Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes
(Aktienrechtsnovelle 2012)

892. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2012

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe c (§ 192 Absatz 3 Satz 4 AktG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Ausnahme von der Höchstgrenze nach § 192 Absatz 1 AktG bei Kreditinstituten auch in anderen als den in § 192 Absatz 3 Satz 4 AktG-E vorgesehenen Fällen zugelassen werden kann. Dabei soll insbesondere geprüft werden, ob eine Erweiterung dahingehend möglich ist, dass die Höchstgrenze nicht greift, wenn der Umtausch der umgekehrten Wandelanleihen allgemein zur Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher Anforderungen erfolgt.

Begründung:

Die heimischen Kreditinstitute brauchen angesichts steigender Eigenkapitalanforderungen aus dem Aufsichtsrecht - sowohl in Qualität als auch in Quantität - passende gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen. Diese hat der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum CRD IV-Richtlinienvorschlag - BR-Drs. 424/11(B) HTML PDF - von der Bundesregierung gefordert.

Die Ausgabe von umgekehrten Wandelanleihen eröffnet den Instituten die Möglichkeit, sich zu günstigeren Konditionen als für Aktien Kapital am Kapitalmarkt zu verschaffen, das aufsichtsrechtlich zur Stärkung des Eigenkapitals zur Verfügung steht. Angesichts der Erfahrungen in den Stresstests sollte es den Instituten möglich sein, - auch ohne Aufforderung der BaFin oder einer Belastungssituation, wie in § 192 Absatz 3 Satz 4 AktG-E - ihr Eigenkapital kurzfristig in großem Stil aufzustocken und damit auf besondere Entwicklungen der Finanzmärkte zu reagieren. Die im Gesetzentwurf enthaltene Höchstgrenze läuft deshalb auch dem Bestreben der Aufsicht, bei den Instituten eine hohe Eigenkapitaldecke sicherzustellen, entgegen.

Auch volkswirtschaftlich ist eine großzügigere Möglichkeit der Eigenkapitalaufstockung speziell bei Kreditinstituten sinnvoll. Im Falle einer drohenden Kreditklemme verfügen die Kreditinstitute schnell über mehr Eigenkapital und sind so in der Lage, die Kreditversorgung der Realwirtschaft weiterhin zu gewährleisten.

Aus diesen Erwägungen heraus bittet der Bundesrat um Prüfung, ob eine Erweiterung der Ausnahme von der Höchstgrenze in § 192 Absatz 3 Satz 4 AktG-E speziell für die Kreditinstitute umsetzbar ist. Als Anknüpfungspunkt für die generelle Erweiterung sieht der Bundesrat dabei die Erfüllung bankaufsichtsrechtlicher Anforderungen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 21 (§ 394 Satz 4 - neu - AktG)

Artikel 1 Nummer 21 ist wie folgt zu fassen:

'21. Dem § 394 werden folgende Sätze angefügt:

"Die Berichtspflicht nach Satz 1 kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen. Dies gilt auch für Aufsichtsratsmitglieder,

Begründung:

Bisher regelt § 394 AktG nur das Verhältnis einer bestehenden Berichtspflicht eines auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieds zur grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 116 AktG. Das Fehlen einer Regelung über die Begründung der Berichtspflicht ist angesichts der Strafbarkeit gemäß § 404 AktG bei einem Verstoß gegen die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht ein latentes Problem für Mandatsträger der öffentlichen Hand. Es ist daher zu begrüßen, dass im Gesetzentwurf eine klarstellende Regelung zur Begründung der Berichtspflicht für auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählte oder entsandte Aufsichtsratsmitglieder aufgenommen worden ist. Es wird darauf hingewiesen, dass im Vorblatt und in der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs wohl auf Grund eines Redaktionsversehens nur die entsandten und nicht die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählten Aufsichtsratsmitglieder genannt werden (vgl. Vorblatt Abschnitt A Absatz 5; Allgemeine Begründung Teil I Absatz 4).

Regelungsbedarf hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Berichtspflicht und grundsätzlicher Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern besteht über die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung hinaus, wenn Aufsichtsratsmitglieder auf Veranlassung einer der Rechtsaufsicht einer Gebietskörperschaft unterstehenden rechtsfähigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind. Gleicher Regelungsbedarf besteht zudem für Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung eines Unternehmens gewählt oder entsandt worden sind, an dem eine oder mehrere Gebietskörperschaften mit insgesamt mehr als 50 vom Hundert beteiligt sind. Beispiele aus den Bereichen der Länder und Kommunen sind die Tochtergesellschaften von Universitäten, Universitätskliniken, öffentlichrechtlichen Banken oder mittelbaren Beteiligungen an Unternehmen in Privatrechtsform.

3. Zu Artikel 2a - neu - (§ 94 Absatz 1 und 2 -neu-, § 96 Absatz 1 GVG)

Nach Artikel2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:

'Artikel 2a
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 94 wird wie folgt gefasst:

§1 94

2. In § 96 Absatz 1 werden die Wörter "Der Rechtsstreit wird" durch die Wörter "Liegt kein Fall des § 95 Absatz 2 vor, so wird der Rechtsstreit" ersetzt. '

Begründung:

Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz - FGG-RG), BGBl. I S. 2586, hat einerseits den Begriff der Handelssachen nach § 95 GVG erweitert (vgl. Artikel 22 Nummern 11, 13 FGG-RG), andererseits bestimmte gesetzlich angeordnete Zuständigkeiten der Kammer für Handelssachen, die unabhängig von entsprechenden Parteianträgen (§§ 96, 98 GVG) galten, aufgehoben. Dabei handelte es sich um folgende Vorschriften:

Die Streichungen haben dazu geführt, dass einschlägige Sachen - sofern die Parteien keine Anträge nach den §§ 96, 98 GVG stellen - vor die allgemeinen Zivilkammern gelangen und auch nicht mehr von Amts wegen an die Kammern für Handelssachen abgegeben werden können. Seit Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes ist daher nicht mehr sichergestellt, dass die betreffenden Materien vor Spruchkörpern verhandelt werden, die über das erforderliche Spezialwissen und oft langjährige Erfahrung mit diesen Materien verfügen.

Diese Rechtslage bereitet in der gerichtlichen Praxis nach wie vor erhebliche Probleme. Eine Antragstellung nach den §§ 96 ff. GVG ist im Einzelfall nicht zuverlässig zu erreichen; andererseits sind die Materien des § 95 Absatz 2 GVG nur mit Spezialwissen sachgerecht zu bewältigen. Bei der Verteilung im allgemeinen Zivilturnus besteht zudem die Gefahr, dass wichtige und umfangreiche Verfahrensschritte wie beispielsweise Unternehmensbewertungen mehrfach vorgenommen werden und unterschiedliche Spruchkörper bezogen auf identische Sachverhalte zu divergierenden Ergebnissen gelangen. Dies wiegt umso schwerer, als die gerichtlichen Entscheidungen in den genannten Fällen zum Teil nicht nur gegenüber den Beteiligten, sondern gegenüber jedermann wirken (vgl. z.B. für die in § 98 AktG geregelte gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats § 99 Absatz 5 Satz 2 AktG).

Diese Schwierigkeiten lassen sich beheben, indem für bestimmte Spezialmaterien erneut eine gesetzliche Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen begründet wird. Im Interesse einer übersichtlichen Regelung verweist § 94 Absatz 1 GVG-E wegen der antragsunabhängigen Zuständigkeiten der Kammern für Handelssachen insgesamt auf § 95 Absatz 2 GVG. Bei den dort aufgeführten Spezialmaterien erscheint eine parallele Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammern und der Kammern für Handelssachen typischerweise nicht sinnvoll, vielmehr eine gesetzliche Zuständigkeitszuweisung an die Kammer für Handelssachen sachangemessen.

Als Folgeänderung ist § 246 Absatz 3 Satz 2 AktG aufzuheben.

4. Zu Artikel 3a - neu - (§ 52 Absatz 1 GmbHG)

Nach Artikel 3 ist folgender Artikel 3a einzufügen:

'Artikel 3a
Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

In § 52 Absatz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird nach der Angabe " §§ 170,171" die Angabe "und 394" eingefügt.'

Begründung:

Soweit für eine GmbH nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, besteht hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, das Bedürfnis, das Verhältnis der Berichtspflicht gegenüber der Gebietskörperschaft zur gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht analog der für die Aktiengesellschaft geltenden Regelung in § 394 AktG zu regeln. Auch hier besteht ansonsten für Mandatsträger der öffentlichen Hand das Risiko einer Strafbarkeit gemäß § 85 GmbHG wegen Verstoßes gegen die GmbH-rechtliche Verschwiegenheitspflicht.