Empfehlungen für den Einsatz der Feuerwehren bei Gefahren durch Chlorgas - Nordrhein-Westfalen -
Vom 31. Mai 2001 (MBl. NRW. Nr. 41 vom 16.07.2001 S. 903; 28.06.2022 S. 654 aufgehoben)
vfdb
Merkblatt Empfehlung für den Feuerwehreinsatz bei Gefahr durch Chlorgas
Chlor Oktober 2000
Chlor ist ein besonders weit verbreitetes, technisch vielfältig eingesetztes, giftiges und ätzendes Gas.
In der Vergangenheit hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen wegen des Gefahrenpotentials für die Feuerwehren besondere Anweisungen erlassen (Chlorgaserlass von 1964)
Das Referat 10 der vfdb hat den aktuellen Stand der Technik und einsatztaktische Standards zusammengefasst und für die Feuerwehren aufbereitet.
Dieses Merkblatt wurde sorgfältig von Experten der vfdb erarbeitet und vom Vorstand der vfdb verabschiedet. Der Verwender dieses Merkblattes muss die Anwendbarkeit auf seinen Fall und die Aktualität der ihm vorliegenden Fassung in eigener Verantwortung prüfen.
Eine Haftung der vfdb und derjenigen, die an der Ausarbeitung beteiligt waren, ist ausgeschlossen.
Referat 10 - Umweltschutz - des Technisch-Wissenschaftlichen Beirats der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. Aidenbachstraße 7, 81379 München.
Allgemeines
→ Eigenschaften
Unter Druck (6,7 bar bei 20 °C) verflüssigtes Gas
Atemgift mit Reiz- und Ätzwirkung
Wassergefährdend
Nicht brennbar
Schwerer als Luft (theoretisches Dichteverhältnis 2,5)
1 L Chlor im verflüssigten Zustand ergibt bei vollständiger Entspannung ca. 457 L Chlorgas
Flüssiges Chlor ist bei Austritt unter -34 °C kalt und führt bei Kontakt zu schweren Erfrierungen und Zerstörungen der normalen Chemikalienschutzkleidung
MAK-Wert: 0,5 ppm; ETW: 1 ppm
In Konzentrationen über 50 ppm möglicherweise, ab 1000 ppm sicher tödlich
Greift in Verbindung mit Wasser fast alle Metalle an!
Gas hat bei mittlerer und hoher Konzentration eine gelbgrüne Färbung
Druckgasbehälter, grauer Anstrich (bei 6,7 bar verflüssigt), Flaschen bis 52 1, Fässer mit 400 und 800 L Inhalt
Chemisch gebunden, z.B. als Chlorkalk in tablettenform (für die Schwimmbadhygiene), löst sich bei Kontakt mit Wasser
UN-Nr.: 1017
Gefahrnummer: 268 (giftiges Gas, ätzend)
Gefahrzettel 6.1 und 8 (weiß mit schwarzem Totenkopf bzw. schwarzem Ätzsymbol)
→ Nachweis
Geruch
Prüfröhrchen: Chlor
Kaliumiodidstärkepapier (zur Prüfung in Luft vorher anfeuchten, zur Prüfung von Flüssigkeiten nur kurz eintauchen)
Universalindikatorpapier (pH-Papier) wird von entstehendem Chlorwasser entfärbt, es ist daher zum Nachweis ungeeignet
→ Verwendung
Zur Entkeimung von Trink-, Ab- und Schwimmbadwasser.
In der chemischen Industrie, z.B. zur Produktion von Vinylchlorid. (Vorprodukt zur Herstellung von PVC).
Transport auch in Pipelines und in 20 m3 Kesselwagen
Maßnahmen
→ Allgemeine Maßnahmen
Eigenschutz beachten
Gefahrenbereich sofort absperren
Umluftunabhängiger Atemschutz (PA) und Chemikalienschutzanzug (CSA)
Bei Austritt von flüssigem Chlor: Kälteschutz
Unbedingt weitere Ausbreitung beobachten
Allgemeine taktische Hinweise zur Einsatzdurchführung
Abstand halten, mindestens 50 m
Bei der Anfahrt Windrichtung beachten, mit dem Wind anfahren
Unmittelbaren Gefahrenbereich im Freien räumen und in Abhängigkeit von der Lagermenge großräumig absperren
Fenster und Türen schließen! Klimaanlagen abstellen
Benachbarte Gebäude grundsätzlich nicht räumen
Gegebenenfalls tief gelegene Räume in Wohn- sowie Industrieanlagen in der Ausbreitungsrichtung kontrollieren und abdichten
Betrieblichen Gefahrenabwehrplan beachten
Ausströmen von gasförmigem Chlor
Chlorgaswolke mit Wassersprühstrahl eingrenzen. (Dabei wird nur wenig Chlor gelöst, aber die Wolke mechanisch aufgehalten/umgeleitet, mit Luft verwirbelt und dadurch "verdünnt")
Es entsteht eine Lösung (Chlorwasser), die sauer und oxidierend wirkt und aus der weiterhin Chlor in geringerem Umfang wieder frei werden kann
Einleitung des Abwassers in die Kanalisation ist mit dem zuständigen Kanalbetreiber abzusprechen
Gegebenenfalls entstehendes Abwasser mit sehr viel Wasser verdünnen (mehrere Wasserwerfer!)
Chlor kann z.B. mit Natriumthiosulfatlösung oder Wasserstoffperoxid unschädlich gemacht werden
Druckgasbehälterventil schließen, Leckage abdichten (z.B. Gasflaschenabdichtset oder Gasflaschenbergebehälter)
Abgedichtete Behälter in eine mit Wasser gefüllte Tonne (z.B. Müllcontainer) legen, dabei Austritt von Flüssigchlor verhindern!
Austritt von verflüssigtem Chlor (zusätzliche Maßnahmen)
Bei Austritt von verflüssigtem Chlor nicht mit Wasser auf Lache, Leckstelle oder Behälter sprühen, da sonst die Verdampfung und Gasbil4ung beschleunigt werden
Kälteschutz im CSa (wärmender Arbeitsanzug, Füßlinge, Fingerhandschuhe aus Wolle)
Keine CSa aus PVC verwenden, da PVC bei Kontakt mit flüssigem Chlor brüchig wird
Versuchen, das Leck abzudichten, oder Flasche in geeignete Gasflaschen-Bergebehälter einbringen. (Es gibt auch Bergebehälter für Chlorfässer!)
Austrittsstelle oder Chlorlache sonst z.B. mit Mittelschaum oder PE-Folie abdecken. Die Schaumdecke vereist und wirkt dadurch wie eine Schutzhülle
Rettungsdienst
Bei Haut- oder Augenkontakt betroffene Stellen sofort und mindestens 15 min mit viel Wasser spülen
Kontaminierte Kleidung entfernen, betroffene Hautstellen mit viel Wasser spülen.
Bei Inhalation: Versorgung der Verunfallten durch Notarzt
Reizgas vom Soforttyp, reizt die oberen Atemwege
Direkte Atemspende (Mund-zu-Mund, Mund-zu-Nase) vermeiden - Beatmungsgeräte verwenden!
Hamacher, Rolf Handbuch für den Einsatzleiter, Abschnittsarbeit, BP Düsseldorf, 1994
Innenministerium NRW, Richtlinien über das verhalten der Feuerwehr bei Chiorgasausströmung.
Runderlass vom 31.07.64 - IIIa 3/2 10 - 934/64. -
vfdb, Ref. 10; Protokoll zur 39. Sitzung in Oberhausen, 04/1999 (nicht veröffentlicht)
Gemeinsamer Stoffdatenpool des Bundes und der Länder (GSBL)
RdErl. d. Innenministeriums v. 31.5.2001 - V D 4-4.201-1
Auf Grund des § 33, Abs. 3 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) v. 10. Februar 1998 (GV. NRW. 1998 S. 122) - SGV. NRW. 213 - gebe ich die nachstehenden Empfehlungen für den Einsatz der Feuerwehren bei Gefahren durch Chlorgas bekannt. Diese Empfehlungen sollen die Feuerwehren auf die besonderen Gefahren von Chlor und die erforderlichen besonderen Vorbereitungs- und Abwehrmaßnahmen zur Bekämpfung einer solchen Gefahr im Rahmen des Feuerwehreinsatzes hinweisen.
Betriebe, Anlagen oder Firmen mit größeren Chlorgasvorräten sind besonders gefährliche Objekte im Sinne des § 24, Abs. 1 FSHG. Für diese sind durch die gem. FSHG zuständigen Gefahrenabwehrbehörden Sonderschutzpläne nach § 22, Abs. 1 FSHG aufzustellen.
Die Sonderschutzpläne sollten insbesondere enthalten:
Allgemeine Vorbereitungen für den Einsatz der Feuerwehr,
Feuerwehrpläne gem. DIN 14095,
Regelungen über regelmäßige Einsatzübungen,
Regelungen über die Warnung der Bevölkerung im Schadensfall,
Regelungen über die Räumung oder Evakuierung der Bevölkerung im Schadensfall.
Das Merkblatt der vfdb "Empfehlungen für den Feuerwehreinsatz bei Gefahr durch Chlorgas" des Referates 10 - Umweltschutz - des Technisch-Wissenschaftlichen Beirates der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V., Aidenbachstr. 7, 81379 München hat den aktuellen Stand der Technik und einsatztaktische Standards zusammengefasst und für die Feuerwehren aufbereitet. Dieses Merkblatt ist für den Einsatz der Feuerwehr zweckmäßig und geeignet. Ich bitte die Regelungen und Hinweise des Merkblattes in der jeweils aktuellen Fassung zu beachten. Ein Abdruck des Merkblattes (Stand: Oktober 2000) ist als Anlage beigefügt.
Der RdErl. d. Innenministers v. 31.7.1964 (MBl. NRW. S. 1132/SMBl. NRW. 2133) wird aufgehoben.
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