umwelt-online: Methoden und Maßstäbe zur BBodSchV (3)

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2.3.1.11 Zur Frage einer höheren Empfindlichkeit von Kindern gegenüber krebserzeugenden Stoffen

Ausgangssituation

Bei der Prüfwertableitung im Szenario Kinderspielflächen wird davon ausgegangen, daß orale Bodenaufnahme nur in den ersten acht Lebensjahren stattfindet. Unter der Annahme, daß Kinder und Erwachsene gleich sensitiv auf die Wirkung kanzerogener Stoffe reagieren, kann die mit dem tolerierten Risiko verbundene kumulative Dosis auf acht Jahre verteilt werden (siehe Nummer 2.4.1.1.2.).

Die Annahme einer vergleichbaren Sensitivität von Kindern und Erwachsenen ist anhand stoffspezifischer Daten für die in Anhang 2 Nr. 1 BBodSchV genannten Stoffe überprüft worden. Danach liegen für diese Stoffe keine klaren Hinweise auf eine erhöhte Empfindlichkeit von Kindern vor; für andere Stoffe kann dies gleichwohl gegeben sein (Schneider, 1999). Als ein grundlegendes Defizit erscheint es, daß eine generalisierende (modellhafte) Betrachtung noch nicht vorliegt

Für die Wirkung ionisierender Strahlung liefern epidemiologische Studien Belege für ein höheres Krebsrisiko bei Exposition in der Kindheit gegenüber der Exposition von Erwachsenen. Diese Belege stammen von Untersuchungen an Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan, an Anwohnern eines Atombombentestgebietes im Pazifik und an Tumorpatienten mit Strahlen

Relevante Daten zu chemischen Stoffen stammen überwiegend aus Tierversuchen. In dieser Beziehung gut untersucht sind Vinylchlorid sowie einige Nitrosamine und -amide. Ebenso liegen einige Studien, zu Benzo(a)pyren (B(a)P), weiteren polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) Wie Dimethylbenzanthracen (DMBA) sowie komplexen, PAK-haltigen Gemischen wie Dieselruß vor. In den Untersuchungen wurden unterschiedliche Studiendesigns verwendet. Gemeinsam zeigen sie auf, daß eine Exposition in frühen Lebensphasen unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen zu höherer Tumorhäufigkeit führt als die Exposition erwachsener Tiere. Für eine Reihe weiterer Stoffe liegen ähnliche Ergebnisse aus unterschiedlichen Studien vor. Sie sind nachfolgend dargestellt. Die in der Tabelle 3 genannten Stoffe gelten als gentoxische Kanzerogene. Tatsächlich machen mechanistische Untersuchungen plausibel, daß die höheren Tumorinzidenzen durch ein Zusammenwirken der gentoxischen Aktivität der Stoffe mit der hohen Zellteilungsaktivität in Zielorganen des wachsenden Organismus verursacht werden. Ein vergleichbares Verhalten ist grundsätzlich auch bei anderen Stoffen mit gentoxischer Wirkung anzunehmen.

Tabelle 3: Noxen mit epidemiologischen oder experimentellen Hinweisen auf eine erhöhte Empfindlichkeit des infantilen Organismus (Quellenangaben in Schneider, 1999)

Substanzname Gentoxizität Datenbasis
Ionisierende Strahlung ja Humandaten
Vinylchlorid ja Tierdaten
Diethylnitrosamin ja Tierdaten
Methyl- und Ethylnitrosoharnstoff ja Tierdaten
Nitrosomorpholin ja Tierdaten
N-Methyl-N'-nitrosoguanidin ja Tierdaten
Benzidin ja Tierdaten
PAK (B(a)P, Teerpech-Aerosol Dieselruß DMBA) ja Tierdaten
2-Acetyleminofluoren ja Tierdaten
Aflatoxin B ja Tierdaten
Cycasin und Methylazoxymethanol ja Tierdaten
Urethan ja Tierdaten

Untersuchungen mit Stoffen, für die andere Kanzerogenesemechanismen angenommen werden, erbrachten hingegen keine klaren Belege für eine erhöhte Empfindlichkeit des infantilen Organismus. Polybromierte Biphenyle, Ethylenthioharnstoff und Diphenylhydantoin sind Stoffe ohne gentoxische Wirkung in verschiedenen Testsystemen. Diese Stoffe wurden in Langzeitstudien getestet. Dabei zeigten sich keine relevanten Unterschiede in der Tumorzahl bei Tiergruppen, die sowohl pränatal via Muttertier, postnatal mit der Muttermilch als auch nach dem Entwöhnen chronisch mit dem Futter exponiert wurden, gegenüber Tieren mit ausschließlicher Exposition nach dem Entwöhnen.

Bei Saccharin, einem in hohen Dosen als Blasenkanzerogen wirkenden Stoff ohne gentoxische Aktivität, wurde allerdings eine Wirkungsverstärkung beobachtet, wenn die Tiere vor und nach der Geburt exponiert waren. Im Gegensatz zu den Versuchen mit den oben genannten gentoxischen Stoffen war die Langzeitexposition im Erwachsenenalter aber für die Tumorbildung notwendig.

Die Datenlage zu kanzerogenen Metallen ist nicht aussagekräftig. Als relevanter Hinweis ist jedoch eine Studie mit Nickelacetat zu werten. Dabei wurden nach Verabreichung in den Bauchraum der Muttertiere durch transplazentare Exposition bei den Nachkommen Nierentumore hervorgerufen. Eine ausführliche Darstellung ist in Schneider (1999) nachzulesen.

Als Schlußfolgerung ergibt sich folgendes:

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