten Entwurf eines PKHBegrenzG (vgl. BT-Drs. 17/1216, S. 29 f.) Bezug genommen.

5. Zu Artikel 2 Nummer 7 (§ 8a Absatz 1 BerHG)

In Artikel 2 Nummer 7 ist § 8a Absatz 1 wie folgt zu fassen:

(1) Der Vergütungsanspruch der Beratungsperson gegen die Staatskasse wird durch die Aufhebung der Beratungshilfebewilligung nicht berührt, soweit die Beratungsperson zu der Zeit der Gewährung der Beratungshilfe im Hinblick auf den Bestand der Beratungshilfebewilligung in gutem Glauben war. Eine zu Unrecht erhaltene Vergütung hat die Beratungsperson zurück zu gewähren."

Begründung:

Die in § 8a Absatz 1 BerHG-E bislang vorgesehene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu der Frage, ob die Beratungsperson Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass die Bewilligungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Beratungshilfeleistung nicht gegeben waren, trägt der zugrunde liegenden Regelungsstruktur sowie den tatsächlichen Gegebenheiten nicht hinreichend Rechnung.

Bei dem in § 8a Absatz 1 Satz 1 BerHG-E geregelten Fortbestand des Vergütungsanspruchs handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Zahlungspflicht der Staatskasse nur besteht, wenn die zugrunde liegende gerichtliche Entscheidung aufrechterhalten bleibt. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen sollte daher von der Beratungsperson zu tragen sein, die sich auf die für sie günstige Rechtsfolge dieser Ausnahmeregelung beruft.

Nur die Beratungsperson kann im Übrigen die Indiztatsachen vortragen, anhand derer zu beurteilen ist, ob die subjektiven Voraussetzungen für den Fortbestand des Vergütungsanspruchs gegeben sind. Um die mit der Annahme einer umfangreichen sekundären Darlegungslast verbundenen Unsicherheiten in der praktischen Rechtsanwendung zu vermeiden, sollte die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast daher durch die im Antrag vorgesehene abweichende Formulierung des § 8a Absatz 1 BerHG-E der Beratungsperson auferlegt werden.

6. Zu Artikel 11 Nummer 2 (§ 73a Absatz 6 Satz 1 SGG), Artikel 12 Nummer 2 Buchstabe b (§ 166 Absatz 4 Satz 1 VwGO), Artikel 13 Nummer 2 (§ 142 Absatz 5 Satz 1 FGO)

Begründung:

In § 73a Absatz 6 SGG-E, § 166 Absatz 4 VwGO-E und § 142 Absatz 5 FGO-E ist jeweils vorgesehen, dass der Vorsitzende bzw. Berichterstatter die zunächst dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragenen Aufgaben der Bedürftigkeitsprüfung und der Ablehnung des Antrags im Falle fehlender Bedürftigkeit zu jedem Zeitpunkt wieder an sich ziehen kann. Dies berücksichtigt jedoch nicht das bei den Landessozialgerichten sowie bei den Verwaltungs- und Finanzgerichten bestehende Kammer- bzw. Senatsprinzip ( § 33 SGG, § 5 Absatz 3 VwGO, § 5 Absatz 3 FGO), wonach grundsätzlich zunächst das Kollegialorgan und nicht ein Einzelrichter für die Entscheidung zuständig ist. Über die "Rückholung" übertragener Aufgaben darf es nicht zu einer Zuständigkeitserweiterung kommen, also insbesondere darf ein Berichterstatter nicht einen PKH-Antrag ablehnen können, ohne dass ihm zuvor der Rechtsstreit zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen wurde. Richtigerweise ist daher die Rückholung an das "Gericht" vorzusehen.

7. Zu Artikel 12 Nummer 2 (§ 166 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 VwGO)

Artikel 12 Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Die beabsichtigte Ergänzung des § 166 Absatz 1 Satz 2 VwGO-E hinsichtlich der Beiordnung von Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern steht in dieser Allgemeinheit in Widerspruch

Zu § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 VwGO, wonach Angehörige dieser Berufsgruppen vor den Verwaltungsgerichten nur in Abgabenangelegenheiten prozessführungsbefugt sind. Um Unsicherheiten bei der Anwendung der neuen Regelung zu vermeiden, soll daher klargestellt werden, dass eine Beiordnung dieser Berufsgruppen auch nur in Abgabenangelegenheiten möglich ist. Nur insoweit kann bei diesen Berufsgruppen das Regelungsziel der Vermeidung personeller Diskontinuität erreicht werden.

Zu Buchstabe b:

Die in § 166 Absatz 3 VwGO-E vorgesehene Umkehrung des dem § 166 Absatz 2 VwGO-E zugrunde liegenden richterzentrierten Regel-Ausnahme-Prinzips überzeugt nicht. Daher soll wie bei § 166 Absatz 2 VwGO-E auch in § 166 Absatz 3 VwGO-E eine grundsätzlich - im Einzelfall auf den Urkundsbeamten delegierbare - Zuständigkeit des Richters vorgesehen werden. Es ist beispielsweise nicht ersichtlich, warum die erstmalige Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen grundsätzlich dem Richter zugewiesen ist, während die Entscheidung nach § 124 Nummer 3 ZPO über die Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen ursprünglichen Fehlens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen - die dieselben Rechtsfragen aufwerfen kann - grundsätzlich dem Urkundsbeamten obliegen soll.

Zudem wird insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Regelung des § 120a Absatz 3 Satz 2 ZPO, wonach das Gericht nach Abschluss des Verfahrens prüfen soll, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist, absehbar schwierige Rechtsfragen aufwerfen, weil das Rechtsschutzziel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelmäßig nicht auf das Erstreiten von Geldleistungen, sondern auf den Erlass oder die Aufhebung eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Auch mangels näherer normativer Konturierung des Prüfungsmaßstabes in § 120a Absatz 3 Satz 2 dürften diese Fragen regelmäßig rechtlich nicht einfach zu beurteilen sein und sollten deshalb im Regelfall dem Richter vorbehalten bleiben.

Das richterzentrierte Regel-Ausnahme-Prinzip bietet für die Entscheidungen nach § 166 Absatz 3 VwGO-E - wie bei § 166 Absatz 2 VwGO-E - aber nicht nur eine größere Gewähr für deren Richtigkeit, sondern - über die Möglichkeit des § 166 Absatz 4 Satz 1 VwGO-E hinaus - auch mehr Verfahrensflexibilität. Die Aufgabendelegation kann nämlich dann unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Ausbildungs- und Personalausstattungssituation flexibel vorgenommen werden.

8. Zu Artikel 14 Nummer 4a - neu - (§ 44 Satz 3 - neu - und 4 - neu - RVG)

In Artikel 14 ist nach Nummer 4 folgende Nummer 4a einzufügen:

'4a. Dem § 44 werden folgende Sätze angefügt:

"Soweit der Rechtsuchende dem Rechtsanwalt über die Beratungshilfegebühr hinaus eine Vergütung gewährt, entfällt der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Landeskasse. Ein überhöht ausbezahlter Betrag ist zurück zu gewähren.'"

Begründung:

Hat die im Rahmen der Beratungshilfe geleistete Tätigkeit Erfolg, kann dies dazu führen, dass der Rechtsuchende dem Rechtsanwalt über die in Nummer 2500 VV RVG genannte Beratungshilfegebühr hinaus eine Vergütung gewährt, auch wenn er hierzu gemäß § 8 Absatz 2 Satz 1 BerHG-E nicht verpflichtet ist. Dies kann zum einen aus Dankbarkeit geschehen, zum anderen aber auch mit dem Ziel, den Rechtsanwalt davon abzuhalten, gemäß § 6a Absatz 2 Satz 1 BerHG-E die Aufhebung der Bewilligung zu beantragen. In beiden Fällen ist es gerechtfertigt, die Staatskasse in Höhe der durch den Rechtsuchenden gewährten Vergütung von den Kosten der Beratungshilfe zu entlasten.