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Regelwerk; BGI / DGUV-I

BGI 743 / DGUV Information 209-047 - Nitrose Gase beim Schweißen und bei verwandten Verfahren
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI)
(bisher ZH 1/384)

(Ausgabe 2006aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung


Vorwort

Die vorliegende BG-Information wurde mit Unterstützung des Arbeitskreises "Schadstoffe in der Schweißtechnik" im Fachausschuss "Metall und Oberflächenbehandlung" der Berufsgenossenschaftlichen Zentrale für Sicherheit und Gesundheit - BGZ des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften - erarbeitet und aktualisiert und wird von der Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften herausgegeben.

In der BG-Regel "Schweißrauche" (BGR 220), siehe Abschnitt 5.4, wird darauf hingewiesen, dass bei der Anwendung von Verfahren der Schweißtechnik insbesondere in engen Räumen mit einer hohen Gesundheitsgefährdung zu rechnen ist. Somit ist auch bei Verfahren der Autogentechnik in engen Räumen damit zu rechnen, dass nitrose Gase (Stickstoffoxide) in unzuträglicher Konzentration entstehen können.

Die vorliegende Broschüre beschreibt die dadurch entstehenden Gefahren und gibt Hinweise auf erforderliche Schutzmaßnahmen. Sie konkretisiert insoweit die BGR 220 sowie die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV A1).

Der Deutsche Verband für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) hat dazu beigetragen, dass wertvolle Hinweise aus der Praxis enthalten sind.

1 Entstehung von nitrosen Gasen in der Schweißtechnik

Stickstoffmonoxid entsteht am Rand der Flamme oder des Lichtbogens bei Temperaturen über 1000 °C aus dem Sauerstoff (O2) und dem Stickstoff (N2) der Luft1). Das Stickstoffmonoxid oxidiert danach bei Raumtemperatur zu Stickstoffdioxid2).

1) N2 + O2 → 2 NO (siehe Anhang 2)

2) NO + O2 → 2 NO2

In Abhängigkeit von den schweißtechnischen Verfahren und von den jeweiligen Arbeitsbedingungen entstehen Stickstoffoxidgemische (NOX) unterschiedlicher Menge und Zusammensetzung. Diese werden als nitrose Gase bezeichnet.

2 Gesundheitsgefahren und Vergiftungssymptome

Nitrose Gase wirken toxisch und haben bei höherer Konzentration einen beißenden, stechenden Geruch.

Nach dem Einatmen wirken nitrose Gase insbesondere auf die tieferen Atemwege und die Lunge, weniger auf die oberen Atemwege (Nase, Rachen, Luftröhre, große Bronchien). Der Kontakt mit den Schleimhäuten kann zu einer schweren Schädigung der Schleimhäute, der tieferen Atemwege und des Lungengewebes führen.

Folgende Symptome deuten auf ein Anfangsstadium einer Vergiftung durch nitrose Gase hin:

Allerdings treten diese Symptome nicht immer auf; eine verlässliche Warnwirkung ist daher nicht gegeben!

Folgende Symptome deuten auf ein fortgeschrittenes Stadium einer Vergiftung durch nitrose Gase hin:

Typisch für dieses lebensbedrohliche Krankheitsbild ist, dass diese Symptome oft erst nach einer Latenzzeit von einigen Stunden bis wenigen Tagen auftreten. Sie sind Ausdruck einer Wasseransammlung im Lungengewebe (Lungenwassersucht, Lungenödem), welche die Sauerstoffversorgung des Organismus beeinträchtigt und zum Tode führen kann.

Auftreten und Ausmaß vorgenannter Symptome hängen von der Konzentration und der Einwirkungsdauer (Expositionsdauer) der eingeatmeten nitrosen Gase ab.

3 Gefährdung durch nitrose Gase

Der Grad der Gefährdung durch nitrose Gase hängt insbesondere ab von den angewandten Schweißverfahren und den jeweiligen Arbeitsbedingungen. Insbesondere bei folgenden Verfahren der Schweißtechnik ist in Abhängigkeit von der Größe der Reaktionsfläche der Flamme oder des Lichtbogens mit dem Auftreten nitroser Gase zu rechnen:

Folgende Faktoren können bei den Autogenverfahren zu einer verstärkten Bildung von nitrosen Gasen führen:

Achtung: Acetylen ist kritischer zu bewerten als andere Gase!

Aus den vorgenannten Gründen ist auch das Erwärmen der Raumluft mit Autogenbrennern verboten, da hierbei sehr hohe Mengen nitroser Gase entstehen und es in der Vergangenheit häufig zu schweren Vergiftungen gekommen ist.

Folgende Faktoren können beim Plasmaschmelz- und Laserstrahlschneiden zu einer verstärkten Bildung von nitrosen Gasen führen:

Eine hohe Gefährdung besteht beim Flammwärmen, Flammrichten, Flammhärten, Flammstrahlen und Flammspritzen. Es sind sehr hohe Emissionen an nitrosen Gasen mit mehrfachen Grenzwertüberschreitungen zu erwarten.

Eine mittlere Gefährdung besteht beim Plasmaschmelzschneiden mit Druckluft oder Stickstoff. Es sind relativ hohe Emissionen an nitrosen Gasen mit Grenzwertüberschreitungen zu erwarten.

Eine geringere Gefährdung besteht beim Laserstrahlschneiden mit Druckluft oder Stickstoff, beim Gasschweißen sowie beim Brennschneiden; Grenzwertüberschreitungen sind nur in Extremfällen zu erwarten.

In jedem Fall wird die Gefährdung durch nitrose Gase höher, wenn die genannten Verfahren angewendet werden in

Grundsätzlich sind nach dem Arbeitsschutzgesetz die Gefährdungen am Arbeitsplatz zu ermitteln. Dabei ist für Gefährdungen durch nitrose Gase eine Arbeitsbereichsanalyse nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 402 "Ermittlung und Beurteilung der Konzentrationen gefährlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen" erforderlich.

Messungen im Rahmen einer Arbeitsbereichsanalyse können mittels elektrischer Direktanzeigegeräte oder Prüfröhrchen durchgeführt werden (siehe auch BG-Information "Schadstoffe beim Schweißen und bei verwandten Verfahren" [BGI 593]).

Der Luftgrenzwert am Arbeitsplatz beträgt für Stickstoffmonoxid 25 ml/m3 und für Stickstoffdioxid 5 ml/m3. Diese Grenzwerte sind dringend einzuhalten.

Bild 3-1: Brennschneiden in der Atmosphäre
(Quelle: SK Mönchengladbach GmbH)

4 Schutzmaßnahmen und persönliche Schutzausrüstungen

4.1 Verringerung der Emission von nitrosen Gasen

Nach der BG-Regel "Schweißrauche" (BGR 220) sind jeweils diejenigen Verfahren auszuwählen, bei denen die Freisetzung nitroser Gase gering ist.

Dies ist z.B. der Fall bei

4.2 Wasserschutzeinrichtungen

Die Konzentration von nitrosen Gasen im Atembereich wird durch folgende Wasserschutzeinrichtungen verringert:

4.3 Lüftungstechnische Maßnahmen

Nach der Gefahrstoffverordnung und in Verbindung mit der BG-Regel "Schweißrauche" (BGR 220) müssen Arbeitsplätze unter Berücksichtigung von Verfahren, Werkstoffen und Einsatzbedingungen so eingerichtet sein, dass die Atemluft der Beschäftigten von gesundheitsgefährdenden Stoffen freigehalten wird.

Diese Forderung wird primär durch die Verwendung einer

erfüllt.

Lüftungseinrichtungen sind so einzurichten, dass die Beschäftigten im Zuluftstrom arbeiten; Erfassungseinrichtungen sind so zu gestalten und zu positionieren, dass die nitrosen Gase möglichst im Entstehungsbereich abgesaugt werden.

Siehe auch BG-Regel "Arbeitsplatzlüftung - Lufttechnische Maßnahmen" (BGR 121).

4.4 Zusätzliche Schutzmaßnahmen in engen Räumen

Bei schweißtechnischen Arbeiten in engen Räumen ist nach der BG-Regel "Schweißrauche" (BGR 220) sicherzustellen, dass eine Absaugung oder technische Raumlüftung die Konzentration von Schadstoffen, somit auch nitrosen Gasen, auf ein ungefährliches Maß verringert.

Für eine ausreichende Frischluftzufuhr, z.B. durch Zuluftgebläse, ist zu sorgen. Eine Belüftung mit Sauerstoff ist verboten.

Soweit im Einzelfall eine Absaugung oder technische Raumlüftung nicht möglich oder nicht ausreichend ist, müssen geeignete Atemschutzgeräte, unabhängig von der Atmosphäre, z.B. Frischluftschlauchgeräte, zur Verfügung stehen und benutzt werden.

Siehe auch BG-Regel "Benutzung von Atemschutzgeräten" (BGR 190) sowie BG-Information "Zertifizierte Atemschutzgeräte" (BGI 693).

Filtergeräte sind wegen eines möglichen Sauerstoffmangels ungeeignet. Regenerationsgeräte mit Sauerstoffpatronen dürfen nicht verwendet werden.

4.5 Unterweisung, Betriebsanweisung

Mitarbeiter, die nitrosen Gasen ausgesetzt sein können, müssen über die auftretenden Gefahren sowie über die erforderlichen Schutzmaßnahmen vor der Beschäftigung und danach mindestens einmal jährlich unterwiesen werden (siehe Anlage).

Die Inhalte der Unterweisung sind in einer Betriebsanweisung zusammenzufassen.

Siehe auch § 14 Gefahrstoffverordnung.

5 Erste Hilfe bei Vergiftungen

5.1 Allgemeines

Ist durch das Auftreten der in Abschnitt 2 genannten Symptome oder anderer Anzeichen mit einer Vergiftung durch nitrose Gase zu rechnen oder besteht der Verdacht auf die Einatmung hoher Konzentrationen an nitrosen Gasen, sind unverzüglich Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten und eine ärztliche Versorgung zu veranlassen.

Schon das Einatmen geringer Mengen nitroser Gase kann zu schweren Gesundheitsschäden führen. Die Wirkungen zeigen sich häufig erst nach mehreren beschwerdefreien Stunden. Deshalb ist ärztliche - am besten klinische Beobachtung unbedingt erforderlich.

Der Betriebsarzt soll entscheiden, ob medizinischer Sauerstoff bzw. cortisonhaltiges Inhalationsspray mit Inhalationshilfe bevorratet werden soll.

5.2 Verdacht auf überhöhte Einwirkung durch nitrose Gase

Besteht auch ohne eindeutig erkennbare Symptome der Verdacht, dass ein Beschäftigter nitrosen Gasen in gesundheitsgefährdendem Ausmaß ausgesetzt war, ist die Tätigkeit sofort einzustellen und der Beschäftigte in einen Bereich ohne atemwegsbelastende Stoffe zu bringen. Der Beschäftigte ist unverzüglich einem Arzt (möglichst Internist oder Arzt für Lungen- und Bronchial-Heilkunde) oder in einem Krankenhaus vorzustellen.

Der Hinweis auf eine mögliche Vergiftung durch nitrose Gase durch schweißtechnische Arbeiten ist für die ärztliche Behandlung zwingend erforderlich. Daher muss bei der Vorstellung des Beschäftigten auf diese Möglichkeit und die Gefahr eines verzögert eintretenden toxischen Lungenödems hingewiesen werden.

Diese Druckschrift sollte dem behandelnden Arzt mitgegeben werden.

5.3 Maßnahmen im Vergiftungsfall

Beim Auftreten der in Abschnitt 2 beschriebenen Symptome oder anderer Anzeichen, die auf eine Vergiftung durch nitrose Gase hinweisen, müssen die folgenden Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden:

Diese Druckschrift sollte dem behandelnden Arzt mitgegeben werden.

Von der betroffenen Person bzw. durch den Betrieb sollte in Erfahrung gebracht werden, ob Kollegen in unmittelbarer Umgebung gearbeitet haben und sich eventuell auch vergiftet haben könnten.

6 Vorschriften und Regeln

6.1 Unfallverhütungsvorschriften

"Grundsätze der Prävention" (BGV A1)

6.2 BG-Regeln und BG-Informationen

"Arbeitsplatzlüftung - Lufttechnische Maßnahmen" (BGR 121)

"Benutzung von Atemschutzgeräten" (BGR 190)

"Schweißrauche" (BGR 220)

"Schadstoffe beim Schweißen und bei verwandten Verfahren" (BGI 593)

"Zertifizierte Atemschutzgeräte" (BGI 693)

6.3 Verordnungen

Gefahrstoffverordnung ( GefStoffV)

6.4 Sonstige Publikationen

Kraume und Zober
"Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Schweißtechnik"
Bezugsquelle: DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf

Holleman-Wiberg
"Lehrbuch der anorganischen Chemie"
Bezugsquelle: Walter de Gruyter Verlag, Berlin

Moeschlin, Sven
"Klinik und Therapie der Vergiftungen"
Bezugsquelle: Georg Thieme Verlag, Stuttgart


.

Merkpunkte für die Unterweisung der Beschäftigten über die Gefahren durch nitrose Gase (Stickstoffoxide, NOX) Anhang 1


1
Gefährdung durch nitrose Gase

Hohe Gefährdung:

Mittlere Gefährdung:

Geringere Gefährdung:

Erhöhung der Gefährdung:

Vergiftungssymptome:

I. Reizung der Schleimhäute (Augen, Nase, Rachen), Engegefühl bei der Atmung, Schwindel, Übelkeit, Abgeschlagenheit.
Achtung: Diese Symptome können auch fehlen, sodass eine verlässliche Warnwirkung nicht gegeben ist!
II. Atemnot, Verfärbung der Haut, Erbrechen; Wasseransammlung in der Lunge (Lungenwassersucht, Lungenödem), in schweren Fällen Tod.


2 Schutzmaßnahmen und persönliche Schutzausrüstungen

Verringerung der Entstehung von nitrosen Gasen:

Lüftungstechnische Maßnahmen:

Persönliche Schutzausrüstungen:

Achtung: Keine Regenerationsgeräte mit Sauerstoffpatrone verwenden!

3 Verhalten im Gefahrfall, erste Hilfe

Bei Störung der Lüftung sind die Arbeiten einzustellen und der Vorgesetzte ist zu informieren. Wenn Symptome einer Vergiftung durch nitrose Gase vorliegen, besteht immer Lebensgefahr, selbst wenn sich der Betreffende scheinbar schnell erholen sollte.

Deshalb:

Achtung: Die Symptome können auch erst nach mehreren Stunden auftreten (z.B. nachts). Dann schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen und Hinweise auf Kollegen geben, die ebenfalls in dem Arbeitsbereich tätig waren!


.

Anhang 2


B
ild 1: Temperaturabhängigkeit der Stickstoffmonoxidausbeute bei der Synthese aus Luft

Wie aus Bild 1 hervorgeht, befinden sich bei 2000 Grad absolut ca. 1 Vol.-% und bei 3000 Grad absolut ca. 5 Vol. -% Stickstoffmonoxid mit Luft im Gleichgewicht.

Beim Abkühlen des Reaktionsgemisches - in unmessbar kleiner Zeit - wird sich das der niedrigeren Temperatur entsprechende Gleichgewicht einstellen. Die Kurve entspricht den Gleichgewichtskonzentrationen von NO bei den verschiedenen Temperaturen.

Rechts der Kurve erfolgt somit zusätzliche NO-Bildung, links der Kurve teilweiser NO-Zerfall bis zur Erreichung der für die betreffende Temperatur gültigen Gleichgewichtskonzentration an NO.


ENDE

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