Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die umfassenden Risiko- und Sicherheitsbewertungen ("Stresstests") von Kernkraftwerken in der Europäischen Union und damit verbundene Tätigkeiten - COM (2012) 571 final; Ratsdok. 14400/12

Der Bundesrat wurde am 10. Oktober 2012 über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 949/08 (PDF) = AE-Nr. 080912 und AE-Nr. . 110102, 110964

Brüssel, den 4.10.2012 COM (2012) 571 final

Mitteilung der Kommission an den Rat das Europäische Parlament über die umfassenden Risiko- und Sicherheitsbewertungen ("Stresstests") von Kernkraftwerken in der Europäischen Union und damit verbundene Tätigkeiten

{SWD(2012) 287 final}

1. Einleitung

Derzeit sind in der EU an 58 Standorten 132 Kernreaktoren in Betrieb. Die sicherheitstechnische Bilanz kann sich sehen lassen: Obschon Störfälle eingetreten sind und auch weiterhin vorkommen, gab es noch keine größeren Unfälle. Auch bei dieser guten Sicherheitsbilanz hängt das Vertrauen der EU-Bürger in die europäische Nuklearindustrie von fortlaufenden Verbesserungen des EU-Rechtsrahmens für nukleare Sicherheit und Gefahrenabwehr (Sicherung) ab, die gewährleisten, dass er auch weiterhin der weltweit wirksamste seiner Art ist und auf den strengsten Sicherheitsnormen beruht.

Die Herausforderungen, vor denen wir im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und der entsprechenden Gesetzgebung und Aufsicht stehen, wurden durch die Unfälle deutlich, die sich im Anschluss an das Erdbeben und den Tsunami im März 2011 in Japan in den Reaktoren von Fukushima ereigneten. Diese Vorfälle haben gezeigt, dass Kernreaktoren auch vor Unfällen geschützt werden müssen, die als äußerst unwahrscheinlich eingestuft wurden. Bei den Ereignissen in Fukushima traten bekannte und immer wieder festzustellende Probleme zutage: fehlerhafte Auslegung, unzureichende Reservesysteme, menschliches Versagen, unangemessene Notfallpläne und mangelhafte Kommunikation. Die EU muss die Lehren aus Fukushima ziehen, um das Risiko von Nuklearstörfällen in Europa noch weiter zu verringern.

Infolge des Unfalls von Fukushima wurden ungeheure Anstrengungen zur Überprüfung der Sicherheit der kerntechnischen Anlagen in Europa und weltweit unternommen. Dabei wurden Maßnahmen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene ergriffen.

In der EU kam der Europäische Rat im März 20111 zu folgendem Schluss:

"Die Sicherheit aller kerntechnischen Anlagen der EU sollte mittels einer umfassenden und transparenten Risiko- und Sicherheitsbewertung ("Stresstest") überprüft werden; die Gruppe der europäischen Aufsichtsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) und die Kommission werden ersucht, so rasch wie möglich in einem koordinierten Rahmen unter Berücksichtigung der Lehren aus dem Nuklearunfall in Japan und unter umfassender Einbeziehung der Mitgliedstaaten den Umfang dieser Tests festzulegen und die Durchführungsmodalitäten auszuarbeiten, wobei das vorhandene Fachwissen (insbesondere des Verbands der westeuropäischen Atomaufsichtsbehörden) umfassend zu nutzen ist; die Bewertungen werden von unabhängigen nationalen Behörden und im Wege der gegenseitigen Begutachtung durchgeführt; ihre Ergebnisse und alle erforderlichen Folgemaßnahmen, die ergriffen werden, sollten mit der Kommission und innerhalb der ENSREG ausgetauscht und veröffentlicht werden." Der Europäische Rat beauftragte die Kommission zudem, die Nachbarländer der EU zur Teilnahme an den Stresstests aufzufordern, "den bestehenden Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen [zu] überprüfen" and "bis Ende 2011 alle erforderlichen Verbesserungen" vorzuschlagen.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Anlagenbetreibern, den Atomaufsichtsbehörden und der Kommission machten es möglich, 2011 und 2012 Stresstests durchzuführen. Mit dem vorliegenden Bericht kann die Kommission nun dem Auftrag des Europäischen Rates gerecht werden. Er enthält die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Kommission auf der Grundlage der Stresstests und damit verbundener Tätigkeiten. Auch die internationale Dimension der nuklearen Sicherheit und der Gefahrenabwehr wird angesprochen, und es wird dargelegt, wie der EU-Rechts- und Aufsichtsrahmen für nukleare Sicherheit verbessert werden kann. Dabei wird auf deren dynamischen Charakter verwiesen: Ein höheres Maß an nuklearer Sicherheit kann nicht mit einmaligen Maßnahmen erreicht werden, die Sicherheit muss fortlaufend überprüft und die Maßnahmen müssen auf den neuesten Stand gebracht werden. Vor allem werden in der Mitteilung alle Bereiche der Überprüfung zusammengeführt, mit dem Ziel, legislative, nicht legislative und projektbezogene Vorschläge zu erarbeiten. Mit all diesen Maßnahmen sollen die technische Sicherheit der Anlagen und die diesbezügliche Gesetzgebung und Aufsicht auf EU-Ebene und nationaler Ebene verbessert und die EU-Grundsätze im Bereich der nuklearen Sicherheit und der Gefahrenabwehr auf internationaler Ebene verbreitet werden.

Technische Einzelheiten der Ergebnisse sowie die Vorgehensweise bei den Stresstests sind der beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zu entnehmen.

2. Vorgehensweise, wichtigste Ergebnisse der Risiko- Sicherheitsbewertungen sowie unmittelbar im Anschluss Ergriffene Folgemassnahmen

2.1. Überprüfung der nuklearen Sicherheit und der Gefahrenabwehr in bisher einmaligem Ausmaß

Als Reaktion auf den Unfall von Fukushima und das daraufhin vom Europäischen Rat erteilte Mandat führte die Kommission gleichzeitig Maßnahmen auf mehreren Ebenen durch. Im Folgenden werden diese kurz beschrieben.

Auch wenn die ENSREG und die Kommission den Umfang und die Modalitäten der Tests festgelegt haben, fällt die Bewertung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen in die Zuständigkeit der Betreiber dieser Anlagen und der nationalen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden, die an den Stresstests freiwillig teilnahmen. Die Kommission kann weder für die technische Sicherheit noch für die Sicherung kerntechnischer Anlagen die Gewähr übernehmen, da die rechtliche Verantwortung auf einzelstaatlicher Ebene verbleibt. Alle Schlussfolgerungen in der vorliegenden Mitteilung sind vor diesem Hintergrund zu sehen.

Sicherheitsbewertungen der ENSREG

Die Stresstests wurden definiert als gezielte Neubewertung der Sicherheitsmargen der KKW vor dem Hintergrund der Lehren aus den Ereignissen in Fukushima: Dabei ging es um extreme natürliche Ereignisse, die die Sicherheitsfunktionen der Kraftwerke beeinträchtigen können. Bei der Durchführung der Tests wurde der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen im Bereich der nuklearen Sicherheit tätigen Stellen Rechnung getragen2. Alle vierzehn EU-Mitgliedstaaten, in denen Kernkraftwerke in Betrieb sind3, sowie Litauen4 nahmen freiwillig an den Bewertungen teil. Den 132 in der EU in Betrieb befindlichen Kernreaktoren5 liegen unterschiedliche Technologien und Bauarten zugrunde; dabei handelt es sich hauptsächlich um Druckwasserreaktoren (DWR), Siedewasserreaktoren (SWR) oder gasgekühlte Reaktoren. Den Auftakt der Stresstests bildeten Selbstbewertungen der Betreiber kerntechnischer Anlagen und die Abfassung nationaler Berichte durch die nationalen Aufsichtsbehörden, die für die technische Sicherheit der KKW zuständig sind. Die Teams für die gegenseitige Überprüfung (Peer-Review-Teams), die sich im Wesentlichen aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten zusammensetzten und von der Europäischen Kommission unterstützt wurden, besuchten 23 Standorte, wobei sie bei der Auswahl Reaktortyp und geografische Lage berücksichtigten. Die Besuche der Teams an ausgewählten Standorte in den einzelnen Ländern wurden als Untermauerung der Stresstests gestaltet. In die Zuständigkeiten der nationalen Behörden, die im Anschluss an den Unfall von Fukushima jedes in der EU in Betrieb befindliche Kernkraftwerk (KKW) überprüfen ließen, wurde nicht eingegriffen. Die begleitende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen sowie die darin genannten, von den Betreibern, den nationalen Aufsichtsbehörden und der ENSREG zur Verfügung gestellten Unterlagen enthalten Informationen zu jedem einzelnen KKW.

Im Anschluss an die Vorlage des Zwischenberichts der Kommission6 fanden von Januar bis April 2012 umfassende EU-weite gegenseitige Überprüfungen statt. Das Ergebnis waren ein von ENSREG bestätigter Gesamtbericht des ENSREG-Gremiums für die gegenseitige Überprüfung ("ENSREG Peer Review Board") sowie siebzehn nationale Berichte7 mit detaillierten Empfehlungen. Im Juli einigte sich die ENSREG auf einen Aktionsplan zur Begleitung der Umsetzung der Empfehlungen der Peer Review. Auf dieser Grundlage werden die in dieser Mitteilung enthaltenen sicherheitstechnischen Ergebnisse und Empfehlungen formuliert. Arbeiten des Rates zur Gefahrenabwehr (Adhoc-Gruppe für die Gefahrenabwehr im Nuklearbereich - AHGNS/Ad Hoc Group on Nuclear Security)

Der Rat richtete eine neue Adhoc-Gruppe für Fragen der Gefahrenabwehr bei Kernkraftwerken ein. Ab September 2011 trat die Gruppe regelmäßig zusammen, wobei die polnische und die dänische Ratspräsidentschaft den Vorsitz stellten. Diese Gruppe setzte sich aus Experten für Gefahrenabwehr der Mitgliedstaaten zusammen; die Kommission arbeitete eng mit der Gruppe zusammen. Im Unterschied zur Vorgehensweise bei den Sicherheitsbewertungen der ENSREG untersuchte die AHGNS nicht einzelne Anlagen, sondern den Stand der Gefahrenabwehr in der EU insgesamt, indem sie die Methodik für die Bewertung der Sicherungsmaßnahmen und den Schutz von Kernkraftwerken (einschließlich Vorsorgemaßnahmen) prüfte.

Die AHGNS unterstützte den Austausch von Informationen über bereits bestehende Verfahren und ermittelte Möglichkeiten für methodische Verbesserungen, wobei sie sich im Wesentlichen auf die in den existierenden Leitfäden der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) empfohlenen Verfahren stützte. Die Gruppe schloss ihre Arbeiten im Mai 2012 ab.

Beteiligung von Nachbarländern der EU an den Stresstests

Die Schweiz, die Ukraine und Kroatien nahmen an den EU-Stresstests und den Peer Reviews uneingeschränkt teil, andere Nachbarländer (z.B. die Türkei8, Belarus und Armenien9) sagten die Anwendung derselben Methoden zu, jedoch unter Zugrundelegung eines anderen Zeitplans. Die Russische Föderation führte anhand einer eigenen Methodik ebenfalls Überprüfungen ihrer KKW durch und ermittelte Verbesserungsmaßnahmen. Die Schweiz ist uneingeschränkt bereit, den Empfehlungen der Stresstests zu folgen, die Ukraine berücksichtigte deren Ergebnisse in ihrem Modernisierungsprogramm für Kernkraftwerke. Die Kommission begrüßt diese Bemühungen, sich der Vorgehensweise der EU in diesem Bereich anzuschließen.

Prüfung des institutionellen und rechtlichen Rahmens durch die Kommission

Neben der technischen Sicherheit der Anlagen hat die Kommission auch den institutionellen und rechtlichen Rahmen für die nukleare Sicherheit in Europa geprüft, wobei sie den IAEO-Aktionsplan10 sowie das Ergebnis der internationalen Erörterungen zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit berücksichtigte. Sie ermittelte Lücken und empfehlenswerte Verfahren, die unter Achtung der

Folgen von Flugzeugabstürzen

Bei den Überprüfungen wurden auch Ereignisse untersucht, die sowohl die nukleare Sicherheit als auch die Gefahrenabwehr bei Kernkraftwerken betreffen können, z.B. Flugzeugabstürze. In den ENSREG-Vorgaben für die Stresstests werden auch die Folgen von Flugzeugabstürzen für die technische Sicherheit von Kernkraftwerken berücksichtigt. In Bezug auf die Sicherungsmaßnahmen nennt der AHGNS-Bericht empfehlenswerte Methoden, die die Mitgliedstaaten zur Vermeidung böswillig verursachter Flugzeugabstürze anwenden sollen.

Am 25. September 2012 veranstaltete die Kommission ein Seminar zur Sicherheit von Kernkraftwerken bei Flugzeugabstürzen ("Safety of Nuclear Power Plants against Aircraft Impacts"), das der Verbesserung der Anlagensicherheit und der Suche nach neuen Schutzmethoden diente. Teilnehmer waren die Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten sowie US-amerikanische und japanische Sachverständige. Die geladenen Experten erörterten die Merkmale bestehender Kraftwerke und neuer Kraftwerkskonzepte getrennt.

Notfallvorsorge außerhalb des Standorts

Während der Peer-Review-Phase der Stresstests baten einige NRO um Ausdehnung der Tests auf die Notfallvorsorge außerhalb des Standorts. Bei 47 Kernkraftwerken in der EU, die insgesamt 111 Reaktoren umfassen, leben in einem Umkreis von 30 km jeweils über 100 000 Menschen. Daher sind Vorsorgemaßnahmen außerhalb des Standorts von höchster Bedeutung. Verschiedene nationale, regionale und lokale Stellen teilen sich die Zuständigkeiten für diese Maßnahmen. Die Kommission gibt mit Unterstützung der ENSREG eine Studie in Auftrag, die einen Überblick über die derzeitige Situation geben soll, wobei der Schwerpunkt auf Grenzregionen in der EU liegt. Gegebenenfalls sollen Empfehlungen ausgesprochen werden. Ergebnisse werden vor Ablauf des Jahres 2013 erwartet.

Zusammenarbeit im Rahmen internationaler Organisationen

Die Vertragsparteien des Übereinkommens über nukleare Sicherheit hielten im August 2012 eine außerordentliche Tagung ab, auf der überprüft wurde, ob das Übereinkommen wirksam und weiterhin angemessen ist. Die Kommission legte im Namen der Europäischen Atomgemeinschaft einen Bericht vor11 und wurde von den Mitgliedstaaten im Rat beauftragt, Verbesserungen an der Durchführung des Übereinkommens auszuhandeln und die Verhandlungen über Änderungsvorschläge anderer Vertragsparteien zu führen.

2.2. Ergebnisse der Sicherheitsbewertungen und der institutionellen und rechtlichen Prüfung

Die ausführlichen Ergebnisse sind der beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zu entnehmen. Die wichtigsten Punkte zu jedem Thema sind nachstehend zusammengefasst.

2.2.1. Ergebnisse für die sicherheitstechnischen Maßnahmen in bestehenden KKW

Anhand der Stresstests kamen die nationalen Aufsichtsbehörden zu dem Schluss, dass keine technischen Gründe vorliegen, die die Abschaltung eines KKW in Europa notwendig machen. Zudem ermittelten sie eine Reihe empfehlenswerter Methoden. Die Kommission ist nicht befugt, Bewertungen dieser Art vorzunehmen. Allerdings müssen so gut wie alle KKW im Hinblick auf die Sicherheit verbessert werden; es wurden Hunderte von Maßnahmen zur technischen Nachrüstung ermittelt. Nach den Unfällen in Three Mile Island und Tschernobyl wurden weltweit Maßnahmen zum Schutz von Kernkraftwerken vereinbart. Die Stresstests haben jedoch gezeigt, dass in vielen Fällen diese Maßnahmen noch nicht umgesetzt sind.

Im Anhang werden die wichtigsten Empfehlungen, die sich aus den Stresstests ergeben haben, aufgeführt. Weitere nach Kernkraftwerken aufgeschlüsselte Einzelheiten zu den verlangten Verbesserungen und empfehlenswerten Methoden sind in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen enthalten.

Einige wichtige Ergebnisse:

Bei vier Reaktoren (in zwei Ländern) verfügen die Betreiber über weniger als eine Stunde, um bei einem vollständigen Ausfall der Stromversorgung und/oder dem Ausfall der Endwärmesenke (UHS) die Sicherheitsfunktionen wiederherzustellen.

Bei 10 Reaktoren ist noch keine anlageninterne seismische Instrumentierung vorhanden.

In vier Ländern existieren derzeit zusätzliche Sicherheitssysteme, die von den normalen Systemen völlig unabhängig und an Orten untergebracht sind, die vor äußeren Einflüssen geschützt sind (z.B. Systeme in Bunkerbauten und sogenannte "hardened core"-Sicherheitssysteme, die die wichtigsten Sicherheitsfunktionen einer Anlage über die Auslegungsrisiken hinaus schützen). Ein weiteres Land erwägt derzeit den Rückgriff auf ein solches System.

Mobile Ausrüstung, insbesondere Dieselgeneratoren für den vollständigen Ausfall der Stromversorgung, externe Ereignisse oder schwere Unfälle, sind bereits in sieben Ländern vorhanden und in den meisten anderen vorgesehen.

Bei dem Seminar über Flugzeugabstürze wurde offenkundig, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vorgehensweisen bei der Einschätzung der sicherheitstechnischen Folgen für bestehende und neue KKW gibt.

In den Auslegungsanforderungen für neue KKW wird vorgeschrieben, dass nach Absturz eines großen Flugzeugs auf die Anlage keine Radioaktivität an die Umgebung außerhalb der Sicherheitsumschließung freigesetzt werden darf. Aus historischen Gründen ist die Situation für bestehende KKW nicht die gleiche, und die angewandte Methodik und die jeweils betrachteten Konsequenzen sind nicht unbedingt in allen Mitgliedstaaten einheitlich.

Die Teilnehmer unterstrichen, dass die sicherheitstechnischen Aspekte von den Fragen der Gefahrenabwehr, der sogenannten Sicherung, weiterhin klar getrennt sein sollten, da die Ebene der institutionellen Zuständigkeit und das Maß an Transparenz gegenüber der Allgemeinheit unterschiedlich sind.

2.2.2. Ergebnisse für sicherheitstechnische Verfahren und Rahmen

Bei den Stresstests wurden empfehlenswerte Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten ermittelt; es traten aber auch Mängel zutage. Sie sind in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen im Einzelnen beschrieben. Aus den Stresstests und aus anderen Untersuchungsberichten im Zusammenhang mit dem Fukushima-Unfall12 ergaben sich die nachstehenden zentralen Probleme:

2.2.3. Ergebnisse für den Rechtsrahmen für nukleare Sicherheit und dessen Umsetzung

Der auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten vorhandene Rechtsrahmen für die nukleare Sicherheit weist einige Schwächen auf.

2.3. Wichtigste Empfehlungen auf der Grundlage der Stresstests

2.3.1. Empfehlungen für Sicherheitsmaßnahmen in bestehenden KKW

Die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen gibt einen Überblick über die Anzahl der in den einzelnen KKW vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen.

Folgemaßnahmen:

Alle teilnehmenden Länder haben begonnen, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit ihrer Anlagen durchzuführen. Dazu gehören die Bereitstellung mobiler Ausrüstung zur Vermeidung bzw. Eindämmung der Folgen schwerer Unfälle, die Installation über das Auslegungsrisiko hinaus geschützter ortsfester Ausrüstung, eine bessere Planung des Vorgehens bei schweren Unfällen sowie eine entsprechende Schulung des Personals. Die Kosten zusätzlicher sicherheitstechnischer Verbesserungen werden auf 30 bis 200 Mio. EUR je Reaktorblock geschätzt. Somit könnten sich die Gesamtkosten für die 132 in der EU betriebenen Reaktoren (sämtliche KKW-Blöcke) in den kommenden Jahren auf etwa 10 bis 25 Mrd. EUR belaufen. Diese Zahlen beruhen auf Schätzungen der französischen Atomaufsichtsbehörde (die für über ein Drittel der Reaktoren in der EU zuständig ist); maßgeblich sind die in den nationalen Aktionsplänen enthaltenen Beträge.

Entsprechend der gemeinsamen Erklärung der Kommission und der ENSREG vom 25. April 1213 verabschiedete die ENSREG im Juli einen Aktionsplan, durch den sichergestellt werden soll, dass die Empfehlungen, die sich aus den gegenseitigen Überprüfungen ergeben, einheitlich und transparent umgesetzt werden. Für alle betroffenen Mitgliedstaaten muss diese Umsetzung Vorrang haben. Angesichts der großen Zahl der Verbesserungsempfehlungen sind Methoden und Kriterien festzulegen und anzuwenden, anhand derer die Relevanz der einzelnen Maßnahmen beurteilt werden kann, damit die Finanzmittel in die Bereiche fließen, bei denen der größte Nutzen in Bezug auf die Sicherheit zu erreichen ist.

Die Prüfung im Bau befindlicher Anlagen ergab, dass bedeutende Auswirkungen dieser Sicherheitsverbesserungen auf die neuen Reaktorkonzepte unwahrscheinlich sind. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass die Investitionskosten für neue KKW-Kapazitäten in Europa stark ansteigen werden, sofern die besten verfügbaren Technologien zugrunde gelegt werden.

Die Zuständigkeit für die Anwendung von Mechanismen für die Überwachung und Überprüfung liegt bei den Mitgliedstaaten.

2.3.2. Empfehlungen für sicherheitstechnische Verfahren und Rahmen

In Bezug auf die Sicherheit ermittelte das ENSREG-Gremium für die gegenseitige Überprüfung (ENSREG Peer Review Board) europaweit vier Hauptbereiche für weitere Verbesserungen:

Folgemaßnahmen:

Die Kommission und die nationalen Aufsichtsbehörden einigten sich auf die Aufstellung nationaler Aktionspläne mit Zeitplänen für die Umsetzung, die bis Ende 2012 vorliegen sollen. Anfang 2013 wird auf die Aktionspläne die Methode der gegenseitigen Überprüfung (Peer Review) angewandt, um zu überprüfen, ob die sich aus den Stresstests ergebenden Empfehlungen in ganz Europa auf einheitliche und transparente Weise umgesetzt werden. In Bereichen, in denen zusätzliche technische Analysen und Leitlinien erforderlich sind, arbeiten die nationalen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden im Rahmen des WENRA eng zusammen.

Die Tatsache, dass auch in Mitgliedstaaten mit einer ansonsten guten Sicherheitsbilanz Störfälle in kerntechnischen Anlagen auftreten, zeigt, dass regelmäßig gründliche Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt und die Betriebserfahrungen evaluiert werden müssen; außerdem ergibt sich daraus die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen Betreibern, Industrie, Aufsichtsbehörden und EU-Organen und -Einrichtungen wie der Europäischen Koordinierungsstelle für das Feedback zum Kernkraftwerksbetrieb ("European Clearinghouse of Operating Experience"), die von der Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission (JRC) betrieben wird. Ferner kann die ENSREG entscheidend dazu beitragen, dass Erfahrungen und Erkenntnissen aus nuklearen Störfällen unverzüglich weitergegeben und Folgemaßnahmen in den Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werden. So hat die jüngste Überprüfung des Reaktors Doel 3 in Belgien ergeben, dass der Anlagenzustand fortlaufend anhand modernster Methoden überprüft werden muss und die Informationen so weit wie möglich zu verbreiten sind.

Ferner empfiehlt die Kommission, dass die nationalen Aufsichtsbehörden für künftige Sicherheitsüberprüfungen eine eingehendere Analyse der Folgen gleichzeitiger Unfälle in mehreren Blöcken vorsehen, bei der auch die Alterung von Ausrüstung und Werkstoffen, der Schutz von Abklingbecken sowie die Möglichkeit der Lagerung geringerer Mengen abgebrannter Brennstoffe in den Becken (zur Verminderung der Risiken aufgrund eines Ausfalls der Kühlung) berücksichtigt werden sollten.

Nach Auffassung der Kommission ist es im Interesse der Sicherheit der Bürger wichtig, die Sicherheitsüberprüfung auch für die anlagenexterne Notfallvorsorge und -bekämpfung vorzunehmen. Daher gibt die Kommission in einem ersten Schritt eine Studie über die derzeit praktizierte anlagenexterne Notfallvorsorge und -bekämpfung im Nuklearbereich in den EU-Mitgliedstaaten und ihren Nachbarländern in Auftrag ("Review of Current Off-Site Nuclear Emergency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries"). Darin soll ein Überblick über die Kapazitäten für die anlagenexterne Notfallvorsorge und - bekämpfung in den EU-Mitgliedstaaten und ihren Nachbarländern gegeben werden, und es sollen Inkohärenzen und Mängel ermittelt sowie (legislative und nicht legislative) Vorschläge für mögliche Verbesserungen vorgelegt werden.

Was die sicherheitstechnischen Konsequenzen von Flugzeugabstürzen auf Kernkraftwerke angeht, empfiehlt die Kommission der ENSREG, mit Nachdruck an einem europäischen Sicherheitskonzept zu arbeiten, damit eine kohärente Methodik entwickelt wird und vergleichbare hohe Standards in der ganzen Europäischen Union erreicht werden.

2.4. Wichtige Ergebnisse und Empfehlungen auf der Grundlage der Bewertungen im Bereich der Gefahrenabwehr 14

Der Abschlussbericht der Adhoc-Gruppe für die Gefahrenabwehr im Nuklearbereich15 enthält Schlussfolgerungen zu den fünf erörterten Themen (physischer Schutz, böswillig verursachte Flugzeugabstürze, Cyberangriffe, Notfallplanung, Übungen und Schulungen). Da die nationale Sicherheit auch weiterhin in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt und die Sensibilität der Themen sowie Vertraulichkeitsauflagen notwendigerweise strenge Beschränkungen nach sich ziehen, enthält der Bericht mehrere Empfehlungen an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf verstärkte Sicherungsmaßnahmen im Nuklearbereich in der EU. Insbesondere wird darauf hingewiesen,

2.5. Empfehlungen für die Zusammenführung der Arbeiten zur nuklearen Sicherheit und zur Gefahrenabwehr

Es sind intensive Anstrengungen vonnöten, um die Arbeiten zur nuklearen Sicherheit und zur Gefahrenabwehr zusammenzuführen und etwaige Lücken zu schließen. So werden weder in den Stresstests zur nuklearen Sicherheit noch im Bericht zur Gefahrenabwehr im Nuklearbereich alle relevanten Fragen zu Themen wie Flugzeugabstürzen oder zur Widerstandsfähigkeit von Kernkraftwerken gegenüber externen Ereignissen beantwortet. Jedoch wurden im Rahmen der Stresstests die Folgen von Flugzeugabstürzen in beträchtlichem Umfang behandelt, da umfassende Arbeiten zum Ausfall der Notstromversorgung (Station Blackout) und zum Ausfall der Kühlung durchgeführt wurden. Es handelt sich hier um einen Bereich, bei dem die Zuständigkeit auf mehrere Stellen verteilt ist; die Kommission möchte jedoch weitere Untersuchungen mittels Expertenanhörungen zu diesem Thema vornehmen. In anderen Bereichen der Gefahrenabwehr sind spezifische Projekte im Rahmen des CBRN-Aktionsplans der EU sowie Maßnahmen zur Computer- und Netzsicherheit in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten zu erwägen. Die ENSREG sagte in ihrem Aktionsplan die weitere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Flugzeugabstürze zu, soweit die rechtlichen Kompetenzen der nationalen Aufsichtsbehörden dies zulassen.

3. Stärkung des EU-Rahmens für die Nukleare Sicherheit

3.1. Umsetzung des bestehenden Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit

Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie über nukleare Sicherheit 17 in das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten endete am 22. Juli 2011. Die Europäische Kommission leitete Vertragsverletzungsverfahren gegen zwölf Mitgliedstaaten ein, die diese Frist nicht eingehalten hatten18. Zwei Mitgliedstaaten19 haben ihre Umsetzungsmaßnahmen immer noch nicht abgeschlossen. Die Kommission wird jetzt mit einer eingehenden Analyse der Qualität der Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten beginnen.

3.2. Verbesserung des Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit

3.2.1. Überarbeitung der Richtlinie über nukleare Sicherheit

Von entscheidender Bedeutung ist es, dafür zu sorgen, dass die Lehren aus dem Unfall von Fukushima und die Schlussfolgerungen der Stresstests in der EU lückenlos und einheitlich umgesetzt werden und sich im Rechtsrahmen niederschlagen. Die Stresstests, die Berichte aus Japan und die Arbeiten der internationalen Gemeinschaft im Rahmen der IAEO haben aufgezeigt, dass es nicht nur erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt, sondern auch Lücken bei der umfassenden und transparenten Ermittlung zentraler sicherheitstechnischer Aspekte und dem Umgang damit.

Darüber hinaus wurden Schwachstellen im bestehenden EU-Rahmen für nukleare Sicherheit festgestellt (siehe Abschnitt 2.2.3). Zur Behebung dieser Schwachstellen muss die Richtlinie über nukleare Sicherheit in folgenden Punkten überarbeitet werden:

3.2.2. Versicherung und Haftung im Nuklearbereich

Die Frage der Rückstellungen für die Entschädigung von Opfern im Fall von Störfällen oder Unfällen im Nuklearbereich wird gegenwärtig in den EU-Rechtsvorschriften gar nicht behandelt. Dieses Thema war als solches nicht Teil der Stresstests. In Artikel 98 des Euratom-Vertrags sind jedoch Richtlinien des Rates mit verbindlichen diesbezüglichen Maßnahmen vorgesehen. Daher wird die Kommission - ausgehend von einer Folgenabschätzung und innerhalb der Grenzen der Zuständigkeit der EU - prüfen, inwiefern die Situation potenzieller Opfer eines Nuklearunfalls in Europa verbessert werden sollte. Sie beabsichtigt, verbindliche Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Versicherung und Haftung im Nuklearbereich vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang sollte es auch um die Frage des Schadenersatzes für Schädigungen der natürlichen Umwelt gehen.

3.2.3. Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Nahrungs- und Futtermittel

Der Umgang mit Nahrungs- und Futtermitteln, die infolge eines nuklearen Notstands kontaminiert sind, fällt sowohl unter die Richtlinie über grundlegende Sicherheitsnormen (96/29/Euratom) als auch unter besondere Vertriebsbestimmungen in der Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität. Für diese Verordnung wurde eine Neufassung auf den Weg gebracht20. Inzwischen beabsichtigt die Kommission allerdings, den Vorschlag für eine Neufassung zurückzuziehen und die Verordnung in Einklang mit der neuen Komitologie-Verordnung21 zu bringen, die im März 2011 in Kraft getreten ist.

Die Ereignisse in Fukushima und Tschernobyl haben deutlich gemacht, dass zwischen Instrumenten, die die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus Drittländern regeln, und solchen für das Inverkehrbringen im Falle eines Unfalls innerhalb der EU unterschieden werden muss. Ausgehend von diesen Erfahrungen muss die Verordnung überarbeitet werden, damit flexiblere Instrumente zur Verfügung stehen, die spezifische, gezielte Reaktionen auf jede Art von Nuklearunfall oder radiologischer Notstandssituation (in der EU, in der Nachbarschaft der EU oder einem entfernt gelegenen Land) ermöglichen.

3.3. Unterstützung der Humanressourcen und Verbesserung der Ausbildung

Unabhängig davon, ob ein Land sich entschieden hat, die Kernenergie weiter zu nutzen, aus der Nutzung auszusteigen oder diese Energiequelle erstmals zu nutzen, sollte es oberste Priorität sein, auf erfahrene Arbeitskräfte zurückgreifen zu können.

Auf europäischer Ebene leitet die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit den für die nukleare Sicherheit zuständigen Aufsichtsbehörden und den Technischen Sicherheitsorganisationen (TSO) die Initiative zur Sammlung von Betriebserfahrungen ("Operating Experience Feedback"). Die Gemeinsame Forschungsstelle wird diese Initiative auf sämtliche für den Nuklearbereich zuständige Aufsichtsbehörden ausweiten, die sich an dem System beteiligen möchten. Ziel dabei ist die Errichtung eines ständigen Europäischen Labors für nukleare Sicherheit, so dass stete sicherheitstechnische Verbesserungen möglich sind. Dieses Labor wird wissenschaftliche und technische Unterstützung für effektive Arbeiten im Hinblick auf die fortlaufende Verbesserung der nuklearen Sicherheit leisten. Dazu sollen insbesondere Störfallanalysen und - bewertungen herangezogen werden, die die Kommission oder die ENSREG bestimmen können.

Bei den Euratom-Forschungs- und Innovationsmaßnahmen (Horizont 2020) sollte den Lehren aus Fukushima besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. In diesem Bereich ist eine bessere Koordinierung zwischen einzelstaatlichen, europäischen und internationalen Maßnahmen erforderlich. Mit Blick auf die kontinuierliche Verbesserung und Harmonisierung der Sicherheitskultur sollte der weitere Informationsaustausch über empfehlenswerte Methoden gefördert werden.

3.4. Aufbau der internationalen Zusammenarbeit

Die Kommission wird alle EU-Nachbarländer durch geeignete Anreize und Instrumente auch weiterhin dazu ermuntern, sich gegenseitig über die Ergebnisse ihrer Stresstests zu unterrichten, sich an den Peer Reviews zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass die Erfahrungen mit der Umsetzung der Empfehlungen ausgetauscht werden, damit die nukleare Sicherheit sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU verbessert wird. Zurzeit wird über ein Euratom-Darlehen für die Ukraine nachgedacht, um die Umsetzung ihres umfassenden sicherheitstechnischen Nachrüstungsprogramms zu beschleunigen.

Darüber hinaus werden gegenwärtig Kontakte zu Japan mit Blick auf die Entwicklung einer bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Stresstests und aufsichtsrechtliche Fragen aufgebaut. Der Entwurf einer Vereinbarung (Memorandum of Understanding) über eine bessere Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit wurde bereits der IAEO vorgelegt. Grundsätzlich wird sich die Kommission gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst für einen optimalen Einsatz der vorhandenen Instrumente der auswärtigen Zusammenarbeit in diesem Bereich engagieren; dabei geht es insbesondere um das Instrument für Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit, die Komponente des Stabilitätsinstruments, mit der auf die Eindämmung der chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Risiken hingewirkt werden soll, und das Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt.

3.5. Verbesserung des weltweiten Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit

Die von der IAEO initiierten wichtigsten Instrumente in diesem Bereich umfassen international vereinbarte Sicherheitsnormen und Übereinkommen, insbesondere das Übereinkommen über nukleare Sicherheit (CNS) und das Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen, bei denen Euratom Vertragspartei ist. Auf der außerordentlichen Tagung des Übereinkommens über nukleare Sicherheit im August 2012 wurde vereinbart, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die damit beauftragt wird, bis 2014 eine Liste von Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Übereinkommens und eventuell erforderliche Änderungsvorschläge vorzulegen. Die Mehrheit der in dieser Arbeitsgruppe vertretenen Staaten hob besonders darauf ab, dass es notwendig sei, den IAEO-Sicherheitsnormen, der Unabhängigkeit und Effektivität der Aufsichtsbehörden, dem verstärkten Rückgriff auf Peer Reviews sowie einer größeren Offenheit und Transparenz Rechnung zu tragen. Die Kommission wird diese Grundsätze und Ziele in vollem Umfang berücksichtigen. Damit sich die EU-Rechtsvorschriften soweit wie möglich in künftigen Überarbeitungen des internationalen Rahmens für nukleare Sicherheit niederschlagen, ist das fortgesetzte Engagement der Mitgliedstaaten und der Organe und Einrichtungen der EU unverzichtbar. Die Kommission wird weiterhin nach Kräften darauf hinarbeiten.

4. Stärkung der Gefahrenabwehr IM Nuklearbereich

Die Kommission unterstützt die Ergebnisse und Empfehlungen des Schlussberichts der AHGNS. Um zu den Arbeiten auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Nuklearbereich beizutragen, wird die Kommission auf die vorhandenen Kompetenzen und Programme zurückgreifen, um die Mitgliedstaaten weiterhin zur Durchführung spezifischer Maßnahmen zu ermuntern. Insbesondere wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten die Arbeiten zu folgenden Themen fortsetzen:

Nach Auffassung der Kommission besteht außerdem noch Handlungsbedarf in Bezug auf Aspekte, die sich an der Schnittstelle zwischen der nuklearen Sicherheit und der Gefahrenabwehr im Nuklearbereich befinden.

Außerhalb der EU wird das Stabilitätsinstrument - das EU-Programm der CBRN-Exzellenzzentren - eingesetzt, um die institutionellen Kapazitäten ausgewählter Länder und Regionen zum Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Bedrohungen zu stärken.

5. Schlussfolgerungen weitere Schritte

Die EU-Stresstests der kerntechnischen Anlagen waren hinsichtlich Umfang, Kooperation und Engagement aller beteiligten Parteien ein völlig neuartiges Vorhaben. Sie wurden weltweit entweder als Grundlage oder als Benchmark für die sicherheitstechnische Bewertung von Kernkraftwerken herangezogen 24. Die Tatsache, dass sämtliche sicherheitsrelevanten Berichte öffentlich zugänglich waren und auch Länder ohne eigene Kernenergienutzung mitwirkten, hat die Tests zu einem Beispiel für Transparenz werden lassen.

Die Stresstests sind inzwischen abgeschlossen. Ihre Folgemaßnahmen sollten jedoch nicht als einmaliges Unterfangen angesehen werden, sondern als ein fortlaufender Prozess zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen der ENSREG und der IAEO. Die EU muss auf die Entwicklung eines umfassenden europäischen Sicherheitskonzepts hinwirken: Dies beinhaltet die Überarbeitung der Euratom-Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit, ergänzt durch gesetzgeberische und sonstige Instrumente zur atomrechtlichen Haftung wie auch zur Notfallvorsorge und - bekämpfung. Darüber hinaus sollte sie auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr im Nuklearbereich Schritte unternehmen. Auf diese Weise können die Bürger in der gesamten EU darauf vertrauen, dass die in der EU erzeugte Kernkraft den strengsten sicherheitstechnischen Auflagen der Welt unterliegt.

Die Stresstests und die damit verbundenen Tätigkeiten sind für die EU und die Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten eine wichtige Errungenschaft, die zu konkreten Ergebnissen geführt hat:

Damit sich an die Stresstests angemessene Folgemaßnahmen anschließen, unternimmt die Kommission folgende Schritte:

Abkürzungsverzeichnis AHGNS Adhoc Group on Nuclear Security (Adhoc-Gruppe für die Gefahrenabwehr im Nuklearbereich)

Anhang25
Zusammenfassung der wichtigsten Verbesserungsempfehlungen infolge der Stresstests in den Kernkraftwerken der EU-Mitgliedstaaten

Für den Nachweis zum Schutz vor Gefahren von außen sollten Erdbeben mit einer geringeren Überschreitungswahrscheinlichkeit als einmal in 10 000 Jahren herangezogen werden.

(Bei der Bewertung der Eignung eines Standorts für die Errichtung eines KKW sollte eine seismische Analyse zugrunde gelegt werden, die das schwerste Erdbeben in den letzten 10 000 Jahren berücksichtigt.)

Für den Nachweis zum Schutz vor Gefahren von außen sollten Hochwasser mit einer geringeren Überschreitungswahrscheinlichkeit als einmal in 10 000 Jahren herangezogen werden.

(Bei der Bewertung der Eignung eines Standorts für die Errichtung eines KKW sollte eine Analyse zugrunde gelegt werden, die das extremste Hochwasser in den letzten 10 000 Jahren berücksichtigt.)

Es sollte ein Auslegungserdbeben mit einer minimalen Bodenbeschleunigung von 0,1 g berücksichtigt werden.

Die KKW-Auslegung sollte imstande sein, einem Erdbeben standzuhalten, das mindestens eine Bodenbeschleunigung von 0,1 g erreicht.

Zur Unfallbekämpfung erforderliche Mittel sollten an Orten gelagert werden, die sachgerecht vor externen Ereignissen geschützt sind.

In der Anlage sollten seismische Instrumente installiert bzw. nachgebessert werden.

Dem Betreiber sollte mehr als 1 Stunde zur Verfügung stehen, um bei einem vollständigen Ausfall der Stromversorgung und/oder dem Ausfall der Endwärmesenke (UHS) die Sicherheitsfunktionen wiederherzustellen (ohne menschliches Eingreifen).

Die Notfallverfahren sollten sich auf alle Anlagenzustände (d.h. "Vollleistungsbetrieb" bis hin zur "Abschaltung") erstrecken.

Es sollten Leitlinien für das Vorgehen bei schweren Unfällen eingeführt werden, die alle Betriebszustände der Anlage (d.h. "Vollleistungsbetrieb" bis hin zur "Abschaltung") abdecken.

Es sollten passive Maßnahmen zur Verhinderung von Wasserstoffexplosionen (oder Explosionen sonstiger brennbarer Gase) im Fall schwerer Unfälle vorgesehen sein (wie passive autokatalytische Rekombinatoren oder sonstige Möglichkeiten).

Es sollten mit Filtern ausgestattete Abluftsysteme in der Sicherheitsumschließung vorhanden sein, damit die Menge an Radioaktivität begrenzt wird, die bei einem Unfall an die Umgebung außerhalb der Sicherheitshülle freigesetzt wird.

Für den Fall, dass der Hauptkontrollraum infolge radiologischer Freisetzungen bei einem schweren Unfall, bei einem Brand im Hauptkontrollraum oder aufgrund extremer externer Gefahren nicht mehr betreten werden kann, sollte ein Ersatzkontrollraum verfügbar sein.