Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

A. Problem

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

Ministerium für Justiz, Kiel, den 25. Juni 2007
Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

die schleswigholsteinische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 19. Juni 2007 beschlossen dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten


mit der Bitte zuzuleiten, die Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 Grundgesetz zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 835. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2007 zu setzen.


Mit freundlichen Grüßen
Uwe Döring
Minister

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202, 2006 I S. 431), zuletzt geändert durch (BGBl. I...), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853), zuletzt geändert durch Gesetz vom.... (BGBl. I S. ) wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Das Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch (BGBl. I, .....), wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

Die Ziviljustiz ist hohen Belastungen ausgesetzt, die durch Personalverstärkungen nicht aufgefangen werden können. Es gilt daher, die vorhandenen Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

Das heißt, dass sie dort zum Einsatz kommen müssen, wo die Justizgewährung unabdingbar ist. Diese Konzentration der knappen Mittel bedeutet aber auch, dass in denjenigen Bereichen Einsparungen erfolgen, in denen sie verfassungsrechtlich und justizpolitisch vertretbar erscheinen. Das ist in Bezug auf die Anhebung der Berufungssumme der Fall.

Die Justizhaushalte werden infolge des Wegfalls der Berufungsverfahren in den Bereichen zwischen 600 und 1.000 Euro durch Verringerung des Personalbedarfs im richterlichen und nachgeordneten Bereich entlastet werden. Im richterlichen Bereich können bundesweit ca. 65 Stellen eingespart werden. Darüber hinaus werden sich die Ausgaben für Prozesskostenhilfe reduzieren, da durch die Gesetzesänderung die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz in dem betroffenen Streitwertbereich entfällt.

Für die Parteien bedeutet die Durchführung eines Berufungsverfahrens bei geringen Streitwerten regelmäßig, dass die Kosten des Rechtsstreits dem Streitwert entsprechen oder ihn sogar übersteigen. Insbesondere derjenigen Partei, die kein Interesse an der Durchführung des Berufungsverfahrens hat, wird daher durch den Berufungsrechtszug ein Risiko auferlegt, dass einzugehen unvernünftig erscheint. Es ist nicht sinnvoll, wenn Rechtsstreitigkeiten nicht wegen der eigentlichen Hauptsache, sondern aus Kosteninteressen geführt werden.

Mit der ZPO-Reform 2001 wurde die Berufungssumme von damals 1.500 DM auf 600 Euro herabgesetzt. Damit wurde die Berufungssumme mit der Bagatellgrenze des § 495a ZPO harmonisiert, die es dem Amtsgericht erlaubt, das Verfahren nach billigem Ermessen zu bestimmen. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Wirtschaftlichkeitsargumente aber auch im Zuge des allgemeinen Preisanstiegs erscheint es nunmehr geboten, diese Grenze jedenfalls für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit neu zu fassen.

Aus diesen Gründen hat die Justizministerkonferenz am 1. und 2. Juni 2006 beschlossen, die Berufungssumme von 600 Euro auf mindestens 1.000 Euro anzuheben und darüber hinaus die Rechtsmittel des arbeitsgerichtlichen und des zivilgerichtlichen Verfahrens anzugleichen. Der Entwurf dient der Umsetzung dieses Beschlusses.

Die Einschränkung der Rechtsmittelmöglichkeiten ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Plenarbeschluss vom 30.04.2005 (BVerfGE 107, 385 (402)) in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen eröffne keinen unbegrenzten Rechtsweg. Der Rechtsweg müsse offen stehen und die Entscheidung eines Gerichts ermöglichen. Grundsätzlich sei von Verfassungs wegen aber die einmalige Möglichkeit einer gerichtlichen Entscheidung ausreichend. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung der verschiedenen Interessen zu entscheiden, ob mehrere Instanzen bereitgestellt würden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden könnten. Ein Instanzenzug sei nicht garantiert.

Nach der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung kann daher im Regelfall die Möglichkeit, in Fällen geringer Streitwerte ein Rechtsmittel vorzusehen, entfallen. In Sachen von grundsätzlicher Bedeutung bleibt es bei der möglichen Zulassung der Berufung durch das erstinstanzliche Gericht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO. Soweit eine Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, aber der Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs versagt worden sein sollte, steht der Partei die Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO zu.

Auch der Vergleich mit den Verfahrensordnungen anderer Länder legt eine Erhöhung der Berufungssumme nahe. Soweit in anderen europäischen Staaten die Statthaftigkeit der Berufung von der Erreichung einer Berufungssumme abhängig ist, liegt diese stets höher als nach gegenwärtigem deutschem Recht. In den Niederlanden beträgt die Berufungssumme 1.750 Euro, in Frankreich sogar 4.000 Euro. In Italien sind Berufungen gegen Urteile des Friedensrichters grundsätzlich nur ab einer Berufungssumme von 1.100 Euro zulässig. In Österreich sind Berufungen zwar generell möglich. Übersteigt der Wert der Sache jedoch 2.000 Euro nicht, so ist ein vereinfachtes Verfahren mit geringerer Kontrolldichte (Bagatellberufung) vorgesehen.

Der Mindeststreitwert für eine zulässige Berufung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten in arbeitsgerichtlichen Verfahren wird ebenfalls von 600 auf 1.000 Euro erhöht. Damit wird die erstmalig im Jahr 2000 vollzogene Anpassung der Berufungssumme an die der ordentlichen Gerichtsbarkeit beibehalten und der Einheitlichkeit der Prozessordnungen weiterhin Rechnung getragen.

Darüber hinaus wird der Anregung der arbeitsgerichtlichen Praxis folgend das arbeitsgerichtliche Berufungs- und Beschwerdeverfahren gestrafft, indem die Möglichkeit der Zurückweisung im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO übernommen wird.

Den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird dadurch Rechnung getragen, dass die Zurückweisung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss der Kammer erfolgt.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1

Mit der vorgeschlagenen Berufungssumme soll die Wertgrenze für das Verfahren nach billigem Ermessen ( § 495a ZPO) übereinstimmen, wie dies auf der Basis von 600 Euro auch gegenwärtig der Fall ist.

Zu Nummer 2

Die Berufungssumme wurde durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz von 1.500 DM auf 600 Euro herabgesetzt. Die Berufungssumme soll nunmehr auf 1.000 Euro angehoben werden.

Zu Nummer 3

Als Folgeänderung zu Nummer 2 ist auch die Summe in § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO an die geänderte Berufungssumme anzupassen. Diese Summe muss der Berufungssumme entsprechen weil die Vorschrift des § 511 Abs. 4 ZPO die ausnahmsweise Zulassung von Berufungen in den Fällen regelt, in denen die Berufungssumme nach § 511 Abs. 1 ZPO nicht erreicht wird.

Zu Artikel 2 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)

Zu Nummer 1

Mit der Anhebung der Berufungssumme im Arbeitsgerichtsgesetz wird die im Jahr 2000 erstmalig vollzogene Anpassung dieses Wertes an den der ordentlichen Gerichtsbarkeit beibehalten und damit der Einheitlichkeit der Prozessordnungen weiterhin Rechnung getragen. Die Änderung führt im Interesse der Rechtssuchenden darüber hinaus zu einer nennenswerten Verfahrensbeschleunigung in den Verfahren, die nicht die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer existenziell wichtigen Arbeitsverhältnisse und einen hieraus resultierenden Bestandsschutz zum Gegenstand haben.

Zu Nummer 2

Nach geltendem Recht muss das Gericht Berufungen auch dann terminieren und über sie mündlich verhandeln, wenn das Rechtsmittel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet erscheint und nach dem übereinstimmenden Votum der Mitglieder des Gerichts offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die bisher mit § 522 Abs. 2 ZPO nur in der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestehende Befugnis, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss etwa mangels Aussicht auf Erfolg oder mangels grundsätzlicher Bedeutung der Sache durch Beschluss zurückzuweisen, wird auf das arbeitsgerichtliche Verfahren übertragen. Die Möglichkeiten des Gerichts für eine effektive Verfahrensgestaltung werden damit erweitert und bestehende Optionen der Entlastung der Berufungsgerichte genutzt. Die Beteiligung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist mit der vorgeschlagenen Entscheidung durch die Kammer entsprechend der bisherigen Regelung über die Verwerfung der Berufung sichergestellt und damit den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen.

Die Übernahme des § 522 Abs. 3 ZPO ist eine Folgeänderung.

Zu Nummer 3

Die Streichung ist eine Folgeänderung des Regelungsinhalts der Nummer 2.

Zu Nummer 4

Für das Beschwerdeverfahren wird der Regelungsinhalt der Nummer 2 übernommen.

Zu Nummer 5

Für das arbeitsgerichtliche Verfahren wird eine eigenständige Übergangsvorschrift mit dem Regelungsinhalt des Artikels 3 aufgenommen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)

Die Vorschrift entspricht der durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-Reformgesetz) vom 27. Juli 2001 in § 26 Nr. 5 EGZPO eingefügten Übergangsbestimmung aus Anlass des in diesem Gesetz geänderten Berufungsrechts. Durch sie ist § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der neuen Fassung auf im Zeitpunkt der Gesetzesänderung anhängige Verfahren nur eingeschränkt anwendbar. Für Verfahren, die zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig sind und in denen die mündliche Verhandlung bereits geschlossen ist oder - in Verfahren ohne mündliche Verhandlung - die vom Gericht gesetzte Frist für schriftliches Vorbringen abgelaufen ist und zum Abschluss der Instanz nur noch ein Urteil ergehen muss, gilt das alte Recht fort. In Fällen, in denen noch keine Entscheidungsreife eingetreten ist, soll das neue Recht mit der höheren Berufungssumme maßgebend sein. Die Zulässigkeit der Berufung soll nicht von der von den Parteien nicht zu beeinflussenden Frage abhängen, wann das Urteil ergeht. Insbesondere, wenn ein Verkündungstermin einmal oder mehrfach verschoben wird und so der Termin der Verkündung des Urteils auf einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten des neuen Berufungsrechts hinausgeschoben wird, dürfte es als ungerecht empfunden werden, der unterlegenen Partei die Berufungsmöglichkeit abzuschneiden, allein weil das Gericht das Urteil nicht unmittelbar auf die mündliche Verhandlung sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Die gleichen Grundsätze müssen gelten, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet und der Verhandlungstermin durch einen Termin ersetzt wird, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Demgegenüber ist es in den Fällen, in denen die Verhandlung noch nicht abgeschlossen ist, den Parteien zuzumuten, dass die Rechtsänderung das von ihnen geführte Verfahren beeinflusst.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Die Vorschriften sollen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.