Punkt 17 der 805. Sitzung des Bundesrates am 5. November 2004
Der Bundesrat möge beschließen, die Entschließung wie folgt zu fassen:
"Entschließung zur Bekämpfung des Menschenhandels
Der Menschenhandel stellt eine besonders widerwärtige Form der professionellen, häufig Organisierten Kriminalität dar. Menschenhandel steht meist im Zusammenhang mit Prostitution. Opfer sind vor allem Frauen und Mädchen. Der Bundesrat beobachtet mit Sorge, dass die ohnehin schon gewaltigen Dimensionen dieses typischerweise grenzüberschreitenden Verbrechens noch im Zunehmen begriffen sind.
Zur Eindämmung des Menschenhandels ist eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse in den Heimatländern der Opfer geboten. Erforderlich sind darüber hinaus Maßnahmen der Prävention und eine enge Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen. Die Länder haben auf diesem Gebiet erhebliche Anstrengungen unternommen.
Klar ist, dass auch das Strafrecht seinen Beitrag zu leisten hat. Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen bedürfen der Verbesserung.
Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass der Deutsche Bundestag am 28. Oktober 2004 ein Gesetz zur Novellierung der Strafvorschriften gegen den Menschenhandel verabschiedet hat (... Strafrechtsänderungsgesetz - §§ 180b, 181 StGB (... StrÄndG)). Er bedauert, dass Bundesregierung und Koalition die Länder - wie schon bei anderen kriminalpolitischen Vorhaben der jüngsten Vergangenheit - nicht an den gesetzgeberischen Vorarbeiten beteiligt haben.
Der Bundesrat stellt fest, dass der Deutsche Bundestag entgegen dem Koalitionsentwurf in BT-Drs. 015/3045 die gegenwärtig in § 180b Abs. 2 Nr. 2 StGB enthaltene Schutzaltersgrenze nicht von 21 Jahren auf 18 Jahre abgesenkt hat. Damit ist einem Anliegen des Bundesrates entsprochen.
Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass der Gesetzesbeschluss eine Reihe gravierender Mängel und Defizite aus dem Koalitionsentwurf übernommen hat. Namentlich Folgendes ist zu nennen:
- 1. Der eigentliche "Menschenhandel", nämlich vor allem der "Verkauf" von Menschen und die damit verbundene Degradierung des Menschen zur Handelsware ist im Gesetzesbeschluss nicht spezifisch unter Strafe gestellt. Dies erscheint nicht hinnehmbar.
- 2. Die Regierungskoalition hat im Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 die Strafvorschrift der Förderung der Prostitution (§ 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.) ersatzlos aufgehoben. Sie hat damit von der Bordell- und Zuhälterszene den Druck der Strafverfolgung genommen. Die Strafverfolgungsbehörden haben keine zureichenden Ermittlungsansätze mehr, um in die Bordell- und Zuhälterszene einzudringen und die Opfer des Menschenhandels effektiv vor Ausbeutung zu schützen. Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, das alte Recht wieder in Kraft zu setzen.
- 3. Darüber hinaus hält es der Bundesrat für erforderlich, den mit dem Prostitutionsgesetz in den Straftatbestand des § 181a Abs. 2 StGB aufgenommenen einschränkenden Vorbehalt der Beeinträchtigung der persönlichen oder wirtschaftlichen Unabhängigkeit zu streichen. Dieser Vorbehalt wird der tatsächlichen Situation der Prostituierten, die zumeist durch Zwangslagen gekennzeichnet ist, nicht gerecht. Eine Unterscheidung zwischen "positiver und negativer Zuhälterei" ist daher nicht gerechtfertigt.
Der Bundesrat wird diese Anliegen weiterverfolgen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Deutsche Bundestag hat am 28. Oktober 2004 auf Grund der Beschlussempfehlung und des Berichts seines Rechtsausschusses in BT-Drs. 015/4048 das Strafrechtsänderungsgesetz - §§ 180b, 181 StGB (... StrÄndG) verabschiedet und dabei einen geringen Teil der Anliegen der Entschließung in der Fassung der Ausschussempfehlungen aufgegriffen. Die Neufassung des Entschließungstextes nimmt die notwendigen Aktualisierungen vor.
Darüber hinaus verzichtet sie auf die in Ziffer 1 des ursprünglichen Entschließungsantrags geforderte "Freierstrafbarkeit". Zwar muss der Schutz der Opfer des Menschenhandels ein staatliches Anliegen sein. Dies erfordert aber eine effektive strafrechtliche Verfolgung der Menschenhändler sowie die ständige Überprüfung, ob das gesetzliche Instrumentarium zur Bekämpfung des Menschenhandels verbessert werden kann. Nicht zielführend, sondern eher kontraproduktiv erscheint demgegenüber der Weg, die Strafbarkeit auf die "Freier" der betroffenen Prostituierten auszudehnen. Ein solcher Straftatbestand würde mindestens voraussetzen, dass es sich bei der Prostituierten um das Opfer eines Menschenhändlers handelt und dass der "Freier" diesen Umstand kennt. Beides müsste durch die Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden. Es ist nach den polizeilichen Erfahrungen abzusehen, dass dieser Ansatz dazu führen würde, die Ermittlungsressourcen zu zersplittern, ohne eine Verurteilung der "Freier" zu erreichen. Wer die Dienste einer ausländischen Prostituierten in Anspruch nimmt, hat in aller Regel keine Kenntnis von deren Lebensumständen. Ob dies auch im konkreten Einzelfall zutrifft, müsste aber bei Schaffung eines entsprechenden Straftatbestands immer in einem Ermittlungsverfahren gegen die Kunden der Menschenhandelsopfer geprüft werden. Dadurch würden Ermittlungskapazitäten für Abklärungen gebunden, deren negatives Ergebnis absehbar ist. Zugleich würden diese Ermittlungskapazitäten bei der Verfolgung der Menschenhändler fehlen.