Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen

A. Problem und Ziel

Im Bereich der Steuerpolitik setzt die Bundesregierung ein schnell wirksames Gesamtpaket von Maßnahmen um, das zu der erforderlichen Stabilisierung der öffentlichen Haushalte beiträgt, wirtschaftsfördernde Impulse gibt und zugleich eine gerechte, gleichmäßige und transparente Besteuerung sicherstellt.

Um die auf allen Ebenen äußerst angespannte Lage der öffentlichen Haushalte zu verbessern, ist es unerlässlich, dass die vorhandenen Steuergesetze nicht unterlaufen werden. Legale, aber unerwünschte Umgehungs- und Gestaltungsmöglichkeiten müssen deshalb eingeschränkt werden. Insbesondere handelt es sich dabei um folgende Umgehungs- und Gestaltungsmöglichkeiten:

B. Lösung

Mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen wird dem Gestaltungsmissbrauch und der nicht gerechtfertigten Ausnutzung von Gesetzeslücken im Steuerrecht insbesondere mit folgenden Maßnahmen entgegengewirkt:

Das Gesetz leistet damit einen Beitrag zur weiteren Stabilisierung der Steuerbasis und führt zu größerer Steuergerechtigkeit.

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

Für die Haushalte der Gebietskörperschaften ergeben sich in den Kassenjahren 2006 bis 2010 die nachfolgenden Auswirkungen:

Finanzielle Auswirkungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen
GebietskörperschaftSteuermehreinnahmen in Mio. EUR in den Kassenjahren
20062007200820092010
Bund120287374375372
Länder107258335334332
Gemeinden3385111111111
Insgesamt260630820820815

E. Sonstige Kosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 30. Dezember 2005
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Entwurf eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 Änderung des Einkommensteuergesetzes

Das Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4210, 2003 I S. 179), zuletzt geändert durch Artikel ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...), wird wie folgt geändert:

Artikel 2 Änderung des Umsatzsteuergesetzes

Das Umsatzsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386), zuletzt geändert durch Artikel ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...), wird wie folgt geändert:

Artikel 3 Änderung der Abgabenordnung

§ 379 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom

1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866, 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom ... geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

"Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig

Artikel 4 Inkrafttreten

(1) Artikel 2 Nr. 2 tritt am 1. Juli 2006 in Kraft.

(2) Im Übrigen tritt dieses Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

I. Allgemeiner Teil

Die Bundesregierung setzt im Bereich der Steuerpolitik auf ein schnell wirksames Gesamtpaket steuerlicher Maßnahmen, das

Das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Gestaltungen enthält vor allem Regelungen, die dem Gestaltungsmissbrauch und der nicht gerechtfertigten Ausnutzung von Gesetzeslücken im Steuerrecht entgegenwirken. Das Gesetz leistet damit nicht nur einen Beitrag zur weiteren Stabilisierung der Steuerbasis. Es führt vielmehr unmittelbar zu größerer Steuergerechtigkeit und verhilft damit auch dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu größerer Geltung.

Das Gesetz umfasst folgende Maßnahmen:

Im Zuge der gemäß § 2 GGO vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Männern und Frauen keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.

Finanzielle Auswirkungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen

lfd. Steuerart / Volle Kassenjahr
Maßnahme Gebiets- Jahres-
Nr. körperschaft wirkung 1) 2006 2007 2008 2009 2010
1 § 4 Abs. 3 S. 4 EStG 2) Insg. + 500 + 125 + 375 + 500 + 500 + 500
Anpassung der Gewinnermittlung nach § 4 ESt + 475 + 120 + 355 + 475 + 475 + 475
Abs. 3 EStG; Anschaffungskosten für SolZ + 25 + 5 + 20 + 25 + 25 + 25
Wertpapiere u. ä. können erst im Zeitpunkt der Veräußerung abgezogen werden Bund + 227 + 56 + 171 + 227 + 227 + 227
ESt + 202 + 51 + 151 + 202 + 202 + 202
SolZ + 25 + 5 + 20 + 25 + 25 + 25
Länder + 202 + 51 + 151 + 202 + 202 + 202
ESt + 202 + 51 + 151 + 202 + 202 + 202
Gem. + 71 + 18 + 53 + 71 + 71 + 71
ESt + 71 + 18 + 53 + 71 + 71 + 71
2 § 5 Abs. 1a EStG - NEU -3) Insg. - - - - - -
Verpflichtung zur Bildung von Bund - - - - - -
Bewertungseinheiten in der Steuerbilanz Länder - - - - - -
Gem. - - - - - -
3 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG Insg. + 255 + 110 + 200 + 255 + 255 + 255
Beschränkung der Anwendung der 1%- GewSt + 15 . + 10 + 15 + 15 + 15
Regelung auf Fahrzeuge des notwendigen ESt + 170 + 85 + 135 + 170 + 170 + 170
Betriebsvermögens (betriebliche Nutzung SolZ + 10 + 5 + 5 + 10 + 10 + 10
mehr als 50%) USt + 60 + 20 + 50 + 60 + 60 + 60
Bund + 114 + 51 + 88 + 114 + 114 + 114
GewSt + 1 . . + 1 + 1 + 1
ESt + 72 + 36 + 57 + 72 + 72 + 72
SolZ + 10 + 5 + 5 + 10 + 10 + 10
USt + 31 + 10 + 26 + 31 + 31 + 31
Länder + 102 + 45 + 81 + 102 + 102 + 102
GewSt + 2 . + 1 + 2 + 2 + 2
ESt + 72 + 36 + 57 + 72 + 72 + 72
USt + 28 + 9 + 23 + 28 + 28 + 28
Gem. + 39 + 14 + 31 + 39 + 39 + 39
GewSt + 12 . + 9 + 12 + 12 + 12
ESt + 26 + 13 + 21 + 26 + 26 + 26
USt + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1
4 § 4 Nr. 9 Buchst. b) USt G 4) Insg. + 60 + 20 + 45 + 55 + 60 + 60
Umsatzsteuerpflicht für Ums ätze USt + 60 + 20 + 45 + 55 + 60 + 60
zugelassener öffentlicher Spielbanken; Inkrafttreten am Tage nach Verkündung Bund + 31 + 10 + 23 + 28 + 31 + 31
(Annahme: 1. Mai 2006) USt + 31 + 10 + 23 + 28 + 31 + 31
Länder + 28 + 9 + 21 + 26 + 28 + 28
USt + 28 + 9 + 21 + 26 + 28 + 28
Gem. + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1
USt + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1
5 § 13b USt G Insg. + 10 + 5 + 10 + 10 + 5 .
Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des USt + 10 + 5 + 10 + 10 + 5 .
Leistungsempf änger (nur Unternehmer) auf Gebäudereinigungsleistungen ab dem 1. Juli Bund + 5 + 3 + 5 + 5 + 3 .
2006 USt + 5 + 3 + 5 + 5 + 3 .
Länder + 5 + 2 + 5 + 5 + 2 .
USt + 5 + 2 + 5 + 5 + 2 .
Gem. . . . . . .
USt . . . . . .
6 § 379 AO 5) Insg. - - - - - -
Änderung der Abgabenordnung, Ausweitung Bund - - - - - -
der Tatbestandsmerkmale von Ordnungswidrigkeiten Länder - - - - - -
(Weitergabe von Tankbelegen) Gem. - - - - - -
7 Finanzielle Auswirkungen des Entwurfs Insg. + 825 + 260 + 630 + 820 + 820 + 815
eines Gesetzes zur Eindämmung GewSt + 15 . + 10 + 15 + 15 + 15
missbräuchlicher Steuergestaltungen ESt + 645 + 205 + 490 + 645 + 645 + 645
SolZ + 35 + 10 + 25 + 35 + 35 + 35
USt + 130 + 45 + 105 + 125 + 125 + 120
Bund + 377 + 120 + 287 + 374 + 375 + 372
GewSt + 1 . . + 1 + 1 + 1
ESt + 274 + 87 + 208 + 274 + 274 + 274
SolZ + 35 + 10 + 25 + 35 + 35 + 35
USt + 67 + 23 + 54 + 64 + 65 + 62
Länder + 337 + 107 + 258 + 335 + 334 + 332
GewSt + 2 . + 1 + 2 + 2 + 2
ESt + 274 + 87 + 208 + 274 + 274 + 274
USt + 61 + 20 + 49 + 59 + 58 + 56
Gem. + 111 + 33 + 85 + 111 + 111 + 111
GewSt + 12 . + 9 + 12 + 12 + 12
ESt + 97 + 31 + 74 + 97 + 97 + 97
USt + 2 + 2 + 2 + 2 + 2 + 2

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Einkommensteuergesetz)

Zu Nummer 1 (§ 4)

Zu Buchstabe a (Absatz 3 Satz 4)

In der Bundesrepublik Deutschland verbreitet sich derzeit ein aus Sicht der Kapitalanleger lukratives Steuersparmodell, durch das in einzelnen Ländern bereits Steuerausfälle von mehreren 100 Mio. Euro verursacht wurden.

Das Modell wird in der Rechtsform einer GbR mit einer GmbH als geschäftsführender Gesellschafterin betrieben. Erwirbt die GbR Wertpapiere, kann sie die Anschaffungskosten als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandeln. Den jeweiligen Verlustanteil aus dem Wertpapierankauf verrechnen die Gesellschafter mit ihren übrigen positiven Einkünften und vermindern so ihre Steuerschuld.

Ausgangspunkt dieses Modells ist die Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 3 EStG (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben), die einen sofortigen Abzug der Anschaffungskosten von zum Umlaufvermögen gehörenden Wertpapieren vorsieht. Lediglich bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten erst im Zeitpunkt der Veräußerung als Betriebsausgabe zu behandeln. Das Modell ist jedoch auf kurzfristige Vermögensumschichtungen innerhalb von 12 Monaten angelegt, so dass es sich bei den Wertpapierkäufen durchweg um Umlaufvermögen handelt.

Auch bei Steuerpflichtigen, die gewerblichen Grundstückshandel betreiben und zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG berechtigt sind, bestehen vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert für die zum Umlaufvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter Grund und Boden und Gebäude können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung, Einlage oder Einbringung in das Betriebsvermögen sofort und in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen und damit mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden. Der Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke wird häufig erst Jahre später der Besteuerung unterworfen, so dass ein ggf. langjähriger Steuerstundungseffekt eintritt.

Die vorgesehene Ergänzung des Wortlauts des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG um die Wörter "für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens" stellt sicher, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert für diese Wirtschaftsgüter stets - und damit unabhängig von der Zuordnung zum Umlauf- oder Anlagevermögen - erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme berücksichtigt werden.

Zu Buchstabe b (Absatz 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3)

Folgeänderung zur Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, nach der die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs anhand der sog. 1%-Regelung auf Kraftfahrzeuge des notwendigen Betriebsvermögens begrenzt wird. Bei der Ermittlung der nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte sind anstelle dieser Pauschalierungsregelung (0,03 vom Hundert pro Entfernungskilometer und Monat abzügl. Entfernungspauschale) die tatsächlichen Aufwendungen gegenzurechnen.

Zu Nummer 2 (§ 5)

Zu Buchstabe a (Absatz 1a - neu -)

Unternehmen sichern Geschäfte (Grundgeschäfte), die einem Kursrisiko unterliegen, in der Regel durch andere Geschäfte (Sicherungsgeschäfte) ab, die einem gegenläufigen Risiko unterliegen, um Verluste zu vermeiden (Hedge).

In der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden die Chancen und Risiken aus den Grund- und Sicherungsgeschäften kompensatorisch in Bewertungseinheiten zusammengefasst. Führt die kompensatorische Bewertung insgesamt zu einem positiven Ergebnis, bleibt dieses nach § 252 Nr. 4 HGB außer Ansatz, ein negatives Ergebnis mindert dagegen den Gewinn.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung stellt klar, dass diese handelsrechtliche Praxis zur Bildung von Bewertungseinheiten auch weiterhin für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich bleibt. Sie beugt Bestrebungen vor, wirtschaftlich zusammenhängende Bilanzpositionen einzeln zu bewerten. Der handels- und steuerrechtliche Grundsatz der Einzelbewertung (§ 240 Abs. 1 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; § 6 Abs. 1 EStG) und das Saldierungsverbot ( § 246 Abs. 2 HGB) entsprechen bei Sicherungsgeschäften im Rahmen von Portfolien nicht den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis. Er führt durch die isolierte imparitätische Bewertung (strenges Niederstwertprinzip) zur Berücksichtigung von Verlusten, die tatsächlich niemals eintreten werden.

Eine Beschränkung der Bewertungseinheiten auf die "Micro-Hedges" - und damit auf direkte und enge Sicherungszusammenhänge - würde bei den in der Praxis üblichen "Portfolio-Hedges" und "Macro-Hedges" zu falschen Ergebnissen führen.

Der Gesetzesvorschlag wirkt einer weiteren Differenzierung von Handels- und Steuerrecht entgegen. Er erspart den Unternehmen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, den die steuerliche Einzelbewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften nach sich ziehen würde.

Zu Buchstabe b (Absatz 4a Satz 2 - neu -)

Ein nach der Bildung der Bewertungseinheiten verbleibendes negatives Ergebnis wird in der Handelsbilanz oftmals als Rückstellung für drohende Verluste dargestellt. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Bilanzposition jedoch um die Zusammenfassung einer Vielzahl unterschiedlichster Aufwendungen und Erträge. Der eingefügte Satz 2 in Absatz 4a stellt klar, dass diese lediglich technisch als Rückstellung für drohende Verluste bezeichnete Bilanzposition nicht dem Passivierungsverbot nach Absatz 4a Satz 1 unterliegt.

Zu Nummer 3 (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2)

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Das Gesetz unterscheidet hierbei nicht, ob es sich bei dem Kraftfahrzeug um notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen handelt. Durch die Anerkennung von gewillkürtem Betriebsvermögen auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (BFH vom 2. Oktober 2003, BStBl II 2004 S. 985) ergeben sich zahlreiche Fallgestaltungen, bei denen die 1%-Regelung zu einem ungerechtfertigtem Vorteil für den Steuerpflichtigen führt, weil der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelung von einer durchschnittlichen privaten Nutzung von 30 bis 35 v.H. ausgegangen ist.

Mit der Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG wird die Anwendung der 1%-Regelung auf Fahrzeuge des notwendigen Betriebsvermögens (betriebliche Nutzung zu mehr als 50 %) beschränkt. Befindet sich ein Kraftfahrzeug im gewillkürten Betriebsvermögen (betriebliche Nutzung von mindestens 10 % bis zu 50 %), ist der Entnahmewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG zu ermitteln und mit den auf die geschätzte private Nutzung entfallenden Kosten anzusetzen. Dieser Nutzungsanteil ist vom Steuerpflichtigen im Rahmen allgemeiner Darlegungs- und Beweislastregelungen nachzuweisen (d.h. glaubhaft zu machen). Die Führung eines Fahrtenbuches ist dazu nicht zwingend erforderlich.

Mit der Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist keine Änderung der Besteuerung des geldwerten Vorteils des Arbeitnehmers (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) verbunden, dem von seinem Arbeitgeber ein Kraftfahrzeug überlassen wird ("Dienstwagen"). Dieses stellt beim Arbeitgeber notwendiges Betriebsvermögen dar - unabhängig davon, wie der Arbeitnehmer das Kraftfahrzeug nutzt.

Zu Nummer 4 (§ 52)

Zu Buchstabe a (Absatz 10 Satz 2 - neu -)

Zeitliche Anwendungsregelung für die Änderung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG.

Zu Buchstabe b (Absatz 12 Satz 3 - neu -)

Zeitliche Anwendungsregelung zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG.

Zu Buchstabe c (Absatz 16 Satz 15 - neu - )

Zeitliche Anwendungsregelung zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.

Zu Artikel 2 (Umsatzsteuergesetz)

Zu Nummer 1 (§ 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1)

Mit Urteil vom 17. Februar 2005 (verbundene Rechtssachen C-453/02 und C-462/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken gemeinschaftsrechtlich unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Der EuGH erkennt eine Verletzung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes, wenn zur Abgrenzung steuerbefreiter und steuerpflichtiger Glücksspielumsätze an die Identität des Veranstalters oder Betreibers der Spiele oder Geräte angeknüpft wird. Der Bundesfinanzhof hat in seinen Anschluss-Urteilen vom 12. Mai 2005 - V R 7/02 - und 19. Mai 2005 - V R 50/01 - entschieden, dass die Kläger sich, da § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit der Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie unvereinbar ist, in dem Sinne auf diese Bestimmung berufen können, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG keine Anwendung findet.

Um die umsatzsteuerliche Neutralität herzustellen und die durch die Rechtsprechung eröffnete Berufungsmöglichkeit gewerblicher Glücksspielanbieter auf die Steuerbefreiung aufzuheben, werden die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, in die Umsatzsteuerpflicht einbezogen.

Eine Gesetzesänderung, die zwar an der bisherigen umsatzsteuerlichen Unterscheidung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG festhält, diese aber durch Anknüpfen insbesondere an die Gewerbeordnung oder die Art der Geldspielgeräte innerhalb und außerhalb der Spielbanken reglementiert, erscheint mit Blick auf das Neutralitätsprinzip der Mehrwertsteuer mit erheblichen EG-rechtlichen Unsicherheiten behaftet zu sein. Eine solche Gesetzesänderung ist daher nicht in Erwägung zu ziehen.

Von der Umsatzsteuer zu befreien sind nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Aus dieser Formulierung folgt zunächst, dass die Richtlinienvorschrift die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei zu stellen, sondern im Gegenteil, die Mitgliedstaaten können Einschränkungen vornehmen. Die Bundesrepublik Deutschland sowie jeder andere Mitgliedstaat ist deshalb - in den Grenzen des Neutralitätsgrundsatzes - befugt, Art und Umfang der Steuerbefreiung für die erfassten Glücksspiele eigenständig zu bestimmen.

Dabei ist zum einen zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Befreiungsvorschriften eng auszulegen sind, da Grundsatz der 6. EG-Richtlinie ist, dass sämtliche Umsätze besteuert werden.

Zum anderen dürfen aber nicht sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerpflichtig behandelt werden. Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang, dass Wetten und Lotterien ebenfalls Glücksspiele mit Geldeinsatz im Sinne der 6. EG-Richtlinie darstellen. Dies ergibt sich aus der deutschen Sprachversion "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz". Noch deutlicher wird es in der englischen Sprachversion: "Betting, lotteries and other forms of gambling" und in der französischen Sprachversion: "Les paris, loteries et autres jeux de hazard ou d´argent".

Durch die den Mitgliedstaaten danach offen stehenden Bedingungen und Beschränkungen wird es ermöglicht, festgelegte Formen des Glücksspiels mit Umsatzsteuer zu belegen.

Im Hinblick auf den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz haben die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Befugnis zur Einschränkung der Umsatzsteuerbefreiung so auszuüben, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Glücksspielumsätze umsatzsteuerlich gleich behandelt werden. Der Neutralitätsgrundsatz verbietet daher die Besteuerung bestimmter Glücksspielumsätze nicht, sofern alle gleichartigen Glücksspielumsätze erfasst werden. Daraus folgt, dass der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt ist, wenn Glücksspiele und Glücksspielgeräte aller Art sowohl innerhalb als auch außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken gleich behandelt werden, indem sie der Besteuerung unterworfen werden. Um bei der Umsatzbesteuerung derartiger Umsätze Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und somit die Rechtssicherheit für alle Wirtschaftsbeteiligten zu erhöhen, werden künftig nur noch die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Die fortbestehende Befreiung der Wetten und Lotterien, die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegen, verletzt den Neutralitätsgrundsatz nicht, da diese Umsätze mit den übrigen Glücksspielumsätzen nicht als gleichartig anzusehen sind.

Da Deutschland Glücksspielumsätze in Form von Rennwetten, Lotterien und Oddset-Wetten, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, auch weiterhin steuerfrei behandelt, werden die dem Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie immanenten Grenzen nicht überschritten. Damit sind auch die Ausführungen des Generalanwalts Jacobs (Schlussanträge vom 3. März 1994 in der Rechtssache C - 038/93 (Glawe), Rz. 10) berücksichtigt.

Der dargelegte Gestaltungsspielraum ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Leitsatz des EuGH-Urteils in den verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02. Der Leitsatz besagt, dass es EG-rechtlich unzulässig ist, Geldspielgeräte mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer zu befreien, während vergleichbare Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind.

Mit der vorgeschlagenen Änderung macht der Gesetzgeber mithin von dem dargelegten, den Mitgliedstaaten in Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie eingeräumten, Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch.

Die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, sind künftig umsatzsteuerpflichtig. Durch eine zumindest mittelbare Weitergabe der Umsatzsteuer an den Endverbraucher (z.B. bei Serviceleistungen), könnten die Spielbanken die dadurch eintretenden Belastungen mindern. Zudem könnte diesen durch eine Senkung der Spielbankabgabe, der Sonderabgaben oder der zusätzlichen Gewinnabschöpfungen entgegengewirkt werden.

Die vorgesehene Änderung ist inhaltsgleich mit Art. 1 des vom Deutschen Bundestag am 30. Juni 2005 beschlossenen Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (BR-Drs. 516/05 (PDF) vom 1. Juli 2005), dessen Beratung nach Nichtzustimmung des Bundesrates und Anrufung des Vermittlungsausschusses in der Sitzung des Vermittlungsausschusses am 5. September 2005 vertagt worden ist.

Zu Nummer 2 (§ 13b)

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wird erweitert auf das steuerpflichtige Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen, wenn diese Leistung an Unternehmer erbracht wird. Durch die Erweiterung sollen Umsatzsteuerausfälle verhindert werden, die dadurch eintreten können, dass bei diesen Umsätzen nicht sichergestellt werden kann, dass diese von den leistenden Unternehmern vollständig im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst werden bzw. der Fiskus den Steueranspruch beim Leistenden realisieren kann.

Die Maßnahme ist EU-rechtlich abgesichert. Der Rat der Europäischen Union hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Entscheidung vom 30. März 2004 (ABl. EU 2004 Nr. L 94 S. 59) auch ermächtigt, eine Regelung einzuführen, nach der bei Gebäudereinigungsleistungen an einen Unternehmer der Leistungsempfänger zum Unternehmer bestimmt werden kann, wenn er Unternehmer ist, es sei denn, der Leistungsempfänger vermietet ausschließlich nicht mehr als zwei Wohnungen. Die Ermächtigung ist bis zum 31. Dezember 2008 beschränkt.

Zu Buchstabe a (Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 - neu -)

Unter die genannten Umsätze fällt insbesondere das Reinigen von Gebäuden einschließlich Hausfassadenreinigung, Räumen und Inventar, einschließlich Teppichreinigung und Fensterputzen.

Nicht unter die Vorschrift fallen die vorgenannten Umsätze an einen Unternehmer, dessen unternehmerische Tätigkeit sich ausschließlich auf die Vermietung von nicht mehr als zwei Wohnungen beschränkt. Dieser Kreis von Leistungsempfängern soll nicht mit zusätzlichen administrativen Verpflichtungen belastet werden.

Zu Buchstabe b (Absatz 2 Satz 1)

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers beim Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen erstreckt sich entsprechend der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung ausschließlich auf Umsätze an Unternehmer.

Zu Artikel 3 (Abgabenordnung)

Bei Internetauktionen werden vermehrt Tankquittungen angeboten, die die Käufer dann zur unrechtmäßigen Geltendmachung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nutzen. Nach geltender Rechtslage können sich die Verkäufer der Tankbelege darauf berufen, für die weitere Verwendung der Belege durch den Käufer nicht verantwortlich zu sein. Durch die vorgeschlagene Ergänzung des § 379 AO wird den Finanzbehörden die Möglichkeit eröffnet, auch die unberechtigte Weitergabe von Belegen als Steuerordnungswidrigkeit zu verfolgen. Die Formulierung stellt sicher, dass nur die gezielte Weitergabe von Belegen gegen Entgelt zu einer Ordnungswidrigkeit führt. Eine unbeabsichtigte Verschaffung der Verfügungsmacht an Belegen, beispielsweise durch Zurücklassen von Kassenbelegen an der Verkaufstheke führt dagegen zu keiner Ordnungswidrigkeit.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Zu Absatz 1

Ein Wechsel der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger bei Gebäudereinigungsleistungen (Artikel 2 Nr. 2) führt für die an derartigen Rechtsgeschäften Beteiligten zu einem administrativen Umstellungsaufwand, der eine Vorlaufzeit benötigt. Um eine reibungslose Anwendung der Änderungen zu ermöglichen und Übergangsprobleme zu vermeiden, ist das Inkrafttreten der Änderungen erst für den 1. Juli 2006 vorgesehen.

Zu Absatz 2

Die übrigen Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft.