Regelwerk; Arbeits- & Sozialrecht

PartIntG - Partizipations- und Integrationsgesetz
- Berlin -

Vom 15. Dezember 2010
(GVBl. Nr. 32 vom 28.12.2010 S. 560; 05.07.2021 S. 842aufgehoben)
Gl.-Nr.: 850-2



  Zur Nachfolgeregelung

§ 1 Ziele und Grundsätze des Gesetzes

(1) Das Land Berlin setzt sich zum Ziel, Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu geben und gleichzeitig jede Benachteiligung und Bevorzugung gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 10 Absatz 2 der Verfassung von Berlin auszuschließen.

(2) Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger abhängt. Erfolgreiche Integration setzt sowohl das Angebot an die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zur Beteiligung als auch den Willen und das Engagement der Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration voraus. Art und Umfang der Partizipationsmöglichkeiten und der Integrationsförderung richten sich nach dem rechtlichen Status und dem Bedarf der Menschen mit Migrationshintergrund.

§ 2 Begriffsbestimmung

Menschen mit Migrationshintergrund sind, soweit in einem anderen Gesetz nichts anderes bestimmt ist,

  1. Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes sind,
  2. im Ausland geborene und nach 1949 nach Deutschland ein- und zugewanderte Personen und
  3. Personen, bei denen mindestens ein Elternteil die Kriterien der Nummer 2 erfüllt.

§ 3 Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für die Berliner Verwaltung (§ 2 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes), für landesunmittelbare öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen (§ 28 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes), für den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, den Rechnungshof von Berlin und den Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.

(2) Soweit das Land Berlin Mehrheitsbeteiligungen an juristischen Personen des Privatrechts unmittelbar oder mittelbar hält oder erwirbt, hat es darauf hinzuwirken, dass die Ziele und Grundsätze dieses Gesetzes auch von diesen beachtet werden.

§ 4 Gleichberechtigte Teilhabe und interkulturelle Öffnung

(1) Alle Einrichtungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben die Aufgabe, im eigenen Zuständigkeitsbereich für gleichberechtigte Teilhabe und interkulturelle Öffnung zu sorgen. Sie berücksichtigen dabei die Vielschichtigkeit der Einwanderungsgesellschaft und richten ihre Aufgabenwahrnehmung bedarfs- und zielgruppengerecht aus.

(2) Bei Gesetzes- und Verordnungsvorhaben ist zu prüfen, ob die Ziele und Grundsätze dieses Gesetzes berücksichtigt werden.

(3) Interkulturelle Kompetenz ist eine auf Kenntnissen über kulturell geprägte Regeln, Normen, Wertehaltungen und Symbole beruhende Form der fachlichen und sozialen Kompetenz. Der Erwerb von und die Weiterbildung in interkultureller Kompetenz sind für alle Beschäftigten durch Fortbildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen. Die interkulturelle Kompetenz soll bei der Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Rahmen von Einstellungen und Aufstiegen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst grundsätzlich berücksichtigt werden.

(4) Der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung an. Bei Stellenausschreibungen ist darauf hinzuweisen, dass Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund, die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, ausdrücklich erwünscht sind.

(5) Der Senat legt Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund und Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung fest. Eine Überprüfung der Zielerreichung erfolgt über ein einheitliches Benchmarking. In der regelmäßigen Berichterstattung über die Personalentwicklung des öffentlichen Dienstes und der juristischen Personen des Privatrechts, an denen das Land Berlin Mehrheitsbeteiligungen hält, wird die Entwicklung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund ausgewiesen.

(6) In den Gremien aller Einrichtungen ist eine stärkere Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern mit Migrationshintergrund anzustreben.

§ 5 Beauftragte oder Beauftragter des Senats von Berlin für Integration und Migration

(1) Der Senat ernennt nach Anhörung des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen und auf Vorschlag der für Integration zuständigen Senatsverwaltung eine Beauftragte oder einen Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration. Die Ernennung erfolgt für fünf Jahre. Eine erneute Ernennung ist zulässig. Die Stelle der oder des Beauftragten wird in der für Integration zuständigen Senatsverwaltung eingerichtet. Die oder der Beauftragte ist im Auftrag des für Integration zuständigen Senatsmitgliedes ressortübergreifend tätig.

(2) Die oder der Beauftragte wirkt darauf hin, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gegeben wird. Sie oder er setzt sich für den Abbau von Integrationshemmnissen und struktureller Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund und für die Wahrung von Respekt, Akzeptanz und ein friedliches Miteinander aller Berlinerinnen und Berliner ein. Zur Umsetzung dieser Ziele entwickelt sie oder er entsprechende Konzepte, Strategien und Maßnahmen und kann Maßnahmen gegenüber anderen Senatsverwaltungen anregen.

(3) Zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 beteiligen die Senatsverwaltungen die für Integration zuständige Senatsverwaltung bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben rechtzeitig vor Beschlussfassung, soweit sie Fragen der Integration der Menschen mit Migrationshintergrund und deren Partizipation behandeln oder besonders berühren. In diesem Zusammenhang erhält die oder der Beauftragte im Auftrag der für Integration zuständigen Senatsverwaltung die Gelegenheit zur Stellungnahme. Im Übrigen unterstützt jede Einrichtung im Sinne des § 3 die Beauftragte oder den Beauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben.

(4) Die oder der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration ist Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für Menschen mit Migrationshintergrund und unterstützt sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte.

§ 6 Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen

(1) Es wird ein Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen gebildet, der den Berliner Senat in allen Fragen der Integrationspolitik berät und unterstützt. Stimmberechtigte Mitglieder des Landesbeirats sind:

  1. sieben Vertreterinnen oder Vertreter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund einschließlich einer Vertreterin oder eines Vertreters der Aussiedlerinnen und Aussiedler,
  2. das für Integration zuständige Senatsmitglied,
  3. die oder der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration,
  4. zwei Vertreterinnen oder Vertreter des Rates der Bürgermeister,
  5. eine Vertreterin oder ein Vertreter der Bezirksbeauftragten für Integration und Migration,
  6. jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter
    1. der Industrie- und Handelskammer zu Berlin sowie der Handwerkskammer Berlin,
    2. des Landessportbundes Berlin,
    3. des Deutschen Gewerkschaftsbundes,
    4. der Verbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin und
    5. des Flüchtlingsrates Berlin.

Der Landesbeirat kann die Aufnahme beratender Mitglieder beschließen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Wahlperiode gewählt oder benannt, deren Dauer der Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin entspricht. Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu wählen oder zu benennen.

(2) An den Sitzungen des Landesbeirats nehmen die Senatsverwaltungen teil; die Teilnahme soll auf Staatssekretärsebene erfolgen.

(3) Das für Integration zuständige Senatsmitglied hat den Vorsitz des Landesbeirats. Die Wahl der oder des stellvertretenden Vorsitzenden erfolgt durch den Landesbeirat auf Vorschlag der Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund.

(4) Die Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Landesbeirat sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter werden auf einer Wahlversammlung gewählt, auf der die Vertreterinnen oder Vertreter von Vereinen und Verbänden stimmberechtigt sind, die in der bei der für Integration zuständigen Senatsverwaltung geführten öffentlichen Liste eingetragen sind. Die Kriterien für eine Eintragung und das Wahlverfahren werden von der für Integration zuständigen Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung festgelegt.

(5) Der Landesbeirat gibt sich eine Geschäfts- und Wahlordnung.

(6) Bei der für Integration zuständigen Senatsverwaltung wird eine Geschäftsstelle des Landesbeirats eingerichtet.

§ 7 Bezirksbeauftragte für Integration und Migration

(1) In jedem Bezirk ernennt das Bezirksamt nach Anhörung der örtlichen Migrantenorganisationen bei der Bezirksbürgermeisterin oder dem Bezirksbürgermeister eine Bezirksbeauftragte oder einen Bezirksbeauftragten für Integration und Migration (Integrationsbeauftragte oder Integrationsbeauftragter). Hinsichtlich ihrer oder seiner Rechte und Aufgaben gegenüber dem Bezirksamt und den anderen bezirklichen Einrichtungen gilt § 5 entsprechend der bezirklichen Zuständigkeit.

(2) Die Integrationsbeauftragten nehmen im engen Zusammenwirken mit den örtlichen Migrantenorganisationen insbesondere folgende Aufgaben wahr:

  1. Sie geben Anregungen und unterbreiten Vorschläge zu Entwürfen von Anordnungen und Beschlussvorlagen sowie Maßnahmen der Bezirke, soweit diese Auswirkungen auf den Abbau von Integrationshemmnissen sowie die Förderung und Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund haben.
  2. Sie wirken darauf hin, dass bei allen wichtigen Vorhaben, die der Bezirk plant oder realisiert, die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigt werden.

(3) Die Bezirksämter informieren die Integrationsbeauftragten unverzüglich über alle Vorhaben, Programme und sonstigen Maßnahmen, die ihre Aufgaben betreffen, und geben ihr oder ihm vor einer Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist die Gelegenheit zur Stellungnahme.

(4) Die Integrationsbeauftragten sind Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für Vereine, Initiativen und sonstige Organisationen, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit der Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund befassen, sowie für Einzelpersonen bei auftretenden Problemen.

§ 8 Berichterstattung

Der Senat berichtet dem Abgeordnetenhaus erstmals zum 31. Dezember 2011 und dann alle zwei Jahre über die Umsetzung der Ziele dieses Gesetzes.

§ 9 Übergangsregelung

Die Ernennung nach § 5 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesetzes ist erstmalig nach Ausscheiden des derzeit vom Senat bestellten Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration durchzuführen.

ENDE

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