Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Wahlrechtsmittels in die Strafprozessordnung

A. Problem

B. Lösung

C. Alternativen

Der Vorschlag der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Annahmeberufung durch den Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BR-Drs. 660/06 (PDF) ) erfasst lediglich einen Teilbereich der notwendigen Reform im Strafverfahren und geht daher nicht weit genug.

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Wahlrechtsmittels in die Strafprozessordnung

Ministerium für Justiz, Kiel, den 25. Juni 2007
Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

die schleswigholsteinische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 19. Juni 2007 beschlossen dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten


mit der Bitte zuzuleiten, die Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 Grundgesetz zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 835. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2007 zu setzen.


Mit freundlichen Grüßen
Uwe Döring
Minister

Anlage Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Wahlrechtsmittels in die Strafprozessordnung

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

§ 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt gefasst:

Artikel 3
Inkrafttreten

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

Durch die Einführung des Wahlrechtsmittels wird der Widerspruch beseitigt, dass nach geltendem Recht bei Verfahren, die beim Amtsgericht ihren Ausgang nehmen, drei Instanzen zur Verfügung stehen, bei Sachen, die erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt werden und damit in der Regel schwerwiegender sind, aber nur zwei. Gleichzeitig sollen aber die Vorteile des geltenden Rechtsmittelsystems in Strafsachen gewahrt bleiben. Bewährt hat sich insbesondere, dass eine große Zahl von Strafverfahren vor dem Amtsgericht rechtskräftig erledigt wird, ohne dass das amtsgerichtliche Verfahren aufwändig wäre. Entscheidend ist dabei das Bewusstsein aller Beteiligten, durch eine Einlegung der Berufung ggf. erreichen zu können, dass vor dem Landgericht eine vollständige neue Hauptverhandlung durchgeführt wird. Das führt dazu, dass die große Masse der Verfahren vor dem Amtsgericht verfahrensökonomisch erledigt werden kann. Hauptvorteil des Wahlrechtsmittels ist es, dass sich hieran nichts ändert.

Im Jugendstrafrecht hat sich das Wahlrechtsmittel seit langem bewährt; mit dem Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht ist das Wahlrechtsmittel nach § 55 Abs. 2 JGG nicht so eng verknüpft, dass dies einer Übernahme in das allgemeine Strafverfahren entgegenstünde.

Der Einwand, dass das Wahlrechtsmittel zu einer größeren Belastung bei den Amtsgerichten führen könnte, weil diese sich mehr als bisher gezwungen sehen könnten ihr Urteil "revisionssicher" abzufassen, greift nach den Erfahrungen im Jugendstrafrecht nicht durch. In aller Regel wird es für den Rechtsmittelführer attraktiver sein Berufung und nicht Revision einzulegen. Ein weiterer Vorteil des Wahlrechtsmittels dürfte es sein, dass in der Berufungsinstanz für den Berufungsführer der Anreiz zu solchen Anträgen entfällt, die lediglich den Boden für eine Revision bereiten sollen. Die Einführung des Wahlrechtsmittels wird im Übrigen rasch wirksam weil sie nicht mit Komplikationen organisatorischer und rechtlicher Art verbunden ist.

Gegen die Möglichkeit der Wahlrevision im Anwendungsbereich der Annahmeberufung könnte sprechen, dass in diesem Falle der Angeklagte möglicherweise bestrebt ist verstärkt Revision einzulegen, um den Schwierigkeiten der Annahmeberufung auszuweichen. Aus diesem Grunde wurde in Artikel 2 Nr. 34 des Gesetzentwurfs des Bundesrates für ein Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz (Justizbeschleunigungsgesetz) (BT-Drs. 015/1491) diese Möglichkeit im Bereich der Annahmeberufung ausgeschlossen. Es ist jedoch kein zwingender Grund dafür ersichtlich, die Rechtsmittelmöglichkeiten im Bereich der erstinstanzlichen Verurteilungen, die berufungsrechtlich annahmepflichtig sind, noch weiter einzuschränken, um eine vermeintlich stärkere Inanspruchnahme des Revisionsgerichts in diesem Bereich zu vermeiden. Ein stärkeres Ausweichen auf das Rechtsmittel der Revision ist nicht mit Sicherheit zu erwarten, da in vielen Fällen auf Grund des höheren Begründungsaufwandes zumindest bei der revisionsrechtlichen Verfahrensrüge sowie auf Grund der insgesamt geringeren Erfolgsquote der Revision diese trotz des Annahmeerfordernisses der Berufung auch weiterhin vergleichsweise selten gewählt werden dürfte. Dabei ist auch zu bedenken, dass die derzeit zu verzeichnende starke Nichtannahmepraxis im Falle der Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Annahmeberufung von den Gerichten in diesem Maße möglicherweise nicht fortgesetzt wird. Es kommt hinzu, dass bei der Streichung der Wahlmöglichkeit im Bereich der annahmeberufungspflichtigen Fälle - zumal bei der gesetzlichen Ausweitung der Annahmeberufung - der Rechtsschutz in einem nach rechtsstaatlichen Maßstäben nicht mehr vertretbaren Maße eingeschränkt wäre.

Die Fälle der Annahmeberufung sind daher so zu behandeln, wie die anderen Fälle der berufungsrechtlich nicht annahmepflichtigen erstinstanzlichen Verurteilungen auch: mit einer echten Wahlmöglichkeit zwischen (Annahme)Berufung und Revision. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzentwurf keine Abschaffung der Wahlrevision im Bereich der Annahmeberufung vor.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung des Wahlrechtsmittels ggf. in Kumulation mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Annahmeberufung - letztere wird mit dem Gesetzentwurf zur Effektivierung des Strafverfahrens (vgl. BR-Drs. 660/06 (PDF) ) angestrebt - bestehen nicht, da ein mehrzügiger Instanzenzug von Artikel 19 Abs. 4 GG und dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 107, 395 (403 m.w.N.)) und daher die durch den Entwurf angestrebte Lösung nicht in Frage stellt. Zudem ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und damit der Rechtseinheit gewahrt, da zum Einen die Möglichkeit der Wahlrevision besteht und zum Anderen auch nach der Entscheidung des Berufungsgerichts die jeweils andere Seite noch von dem Rechtsmittel der Revision Gebrauch machen kann.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1(Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Nummer 1 ( § 333 StPO)

Durch diese Änderung wird § 333 StPO insgesamt neu gefasst. § 333 Abs. 1 StPO-E normiert die Zulässigkeit der (Wahl)Revision auch gegen Urteile des Amtsgerichts.

§ 333 Abs. 2 StPO-E regelt die Einführung des sog. Wahlrechtsmittels und greift insoweit auf die bewährte Regelung in § 55 Abs. 2 JGG zurück. § 333 Abs. 2 Satz StPO-E bezweckt - wie § 55 Abs. 2 Satz 2 JGG - die wechselseitige Zurechnung einer Berufungseinlegung durch die genannten Verfahrensbeteiligten; insoweit kann aber eine Beschränkung auf die im Erwachsenenstrafverfahren Beteiligten, nämlich Angeklagte und gesetzliche Vertreter erfolgen. § 333 Abs. 2 Satz 1 StPO-E verändert für den Fall der Annahmeberufung den Begriff der "Zulässigkeit" auf den Begriff der "Statthaftigkeit", um schon über den Wortlaut zu gewährleisten, dass auch nach einer Nichtannahmentscheidung gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 StPO (Verwerfung als "unzulässig") keine Revision mehr möglich ist.

Zu Nummer 2 ( § 335 StPO)

Da es im Bereich des Wahlrechtsmittels begrifflich keine Sprungrevision mehr geben kann ist die Vorschrift des § 335 StPO zu streichen, ihr partieller Regelungsgehalt, soweit er auf die Wahlrevision anwendbar ist, jedoch in § 333 StPO-E zu übernehmen:

Zu Artikel 2 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Der mit der Einführung der Wahlrevison verbundene Wegfall des § 335 StPO macht eine Änderung des § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG notwendig, um die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch für die Wahlrevision zu normieren. § 121 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG-E regelt daher die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Revisionen gegen Urteile des Amtsgerichts und belässt seine Zuständigkeit für Revisionen gegen Urteile der kleinen Strafkammern. Denn auch nach der Entscheidung des Berufungsgerichts kann die jeweils andere Seite noch von dem Rechtsmittel der Revision Gebrauch machen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Die Rechtsänderungen sollen am Tage nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.