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Regelwerk, Arbeitsschutz

Grundsatzpapier zur Rolle der Normung im betrieblichen Arbeitsschutz

Vom 12. Februar 2021
(GMBl. Nr. 11 vom 22.02.2021 S. 227)



Archiv: 2014

Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichtete Arbeitsgruppe "Normung im betrieblichen Arbeitsschutz" aus Vertreterinnen und Vertretern der obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder, der Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung, der Sozialpartner, des DIN - Deutsches Institut für Normung e. V. und des VDE - Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. hat das nachstehende Grundsatzpapier erarbeitet:

I. Ausgangslage und Zielsetzung

Im Rahmen der Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes hat der europäische Gesetzgeber zur vollständigen Harmonisierung von technischen Vorschriften auf der Grundlage der Artikel 114 und 115 des AEU-Vertrages (AEUV) Verordnungen und Richtlinien erlassen. Sie regeln die grundlegenden Anforderungen für die Beschaffenheit von Produkten, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Erfasst werden damit auch Produkte, die bei der Arbeit verwendet werden. Die sichere Beschaffenheit solcher Produkte ist daher ein wichtiges Anliegen des Arbeitsschutzes.

Die grundlegenden Anforderungen der Binnenmarktrechtsakte werden durch harmonisierte europäische Normen konkretisiert. Harmonisierte europäische Normen werden von den europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI auf der Grundlage von Normungsmandaten der EU-Kommission erarbeitet. Bei Anwendung dieser Normen besteht die "Vermutungswirkung"; das heißt, dass die grundlegenden Anforderungen der betreffenden Binnenmarktrichtlinien im Grundsatz erfüllt werden. Gleichzeitig sind auf europäischer Ebene neben der Mandatierung weitere Instrumente zur Qualitätssicherung von harmonisierten Normen verankert (Consultant-Konzept und formeller Einwand).

Im Rahmen der "sozialen Flankierung des Binnenmarktes" hat der europäische Gesetzgeber auch zahlreiche Richtlinien mit Mindestanforderungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ("Arbeitsschutzrichtlinien") nach Artikel 153 AEUV erlassen. Im Gegensatz zu den europäischen Binnenmarktvorschriften nach den Artikeln 114 und 115 AEUV ist eine Konkretisierung der Mindestanforderungen in den Arbeitsschutzrichtlinien nach Artikel 153 AEUV durch Normen nicht vorgesehen. Normen, die dennoch in diesem Bereich von den europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI erarbeitet werden, können daher aus sich heraus keine Vermutungswirkung entfalten, auch wenn sie auf der Grundlage eines Normungsmandates der EU-Kommission erarbeitet werden. Die o. g. Instrumente der Qualitätssicherung für Normen (Consultant-Konzept und formeller Einwand) bestehen für den auf Artikel 153 AEUV gestützten Bereich nicht.

Arbeitsschutzrichtlinien sind in nationales Arbeitsschutzrecht umzusetzen. In Deutschland enthalten diese Arbeitsschutzvorschriften - entsprechend dem europäischen Recht - oft lediglich Zielvorgaben. Im Interesse der Rechtssicherheit und der praktischen Handhabbarkeit sind solche Arbeitsschutzvorschriften zu konkretisieren. Dies kann durch Regeln der staatlichen Ausschüsse 1 (mit "Vermutungswirkung") sowie durch Unfallverhütungsvorschriften und Regeln der Unfallversicherungsträger erfolgen. Darüber hinaus können Informationen anderer Institutionen erläuternde und beispielhafte Hinweise für die praktische Anwendung von Vorschriften und Regeln sowie für die Gestaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen geben. Der Staat trägt die Gesamtverantwortung für das Funktionieren eines solchen Systems aus Vorschriften, Regeln und Informationen. Dies bringt auch das Arbeitsschutzgesetz zum Ausdruck, indem es in § 20a ArbSchG Bund, Länder und Unfallversicherungsträger zur Herstellung eines verständlichen, überschaubaren und abgestimmten Vorschriften- und Regelwerks als Bestandteil der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) verpflichtet. Als grundlegenden Beitrag zur Erfüllung dieser Verpflichtung haben die Träger der GDa und die Sozialpartner im August 2011 ein "Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerkes im Arbeitsschutz" verabschiedet. Im Leitlinienpapier wird auf "Normen" nicht ausdrücklich eingegangen.

In der Praxis ist festzustellen, dass in unterschiedlichen Bereichen Normen zur Anwendung kommen. Auch im Regelungsbereich des Art. 153 AEUV wird auf Verständigungsnormen (Begriffe, Definitionen, Zeichen) und Normen zur Sicherung der Vergleichbarkeit eines bestimmten Arbeitsschutzniveaus (Prüf-, Mess-, Analyse-, Probenahmeverfahren, statistische Methoden etc.) zurückgegriffen. Näheres hierzu regelte der "Gemeinsame Deutsche Standpunkt (GDS) zur Normung im Bereich der auf Artikel 118a des EG-Vertrages (jetzt Art. 153 AEUV) gestützten Richtlinien" aus dem Jahr 1993, auf den sich seinerzeit das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA), die Länder, die Unfallversicherungsträger, die Sozialpartner und das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) verständigt hatten. Weiterhin ist festzustellen, dass im Vorschriften- und Regelwerk von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Umfang auf Normen Bezug genommen wurde und wird. Zum anderen verabschieden internationale und europäische Normungsinstitutionen Normen, die unmittelbar oder mittelbar auch den Bereich der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit ("betrieblicher Arbeitsschutz") berühren. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren erheblich verstärkt.

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