Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Verbesserung der OLAF-Governance und Stärkung der Verfahrensgarantien bei OLAF-Untersuchungen - Ein schrittweiser Ansatz zur Begleitung der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft - COM (2013) 533 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 1022/98 = AE-Nr. 984346,
Drucksache 526/06 (PDF) = AE-Nr. 061417 und
Drucksache 631/13 (PDF) = AE-Nr. 130734

Europäische Kommission
Brüssel, den 17.7.2013
COM (2013) 533 final

1. Hintergrund:

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) wurde mit Beschluss der Kommission vom 28. April 1999 eingerichtet. Ziel war eine wirksamere Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die Interessen der Europäischen Gemeinschaft gerichteten rechtswidrigen Handlungen. Die Verordnungen (EG) Nr. 1073/1999 und (EURATOM) Nr. 1074/1999 des Rates sowie die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission vom 25. Mai 1999 legen fest, wie das OLAF seine Untersuchungen durchzuführen hat.

Die Interinstitutionelle Vereinbarung sieht vor, dass das OLAF in den drei Organen und in den anderen Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der EU unter den gleichen Bedingungen interne Untersuchungen durchführen kann.

Bei den externen Untersuchungsbefugnissen des OLAF handelt es sich vor allem um Befugnisse, welche der Kommission durch die Verordnungen (EG, Euratom) Nr. 2988/95 (Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften) und Nr. 2185/96 (Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten) übertragen wurden. Weiterhin wird das OLAF auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 515/97 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden tätig.

Seit der Einrichtung des OLAF wurde der Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union deutlich verbessert. Da sich im Laufe der Zeit herausstellte, dass es einer Verbesserung der OLAF-Governance bedurfte, legte die Kommission 2004 und 2006 zwei Gesetzgebungsvorschläge vor, die darauf abzielten, die bei OLAF-Untersuchungen geltenden Verfahrensgarantien, die in der Rechtsgrundlage von 1999 unzureichend geregelt waren, zu stärken.

2. Geänderte OLAF-Verordnung

Auf der Grundlage des Vorschlags der Kommission vom März 2011 und nach intensiven Verhandlungen wurde am 25. Februar 20131 vom Rat und am 3. Juli 2013 vom Europäischen Parlament2 die geänderte OLAF-Verordnung (einstimmig) angenommen.

Die geänderte Verordnung stellt auf die Stärkung der Verfahrensrechte in internen und externen Untersuchungen sowie auf die Förderung des Informationsaustausches zwischen dem OLAF und den EU-Organen und -Einrichtungen sowie den Behörden der Mitgliedstaaten ab und trägt somit zur Verbesserung der OLAF-Governance bei.

3. Vorgesehene Maßnahmen zur weiteren Konsolidierung des Rechtsrahmens

Die Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft wird die Art und Weise, wie gegen Betrug und andere illegale Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union ermittelt wird, erheblich verändern.

Künftig wird bei Verdacht auf eine Straftat, die in die Zuständigkeit der Europäischen

Staatsanwaltschaft fällt, diese in ihrer Funktion als Justizorgan ermitteln, und nicht mehr - wie es gegenwärtig der Fall ist - das OLAF, das mit administrativen Untersuchungen betraut ist. Diese Änderung wird zwangsläufig die Verfahrensgarantien der von einer Ermittlung betroffenen Personen erheblich stärken.

Der Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft sieht vor, dass bei jeder Ermittlung, die durch die Staatsanwaltschaft eingeleitet wird, alle bei Gerichtsverfahren üblichen Verfahrensgarantien gelten. Folglich muss die Europäische Staatsanwaltschaft bei einem Ermittlungsverfahren gegen einen Bediensteten einer EU-Institution gemäß Protokoll Nr. 7 der Verträge bei der betreffenden Institution die Aufhebung der Immunität der Person(en) beantragen, gegen die das Ermittlungsverfahren gerichtet ist (Artikel 19 des Verordnungsvorschlags zur Europäischen Staatsanwaltschaft). Diese Bestimmungen gelten auch für die Mitglieder der EU-Organe, einschließlich der Mitglieder des Europäischen Parlaments und der Kommission.

Außerdem wird die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsmaßnahmen gemäß Artikel 26 des Verordnungsvorschlags und im Einklang mit den nationalen strafrechtlichen Vorschriften über die betreffende Ermittlungsmaßnahme ergreifen. Für bestimmte, einen besonders starken Eingriff in die Grundrechte darstellende Ermittlungsmaßnahmen gemäß Artikel 26 (Durchsuchungen, Sicherstellungen, Telefonüberwachung, verdeckte Ermittlungen usw.) müssen alle Mitgliedstaaten sicherstellen, dass dafür eine vorherige Genehmigung der nationalen Justizbehörden eingeholt werden muss. Die von der Europäischen Staatsanwaltschaft angeordneten Ermittlungsmaßnahmen können nach dem betreffenden innerstaatlichen Strafprozessrecht einer gerichtlichen Überprüfung durch das zuständige Gericht unterzogen werden (Artikel 36 des genannten Verordnungsvorschlags). Die Mitgliedstaaten können in besonderen Fällen einen direkten gesetzlichen Schutz gegen eine Ermittlungsmaßnahme vorsehen, sodass deren Rechtmäßigkeit noch im Zuge der Ermittlungen, also bevor der Fall vor Gericht gebracht wird, geprüft werden kann.

Die geplante Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft wird zur Folge haben, dass dem OLAF bei mutmaßlichen Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union im Zusammenhang mit internen Angelegenheiten (d.h. mit Organen, Ämtern, Agenturen und sonstigen Einrichtungen der EU) eine begrenztere Rolle zukommt. Das Amt wird in diesen Fällen nur noch eine erste Bewertung der Stichhaltigkeit der ihm vorliegenden Behauptungen vornehmen. Es wird keine Untersuchungen mehr durchführen, kann aber auf Ersuchen der Europäischen Staatsanwaltschaft dieser Hilfestellung leisten (wie es bereits heute nationale Staatsanwaltschaften unterstützt). Diese Neuerung wird bewirken, dass die Ermittlungen beschleunigt und Überschneidungen von administrativen und strafrechtlichen Untersuchungen einund desselben Sachverhalts vermieden werden. Dies wiederum wird die Chancen auf eine erfolgreiche Strafverfolgung verbessern.

Diese grundlegende Verlagerung von administrativen Untersuchungen zu gerichtlichen Ermittlungen wird notwendigerweise auch eine Reihe von Änderungen der OLAF-Verordnung nach sich ziehen. Diese sollten zeitgleich mit der Verordnung über die Europäische Staatsanwaltschaft in Kraft treten. Die Kommission wird zu gegebener Zeit entsprechende Gesetzgebungsvorschläge vorlegen. Zusätzlich jedoch zu den Verbesserungen, die durch die gegenwärtige Reform erzielt werden, hält sie weitere systemische Verbesserungen der OLAF-Verordnung für angebracht, die sich an der Verordnung über die Europäische Staatsanwaltschaft orientieren: die darin festgeschriebenen Verfahrensgarantien lassen sich mutatis mutandis auf die administrativen Untersuchungen des OLAF übertragen. Insbesondere zwei zentrale Änderungen sollten ins Auge gefasst werden:

Die Stelle zur "Kontrolle der Verfahrensgarantien" würde verwaltungsmäßig der Kommission angegliedert werden und gemäß der geänderten OLAF-Verordnung Unabhängigkeit gegenüber dem OLAF, der Kommission und anderen EU-Einrichtungen genießen. Der/die Kontrollbeauftragte sollte von der Kommission für eine Amtszeit von fünf Jahren benannt werden; in das Verfahren sollte der OLAF-Überwachungsausschuss einbezogen werden. Der/die Kontrollbeauftragte sollte über einen juristischen Hintergrund sowie über langjährige Erfahrung und großer Expertise im Bereich der Grundrechte und des Strafrechts verfügen. Seine/ihre ausschließliche Aufgabe sollte es sein, dafür zu sorgen, dass die bei OLAF-Untersuchungen geltenden Verfahrensgarantien eingehalten und die Untersuchungen so zügig durchgeführt werden, dass unnötige Verzögerungen vermieden werden. Er/sie sollte aus eigener Initiative oder auf der Grundlage einer Beschwerde einer von einer Untersuchung betroffenen Person tätig werden können. Der/die Kontrollbeauftragte hätte die Pflicht, die Beschwerden zügig, aber auch in einem kontradiktorischen Verfahren zu behandeln. Seine/ihre Schlussfolgerungen wären für den Generaldirektor des OLAF formell nicht bindend, allerdings würde das OLAF nur im Wege eines mit Gründen versehenen Vermerks beschließen können, die Schlussfolgerungen des Kontrolleurs abzulehnen; dieser Vermerk wäre dem Abschlussbericht beizufügen, den das OLAF an die zuständigen Justizbehörden übermittelt. Der Generaldirektor des OLAF könnte den Kontrolleur/die Kontrolleurin zu allen Fragen im Zusammenhang mit Verfahrensgarantien - und insbesondere in Fällen, in denen die von einer Untersuchung betroffene Personen nicht informiert werden dürfen - zu Rate ziehen. Der/die Kontrollbeauftragte für Verfahrensgarantien muss über genügend Mitarbeiter verfügen, um seinen/ihren Pflichten zügig nachkommen zu können.

Diese neue Stelle würde nicht das gegenwärtige System der gerichtlichen Kontrolle der Untersuchungstätigkeiten des OLAF ersetzen, jedoch eine sinnvolle Ergänzung darstellen: Personen, die von Untersuchungen des OLAF betroffen sind, würden ein neues Rechtsmittel erhalten, so dass Verfahrensfehler, die dem OLAF vorgeworfen werden, weniger häufig von einzelstaatlichen Ermittlungsrichtern in der Hauptverhandlung bzw. im Falle von Schadensersatzklagen vom EU-Gericht geprüft werden müssten. Der/Die Kontrollbeauftragte würde die Einhaltung der Verfahrensgarantien in allen Untersuchungen prüfen, die vom OLAF eigenständig durchgeführt werden, unabhängig davon ob sie interner oder externer Art sind und unabhängig davon, ob finanzielle Interessen der Europäischen Union auf dem Spiel stehen oder nicht.

Die Funktion des/der Kontrollbeauftragten für Verfahrensgarantien muss von der Funktion des OLAF-Überwachungsausschusses klar abgegrenzt werden. Letzterer sollte auch weiterhin die Aufgaben wahrnehmen, die in der geänderten OLAF-Verordnung festgelegt sind. Dazu gehört die Überwachung systemischer Entwicklungen im Hinblick darauf, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (beispielsweise Einhaltung der Verfahrensrechte und angemessene Fallbearbeitungsfristen), wobei er nicht in laufende Ermittlungen eingreifen darf. Damit er/sie dieser Aufgabe nachkommen kann, sollte der/die Kontrollbeauftragte für Verfahrensrechte dem Überwachungsausschuss regelmäßig einen Überblick über seine/ihre Tätigkeit geben.

Zweitens sollten weitere und bessere Verfahrensgarantien für die mit einem besonders starken Eingriff in die Grundrechte einhergehenden Maßnahmen, die das OLAF bei internen Untersuchungen anordnen kann, also Durchsuchen von Büroräumen sowie Kopien und Verwahrung von Dokumenten oder Datenmedien, eingeführt werden. Diese Maßnahmen ähneln den Ermittlungsmaßnahmen "Durchsuchung und Sicherstellung". Dies ist die einzige Befugnis des OLAF, die funktional mit den in Artikel 26 der Verordnung der Europäischen Staatsanwaltschaft festgelegten einschneidenden Untersuchungsmaßnahmen vergleichbar ist. Alle anderen Ermittlungsbefugnisse, beispielsweise die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, sind allein der Europäischen Staatsanwaltschaft vorbehalten.

Indem in der OLAF-Verordnung bessere Verfahrensvorschriften festgelegt würden, würde dem objektiven Unterschied zwischen den Bediensteten der EU und den Mitgliedern der EU-Organe - d.h. den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, dem Präsidenten des Europäischen Rates, den Mitgliedern der Kommission, den Richtern und Generalanwälten der EU-Gerichte, den Mitgliedern des Rechnungshofes sowie den Mitgliedern der Entscheidungsgremien der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Zentralbank - Rechnung getragen, was angesichts ihrer besonderen Zuständigkeiten und der speziellen Art ihrer Ernennung nach Maßgabe der Verträge gerechtfertigt wäre, da sie sich darin von den Bediensteten unterscheiden, deren Rechte und Pflichten im Beamtenstatut festgelegt sind.

In den Fällen, in denen das OLAF beabsichtigt, seine Befugnis zur Durchsuchung der Büroräume von EU-Bediensteten und zum Kopieren von Dokumenten oder Datenmedien wahrzunehmen, wäre es verpflichtet, die vorherige Stellungnahme des/der Kontrollbeauftragten für Verfahrensgarantien einzuholen. Hätte der/die Kontrollbeauftragte Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme, so dürfte das OLAF die Maßnahme erst ergreifen, wenn es seine Gründe im Einzelnen in einem Vermerk dargelegt hat, der dem Abschlussbericht angehängt wird.

In den Fällen, in denen das OLAF beabsichtigt, seine Befugnis zur Durchsuchung der Büroräume von Mitgliedern einer EU-Institution und zum Kopieren von Dokumenten oder Datenmedien wahrzunehmen, wäre es verpflichtet, eine vorherige quasirichterliche Genehmigung einzuholen. Diese vom Generaldirektor zu beantragenden Genehmigungen müssten von jemandem erteilt werden, der über die Befähigung zur Ausübung richterlicher Tätigkeiten verfügt, im Idealfall einem ehemaligen Richter an den EU-Gerichten. Die betreffende Person sollte im Rahmen eines speziellen interinstitutionellen Verfahrens für den in der Verordnung festgelegten Zeitraum ernannt werden und in Teilzeit arbeiten. Sie sollte durch den/die Kontrollbeauftragten für Verfahrensgarantien und seinen/ihren Stab unterstützt werden.

4. Fazit

Die Kommission ist der Ansicht, dass ein schrittweises Vorgehen der beste Weg ist, um die OLAF-Governance weiter zu stärken und in seinen Untersuchungen bessere Verfahrensgarantien einzubauen.

Die Kommission begrüßt die Tatsache, dass als erster Schritt die überarbeitete OLAF-Verordnung in Kraft tritt.

In einem zweiten Schritt sollten nach Ansicht der Kommission weitere systemische Verbesserungen der OLAF-Verordnung in Betracht gezogen werden, die sich an den in der Verordnung über die Europäische Staatsanwaltschaft vorgesehenen Verfahrensgarantien orientieren, die auf die administrativen Untersuchungen des OLAF übertragbar sind und noch vor der Einrichtung der Staatsanwaltschaft zum Tragen kommen können. Zwei wesentliche Verbesserungen wären zum einen eine genauere rechtliche Überprüfung von Untersuchungsmaßnahmen durch eine unabhängige Stelle zur Kontrolle der Verfahrensgarantien und zum anderen solidere Verfahrensgarantien für durchsuchungs- und sicherstellungsähnliche Maßnahmen, deren Durchführung das OLAF in EU-Organen und -Einrichtungen anordnet. Die Kommission wird außerdem diejenigen Änderungen der OLAF-Verordnung vorschlagen, die wegen der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft erforderlich sind. Diese Änderungen sollten zeitgleich mit der Verordnung der Europäischen Staatsanwaltschaft in Kraft treten. Dass Reformpaket bedeutet eine Systemänderung - Verlagerung von administrativen Untersuchungen zu strafrechtlichen Ermittlungen -, eine tiefgreifende Änderung der Art und Weise, wie Ermittlungen zur Bekämpfung von Betrug und anderen illegalen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union geführt werden und nicht zuletzt eine erhebliche Stärkung der Verfahrensgarantien.

Finanzbogen

Der Finanzbogen befindet sich im PDF-Dokument.