Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 1598a Abs. 1 Satz 2 BGB)

In Artikel 1 Nr. 3 § 1598a Abs.1 Satz 2 sind nach dem Wort "entnommen" die Wörter "und untersucht" einzufügen.

Begründung

Der Gesetzentwurf sieht eine Einhaltung von Qualitätsstandards nur für die Entnahme der genetischen Probe, nicht aber für deren Untersuchung vor.

Dies kann dazu führen, dass das (Klärungs-)Gutachten im späteren Anfechtungsverfahren nicht verwendet werden kann und ein neues gerichtliches Gutachten gefertigt werden muss. Diese Situation kann selbst dann eintreten, wenn die Parteien des Anfechtungsprozesses mit der Verwertung des (Klärungs-)Gutachtens einverstanden sind. Falls nämlich das Gutachten nicht den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entspricht, wird es in der Regel nicht für eine Gerichtsentscheidung verwertbar sein.

Eine erneute Probenentnahme und Untersuchung belastet die Beteiligten physisch und emotional. Wie die Entwurfsbegründung ausführt (BR-Drs. 549/07 (PDF) , S. 19), soll nach den Richtlinien der Bundesärztekammer für die Erstattung von Abstammungsgutachten aus dem Jahr 2002 in der Regel eine Blutprobe als Untersuchungsmaterial dienen, da nur diese optimale Analysemöglichkeiten bietet. Die Unverwertbarkeit des (Klärungs-)Gutachtens hätte zur Folge, dass alle Beteiligten (das Kind und die beiden Elternteile) sich ein zweites Mal einer Blutentnahme unterziehen müssten. Dies bedeutet nicht nur einen erneuten Eingriff in die körperliche Integrität. Anders als in anderen zivilrechtlichen Verfahren kann die erneute Probenentnahme auch eine erhebliche emotionale Beeinträchtigung der beteiligten Personen verursachen.

Die Beauftragung eines zweiten Gutachtens im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens würde außerdem zu einer doppelten finanziellen Belastung des Klägers oder - im Rahmen der Prozesskostenhilfe - zu einer Kostentragung durch die Staatskasse führen.

Darüber hinaus sollte das Interesse der Antragsgegner auf sachgerechte Verwendung des Probenmaterials durch die Einhaltung von Qualitätsstandards geschützt werden. Der Anspruch auf eine genetische Probe schränkt das Recht der Antragsgegner auf informationelle Selbstbestimmung ein. Auch mit Rücksicht auf diesen Grundrechtseingriff ist es notwendig, dass die Untersuchung der genetischen Probe im Klärungsverfahren nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführt wird.

2. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 1598a Abs. 4 Satz 2 - neu - BGB), Artikel 2 Nr. 1 bis 3 (§ 621a Abs. 1 Satz 1, § 621e Abs. 1 und 2, § 640 Abs. 1 und 2 Nr. 2 ZPO)

Begründung

Der Entwurf begründet in § 1598a Abs. 4 BGB-E einen Anspruch desjenigen, der in eine genetische Abstammungsuntersuchung eingewilligt und eine genetische Probe abgegeben hat, auf Einsicht in das Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift gegen den Klärungsberechtigten. Während Entscheidungen über den Anspruch aus § 1598a Abs. 1 BGB-E dem Familiengericht ausdrücklich zugewiesen sind, trifft der Entwurf für den Anspruch aus § 1598a Abs. 4 BGB-E keine solche Zuweisungsentscheidung. Dies hat zur Folge, dass zumindest Zweifel darüber entstehen können, ob nicht die Zivilgerichte zur Entscheidung über Streitigkeiten aus dem Anspruch berufen sind.

Der Entwurf erwähnt in allen weiteren prozessualen Regeln allein die Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB-E und erlaubt damit die Schlussfolgerung, die Verfahren aus § 1598a Abs. 4 BGB-E seien keine Kindschaftssachen. Wegen des sachlichen Zusammenhangs mit der Entscheidung über den Klärungsanspruch des § 1598a Abs. 1 BGB-E sollten jedoch auch die Verfahren über den Anspruch des § 1598a Abs. 4 BGB-E ausdrücklich dem Familiengericht zugewiesen werden. Streitigkeiten aus diesem Anspruch werden weniger seine geringen tatbestandlichen Voraussetzungen betreffen als vielmehr den möglichen Einwand des Klärungsberechtigten, er habe das Gutachten entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht eingeholt. Diese Frage lässt sich im familiengerichtlichen Verfahren wegen des dort herrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes besser aufklären als im Verfahren nach der ZPO.

In einem neuen § 1598a Abs. 4 Satz 2 BGB-E soll die Entscheidung über den Anspruch gegen den Klärungsberechtigten ausdrücklich dem Familiengericht zugewiesen werden. Durch die Änderungen in Artikel 2 (§§ 621a, 621e und 640 ZPO) wird klargestellt, dass diese Entscheidung ebenfalls im Verfahren in Kindschaftssachen ergeht und den gleichen allgemeinen Verfahrensregeln unterliegt wie die Entscheidung nach § 1598a Abs. 2 BGB-E. Eine Änderung von Artikel 3 (§ 49a Abs. 2 und § 56 FGG) ist dagegen nicht erforderlich, weil die dort vorgesehenen Spezialvorschriften aus dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausschließlich auf die Besonderheiten des Klärungsanspruchs aus § 1598a Abs. 1 BGB-E zugeschnitten sind. Der Anspruch aus § 1598a Abs. 4 BGB-E ist einem allgemeinen zivilrechtlichen Auskunfts- und Vorlageanspruch ähnlich und bedarf keiner Vorschriften, die vom allgemeinen Kindschaftsverfahren abweichen.

3. Zu Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe c (§ 1600b Abs. 7 Satz 2 BGB)

In Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe c ist § 1600b Abs. 7 Satz 2 zu streichen.

Begründung

§ 1600b Abs. 7 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass die zweijährige Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage für den Vater und das Kind neu beginnt, wenn sie durch eine genetische Untersuchung im Sinne von § 1598a BGB-E erfahren, dass keine Abstammung besteht. § 1600b Abs. 7 Satz 2 BGB-E regelt hiervon eine Ausnahme, wenn die Folgen der Anfechtung das Wohl des Kindes erheblich beeinträchtigen.

Diese Ausnahmeregelung ist zu streichen. Es ist zu befürchten, dass § 1600b Abs. 7 Satz 2 BGB-E im Hinblick auf das Wohl des Kindes kontraproduktiv wirkt. Denn muss der vermeintliche Vater befürchten, dass eventuell ein erneuter Fristbeginn hinsichtlich einer Anfechtung nach einer genetischen Untersuchung nicht in Frage kommt, weil die Folgen der Anfechtung - beispielsweise auf Grund einer intensiven Vater-Kind-Beziehung - das Kindeswohl erheblich beeinträchtigen, wird er sich in der Regel für eine möglichst frühzeitige genetische Untersuchung bzw. Anfechtung entscheiden - mit allen unerfreulichen Folgen für das Kindeswohl. Ebenso wird durch eine derartige Regelung die Fristberechnung unkalkulierbar, was dem Ziel von Fristen, Rechtssicherheit zu schaffen, widerspricht.

Auch auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007 (- 1 BvR 421/05 -, NJW 2007, 753) ist die Einführung einer Kindeswohlklausel im Sinne von § 1600b Abs. 7 Satz 2 BGB-E nicht geboten.

4. Zu Artikel 3 Nr. 1 (§ 49a Abs. 2a FGG)

In Artikel 3 Nr. 1 § 49a Abs. 2a ist das Wort "kann" durch das Wort "soll" zu ersetzen.

Begründung

Die Anhörung des Jugendamts erscheint im Hinblick auf das Kindeswohl in den Fällen der Ersetzung einer Einwilligung in eine genetische Untersuchung durchaus grundsätzlich erforderlich. Eine unzulässige Aufgabenübertragung des Bundes auf die Gemeinden im Sinne des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7 GG liegt nicht vor, da das Jugendamt schon gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Unterstützung des Familiengerichts verpflichtet ist.