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Regelwerk Arbeitsschutz

Hinweise zur Durchführung des Mutterschutzgesetzes

Vom 20. November 2002
(GMBl. Nr. 44 vom 27.12.2002 S. 855; 13.11.2018 S. 1137aufgehoben)



Siehe ILO Übereinkommen 183

1. Zu § 1 (Geltungsbereich)

1.1 Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt für alle Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder als in Heimarbeit Beschäftigte am Stück mitarbeiten. Zu den vom Gesetz erfassten Arbeitsverhältnissen gehören auch Probearbeitsverhältnisse, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeitsverhältnisse und Berufsausbildungsverhältnisse (z.B. Auszubildende, Schülerinnen/Schüler in der Krankenpflege, in der Entbindungspflege und in der Krankenpflegehilfe) sowie arbeitsrechtlich geregelte Praktikantenverhältnisse.

Das Gesetz gilt auch für die Tätigkeit im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres (§ 8 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres i. d. F. der Bekm. vom 15. Juli 2002- BGBl. I S. 2596-) und für die Tätigkeit im Rahmen eines freiwilligen ökologischen Jahres (§ 8 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres i. d. F. der Bekm. vom 15. Juli 2002 - BGBl. I S. 2600 -).

1.2 Das MuSchG gilt nicht für Frauen, die in einem selbstständigen Dienstverhältnis, Werkvertragsverhältnis oder arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis tätig sind. Es gilt ferner nicht für Studentinnen, die in Studienordnungen vorgeschriebene Praktika ableisten.

Für Frauen, die in einem Beamtenverhältnis stehen, gilt die Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen (Mutterschutzverordnung - MuSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1997 (BGBl. I S. 986) in ihrer jeweils geltenden Fassung.

2. Zu § 2 (Gestaltung des Arbeitsplatzes)

2.1 Die Durchführung der in den Absätzen 1 bis 3 vorgeschriebenen Maßnahmen kann dazu führen, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin über die eigentlichen Arbeitspausen hinaus (§ 4 ArbZG, § 11 JArbSchG) von der Arbeit freistellen muss.

2.2 Die Bezahlung des aus Anlass der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 ggf. entstehenden Arbeitsausfalls ist im Gesetz (mit Ausnahme des § 7 Abs. 2) nicht ausdrücklich geregelt. Nach § 616 BGB und entsprechend dem Sinn und Zweck des MuSchG darf jedoch durch diese Arbeitsunterbrechungen eine Minderung des Arbeitsentgelts nicht eintreten.

2.3 Wegen der sich aus § 2 Abs. 4 Nr. 2 ergebenden Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beurteilung einer Gefährdung für die werdenden oder stillenden Mütter, zur Durchführung der notwendigen Schutzmaßnahmen und zur Unterrichtung der betroffenen Arbeitnehmerinnen wird auf die §§ 1 bis 3 der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz vom 15. April 1997 (BGBl. I S. 782) verwiesen, die die näheren Einzelheiten hierzu regelt.

3. Zu § 3 (Beschäftigungsverbote für werdende Mütter)

3.1 Das individuelle Beschäftigungsverbot nach Absatz 1 besteht materiell vom Beginn der Schwangerschaft an, wird jedoch erst von dem Zeitpunkt an wirksam, in dem die Arbeitnehmerin das entsprechende ärztliche Zeugnis vorgelegt hat. Die Kosten des Zeugnisses hat die Arbeitnehmerin zu tragen, soweit sie nicht für Arbeitnehmerinnen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, nach § 196 RVO von der Krankenkasse übernommen werden.

Die das Beschäftigungsverbot nach Absatz 1 auslösende Gesundheitsgefährdung muss ursächlich mit der Schwangerschaft und deren Auswirkungen zusammenhängen.

3.2 Das Beschäftigungsverbot (Schutzfrist) des Absatzes 2 ist zeitlich auf die letzten sechs Wochen vor dem mutmaßlichen Tag der Entbindung begrenzt. Der Arbeitgeber hat das Verbot von sich aus zu beachten, sofern ihm die Schwangerschaft bekannt ist (vgl. § 5 Abs. 1). Die Arbeitnehmerin hat auf Verlangen des Arbeitgebers das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme über das Bestehen einer Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung vorzulegen. Für das Festlegen des Beginns der Schutzfrist ist in der Regel von dem Zeugnis auszugehen, das die Arbeitnehmerin gemäß § 200 Abs. 3 Satz 3 RVO ihrer Krankenkasse vorzulegen hat. Ist die Arbeitnehmerin nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, kann der Arbeitgeber ein entsprechend zeitnahes Zeugnis verlangen. Fällt die Entbindung auf einen anderen als den vom Arzt oder von der Hebamme bescheinigten Tag, verkürzt oder verlängert sich die sechswöchige Schutzfrist entsprechend (vgl. Nr. 5.2); eine Verkürzung dieser Schutzfrist führt jedoch zu einer entsprechenden Verlängerung der Schutzfristen nach der Geburt (vgl. Nr. 6.3). Die Kosten des Zeugnisses hat nach § 5 Abs. 3 der Arbeitgeber zu tragen, sofern nicht die Krankenkasse die Kosten trägt.

3.3 Das Beschäftigungsverbot des Absatzes 2 ist durch eine ausdrückliche Erklärung der Arbeitnehmerin, weiterarbeiten zu wollen, abdingbar. Die Erklärung sollte schriftlich abgegeben werden; bei einer minderjährigen Arbeitnehmerin bedarf sie der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Die Erklärung ist zu den Personalakten zu nehmen. Die Arbeitnehmerin sollte darauf hingewiesen werden, dass ihr Anspruch auf Zahlung des Mutterschaftsgeldes gem. § 200 Abs. 4 RVO in dem Umfang ruht, wie sie aufgrund ihrer freiwilligen Weiterarbeit Arbeitsentgelt erhält. Die Bereitschaft zur Weiterarbeit kann ohne Angabe von Gründen jederzeit von der Arbeitnehmerin widerrufen werden.

3.4 Während der Schutzfrist nach Absatz 2 hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Mutterschaftsgeld gegen die Krankenkasse bzw. gegen das Bundesversicherungsamt (§ 13) und ggf. Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegen den Arbeitgeber (§ 14).

Hatte die Arbeitnehmerin vor Beginn der Schutzfrist Anspruch auf Zahlung des Durchschnittsverdienstes nach § 11, so endet dieser Anspruch mit dem Tage, der dem Tag des Beginns der Schutzfrist vorangeht.

Während der Schutzfrist finden die Konkurrenzvorschriften des Ortszuschlags bzw. des Sozialzuschlags weiterhin Anwendung (vgl. z.B. für Angestellte § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz und Abs. 6 Satz 1 zweiter Halbsatz BAT / BAT-O, für Arbeiterinnen i. V. m. § 41 MTArb/ MTArb-O).

3.5 Die Arbeitnehmerin, die aufgrund einer entsprechenden Erklärung (vgl. Nr. 3.3) während der Schutzfrist arbeitet, hat Anspruch auf das dafür arbeitsvertraglich zustehende Arbeitsentgelt. Das gilt auch, wenn dieses geringer ist als das Mutterschaftsgeld (§ 13) und der ggf. zu zahlende Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§ 14).

3.6 Der Teilnahme der in der Ausbildung für einen Angestellten- oder Arbeiterberuf befindlichen Auszubildenden am Unterricht z.B. einer Verwaltungs- oder Berufsschule stehen die Beschäftigungsverbote nicht entgegen.

3.7 Die Beschäftigungsverbote nach den Absätzen 1 und 2 lassen als abschließende gesetzliche Regelung (vgl. § 75 Abs. 3 Eingangssatz BPersVG, § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bzw. Betriebsrats nicht zu; insoweit besteht auch kein Raum für Konkretisierungen oder Ergänzungen durch Dienst- oder Betriebsvereinbarungen (vgl. Beschluss des BVerwG vom 19. Mai 1992 - BVerwG 6 P 5.90).

4. Zu § 4 (Weitere Beschäftigungsverbote)

4.1 Die generellen Beschäftigungsverbote stellen im Gegensatz zu dem Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 nicht auf den Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin ab. Der Arbeitgeber hat daher von sich aus zu prüfen, ob eine werdende oder - in den Fällen des § 6 Abs. 3 - stillende Mutter Arbeiten der in § 4 genannten Art ausübt, ohne dass sich die Arbeitnehmerin darauf beruft. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt ist; vgl. auch Nr. 3.2.

Auf die sich aus den §§ 3 bis 5 der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz vom 15. April 1997 (BGBl. I S. 782) ergebenden zusätzlichen Beschäftigungsverbote wird hingewiesen.

Die Arbeitnehmerin darf auch dann nicht mit verbotenen Arbeiten beschäftigt werden, wenn sie auf die Einhaltung der Beschäftigungsverbote durch den Arbeitgeber ausdrücklich verzichtet. Darf die Arbeitnehmerin ihre bisherige Arbeit nicht weiter verrichten, kann sie mit anderen zumutbaren Arbeiten beschäftigt werden. Auf den im Arbeitsvertrag bestimmten Tätigkeitsbereich kommt es dabei nicht an. Lehnt die Arbeitnehmerin eine zumutbare Umsetzung ab, hat sie weder Anspruch auf Arbeitsentgelt noch einen Anspruch auf den Durchschnittsverdienst nach § 11.

4.2 Unter das generelle Verbot der Akkordarbeit und sonstiger Arbeiten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitstempo ein höheres Entgelt erzielt werden kann (Absatz 3), fallen auch Angestellte in organisatorisch zusammengefassten Schreibdiensten, auf die Prämienrichtlinien Anwendung finden.

4.3 Bei Beschäftigungsverboten ist mindestens der Durchschnittsverdienst nach § 11 zu zahlen (vgl. Nr. 11).

Darf die Arbeitnehmerin wegen der Beschäftigungsverbote nicht mehr zu solchen Diensten herangezogen werden, für die bisher Freizeitausgleich gewährt wurde (z.B. Überstunden, Bereitschaftsdienst), besteht kein Anspruch auf Beibehaltung des Freizeitausgleichs, wenn die den Freizeitausgleich bisher begründenden Dienste nicht mehr geleistet werden (vgl. Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 12. Mai 1993 -3 Sa 49/93 - ZTR 1993, 508).

Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bzw. Betriebsrats durch Abschluss von Dienst- oder Betriebsvereinbarungen zur Konkretisierung oder Ergänzung der Beschäftigungsverbote besteht nicht (vgl. auch Nr. 3.7 sowie für den Bereich des BetrVG den Beschluss des BAG vom 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG Überwachung).

5. Zu § 5 (Mitteilungspflicht, ärztliches Zeugnis)

5.1 Die Arbeitnehmerin kann eine bestehende Schwangerschaft mündlich oder schriftlich formlos mitteilen. Absatz 1 Satz 1 ist eine Sollvorschrift, das heißt, die Arbeitnehmerin ist zwar nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber unaufgefordert ihren Zustand zu offenbaren, der Arbeitgeber kann jedoch die ihm nach dem MuSchG obliegenden Pflichten nur erfüllen, wenn er Kenntnis von der Schwangerschaft bzw. Kenntnis vom Beginn der Schwangerschaft und von dem mutmaßlichen Tag der Entbindung hat. Die Schwangerschaft ist nur dann dem Arbeitgeber mitgeteilt, wenn eine zur Entgegennahme dieser Mitteilung dienstlich befugte Person Kenntnis davon erlangt hat.

Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet (vgl. Urteil des BAG vom 13. November 2001 - 9 AZR 590/99 -).

Nach dem Urteil des BAG vom 15. Oktober 1992 - 2 AZR 227/92 - (AP Nr. 8 zu § 611a BGB) darf der Arbeitgeber anlässlich der Einstellung einer Arbeitnehmerin grundsätzlich nicht mehr nach dem Bestehen einer Schwangerschaft fragen. Das BAG hat damit seine frühere Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 6. Oktober 1962 - 2 AZR 360/6 1 - AP Nr. 24 zu § 9 MuSchG - und vom 20. Februar 1986-2 AZR 244/85 - AP Nr. 31 zu § 123 BGB) ausdrücklich aufgegeben, wonach es ein Fragerecht dann noch bejaht hat, wenn sich ausschließlich Frauen um den Arbeitsplatz beworben haben. Es geht nunmehr davon aus, dass sich die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft vor der Einstellung unabhängig davon, ob sich Frauen und Männer oder nur Frauen um den Arbeitsplatz bewerben, in der Regel als eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellt und damit gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB verstößt. Das Gericht hat einschränkend ausgeführt, es neige dazu, die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft in den Fällen als zulässig anzusehen, in denen z.B. die angestrebte Tätigkeit überhaupt nicht aufgenommen werden kann oder darf oder in denen die Tätigkeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis von vornherein wegen sogleich eintretender Mutterschutzfristen oder sogleich eintretender Elternzeit nicht möglich ist. Einen Ausnahmefall im Sinne der ersten Alternative (Verbot der Aufnahme der Beschäftigung) hat das BAG im Urteil vom 1. Juli 1993 - 2 AZR 25/93 -(AP Nr. 36 zu § 123 BGB) im Fall der Einstellung einer schwangeren Bewerberin in einer Praxis für Laboratoriumsmedizin im Hinblick auf die mögliche Gefährdung des ungeborenen Kindes beim Umgang der Angestellten mit infektiösem Material angenommen. In den beispielhaft genannten Ausnahmefällen liegt in der wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft eine arglistige Täuschung nach § 123 BGB, die zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt (vgl. auch BAG, Urteil vom 8. September 1988 - 2 AZR 102/88 - AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG 1968). Ist der Arbeitsvertrag hingegen in beiderseitiger Unkenntnis der Schwangerschaft abgeschlossen worden, kann er vom Arbeitgeber auch dann nicht angefochten werden, wenn sich die geschuldete Arbeitsleistung auf eine nachts zu verrichtende Tätigkeit bezieht, die von der schwangeren Arbeitnehmerin wegen des Nachtarbeitsverbots nicht ausgeübt werden darf (Urteil des EuGH vom 5. Mai 1994- C 421/92 - ZTR 1994, 341).

Ergänzend ist noch auf die Urteile des EuGH vom 3. Februar 2000- C 207/98 - (AP Nr. 18 zu § 611a BGB) und vom 4. Oktober 2001 - C 109/00 - (AP Nr. 27 zu EWG-Richtlinie Nr. 76/207) hinzuweisen, aus denen sich eine einschränkende Auffassung des EuGH entnehmen lässt: Nach dem dem Verfahren 207/98 zugrunde liegenden Sachverhalt war eine bereits befristet beschäftigte Krankenschwester, die ihren Arbeitgeber über eine bestehende Schwangerschaft informiert hatte, bei der Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes nicht mehr berücksichtigt worden, weil der Arbeitgeber sie auf dem vorgesehenen neuen Arbeitsplatz, auf dem Schwangere aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht eingesetzt werden durften, von Anfang an nicht hätte beschäftigen können. In dem Verfahren 109/00 war streitig, ob der Arbeitgeber eine Arbeitnehmerin, die er nur befristet eingestellt hatte, wieder entlassen kann, wenn sie ihm eine im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages schon bekannte Schwangerschaft verschwiegen hat und nun aufgrund dieser Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann. Der EuGH hat in beiden Fällen zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen entschieden.

Es dürfte deshalb von den Umständen im Einzelfall abhängig sein, ob die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft als zulässig angesehen werden kann und welche Folgen sich aus einer Falsch- oder Nichtbeantwortung dieser Frage ergeben.

5.2 Der Arbeitgeber kann jederzeit die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses oder des Zeugnisses einer Hebamme über die bestehende Schwangerschaft und über den mutmaßlichen Tag der Entbindung verlangen. Die Angaben in dem Zeugnis sind für den Arbeitgeber verbindlich, ohne Rücksicht darauf, ob sich der Arzt oder die Hebamme geirrt hat. Fällt die Entbindung auf einen anderen als den vom Arzt oder von der Hebamme bescheinigten Tag, verkürzt oder verlängert sich die Schutzfrist des § 3 Abs. 2 entsprechend; eine Verkürzung dieser Schutzfrist führt jedoch zu einer entsprechenden Verlängerung der Schutzfristen nach der Geburt (vgl. Nr. 6.3).

Die Kosten des Zeugnisses hat der Arbeitgeber zu ersetzen, wenn es auf sein Verlangen ausgestellt worden ist. Die Kostenerstattungspflicht entfällt, wenn die Krankenkasse die Kosten trägt (vgl. hierzu § 196 RVO).

5.3 Der Arbeitgeber hat die zuständige Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt; vgl. Nr. 20) unverzüglich von der Mitteilung der werdenden Mutter zu benachrichtigen. Es ist zweckmäßig, in der Mitteilung auch Angaben über die Art der Beschäftigung der Arbeitnehmerin zu machen, damit die zuständige Aufsichtsbehörde das Vorliegen von Beschäftigungsverboten prüfen kann.

5.4 Der Arbeitgeber darf die ihm zugegangene Mitteilung über die Schwangerschaft Dritten nicht unbefugt bekannt geben (Absatz 1 Satz 4). Eine befugte Unterrichtung liegt jedoch vor, wenn der Arbeitgeber die Vorschriften des MuSchG ohne Bekanntgabe der Mitteilung nicht erfüllen könnte (z.B. Unterrichtung der unmittelbaren Vorgesetzten zwecks Einhaltung von Beschäftigungsverboten, der zuständigen Personen in der Personalstelle und der Lohnfestsetzungsstelle, des Personalarztes).

Der Personalrat bzw. Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nicht verlangen, über die Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin unterrichtet zu werden, wenn diese hierzu nicht ihre Einwilligung erteilt hat (vgl. Beschluss des BVerwG vom 29. August 1990 - BVerwG 6 P 30.87 - AP Nr. 2 zu § 68 BPersVG).

5.5 Wegen der Erstattung des Entgeltausfalls, der der Arbeitnehmerin durch die Durchführung der Untersuchungen entsteht, vgl. § 16 und die Hinweise hierzu unter Nr. 16.

6. Zu § 6 (Beschäftigungsverbote nach der Entbindung)

6.1 Während der Schutzfrist nach Absatz 1 darf die Arbeitnehmerin nicht - auch nicht mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden; das gilt auch für Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft.

Eine Ausnahme von diesem absoluten Beschäftigungsverbot gilt lediglich für den Fall des Todes des Kindes. Nach Absatz 1 Satz 3 kann die Mutter beim Tode ihres Kindes auf ihr ausdrückliches Verlangen schon vor Ablauf der 8- oder 12-wöchigen Schutzfrist, keinesfalls aber in den ersten zwei Wochen (nicht Kalenderwochen) nach der Entbindung, wieder beschäftigt werden, wenn nach ärztlichem Zeugnis nichts dagegen spricht. Die Mutter kann ihre Erklärung jederzeit widerrufen. Wenn eine Frau von ihrem Recht nach Absatz 1 Satz 3 Gebrauch macht, ruht der Anspruch auf Mutterschaftsgeld sowie auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für diese Zeit.

6.2 Die Schutzfrist beträgt grundsätzlich 8 Wochen nach der Entbindung. Bei Mehrlingsgeburten und bei Frühgeburten im medizinischen Sinne verlängert sich diese Schutzfrist grundsätzlich auf 12 Wochen.

Unter einer "Frühgeburt" im medizinischen Sinne ist eine Entbindung zu verstehen, bei der das Kind ein Geburtsgewicht unter 2500 g hat. Der Entbindung eines Kindes mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g sind solche Entbindungen gleichzusetzen, bei denen das Kind trotz höheren Geburtsgewichts wegen noch nicht voll ausgebildeter Reifezeichen (an Rumpf, Haut, Fettpolstern, Nägeln, Haaren und äußeren Geschlechtsorganen) oder wegen verfrühter Beendigung der Schwangerschaft einer wesentlich erweiterten Pflege bedarf; auf die Dauer der Schwangerschaft kommt es nicht an (Urteil des BAG vom 12. März 1997 - 5 AZR 329/96 -AP Nr. 4 zu § 6 MuSchG 1968 -). Die Verlängerung der Schutzfrist bei Frühgeburten gilt auch dann, wenn das Kind tot geboren worden ist (Urteil des BSG vom 15. Mai 1974 - 3 RK 16/73 -USK 7439).

6.3 Die Schutzfristen von 8 bzw. 12 Wochen verlängern sich zusätzlich um die Zahl der Tage, um die die Entbindung vor dem errechneten Geburtstermin erfolgt ist. Insoweit ist durch das am 20. Juni 2002 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom 16. Juni 2002 (BGBl. I S. 1812) die bisher nur für Frühgeburten geltende Verlängerung auf alle Fälle einer vorzeitigen Entbindung ausgedehnt worden, so dass die Schutzfristen vor und nach der Geburt zusammen immer mindestens 14 Wochen betragen müssen.

Beispiel 1:

Mutmaßlicher Entbindungstag = 8. September
Schutzfrist vor der Geburt (§ 3 Abs. 2) = 25 Juli bis 7. September (= 42 Tage)
Letzter Arbeitstag = 27. Juli
Tatsächlicher Entbindungstag = 1. September
In Anspruch genommene Schutzfrist = 28. Juli bis 31. August (= 35 Tage)
Nicht in Anspruch genommen = 42 Tage ./. 35 Tage = 7 Tage
Schutzfrist nach der Geburt (§ 6 Abs. 1) = 8 Wochen zzgl. 7 Tage
Ende der Schutzfristen = 3. November

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, jedoch handelt es sich um eine Frühgeburt im medizinischen Sinne.

Schutzfrist nach der Geburt (56 Abs. 1) = 12 Wochen zzgl. 7 Tage
Ende der Schutzfristen = 1. Dezember

6.4 Bei allen vorzeitigen Entbindungen tritt die Verlängerung der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 von 8 bzw. 12 Wochen auch dann ein, wenn die Arbeitnehmerin bis zum Beginn der (6-wöchigen) Schutzfrist des § 3 Abs. 2 nicht gearbeitet hat (z.B. weil die Arbeitnehmerin bis zum Beginn dieser Schutzfrist arbeitsunfähig krank war - mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder auf sozialversicherungsrechtliches Krankengeld oder sich im Urlaub befand). Dies folgt aus § 200 Abs. 3 Satz 2 RVO, dessen Geltung sich ab dem 20. Juni 2002 (siehe Nr. 6.3) nicht mehr nur auf Frühgeburten, sondern auf alle Fälle vorzeitiger Entbindung erstreckt. Deshalb können künftig bei vorzeitigen Entbindungen die Vorschriften über das Ruhen des Mutterschaftsgeldes (§ 200 Abs. 4 RVO, § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) und über den Vorrang des Mutterschaftsgeldes gegenüber dem Krankengeld (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V) nicht mehr praktisch werden, da rückwirkend kein Anspruch auf Mutterschaftsgeld entstehen kann.

6.5 Maßgebend für den Beginn der Schutzfrist nach Absatz 1 ist die Entbindung, deren Zeitpunkt durch die standesamtliche Geburtsurkunde nachzuweisen ist. Für die Berechnung der Frist gelten § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 BGB.

6.6 Während der Schutzfrist nach Absatz 1 hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Mutterschaftsgeld gegen die Krankenkasse bzw. gegen das Bundesversicherungsamt (§ 13) und ggf. Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gegen den Arbeitgeber (§ 14).

6.7 Eine Fehlgeburt löst kein Beschäftigungsverbot nach Absatz 1 aus, so dass auch kein Anspruch auf Leistungen nach den §§ 13, 14 entsteht. Die mit der Fehlgeburt ggf. verbundenen Beschwerden sind als Krankheit anzusehen und führen, sofern Arbeitsunfähigkeit besteht, zur Freistellung von der Arbeit und Entgeltfortzahlung nach den für den Krankheitsfall geltenden gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen.

6.8 Das individuelle Beschäftigungsverbot nach Absatz 2 für Frauen, die in den ersten Monaten nach der Entbindung nicht voll leistungsfähig sind, ist von der Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses abhängig. Aus dem Zeugnis muss hervorgehen, inwieweit die Arbeitnehmerin beschäftigt werden darf. Das Beschäftigungsverbot nach Absatz 2 ist nur "in den ersten Monaten nach der Entbindung" gegeben. Im Allgemeinen wird - in Anlehnung an das Kündigungsverbot in § 9 Abs. 1 - von einem Zeitraum von vier Monaten nach der Entbindung ausgegangen werden können.

Für die Dauer des individuellen Beschäftigungsverbotes ist die Arbeitnehmerin vor Verdienstminderungen durch die Vorschrift des § 11 geschützt. Sie hat hiernach Anspruch auf den Durchschnitts verdienst, ohne Rücksicht darauf, welche Arbeit sie leistet und welche Arbeitszeit eingehalten wird.

6.9 Die generellen Beschäftigungsverbote für werdende Mütter in § 4 gelten nach Absatz 3 auch für stillende Mütter. Nicht anwendbar auf stillende Mütter sind die Verbote der Beschäftigung im Stehen und auf Beförderungsmitteln (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 7).

6.10 Stillende Mütter im Sinne des MuSchG sind nur Frauen, die nach Ablauf der Schutzfrist des Absatzes 1 ihr Kind noch stillen. Die Vorlage einer Stillbescheinigung eines Arztes, einer Hebamme, einer Mütterberatungs- oder Säuglingsfürsorgestelle ist nicht vorgeschrieben. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss die Arbeitnehmerin jedoch eine entsprechende Bescheinigung vorlegen. Die Kosten dieser Bescheinigung trägt der Arbeitgeber.

6.11 Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bzw. Betriebsrats durch Abschluss von Dienst- oder Betriebsvereinbarungen zur Konkretisierung oder Ergänzung der Beschäftigungsverbote besteht nicht (vgl. Nrn. 3.7 und 4.4).

7. Zu § 7 (Stillzeit)

7.1 Die stillende Mutter ist auf ihr Verlangen für die ihr nach Absatz 1 zustehenden Stillzeiten von der Arbeitspflicht zu befreien. Eine Freistellung zum Zwecke des Stillens setzt grundsätzlich voraus, dass die Arbeitnehmerin auch eine Arbeitsleistung zu erbringen hat (so BAG im Urteil vom 3. Juli 1985-5AZR79/84-AP Nr. 1 zu § 7 MuSchG 1968). Außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit liegende Stillzeiten begründen somit keinen Anspruch auf entsprechende Verminderungen der dienstplanmäßigen bzw. betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit (so auch BVerwG im Urteil vom 30. Juni 1988 - 2 C 60.88 -[DOD 1988, 292] bei einer beamteten Lehrerin, die für außerhalb der vorgesehenen Unterrichtsstunden liegende Stillzeiten eine Verminderung ihrer Unterrichtsverpflichtung begehrte).

7.2 Ein Verdienstausfall darf durch die Gewährung der Stillzeiten nicht eintreten (Absatz 2 Satz 1) Der Arbeitgeber hat deshalb die gewährten Stillzeiten wie Arbeitszeiten mit dem Verdienst zu bezahlen der sonst verdient worden wäre (Lohnausfallprinzip). Ist die Arbeitnehmerin wegen des Stillens von Akkordlohnarbeit in Zeitlohnarbeit umgesetzt worden, ist für die maßgebenden Zeiten der durch schnittliche Akkordlohn (Leistungslohn) zu zahlen, wenn dieser höher ist als der Zeitlohn.

7.3 Der Entgeltfortzahlungsanspruch für Stillzeiten ist unabdingbar.

7.4 Es ist nicht ausdrücklich festgelegt, für welchen Zeitraum nach der Niederkunft Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Stillen besteht. Das LAG Niedersachsen ist unter Berücksichtigung des Schrifttums zu § 7 MuSchG im Beschluss vom 2. Mai 1983 - 13 Sa 4/83 - sowie im Urteil vom 29. Oktober 1987 - 10 Sa 379/87 - (NZa 1988, 312) zu der Auffassung gekommen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Anspruch auf unbestimmte Zeit nicht bestehe, sondern in Fällen anormaler langer Fortsetzung des Stillens die Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs gegeben sein kann. Das LAG geht davon aus, dass der Schutz sich auf das erste Lebensjahr des Kindes beschränke, da keine mutterschutzgesetzliche Norm (z.B. § 6 Abs. 1 und 2, § 9, § 13 MuSchG) eine arbeitsrechtliche Vergünstigung für einen längeren Zeitraum gewähre. Dies müsse auch für den Anspruch auf bezahlte Stillzeit nach § 7 gelten. Das Arbeitsgericht Darmstadt hat sich mit Urteil vom 24. August 1983 - 5 Ca 7/83 - (ARST 1984, 10) dieser Auffassung angeschlossen. Es hat ausgeführt, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung der stillenden Mütter spätestens dann nicht mehr gegeben ist, wenn das Kind das erste Lebensjahr vollendet hat.

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