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Regelwerk; Arbeits- und Sozialrecht

LBGG - Landesbehindertengleichstellungsgesetz
Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

- Schleswig-Holstein -

Vom 18. November 2008
(GVBl. Nr. 19 vom 04.12.2008 S. 581; 22.03.2018 S. 94 18; 02.04.2019 S. 76 19; 29.03.2022 S. 364aufgehoben)
Gl.-Nr.: 870-2




Zur aktuellen Fassung

Archiv: 2002

Abschnitt I
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Gesetzesziel

(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen und zu verhindern sowie gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung herzustellen, ihnen die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

(2) Die Träger der öffentlichen Verwaltung fördern im Rahmen ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben aktiv die Verwirklichung der Ziele gemäß Absatz 1 und ergreifen insbesondere geeignete Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Sie dürfen Menschen mit Behinderung nicht benachteiligen.

(3) Bei der Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderung zu berücksichtigen. Dabei sind Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen mit Behinderung, die dem Abbau oder dem Ausgleich bestehender Ungleichheiten dienen, zulässig.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

(2) Eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderung ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderung in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. Eine unterschiedliche Behandlung ist insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich oder überwiegend auf Umständen beruht, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der Behinderung steht. Ist eine Benachteiligung aus zwingenden Gründen nicht zu vermeiden, ist für den Ausgleich ihrer Folgen Sorge zu tragen, soweit hiermit nicht ein unverhältnismäßiger Mehraufwand verbunden ist.

(3) Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

§ 3 Klagerecht

(1) Ein Interessenverband für Menschen mit Behinderung nach Absatz 3 kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Klage nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen

  1. das Benachteiligungsverbot der Träger der öffentlichen Verwaltung nach § 1 Abs. 2,
  2. die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Verwaltung zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 10, § 11 Abs. 1, hinsichtlich öffentlich zugänglicher Verkehrsanlagen nach § 11 Abs. 2 sowie nach § 13,
  3. die Verpflichtung zur Unterrichtung von gehörlosen Schülerinnen und Schülern in Deutscher Gebärdensprache und lautsprachbegleitenden Gebärden nach § 25 Abs. 7 Satz 1 Schulgesetz.

(2) Eine Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch die Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird. Soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend macht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt. Für Klagen nach Absatz 1 gelten die Vorschriften des B. Abschnittes der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf, wenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist.

(3) Die Klagebefugnis nach Absatz 1 steht Interessenverbänden für Menschen mit Behinderung zu, die

  1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend die Belange von Menschen mit Behinderung fördern,
  2. nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder oder Mitgliedsvereine und -verbände dazu berufen sind, Interessen von Menschen mit Behinderung auf Landesebene zu vertreten,
  3. mindestens drei Jahre bestehen und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen sind und
  4. wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer befreit sind.

(4) Werden Menschen mit Behinderung in ihren Rechten nach Absatz 1 verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände nach Absatz 3, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind, Rechtsschutz beantragen. In diesen Fällen müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderung selbst vorliegen. Das Einverständnis ist schriftlich zu erklären.

Abschnitt II
Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung

§ 4 Wahl und Abberufung

(1) Das Amt der oder des Beauftragten für Menschen mit Behinderung wird bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages eingerichtet.

(2) Der Landtag .wählt ohne Aussprache die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder für die Dauer von sechs Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig. Die oder der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein. Vorschlagsberechtigt sind die Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Kommt vor Ablauf der Amtszeit eine Neuwahl nicht zustande, führt die oder der Landesbeauftragte das Amt bis zur Neuwahl weiter.

(3) Die Präsidentin oder der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages ernennt die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten zur Beamtin oder zum Beamten auf Zeit.

(4) Vor Ablauf der Amtszeit kann die oder der Landesbeauftragte nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages abberufen werden. Die oder der Landesbeauftragte kann jederzeit die Entlassung verlangen. Für den Fall der vorzeitigen Abberufung oder Entlassung führt die Stellvertreterin oder der Stellvertreter gemäß § 6a Abs. 1 bis zur Neuwahl die Geschäfte weiter.

§ 5 Aufgaben

(1) Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist es,

  1. die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft aktiv zu fördern,
  2. darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtung des Landes, für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung zu sorgen, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens erfüllt wird und
  3. die Landesregierung und den Landtag in Grundsatzangelegenheiten von Menschen mit Behinderung zu beraten.

(2) Die oder der Landesbeauftragte wirkt aktiv darauf hin, dass geschlechtsspezifische Benachteiligungen von Frauen mit Behinderung abgebaut und verhindert werden.

(3) Jede Person, jeder Verband oder jede Institution kann sich in Angelegenheiten, die die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung betreffen, an die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten wenden.

§ 6 Rechtliche Stellung

Die oder der Landesbeauftragte ist in der Ausübung des Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Dies betrifft insbesondere Stellungnahmen gegenüber dem Landtag, Behörden, Verbänden oder der Öffentlichkeit. Sie oder er untersteht der Dienstaufsicht der Präsidentin oder des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Die oder der Landesbeauftragte darf weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören.

§ 6a Stellvertretung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

(1) Die oder der Landesbeauftragte bestellt eine Mitarbeiterin zur Stellvertreterin oder einen Mitarbeiter zum Stellvertreter. Die Stellvertreterin oder der Stellvertreter führt die Geschäfte, wenn die oder der Landesbeauftragte an der Ausübung des Amtes verhindert ist.

(2) Für die Erfüllung der Aufgaben ist der oder dem Landesbeauftragten die notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; die Mittel sind im Einzelplan des Landtages in einem gesonderten Kapitel auszuweisen.

(3) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden auf Vorschlag der oder des Landesbeauftragten ernannt. Sie können nur im Einvernehmen mit ihr oder ihm versetzt oder abgeordnet werden. Ihre Dienstvorgesetzte oder ihr Dienstvorgesetzter ist die oder der Landesbeauftragte, an deren oder dessen Weisungen sie ausschließlich gebunden sind.

§ 7 Unterstützung durch die Träger der öffentlichen Verwaltung

(1) Die Träger der öffentlichen Verwaltung erteilen der oder dem Landesbeauftragten zur Situation von Menschen mit Behinderung Auskunft und unterstützen sie oder ihn bei der Erfüllung der Aufgaben. Die dem Datenschutz dienenden Vorschriften bleiben hiervon unberührt.

(2) Stellt die oder der Landesbeauftragte Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot des § 1 Abs. 2 fest, fordert sie oder er eine Stellungnahme an und beanstandet gegebenenfalls festgestellte Verstöße. Mit der Beanstandung können Vorschläge zur Beseitigung der Mängel und zur Verbesserung der Umsetzung des Benachteiligungsverbots verbunden werden.

§ 8 Beteiligung

(1) Die Landesregierung beteiligt die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten frühzeitig und umfassend an allen Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, die die Belange von Menschen mit Behinderung betreffen.

(2) Bei Gesetzesvorhaben, die den Zuständigkeitsbereich der oder des Landesbeauftragten betreffen, hat sie oder er das Recht auf Anhörung vor dem Landtag.

§ 9 Bericht

Die oder der Landesbeauftragte berichtet dem Landtag alle zwei Jahre über die Situation von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein sowie über ihre oder seine Tätigkeit. Darüber hinaus kann die oder der Landesbeauftragte dem Landtag weitere Berichte vorlegen.

Abschnitt III
Besondere Vorschriften

§ 10 Gebärdensprache

(1) Die Deutsche Gebärdensprache wird als eigenständige Sprache anerkannt. Lautsprachbegleitende Gebärden werden als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.

(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte, hochgradig Schwerhörige) haben das Recht, in Verwaltungsverfahren mit Trägern der öffentlichen Verwaltung in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden zu kommunizieren oder, soweit dies nicht möglich ist, andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden, sofern nicht eine schriftliche Verständigung möglich ist. Die Träger der öffentlichen Verwaltung haben dafür auf Wunsch der Berechtigten eine Gebärdensprachdolmetscherin oder einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuzuziehen oder andere geeignete Kommunikationshilfen bereitzustellen, mit deren oder dessen Hilfe die Verständigung erfolgen kann. Kann eine Frist nicht eingehalten werden, weil eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden konnte, ist die Frist angemessen zu verlängern. Darüber hinaus soll eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher hinzugezogen oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe bereitgestellt werden, wenn dies zur Wahrnehmung eigener Rechte unerlässlich ist. Die notwendigen Aufwendungen sind von dem Träger der öffentlichen Verwaltung zu tragen. Die Vergütung erfolgt in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch Artikel 9 Abs. 2 des Gesetzes vom 16. August 2005 (BGBl. 1 S. 2437). Welche Kommunikationsformen als andere geeignete Kommunikationshilfen anzusehen sind, richtet sich nach der Kommunikationshilfenverordnung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2650).

§ 11 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau- und Verkehr

(1) Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten baulicher Anlagen der Träger der öffentlichen Verwaltung sind entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei zu gestalten. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden können. Ausnahmen von Satz 1 können hinsichtlich großer Um- und Erweiterungsbauten gestattet werden, wenn die Anforderungen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können. Die Bestimmungen der Landesbauordnung bleiben unberührt.

(2) Neubauten, große Um- und Erweiterungsbauten öffentlich zugänglicher Verkehrsanlagen der Träger der öffentlichen Verwaltung sowie die Beschaffungen neuer Beförderungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr sind unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung, älterer Menschen sowie anderer Personen mit Mobilitätsbeeinträchtigung zu gestalten oder durchzuführen. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 12 Barrierefreie Informationstechnik 19

(1) Die öffentlichen Stellen im Land gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für ihre Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, barrierefrei im Sinne des Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 1, soweit dies nicht eine unverhältnismäßige Belastung für die öffentliche Stelle im Land bewirkt. Ob eine unverhältnismäßige Belastung bewirkt würde, ist durch abwägende Bewertung unter Beachtung der Vorgaben in Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 festzustellen. Die Gründe für eine unverhältnismäßige Belastung sind in die Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 12c einzustellen.

(2) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.

(3) Die barrierefreie Gestaltung der Websites und mobilen Anwendungen der öffentlichen Stellen im Land erfolgt innerhalb der in Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Fristen.

(4) Die Regelungen zur behindertengerechten Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten zugunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -, bleiben unberührt.

(5) Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten.

§ 12a Öffentliche Stellen im Land 19

(1) Öffentliche Stellen im Land im Sinne dieser Vorschrift sind die in Artikel 3 Nummer 1 der Richtlinie (EU) 2016/2102, Artikel 2 Absatz 1 Nummer 4 der Richtlinie (EU) 2014/24/EU 2 benannten Stellen, insbesondere die Gebietskörperschaften (Land, Kreise, kreisfreie Städte, Gemeinden), die Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts, Beliehene und sonstige Landesorgane, soweit sie öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnehmen sowie Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder Verbände, die aus einer oder mehreren Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen. Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind alle Einrichtungen, die

  1. zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,
  2. Rechtspersönlichkeit besitzen und
  3. überwiegend vom Land, anderen Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert werden (mehr als 50 Prozent der Gesamtheit der Mittel), oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen unterstehen oder ein Verwaltungs-, Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Land, von anderen Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

(2) Öffentliche Stellen im Land sind nicht die öffentlichen Stellen des Bundes und die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Stellen, insbesondere auch nicht Landesverwaltungen, einschließlich der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Bundesrecht ausführen.

(3) Die § § 12 bis 12f gelten nicht für die gemäß Artikel 1 Absatz 3 und 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 ausgenommenen Websites und mobilen Anwendungen.

§ 12b Anforderungen an die Barrierefreiheit, Begriffsbestimmungen 19

(1) Websites und mobile Anwendungen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet sein.

(2) Der Begriff

  1. "Websites" umfasst die Internet- sowie Intranetauftritte und -angebote;
  2. "Mobile Anwendungen" bezeichnet Anwendungssoftware, die von öffentlichen Stellen im Land oder in deren Auftrag zur Nutzung durch die breite Öffentlichkeit auf mobilen Geräten konzipiert und entwickelt wurde. Dazu gehört nicht die Software zu Steuerung dieser Geräte oder die Hardware selbst;
  3. "wahrnehmbar" bedeutet, dass dem Nutzer Informationen in einer Weise dargestellt werden, dass er sie wahrnehmen kann;
  4. "bedienbar" bedeutet, dass die Nutzer die Komponenten der Nutzerschnittstelle und die Navigation handhaben können;
  5. "verständlich" bedeutet, dass die Informationen und die Handhabung der Nutzerschnittstelle verständlich sind;
  6. "robust" bedeutet, dass die Inhalte zuverlässig von einer Vielfalt von Benutzeragenten, einschließlich assistiven Technologien, interpretiert werden können.

(3) Die Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung ergeben sich aus den Standards gemäß § 3 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843), zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 25. November 2016 (BGBl. I S. 2659).

§ 12c Erklärung zur Barrierefreiheit 19

(1) Die öffentlichen Stellen im Land stellen gemäß Artikel 7 Absatz 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites und mobilen Anwendungen bereit, die in einem zugänglichen Format unter Verwendung der Mustererklärung veröffentlicht wird.

(2) Die Erklärung zur Barrierefreiheit enthält

  1. für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,
    1. die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind,
    2. die Gründe hierfür sowie
    3. gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei gestaltete Alternativen;
  2. eine unmittelbar zugängliche barrierefrei gestaltete Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen,
    1. um noch bestehende Barrieren zu melden,
    2. um Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit zu erfragen und
    3. um die gemäß Artikel 1 Absatz 4 und Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 ausgenommenen Informationen anzufordern;
  3. einen Hinweis auf die Möglichkeit, Beschwerde bei der nach § 12e zu errichtenden zentralen Beschwerdestelle einzulegen mit einer entsprechenden Verlinkung.

(3) Mitteilungen, Anfragen oder Anforderungen nach Absatz 2 werden innerhalb einer angemessenen Frist in einer angemessenen Weise von der jeweiligen öffentlichen Stelle beantwortet.

(4) Die Erklärung zur Barrierefreiheit ist innerhalb der in Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Fristen zu veröffentlichen.

§ 12d Überwachung und Berichterstattung 19

(1) Die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen gemäß Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 wird periodisch unter Anwendung der in Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 vorgesehenen Methode überwacht. Der notwendige Inhalt der Überwachung ergibt sich aus Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102.

(2) Über die Ergebnisse der Überwachung, einschließlich der Messdaten im Sinne des Artikel 3 Nummer 8 der Richtlinie (EU) 2016/2102 sowie über die Nutzung des Durchsetzungsverfahrens nach § 12e wird der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit spätestens ab 30. Juni 2021 und danach alle drei Jahre berichtet. Der Bericht wird auf der Grundlage der in Artikel 8 Absatz 6 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2016/2102 genannten Modalitäten für die Berichterstattung erstellt.

(3) Die Überwachung nach Absatz 1 wird von einer durch Rechtsverordnung nach § 12f zu benennenden zentralen Stelle durchgeführt. Diese Stelle erstellt auch die Berichte nach Absatz 2.

§ 12e Beschwerdestelle für barrierefreie Informationstechnik 19

Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung wird eine zentrale Beschwerdestelle errichtet, an die sich die Menschen mit Behinderungen wenden können, wenn die Einhaltung der Anforderungen aus Artikel 412b dieses Gesetzes), Artikel 512 Absatz 3 dieses Gesetzes) und Artikel 7 Absatz 1 (§ 12c dieses Gesetzes) der Richtlinie (EU) 2016/2102 in Frage steht.

§ 12f Verordnungsermächtigung 19

Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 Regelungen zu treffen über:

  1. die spezifizierten technischen Standards, die die öffentlichen Stellen im Land bei der barrierefreien Gestaltung der Websites und mobilen Anwendungen anzuwenden haben,
  2. das Verfahren zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung der Standards der Informationstechnik,
  3. die konkreten Anforderungen an die Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 12c und das Verfahren zur regelmäßigen Aktualisierung,
  4. die Anforderungen und das Verfahren zum Feedbackmechanismus nach § 12c Absatz 2 und 3,
  5. das Verfahren vor der zentralen Beschwerdestelle nach § 12e,
  6. das Abwägungsverfahren nach § 12 Absatz 1 Satz 2,
  7. das Verfahren der Überwachung und zur Berichterstattung nach § 12d,
  8. die Durchführung von Schulungsprogrammen für öffentliche Stellen im Land.

§ 13 Gestaltung von Bescheiden, amtlichen Informationen und Vordrucken

Die Träger der öffentlichen Verwaltung haben bei der Gestaltung von Verwaltungsakten, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen, Vordrucken und amtlichen Informationen Behinderungen von Menschen zu berücksichtigen. Blinde und sehbehinderte Menschen können insbesondere verlangen, dass ihnen Verwaltungsakte, Vordrucke und amtliche Informationen in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.

§ 14 Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen 18

(1) Beim Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung wird ein Landesbeirat zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gebildet, der die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten in allen wesentlichen Fragen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen berühren, berät und unterstützt.

(2) Der Landesbeirat besteht aus der oder dem Landesbeauftragten als vorsitzendem Mitglied und weiteren Mitgliedern. Diese sind je eine Vertreterin oder ein Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Bewohnerbeiräte und der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte sowie Personen, welche die oder der Landesbeauftragte für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode des Landtages auf Vorschlag von landesweit tätigen Selbstvertretungsorganisationen und Vereinigungen von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen beruft. Die weiteren Mitglieder nehmen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahr.

(3) Die Geschäftsführung liegt bei der Landesbeauftragten oder dem Landesbeauftragten. Der oder die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung beruft die konstituierende Sitzung des Landesbeirats ein.

(4) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung. In der Geschäftsordnung sind insbesondere Regelungen über die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von Sitzungen sowie über die Beschlussfassung zu treffen.

1) Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 327 S. 1)

2) Richtlinie (EU) 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 S. 65)

ENDE

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