Der Bundesrat hat in seiner 954. Sitzung am 10. März 2017 beschlossen, zu dem Jahreswirtschaftsbericht 2017 der Bundesregierung gemäß § 2 Absatz 1 StabG wie folgt Stellung zu nehmen:
Projektion der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Entwicklung
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer soliden Verfassung befindet. Weiterhin kommen wesentliche Nachfrageimpulse von den staatlichen und privaten Konsumausgaben. Darüber hinaus tragen die Wohnungsbauinvestitionen zur aktuellen wirtschaftlichen Dynamik bei. Insbesondere schlägt sich der kontinuierlich fortschreitende Beschäftigungsaufbau, vor allem im Dienstleistungssektor, in einer soliden Binnenkonjunktur nieder. Aufgrund steigender verfügbarer Einkommen der privaten Haushalte profitieren die Menschen direkt von der guten wirtschaftlichen Lage. Begünstigt wird der aktuelle konjunkturelle Aufschwung vom niedrigen Zinsniveau und leicht expansiv wirkenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit ihrem Jahreswirtschaftsbericht dem inklusiven Wachstum ein großes Gewicht einräumt. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung dabei, auch weiterhin für die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft einzutreten und soziale Teilhabe aller Menschen als zentrales politisches Ziel zu verfolgen.
- 3. Trotz eines sich zuletzt moderat aufhellenden weltwirtschaftlichen Umfelds, resultieren die aktuellen wirtschaftlichen Risiken insbesondere aus Unsicherheiten internationaler Entwicklungen. Dazu zählen beispielsweise nach wie vor ungelöste geopolitische Konflikte, protektionistische Tendenzen in wichtigen Ländern, wie den USA, und erhebliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit den anstehenden Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Ebenso bestehen Risiken auf Grund möglicherweise erneut auftretender Schwierigkeiten auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten und einer nach wie vor schwachen Entwicklung des Welthandels.
- 4. Im Ergebnis erwartet die Bundesregierung für 2017 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland von 1,4 Prozent. Die Erwartung einer etwas geringeren Wachstumsrate als in 2016 ist maßgeblich mit einer geringeren Anzahl an Arbeitstagen und einem negativen Außenhandelsbeitrag zu erklären.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass, um auch in der langen Frist die gute wirtschaftliche Dynamik zu erhalten, heute insbesondere zukunftsträchtige Investitionen des Staates und von Unternehmen notwendig sind. Nur mit zusätzlichen Ausgaben für Verkehr, Digitalisierung und Bildung lässt sich langfristig der Wohlstand für alle Menschen sichern. Dazu gehört auch, dass der Staat seinen vorhandenen finanziellen Spielraum nutzt, um zusätzliche Investitionen in Infrastruktur zu realisieren. Finanzpolitik nachhaltig ausrichten, Länder und Kommunen stärken
- 6. Der Bundesrat begrüßt die Einigung zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sowie die Bereitschaft des Bundes, sich weiterhin und in stärkerem Maße finanziell für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet einzusetzen. Auch die Länder zeigen angesichts der nach wie vor bestehenden Disparitäten durch den umfangreichen horizontalen Finanzkraftausgleich weiterhin Solidarität untereinander. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass die Neuordnung dazu beitragen wird, dass alle Länder die Vorgaben der Schuldenbremse ab 2020 einhalten können.
- 7. Der Bundesrat begrüßt das Bekenntnis der Bundesregierung zur Fortführung der Unterstützung strukturschwacher Regionen und teilt ihre Auffassung, dass sich die regionale Strukturpolitik zukünftig an deutschlandweit einheitlichen Kriterien ausrichten muss. Wichtige Ansatzpunkte sind dabei u.a. die Stärkung der Innovationskraft der Wirtschaft und der Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten. Nach Auffassung des Bundesrates muss ein zukünftiges Fördersystem Spielräume für die Gestaltung spezifischer Strategien vorsehen, die sich an den jeweiligen regionalen Strukturproblemen ausrichten. Darüber hinaus sollte es eng mit der Kohäsionspolitik der Europäischen Union abgestimmt sein.
Gute Rahmenbedingungen für unternehmerische Initiative - breite Teilhabe an Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft
- 8. Der Bundesrat begrüßt das mit der 9. GWB-Novelle angestrebte Ziel einer zeitgemäßen Gestaltung des Wettbewerbsrechts, der Berücksichtigung ökonomischer Besonderheiten der zunehmenden Digitalisierung der Märkte und die Schließung von Rechtslücken. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegt einer ständigen Anpassung an wechselnde marktwirtschaftliche Gegebenheiten. Der Bundesrat befürwortet es, den Wettbewerb als maßgeblichen Katalysator für Innovation, Wachstum und Verbrauchernutzen zu schützen.
- 9. Der Bundesrat begrüßt die im April 2016 in Kraft getretene Reform des Vergaberechts, welche die EU-Vergaberichtlinien fristgerecht in deutsches Recht umsetzte. Dadurch wird die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen oberhalb der EU-Schwellenwerte umfassend modernisiert. Auch der Bundesrat sieht in dem neuen Vergaberecht die Möglichkeit für flexiblere Verfahren und zudem erhebliche Einsparpotenziale gleicherweise für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber, zum Beispiel im Hinblick auf die elektronische Auftragsvergabe. Die strukturelle Neuerung der Vergaberegelungen trägt zur Vereinfachung des komplexen deutschen Kaskadensystems und damit zur Rechtssicherheit bei. Gleichwohl wird auf den Beschluss des Bundesrates vom 18.03.2016 (BR-Drucksache 087/16 (PDF) - Ziffer 2 und 3), mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine weitere Vereinheitlichung und Vereinfachung auch nach Inkrafttreten der Reform anzustreben, hingewiesen. Der Bundesrat begrüßt auch das Bestreben der Bundesregierung, die Änderungen - soweit möglich - auch auf die unterhalb der EU-Schwellenwerte liegenden Auftragsvergaben zu übertragen. Der Bundesrat sieht der angekündigten Prüfung der Einführung eines bundesweiten zentralen Registers für 2017, in das Verstöße gegen bestimmte Rechtsvorschriften, die Unternehmen zurechenbar sind, eingetragen werden sollen, mit Interesse entgegen.
- 10. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die Aktivitäten zum sinnvollen und effektiven Bürokratieabbau sowie für eine bessere Rechtsetzung. Auf diesem Weg gilt es weiterhin, Bürokratie schon im Vorfeld zu vermeiden, Potentiale zu identifizieren und durch strikte Maßnahmen den Bürokratieabbau zu nutzen. Dazu sind die betroffenen Wirtschaftsakteure in einen kontinuierlichen Dialog einzubinden und die Anstrengungen bei der Auslotung konstruktiver Lösungen zu intensivieren. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung durch geeignete Maßnahmen, das "Arbeitgeberportal Sozialversicherung" in den Ländern bei den Nutzern auf vielfältige Weise auf eigenen Portalen zu vernetzten und bittet die Bundesregierung darum, das Portal weiterhin anwenderfreundlich und transparent auszugestalten.
- 11. Start-ups und junge Unternehmen sind wichtige Impulsgeber für Innovationen und Wettbewerb. Der Bundesrat begrüßt die Verbesserungen bei Beratungen und Förderungen sowie insbesondere den Ausbau des Angebotes an Wagniskapital für diese Zielgruppe.
- 12. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Deutschland zu einem Spitzenreiter der digitalen Infrastruktur zu machen. Der Bundesrat unterstützt dieses Ziel. Er begrüßt die Bereitstellung von Bundesmitteln im Rahmen des Förderprogramms für den Breitbandausbau und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern zur Schaffung eines zukunftsfähigen Breitbandnetzes in Deutschland, z.B. im Rahmen des Förderbeirats. Der nächste Schritt muss auf den Ausbau von Gigabitnetzen ausgerichtet sein. Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist vor allem der Ausbau solcher Netze in Wirtschafts- und Außenhandelszentren von großer Bedeutung. Der Sonderaufruf für die Gigabit-Anbindung von Gewerbegebieten sowie die Verabschiedung des DigiNetzGesetzes deuten in die richtige Richtung. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine enge Abstimmung des Bundes mit den Ländern und Kommunen weiterhin erforderlich ist. Nur so ist es möglich, die rechtliche Rahmengebung effektiv umzusetzen und zu nutzen sowie Fördermaßnahmen sinnvoll aufeinander abzustimmen. Gemeinsam muss eine Strategie zur Schaffung einer flächendeckenden, hochleistungsfähigen und zukunftsweisenden digitalen Infrastruktur erarbeitet werden, deren Perspektive über das Jahr 2020 hinausreicht.
- 13. Die nächste Mobilfunkgeneration 5G verspricht eine Ankertechnologie für die Digitalisierung vieler Gesellschaftsbereiche zu werden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Länder wichtige Partner bei der Ausrichtung von Standardisierungsstrategien und der Technologie-Einführung, insbesondere dem erforderlichen Infrastrukturausbau sein werden.
- 14. Der Bundesrat begrüßt die wichtigen Maßnahmen des Bundes zum Aufbau einer Struktur für die Gewährleistung der IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen in Deutschland. Auch in diesem Regelungsbereich ist ein enger Dialog des Bundes mit den Ländern sinnvoll, um die eingeleiteten Prozesse zu vermitteln und die Kompetenzen der Länder einbeziehen zu können.
- 15. Die Potenziale von Industrie 4.0 gilt es bestmöglich zu nutzen. Die Förderung anwendungsbezogener Forschungsprojekte, der Dialog in der Plattform Industrie 4.0 sowie insbesondere die 4.0-Kompetenzzentren bilden wertvolle Unterstützungsansätze bei der Digitalisierung in Mittelstand und Handwerk, an deren Verstetigung gearbeitet werden sollte.
- 16. In Deutschland sollte angestrebt werden, möglichst schnell FuE-Ausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des BIP zu realisieren. Dazu bedarf es bestmöglicher Rahmenbedingungen und des Abbaus von Investitionshemmnissen für private FuE-Investitionen. Neue Impulse für die Forschung und Entwicklung werden ausdrücklich begrüßt. Es wird davon ausgegangen, dass die Bündelung der Aktivitäten des Bundes in der Hightech-Strategie, die Ausweitung des Innovationsbegriffes um soziale und gesellschaftliche Dimensionen von Innovationen, die Förderung des Mittelstands mit technologieoffenen Programmen, die Unterstützung bei der Verbreitung der Elektromobilität sowie die Förderung von Forschung und Investitionen in der Mikroelektronik und von Open Data wertvolle Beiträge zu dieser Zielsetzung liefern können. Der Einsatz zusätzlicher Investitionen in Forschung und Innovation sollte geprüft werden.
Arbeitswelt zeitgemäß und fair ausgestalten
- 17. Der Jahreswirtschaftsbericht 2017 der Bundesregierung zeigt die außerordentlich positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr auf. Die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern ist dabei besonders stark zurückgegangen. Wesentlich dazu beigetragen hat der Aufbau von Beschäftigung, insbesondere der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften hat zuletzt auch zu einem weiteren Anstieg der Reallöhne beigetragen.
- 18. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat zu dem Anstieg der Reallöhne beigetragen, insbesondere für die niedrigen Einkommensgruppen. Dieser Effekt ist in den ostdeutschen Ländern besonders stark zu spüren. Die teilweise befürchteten negativen Auswirkungen auf das Beschäftigungsniveau sind nicht eingetreten. Der gesetzliche Mindestlohn hat bereits nach kurzer Zeit eine stabilisierende Orientierungsfunktion auf das Lohngefüge übernommen und ermöglicht Menschen mit niedrigen Einkommen auch die Teilhabe an der Einkommensentwicklung.
- 19. Das Ziel der Politik bleibt es, die Rolle der Tarifverträge als Teil einer sozialpartnerschaftlichen Wirtschafts- und Sozialordnung zu stärken.
- 20. Die richtige Balance zwischen der notwendigen Flexibilität des Arbeitsmarktes in einem globalisierten Wettbewerbsumfeld und der ebenso notwendigen sozialen Sicherheit und Teilhabe bleibt auch weiterhin die zentrale gestalterische Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik. Die Prinzipien von Guter Arbeit dienen dabei als Leitlinie. Dies kann nur durch intelligente Formen organisierter Solidarität und gelebten gesellschaftlichen Ausgleichs erreicht werden.
- 21. Ungeachtet der robusten Arbeitsmarktentwicklung gilt es, die nach wie vor bestehenden Probleme anzugehen. Einer weiteren Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit muss nicht zuletzt mit Blick auf die Auswirkungen auf Kinder in betroffenen Familien verstärkt entgegengewirkt werden. Die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bietet gerade jetzt die Chance, auch arbeitsmarktferne Arbeitslose zunächst zu aktivieren und dann erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
- 22. Der Bundesrat begrüßt die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen, insbesondere das Programm "Soziale Teilhabe" als wichtigen Schritt zur Aktivierung von Langzeitarbeitslosen.
- 23. Die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive stellt eine besondere Herausforderung, aber auch Chance dar. Die insgesamt feststellbaren Qualifikationsdefizite und die sprachlichen Hürden bei vielen geflüchteten Menschen machen eine pragmatische Herangehensweise notwendig, die Qualifizierung, Spracherwerb, und Integration in Ausbildung und Beschäftigung flexibel kombiniert.
- 24. Ungeachtet der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt müssen auch die anstehenden Veränderungen, die unter den Schlagworten Digitalisierung und "Arbeit 4.0" diskutiert werden, als Gestaltungsauftrag angenommen werden. Die mit "Arbeit 4.0" verbundenen Prozesse sind bereits in kleinen, aber schnell wachsenden wirtschaftlichen Bereichen erkennbar. Damit technischer Fortschritt auch gesellschaftlichen Fortschritt ermöglicht, muss es im Kern darum gehen, auch für die digitalisierte Arbeitswelt Standards zu finden, zu definieren und durchzusetzen. Die Prinzipien von Guter Arbeit sind auch für Gute Digitale Arbeit anzuwenden.
- 25. Trotz verschiedener Szenarien und einer Vielzahl von Untersuchungen lässt sich derzeit nur schwer abschätzen, in welche Richtung der digitale Wandel der Arbeitswelt geht und welche beschäftigungs- und sozialpolitischen Veränderungen in den kommenden Jahren eintreten werden. Der von der Bundesarbeitsministerin angestoßene Dialogprozess für ein Weißbuch "Arbeit 4.0" mit den zentralen gesellschaftlichen Kräften wird daher als richtungsweisend gewürdigt und sollte weitergeführt werden.
Soziale Sicherung zielgerichtet und kostenbewusst gestalten
- 26. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass der hohe Beschäftigungsgrad nicht nur maßgeblich zur Chancengleichheit und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme leistet. Der Bundesrat unterstützt die Bestrebungen der Bundesregierung die Finanzierung der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung dauerhaft tragfähig auszugestalten und dabei die intergenerationale Gerechtigkeit nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 71 Jahre, wie in einer Simulation vom Sachverständigenrat berechnet, wird vom Bundesrat abgelehnt.
- 27. Das Ziel der Bundesregierung, die zweite und dritte Säule der Alterssicherung zu stärken, wird durch den Bundesrat ausdrücklich unterstützt. Das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz leistet einen Beitrag zur stärkeren Teilhabe von Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen an der betrieblichen Altersvorsoge. Zudem begrüßt der Bundesrat, dass zukünftig in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein Freibetrag für die betriebliche und private Altersvorsorge gelten soll.
- 28. Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen, die Auswirkungen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die Notwendigkeit, Pflegekräfte angemessen zu bezahlen, führen zu steigenden Kosten in der Pflege. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Bundesrat die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds, um zukünftige Beitragssatzsteigerungen abzumildern. Daneben ist es aus Sicht des Bundesrates unabdingbar, die Fachkräftesituation in der Pflege weiter zu verbessern. Hierfür ist der Bedarf an motivierten und qualifizierten Fachkräften durch gute Arbeit in der Pflege sicherzustellen.
Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger: Die Herausforderungen meistern
- 29. Zu Recht weist die Bundesregierung auf die aktuellen Herausforderungen hin, die insbesondere der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, die teilweise verhaltene wirtschaftliche Entwicklung in einigen Mitgliedstaaten des Euroraums und die Flüchtlingsmigration mit sich bringen. Diese Ereignisse bzw. der Umgang mit ihnen zeigen deutlich, dass das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union geschwächt ist, weil es ihr teilweise schwer fällt, konkrete Lösungen zu bestimmten Problemen zu entwickeln. Die Zuversicht der Bürgerinnen und Bürger in den Mehrwert gemeinsamer europäischer Lösungen gilt es wieder zu stärken.
- 30. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass dieses Ziel der Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in die EU insbesondere durch die Beschränkung der Europäischen Kommission auf die wesentlichen gesamteuropäischen Aufgaben erreicht werden kann. Mit ihrem neuen Arbeitsprogramm für das Jahr 2017 zeigt die Kommission bereits, dass sie sich nicht in Detailregulierungen verlieren, sondern den Grundsatz der Subsidiarität stärker wahren möchte. Die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips bei gleichzeitiger Revision von Vorschriften und Gesetzen zum Abbau von bürokratischen Hindernissen wird ausdrücklich begrüßt.
- 31. Andererseits müssen weitere Strukturreformen in den Bereichen Migration, innere und äußere Sicherheit sowie Wirtschaft und Jugendbeschäftigung verfolgt werden, um den Herausforderungen für die Europäische Union in 2017 und den nachfolgenden Jahren gerecht zu werden. Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass die aktuell diskutierte Europäische Säule sozialer Rechte ein wichtiges Instrument im Zusammenhang mit den strukturellen Reformen ist. Die Stärkung der sozialen Dimension Europas kann dabei unterstützen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen.
- 32. Der Bundesrat unterstützt die Ziele der Investitionsoffensive für Europa, mit Hilfe einer Förderung von Investitionen Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union zu fördern. Das Kernelement ist der bei der EIB angesiedelte Europäische Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), mit dessen Hilfe zusätzliche private und öffentliche Mittel für strategische Investitionen aktiviert werden sollen.
- 33. Die Laufzeit des EFSI sowie das Volumen sollen aktuell ausgeweitet werden, um die wirtschaftliche Entwicklung in der Union weiter zu unterstützen. Hierbei ist aus Sicht des Bundesrates streng darauf zu achten, dass das Kriterium der Additionalität der Investitionsprojekte erfüllt ist. Der Bundesrat lehnt geografische oder sektorale Quoten für geförderte Projekte ab.
- 34. Bei dem von der Bundesregierung zutreffend dargestellten Zusammenhang zwischen Auflagen für Stabilitätshilfen und den entsprechenden Reformen wird deutlich, dass die Anwendung des Europäischen Stabilitätsmechanismusses (ESM) für das jeweilige Programmland eine zumeist schmerzhafte Gratwanderung bedeutet Gerade am Beispiel Griechenland lässt sich erkennen, dass die Unterstützung von Reformbemühungen durch den ESM nur begrenzt wirkt. Längerfristig ist fraglich, ob die bisherigen Instrumente ohne eine stärkere Koordinierung der Haushalts- und Fiskalpolitik in der gesamten Eurozone in der Lage sein können, die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Staaten des Euroraums auszugleichen.
- 35. Die bisherigen im Rahmen der Bankenunion beschlossenen Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität im Bankensektor sind zu begrüßen. Sie adressieren allerdings ein Kernproblem des Bankensektors in der Eurozone nicht, nämlich die hohen Bestände an notleidenden Krediten in vielen Mitgliedstaaten. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass für eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme nach wie vor die erforderlichen Voraussetzungen fehlen. Wie im Beschluss des Bundesrats vom 29. Januar 2016 dargelegt (BR-Drucksache 640/15(B) ), würde dies massive Fehlanreize entstehen lassen und das Vertrauen in die Sicherheit der Spareinlagen nachhaltig beschädigen. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die politischen Verhandlungen über eine Vergemeinschaftung erst dann führen möchte, wenn der Abbau von Risiken in den Bankbilanzen ausreichend und effektiv vorangeschritten ist.
- 36. Der Bundesrat stimmt der Ansicht der Bundesregierung zu, dass weitere Maßnahmen, wie die Harmonisierung der nationalen Insolvenzrechtsordnungen oder die Schaffung von Verlustpuffern zur leichteren Abwicklung von Banken, nun auf den Weg gebracht werden sollten. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, alle Versuche zur Umgehung des "Bailin"-Prinzips bei der Sanierung und Abwicklung von Banken zurückzuweisen und sich für eine adäquate finanzielle Ausstattung des Einheitlichen Abwicklungsfonds in Höhe des bisherigen Zielwerts von 55 Milliarden Euro einzusetzen.
- 37. Der Bundesrat bekräftigt im Rückblick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009, welche gravierenden Auswirkungen eine Immobilienblase und die Insolvenzen großer Kreditinstitute auf die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft haben können. Vor diesem Hintergrund werden die von der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 2017 dargelegten Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens für die Finanzmärkte begrüßt. Diese Maßnahmen können wesentlich zur Finanzmarktstabilität beitragen, die auch eine Voraussetzung für nachhaltiges und inklusives Wirtschaftswachstum ist.
- 38. Der Bundesrat weist darauf hin, dass von der Lösung aktueller politischer Herausforderungen innerhalb der Europäischen Union und der derzeit unsicheren politischen Entwicklungen in den USA auch die Möglichkeiten der Fortentwicklung einer global harmonisierten, effektiven und effizienten Regulierung der Finanzmärkte abhängen. Es gibt erste Anzeichen, dass sich die USA und Großbritannien bereits aus den Gesprächen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zurückzuziehen und eine schwächere Regulierung der Finanzmärkte anstreben. Ohne die USA wird es jedoch kaum möglich sein, "Basel III/IV" fortzuentwickeln. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass es vor diesem Hintergrund nicht zu einem Rückbau des erreichten Ordnungsrahmens für die Finanzmärkte kommt.
Internationale Wirtschaftsbeziehungen weiterentwickeln
- 39. Der Bundesrat stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass sich grundsätzlich das breite Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung bewährt hat und eine gute Ergänzung zu den Instrumenten der Landespolitik besteht. Dies gilt insbesondere für die Finanzierungs- und Absicherungsinstrumente. Die Anstrengungen der Bundesregierung, die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen bei strategischen Großprojekten mit einem Maßnahmenbündel zu unterstützen, werden positiv eingeschätzt. Gerade die Entwicklungen im asiatischen Raum zeigen die Notwendigkeit solcher Instrumente, um deutsche Unternehmen an den wirtschaftlichen Entwicklungen partizipieren zu lassen.
- 40. Die G20 werden unter deutscher Präsidentschaft eine Diskussion über die Chancen und Risiken der Globalisierung anstoßen. Der Bundesrat hält die weltweite Diskussion über die Herausforderungen der Globalisierung für notwendig und begrüßt, dass neben den klassischen Themen Wachstum, Handel, Finanzierung und internationaler Steuerkooperation verstärkt auch weitere Themen wie Klima und Energie, Digitalisierung, Beschäftigung und die Stärkung der Stellung der Frau Berücksichtigung finden. Die Zielrichtung ist, die Widerstandsfähigkeit der G20- Volkswirtschaften zu erhöhen.
- 41. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass eine ökologisch und sozial nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Partnerländern gemeinsam mit der Wirtschaft verfolgt werden sollte. Multi-Stakeholder-Prozesse, an denen sich Unternehmen freiwillig auf Grundlage ihrer gesellschaftlichen Verantwortung beteiligen, können ein geeigneter Ansatz sein, um die ökologischen und sozialen Bedingungen in der Lieferkette zu verbessern. Solche Prozesse auf Bundesebene sollten in weiteren Branchen angestoßen und mit bereits vorhandenen Initiativen auf Länderebene verzahnt werden. Dabei sollten auch kleine und mittlere Unternehmen berücksichtigt werden.
- 42. Der Bundesrat begrüßt die Erwartung der Bundesregierung, dass deutsche Unternehmen sich bei ihren Auslandsaktivitäten an Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards halten und Korruption bekämpfen. Zugleich spricht der Bundesrat sich für pragmatische Unterstützungsangebote auf Bundes- und Länderebene aus, die die Vielzahl an staatlichen Erwartungen und Empfehlungen auf die für Unternehmen wesentlichen Aspekte reduzieren und in die Unternehmenspraxis übersetzen. Eine derartige Unterstützung sollte auf Bundeswie Landesebene angeboten werden.