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Regelwerk; Energienutzung, Strahlenschutz

Maßnahmen bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen
- Hessen -

Vom 9. Dezember 2013
(StAnz. Nr. 1-2 vom 06.01.2014 S. 19, ber. S. 160; 31.07.2019 S. 764aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

Archiv: 2003; 2008

Bezug: Erlass vom 3. November 2008 (StAnz. 2008 S. 3125)

Gemeinsamer Runderlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport und des Hessischen Ministeriums der Justiz, für Integration und Europa

1. Gefährdung durch radioaktive Stoffe und ionisierende Strahlung

Radioaktive Stoffe zerfallen spontan und emittieren dabei Energie in Form nicht sichtbarer Strahlung (Alpha-, Beta- und/ oder Gamma-Strahlung, im Einzelfall Neutronenstrahlung). Diese Strahlung wirkt ionisierend und kann dadurch lebende Zellen und Organismen schädigen. Maßgeblich ist dabei immer die Intensität der Strahlenexposition (Dosis, vergleiche Anlage 1). Radioaktivität und ionisierende Strahlung ist mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar und kann nur mit geeigneten Messgeräten festgestellt werden.

Radioaktive Stoffe kommen in geringer und für den Menschen ungefährlicher Konzentration fast überall in der Natur vor. In deutlich höheren Konzentrationen werden sie für bestimmte medizinische und technische Zwecke auch außerhalb von Kernkraftwerken verwendet und befördert. Radioaktive Stoffe können in fester oder flüssiger Form oder gasförmig vorliegen. Eine optische Unterscheidung zu anderen Stoffen ist nicht möglich. Offene radioaktive Stoffe in dispersiver Form werden vorwiegend in der Medizin und der Forschung verwendet. In Industrie und Gewerbe werden hauptsächlich umschlossene radioaktive Stoffe in Form gekapselter Strahler eingesetzt.

Bei der Verwendung und der Beförderung radioaktiver Stoffe kann es zu Zwischenfällen kommen (vergleiche Abschnitt 2). Dabei können erhebliche Gefahren entstehen für Einsatz kräfte, Bevölkerung und Umwelt, insbesondere durch:

Unsachgemäßer Umgang mit radioaktiven Stoffen kann diese Gefahren vergrößern, insbesondere bei Zwischenfällen. Eine der wichtigsten Maßnahmen der Gefahrenabwehr bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen ist daher, unverzüglich adäquat ausgebildete und ausgestattete Strahlenschutzfachkräfte in das Geschehen einzubeziehen.

2. Zwischenfälle

Zwischenfälle mit radioaktiven Stoffen im Sinne dieses Erlasses sind insbesondere:

Als Zwischenfall ist bereits das Vorliegen eines konkreten Verdachts anzusehen (zum Beispiel begründete Hinweise auf radioaktive Stoffe in den aufgeführten Fällen oder der Fund von Objekten, die mit dem Strahlenzeichen gekennzeichnet sind, vergleiche Anlage 1).

Nicht als Zwischenfall im Sinne dieses Erlasses gelten folgende Ereignisse, jedoch nur so lange keine Auswirkungen auf öffentlich zugängliche Bereiche zu befürchten sind:

Solche Ereignisse unterliegen nicht den Regelungen dieses Erlasses.

3. Regelungsgegenstand

Radioaktive Stoffe im Sinne dieses Erlasses sind Kernbrennstoffe oder sonstige radioaktive Stoffe. Dieser Erlass enthält Regelungen über die Zusammenarbeit der Behörden und sonstigen Ein richtungen, die bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen zuständig sind oder im Wege der Amtshilfe tätig werden. Dazu gehören Meldewege und -pflichten, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Schutzmaßnahmen für die Einsatzkräfte. Die strikte Einhaltung der hier getroffenen Regelungen ist notwendig, um die unverzügliche Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zu gewährleisten und notwendige Entscheidungen nicht zu verzögern. Der Erlass gibt außerdem Hinweise zur Bewältigung der Lage nach einem Zwischenfall mit radioaktiven Stoffen.

Der Erlass gilt nicht für Zwischenfälle

4. Zuständigkeiten

Angelegenheiten des Strahlenschutzes (ausgenommen Röntgenverordnung) fallen gemäß Beschluss der Landesregierung vom 1. April 2009 über die Zuständigkeit der einzelnen Ministerinnen und Minister nach Art. 104 Abs. 2 der Verfassung des Landes Hessen (GVBl. I S. 140) in die Ressortzuständigkeit des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV).

Die für diese Aufgaben zuständigen Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts sind verfügbar beim HMUELV, den Regierungspräsidien (RP) sowie dem Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG). Ihre Erreichbarkeit für Zwischenfälle mit radioaktiven Stoffen ergibt sich aus dem durch das HMUELV fortlaufend aktualisierten "Strahlenschutz-Alarmplan". Der Strahlenschutz-Alarmplan wird dem Lagezentrum der Landesregierung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS) und den darin aufgeführten Behörden zur Verfügung gestellt, er wird nicht veröffentlicht.

Zwischenfälle mit radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung (vergleiche Abschnitt 2) gehen häufig über reine Strahlenschutzsachverhalte hinaus, meist sind originäre Zuständigkeiten unterschiedlicher Behörden des Innen- und Umweltressorts berührt, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen (zum Beispiel HSOG, HBKG, AtG, StrlSchV; vergleiche Abschnitt 7). Einer engen Zusammenarbeit und Koordination der beteiligten Behörden kommt speziell beim Zusammentreffen unterschiedlicher Gefahrenlagen (zum Beispiel Brand, Sprengstoff, Strahlung) eine große Bedeutung zu. Abhängig von der Entwicklung einer Lage kann dabei zunächst ein Aspekt (zum Beispiel Sprengstoff), dann ein anderer (zum Beispiel Strahlung) handlungsbestimmend sein. Bei sehr komplexen Lagen (zum Beispiel Terrordrohungen mit radioaktiven Stoffen) werden häufig spezifische Kommunikations- und Steuerungswege eingerichtet, die nicht Gegenstand des vorliegenden Erlasses sind.

Zuständige Behörde für Angelegenheiten des Strahlenschutzes bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen ist im Rahmen des vorliegenden Erlasses grundsätzlich das örtlich zuständige RP. Sofern auf Grund kürzerer Wegezeiten Strahlenschutzfachkräfte anderer RP, des HLUG oder des HMUELV (mit-) alarmiert werden beziehungsweise sich bereits am Ort des Zwischenfalls befinden, übernehmen diese die Aufgaben der Strahlenschutzfachkräfte des zuständigen RP bis zu deren Eintreffen. Die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts sind befugt, über die Zentralen Leitstellen für den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe, den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst Messfahrzeuge oder GABC-Züge der Feuerwehr anzufordern. Die Alarmierung erfolgt über die Zentralen Leitstellen.

Die Zuständigkeit der Polizeibehörden und Feuerwehren beschränkt sich im Rahmen der Eilkompetenz nach §§ 1, 2 HSOG beziehungsweise §§ 1 Abs. 2, 6 HBKG bis zum Eintritt der Handlungsfähigkeit der zuständigen Behörde auf die Durchführung unaufschiebbarer Maßnahmen (zum Beispiel Absperrung, Rettung gefährdeter Personen, Räumung). Darüber hinaus sind die Polizeibehörden für die Strafverfolgung zuständig (nach § 6 HSOG-DVO werden die Ermittlungen grundsätzlich durch das HLKa geführt), die im Regelfall zunächst in den Hintergrund tritt (vergleiche Abschnitt 7.1). Im Übrigen leisten Polizei und Feuerwehr neben anderen Stellen der originär zuständigen Behörde Amtshilfe.

5. Beteiligte Dienststellen und Fachkräfte

Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit folgender Dienststellen und Fachkräfte zu koordinieren:

6. Meldewege/-pflichten

Erfährt eine der unter Abschnitt 5 genannten Dienststellen von einem Zwischenfall mit radioaktiven Stoffen, meldet sie dies unverzüglich dem Lagezentrum (vergleiche Anlage 2). Konkurrierende Meldewege sind grundsätzlich zu vermeiden. Andere Meldepflichten sind nachrangig zu bedienen.

Die Meldung eines Zwischenfalls mit radioaktiven Stoffen soll insbesondere enthalten:

Die Meldenden erfüllen mit der Meldung des Zwischenfalls an das Lagezentrum gleichzeitig ihre Berichtspflicht gemäß Erlass des HMdIS vom 14. September 2012 "Berichtspflicht der Dienststellen" (StAnz. S. 1119).

Das Lagezentrum alarmiert unverzüglich die Rufbereitschaft der Abteilung "Kerntechnische Anlagen und Strahlenschutz" im HMUELV (ständig erreichbar). Das HMUELV nimmt die Meldung des Lagezentrums entgegen und alarmiert bei Vorliegen eines Zwischenfalls mit radioaktiven Stoffen und Bedarf Strahlenschutzfachkräfte der atomrechtlich zuständigen Behörde gemäß Strahlenschutz-Alarmplan und gegebenenfalls weitere Dienststellen (zum Beispiel das HLUG oder das Bundesumweltministerium). Falls erforderlich, nimmt es hierzu die Amtshilfe des Lagezentrums in Anspruch. Die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts veranlassen spätestens nach ihrem Eintreffen am Ort des Zwischenfalls alle erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vor ionisierender Strahlung.

Für die Strahlenschutzfachkräfte der RP und des HLUG ist keine Rufbereitschaft eingerichtet. Außerhalb der regulären Dienstzeiten werden diese Strahlenschutzfachkräfte über ihre Privattelefone oder Mobiltelefone alarmiert und müssen gegebenenfalls zunächst Strahlenschutzmesstechnik und persönliche Schutzausrüstung im jeweiligen Dienstgebäude aufnehmen. Die örtlich zuständige Strahlenschutzbehörde ist spätestens zu Beginn der regulären Dienstzeit zu unterrichten. Erfahren das HMUELV, ein RP oder das HLUG außerhalb des im letzten Absatz beschriebenen Meldewegs von einem Zwischenfall mit radioaktiven Stoffen, so alarmieren sie nach einer Bewertung der Lage falls erforderlich Strahlenschutzfachkräfte des örtlich zuständigen RP beziehungsweise des HLUG. Parallel stellen sie sicher, dass das Lagezentrum über den Vorgang informiert ist.

Eine schematische Darstellung der Meldewege findet sich in Anlage 2.

7. Maßnahmen

7.1 Gefahrenabwehr/Strafverfolgung

Im Falle widerstreitender Interessen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hat die Gefah renabwehr Vorrang (zum Beispiel Sicherung der radioaktiven Stoffe zur Vermeidung weiterer Strah lenexpositionen oder der Verschleppung von Kontaminationen).

7.2 Sofortmaßnahmen

Vor dem Eintreffen der Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts am Ort des Zwischenfalls führen Polizei und Feuerwehr im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die unaufschiebbaren Sofortmaßnahmen durch. Hierzu zählen vorrangig:

Ferner sollen bis zum Eintreffen der Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts verfügbare Informationen gesammelt und sichergestellt werden (zum Beispiel schriftliche Weisungen, Genehmigungen, Beförderungspapiere, Befragung von Zeugen) sofern dies unter besonderer Berücksichtigung der Eigensicherung vertretbar ist (vergleiche Abschnitt 9).

Die Feuerwehren führen im Rahmen der Eigensicherung und zur Aufklärung der Lage Messungen der Ortsdosisleistung und von Kontaminationen durch, sofern im Einzelfall Messgeräte vor Ort zur Verfügung stehen (vergleiche FwDV 500 und KatSDV 510 HE). Die Bewertung der radiologischen Lage und abschließende Entscheidungen, insbesondere über die Aufhebung von Absperrungen, das Verbringen radioaktiver Stoffe oder kontaminierter Gegenstände und die Freigabe des Orts des Zwischenfalls, treffen die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts (vergleiche Abschnitt 7.3).

7.3 Maßnahmen der Strahlenschutzfachkräfte

Die alarmierten Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts begeben sich unverzüglich an den Ort des Zwischenfalls. Dazu nehmen sie gegebenenfalls die Amtshilfe anderer Dienststellen in Anspruch. Nach dem Eintreffen am Ort des Zwischenfalls klären sie in Absprache mit den bereits befassten Einsatzleitungen und Fachkräften, ob

Spätestens mit dem Eintreffen am Ort des Zwischenfalls treffen die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts die hinsichtlich des Strahlenschutzes erforderlichen Entscheidungen und veranlassen die entsprechenden Maßnahmen. Dabei sind sie insbesondere verantwortlich für folgende Aufgabenbereiche:

Die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts haben keine originären Zuständigkeiten für:

Die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts am Ort des Zwischenfalls unterrichten das HMUELV fortlaufend über wesentliche Erkenntnisse, Entscheidungen und Maßnahmen. Öffentlichkeitsarbeit und Information der Medien erfolgen grundsätzlich über die zuständigen Pressestellen. Dazu informieren die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts ihre jeweiligen Pressestellen, die sich dann untereinander und mit Pressestellen anderer beteiligter Ressorts ins Benehmen setzen. Direkte Öffentlichkeitsarbeit und Information der Medien durch Strahlenschutzfachkräfte vor Ort sollten vermieden werden, um die Erledigung der originären Aufgaben (s. oben) nicht unnötig zu verzögern oder zu behindern. Bei entsprechenden Anfragen vor Ort sollte auf die Pressestellen verwiesen werden.

Soweit die Strahlenschutzfachkräfte des Umweltressorts Maßnahmen nicht mit eigenen Kräften umsetzen können (zum Beispiel großräumige Absperrungen oder Dekontaminierungsarbeiten) oder es aufgrund der Lage sinnvoll erscheint, leisten Feuerwehr und/oder Polizei Amtshilfe. Weitere Sachverständige oder sonst zur Hilfeleistung organisatorisch, personell und materiell entsprechend ausgestattete Stellen (zum Beispiel Strahlenschutzbeauftragte von Betrieben in der Nähe) können von den Strahlenschutzfachkräften des Umweltressorts um Unterstützung ersucht werden.

7.4 Erweiterte Maßnahmen (Zentrale Unterstützungsgruppe des Bundes - ZUB)

Bei gravierenden nuklearen Nachsorgefällen entscheidet das HMUELV einvernehmlich mit dem HMdIS über die Anforderung der "Zentralen Unterstützungsgruppe des Bundes - ZUB". Ein gravierender nuklearer Nachsorgefall ist gegeben, wenn ein Ereignis bevorsteht oder aufgrund hinreichend konkreter Anhaltspunkte ernsthaft zu besorgen ist, bei dem durch eine Straftat mit radioaktiven Stoffen das Leben, die körperliche Unversehrtheit zahlreicher Menschen oder bedeutsame Sachwerte in erheblichem Maße gefährdet werden können und das mit Kräften des täglichen Dienstes nicht bewältigt werden kann und besondere Maßnahmen für das koordinierte Zusammenwirken von Polizei- und Fachbehörden des Landes und des Bundes erfordert. Hierzu gehören zum Beispiel Erpressungs- und Bedrohungslagen mit radioaktiven Stoffen oder die Freisetzung erheblicher Mengen radioaktiver Stoffe mittels Sprengstoff (unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung USBV; so genannte "schmutzige Bombe").

Die ZUB setzt sich aus Kräften des BKA, des BfS und der Bundespolizei zusammen und ist ein Angebot des Bundes zur Unterstützung der Länder. Die Leitung der ZUB ist dem BKa übertragen. Die ZUB wird nach Anforderung in die bestehenden Führungsstrukturen des Landes eingegliedert und der Gesamteinsatzleitung unterstellt. Die ZUB kann nach eigenen Angaben neben erkennungsdienstlichen und logistischen Aufgaben u. a. folgende Gebiete abdecken:

Der Einsatz der ZUB in Hessen kommt nur in Betracht, wenn die eigenen Kräfte, Führungs- und Einsatzmittel nicht ausreichen und die Dimension der Lage die Anforderung der ZUB rechtfertigt (die Einsatzstärke der ZUB beläuft sich minimal auf 100 Kräfte).

Über die Anforderung der ZUB entscheiden einvernehmlich die zuständigen Abteilungsleiter o.V.i.A. des HMUELV (Abteilung "Kerntechnische Anlagen und Strahlenschutz") und des HMdIS (Landespolizeipräsidium). Im Fall der Anforderung richtet das Lagezentrum das entsprechende Unterstützungsersuchen über das Lagezentrum des BMI an den gemeinsamen Führungsstab "Nukleare Nachsorge" des BMI/BMU. Auch wenn die ZUB angefordert und eingesetzt wird, verbleiben die verantwortliche Führung und die Gesamteinsatzleitung beim Land Hessen. Die fachliche, personelle und technische Unterstützung durch die ZUB erfolgt im Wege der Amtshilfe mit Kostenausgleich. Entscheidungen des Krisenstabs der Hessischen Landesregierung bleiben von diesen Regelungen unberührt.

Unabhängig von einer Entscheidung über die Anforderung der ZUB kann das HMUELV im Einzelfall über das BMU Einsatzkräfte des BfS oder anderer Bundeseinrichtungen anfordern.

Weiterhin entscheidet das HMUELV nach den Umständen des Einzelfalls, ob der für nukleare Nachsorgefälle vorgesehene Führungsstab im HMUELV einberufen wird oder ob die Einberufung des Krisenstabs der Hessischen Landesregierung beim HMdIS beantragt werden soll.

8. Strahlenexposition

Bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen ist anzustreben, dass für jede Einsatzkraft folgende Richtwerte für die effektive Dosis eingehalten werden:

1. Einsätze zum Schutz von Sachwerten für beruflich nicht strahlenexponierte Personen (außer Feuerwehrkräfte) sowie für Personen unter 18 Jahren 6 mSv je Einsatz und Kalenderjahr
2. Einsätze zum Schutz von Sachwerten für beruflich strahlenexponierte Personen und Feuerwehrkräfte, ausgenommen Personen unter 18 Jahren 15 mSv je Einsatz
3. Einsätze zur Abwehr von Gefahren für Menschen und zur Verhinderung einer wesentlichen Schadensausweitung 100 mSv je Einsatz und Kalenderjahr
4. Einsätze zur Rettung von Menschenleben 250 mSv je Einsatz, Überschreitung maximal einmal im Leben

Der Richtwert der Nr. 1 entspricht dem Grenzwert für Jugendliche in Ausbildung nach § 55 Abs. 3 StrlSchV. Dieser Richtwert gilt auch für Feuerwehrkräfte und beruflich strahlenexponierte Personen unter 18 Jahren. Die Richtwerte der Nr. 3 und 4 entsprechen den Richtwerten für Strahlenexposition bei Personengefährdung und Hilfeleistung nach § 59 Abs. 1 StrlSchV. Die Richtwerte der Nr. 2 bis 4 entsprechen den Richtwerten der FwDV 500 "Einheiten im ABC-Einsatz".

Darüber hinaus sind folgende Regelungen einzuhalten:

Unabhängig von diesen Richtwerten und Regelungen ist der Optimierungsgrundsatz nach § 6 StrlSchV zu beachten:

9. Eigensicherung

Die Dienstvorschriften zur Eigensicherung sind zu beachten (zum Beispiel LF 37 1 "Eigensicherung im Polizeidienst", LF 45 0 "Gefahren durch chemische, radioaktive und biologische Stoffe", FwDV 500 "Einheiten im ABC-Einsatz", KatSDV 510 HE "Gefahrstoffnachweis und Notfallprobenahme im Katastrophenschutz des Landes Hessen").

10. Nachsorge

Das örtlich zuständige RP ist verantwortlich für Organisation und Durchführung der Nachsorge zum jeweiligen Zwischenfall. Dazu gehören zum Beispiel der sichere Abtransport und die sichere Verwahrung der radioaktiven Stoffe sowie die Dekontamination und Freimessung des Ortes des Zwischenfalles. Dies geschieht gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem HMUELV, dem HLUG, dem Eigentümer der radioaktiven Stoffe sowie sonst beteiligten Stellen.

Der Übergang vom Einsatz bei einem Zwischenfall mit radioaktiven Stoffen zur entsprechenden Nachsorge verläuft oft fließend. Maßnahmen wie zum Beispiel das Herausziehen von Einsatzkräften sind zwischen den Einsatzleitungen vor Ort abzusprechen.

Nach Abschluss des Verfahrens berichtet das örtlich zuständige RP dem HMUELV.

11. Schlussbestimmungen

Dieser Erlass tritt am 1. Januar 2014 in Kraft.

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Information zum Thema Radioaktivität und Strahlenschutz Anlage 1

Strahlenzeichen


Was ist Radioaktivität und ionisierende Strahlung?

Radioaktivität ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne (Radionuklide), sich spontan in andere Atomkerne umzuwandeln unter Aussendung verschiedener Arten ionisierender Strahlung:

Ionisierende Strahlung transportiert Energie (angegeben in Elektronenvolt [eV]). Beim Auftreffen auf Materie kann sie Elektronen aus Atomen und Molekülen entfernen ("ionisieren"). Dies führt aber in der Regel nicht dazu, dass die getroffene Materie selbst radioaktiv wird.

Radioaktivität und ionisierende Strahlung sind mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ("sieht, hört, riecht, spürt man nicht"). Ionisierende Strahlung kann aber mit Messgeräten sehr gut und auch bei kleinsten Intensitäten nachgewiesen werden.

Was sind die relevanten Größen für Radioaktivität und ionisierende Strahlung?

Radioaktivität (kurz: Aktivität) ist eine Stoffeigenschaft und wird in Becquerel [Bq] gemessen. Sie bezeichnet die Anzahl der Atomkerne, die pro Sekunde zerfallen. Aktivität ist damit ein Maß einerseits für die Menge eines vorhandenen radioaktiven Stoffs oder Radionuklids, andererseits aber auch für die Zahl der beim Zerfall freiwerdenden Quanten ionisierender Strahlung. Die Aktivität ist meistens eine große Zahl und wird deshalb mit Vorsilben wie Kilo [kBq = 1.000 Bq], Mega [MBq = 1.000.000 Bq] oder Giga [GBq = 1.000.000.000 Bq] angegeben.

Die Halbwertszeit (HWZ) eines Radionuklids ist die Zeitspanne, in der sich seine Aktivität aufgrund des radioaktiven Zerfalls halbiert: nach einer HWZ ist nur noch die Hälfte der Aktivität übrig, nach zwei HWZ ein Viertel, nach drei HWZ ein Achtel, etc. Nach zehn HWZ ist die Aktivität auf ca. ein Tausendstel abgeklungen.

Die Dosis ist das Maß für die potentiell schädigende Wirkung ionisierender Strahlung und wird in Sievert [Sv] gemessen. Sie bezeichnet die Höhe der Strahlenexposition, die ein Strahlungsfeld an einem bestimmten Ort oder in einer Person in einer bestimmten Zeit verursacht. Sie wird bestimmt aus der zum Beispiel im Körper deponierten Strahlungsenergie multipliziert mit bestimmten Wichtungsfaktoren für die unterschiedliche biologische Wirksamkeit der verschiedenen Strahlungsarten und Strahlungsenergien und die unterschiedliche biologische Empfindlichkeit der verschiedenen Organe und Gewebearten. Der Quotient Dosis pro Zeit heißt Dosisleistung und wird in der Regel in Sievert pro Stunde gemessen. Drei Stunden Aufenthalt in einem Strahlungsfeld der Dosisleistung 0,05 Sv/h verursachen eine Dosis von 0,15 Sv.

Dosis beziehungsweise Dosisleistung sind meistens kleine Zahlen und werden deshalb mit Vorsilben wie Milli [mSv = 1/1.000 Sv] oder Mikro [µSv = 1/1.000.000 Sv] angegeben.

Warum und ab wann ist ionisierende Strahlung gefährlich?

Ionisierende Strahlung gibt beim Auftreffen auf Materie Energie ab und kann dabei Elektronen aus Atomen und Molekülen entfernen. Dieser Prozess kann Biomoleküle (zum Beispiel die DNS) schädigen und chemische Radikale erzeugen, die dann ihrerseits zellschädigend wirken. Geschädigte Zellen können in Folge absterben. Wenn sehr viele Zellen betroffen sind, kann das zu unmittelbarenakuten Strahlenschäden (zum Beispiel Hautverbrennungen), zum Versagen von Organen und zum Tod führen. Geschädigte Zellen können auch überleben. Wenn sie vom Körper nicht oder nur fehlerhaft repariert werden, wird dieser Schaden bei der Zellteilung weitergegeben, was in Folge unter bestimmten Umständen zu Krebs führen kann.

Die heutigen Erkenntnisse über die potentiell schädigende Wirkung ionisierender Strahlung stammen im Wesentlichen aus der Untersuchung der Überlebenden der amerikanischen Kernwaffeneinsätze im 2. Weltkrieg. Bei hohen Dosiswerten in kurzer Zeit entstehen unmittelbare akute Strahlenschäden, deren Schwere proportional zur Dosis ist: Ab etwa 100 mSv sind reversible Änderungen des Blutbilds und vorübergehende Hautrötungen feststellbar. Ab etwa 1.000 mSv kommt es zu Beeinträchtigungen der Verdauungsorgane (Strahlenkrankheit), ab etwa 2.5 00 mSv zum Versagen lebenswichtiger Organe. Bei einer Kurzzeitexposition von 5.000 mSv sterben statistisch gesehen 50% der Betroffen, wenn sie nicht medizinisch behandelt werden (sog. 50%-letale Dosis).

Bei Dosiswerten unter 100 mSv und bei chronischen Expositionen (etwa über die Dauer eines Berufslebens) treten keine unmittelbaren akuten Strahlenschäden auf und die Bewertung der trotzdem möglichenSpätschäden ist sehr viel schwieriger. Epidemiologische Studien versuchen durch den langjährigen Vergleich von strahlenexponierten Personengruppen mit nicht exponierten Kontrollgruppen festzustellen, ob in der strahlen exponierten Gruppe mehr Krebsfälle auftreten als in der Kontrollgruppe. Aus solchen Vergleichen lassen sich Risikokoeffizienten ableiten, mit denen die langfristige Schädlichkeit ionisierender Strahlung bewertet werden kann. Allerdings sind solche Studien im Bereich niedriger Dosiswerte unterhalb von ca. 50 mSv aus statistischen Gründen nicht aussagekräftig. Die Wissenschaft behilft sich an dieser Stelle mit der Modellannahme, dass es keine Schwelle für die schädigende Wirkung ionisierender Strahlung gibt und das Krebsrisiko von 0 mSv an mit zunehmender Dosis linear ansteigt (sog. LNT-Modell; linear no threshold/linear ohne Schwelle).

Auf dieser Modellannahme beruhen alle gesetzlichen Grenzwerte: 1 mSv pro Kalenderjahr für die Einzelperson der Bevölkerung, 20 mSv pro Kalenderjahr für die beruflich strahlenexponierte Person, 400 mSv für die Berufslebensdosis. Ausgenommen von diesen Grenzwerten sind die Anwendungen in der Medizin, weil der unmittelbare Nutzen dort das mögliche Risiko überwiegt. Computertomografien verursachen zum Beispiel je nach Aufnahmebereich Dosiswerte von 6 bis 25 mSv pro Untersuchung. Wesentlich höhere Werte können bei der Bestrahlung im Rahmen der Krebstherapie entstehen. Die zivilisatorische Strahlenexposition in Deutschland von durchschnittlich ca. 2 mSv im Jahr rührt heute zu mehr als 99,9 % aus der Medizin. Alle anderen Beiträge wie zum Beispiel der Betrieb der Kernkraftwerke, Kernwaffenversuche, Chernobyl und Anwendungen in Technik und Forschung sind vernachlässigbar.

Radioaktive Stoffe und ionisierende Strahlung kommen in geringer und für den Menschen ungefährlicher Konzentration und Intensität fast überall auch in der Natur vor. Selbst der menschliche Körper enthält eine Radioaktivität von ca. 8.000 Bq (hauptsächlich K-40 und C-14). Die natürliche Strahlenexposition liegt für die Einzelperson in Deutschland bei durchschnittlich 2,1 mSv im Jahr, wobei je nach Wohnort und Lebensgewohnheiten Werte zwischen 1 und 10 mSv durchaus üblich sind. Auch die Höhenstrahlung von der Sonne und aus dem Weltall trägt hierzu mit durchschnittlich 0,3 mSv im Jahr bei. Ein Langstreckenflug von Frankfurt nach New York verursacht dagegen durch die in der Flughöhe stark geschwächte Schutzwirkung der Atmosphäre ca. 0, 1 mSv in wenigen Stunden. Weltweit gibt es Regionen mit Durchschnittswerten der natürlichen Strahlenexposition von bis zu 25 0 mSv. Diese Regionen wurden epidemiologisch intensiv untersucht und zeigen keine erhöhten Krebserkrankungsraten.

Entscheidend für jede Bewertung von Radioaktivität und ionisierender Strahlung ist die Höhe der verursachten Dosis. Die gesetzlichen Grenzwerte wurden so niedrig festgesetzt, dass akute Strahlenschäden ausgeschlossen sind und langfristige Gesundheitsrisiken auf ein sonstigen Lebensrisiken vergleichbares Maß beschränkt bleiben. Sie dürfen nur aus unabdingbaren Gründen überschritten werden, zum Beispiel bei Rettungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Personen. Zur weiteren Optimierung sind Strahlenexpositionen aber auch unterhalb der Grenz werte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls so gering wie möglich zu halten.

Wie kann man Strahlenexposition vermeiden oder reduzieren?

Der Zusammenhang zwischen Aktivität (Stoffeigenschaft) und Dosis (potentiell schädigende Wirkung) hängt von einer Vielzahl von Parametern ab und kann nur von Experten im jeweiligen Einzelfall hergestellt werden. Es gibt aber einige einfache Regeln, bei deren Einhaltung fast immer eine Vermeidung oder zumindest Reduzierung von Dosis möglich ist.

Bei Strahlungsquellen außerhalb des Körpers gilt es, denAbstandmöglichst groß und dieAufenthaltsdauer im Strahlungsfeld möglichst klein zu halten. Für eine punktförmige Gamma-Strahlungsquelle gilt das Abstandsquadratgesetz: Eine Verdopplung des Abstands reduziert die Dosis um den Faktor 4, eine Verdreifachung um den Faktor 9, etc. Für die Aufenthaltsdauer im Strahlungsfeld gilt grundsätzlich ein linearer Zusammenhang: doppelte Zeit bedeutet doppelte Dosis, dreifache Zeit dreifache Dosis, etc. Die meisten Strahlungsarten lassen sich durchAbschirmungen abschwächen, so lange die Strahlungsquellen außerhalb des Körpers sind:

Offene, dispersive radioaktive Stoffe (zum Beispiel Flüssigkeiten, Stäube) können durch Inkorporation in den Körper gelangen (Atmung: Inhalation, Nahrung: Ingestion, auch durch verletzte Hautstellen oder durch Schminken). In diesem Fall sind die oben beschriebenen Schutzmechanismen wirkungslos. Im Unterschied zur externen Strahlungsquelle kann man sich nicht aus dem Strahlungsfeld entfernen (Zeit, Abstand) und auch keine Abschirmungen einsetzen. Insbesondere Alphastrahlung verursacht im Körperinneren in der Regel hohe Dosiswerte.Kontaminationen mit offenen radioaktiven Stoffen (Verunreinigungen von Oberflächen, Wasser, Raumluft, etc.) sind deshalb zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.Inkorporationensind durch geeignete Schutzkleidung (Einweghand- und -überschuhe, geschlossene Overalls, Staubschutzmaske) und Arbeitsweisen (kein Essen, Trinken, Rauchen, Schminken, Hautverlet zungen beachten) unbedingt zu vermeiden. Dabei ist wiederum zu beachten, dass Schutzkleidung keinen Schutz vor externen Gammastrahlungsfeldern bietet.

Industrie und Medizin verwenden umschlossene radioaktive Stoffe, die von einer festen nichtaktiven Hülle umgebenen sind (meist in Form kleiner Edelstahlkapseln). Umschlossene Stoffe sind unter normalen Betriebsbedingungen dicht, so dass nur die ionisierende Strahlung austreten kann, nicht aber der radioaktive Stoff selbst. In diesen Fällen besteht kein Kontaminations- oder Inkorporationsrisiko. Allerdings ist zu beachten, dass die Hüllen bei unsachgemäßer Beanspruchung beschädigt werden können (zum Beispiel Brand, Verkehrsunfall), was in Folge zu einer Freisetzung der dann offenen radioaktiven Stoffe führen kann.

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Vorgesehene Meldewege bei Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen Anlage 2


  1. Erfahren Polizei, Feuerwehr oder andere Dienststellen von einem Zwischenfall mit radioaktiven Stoffen, melden sie dies sofort dem Lagezentrum der Hessischen Landesregierung im HMdIS. Falls erforderlich informieren sie sich gegenseitig auf schnellstem Wege.
  2. Das Lagezentrum alarmiert unverzüglich die Rufbereitschaft der Abteilung Kerntechnische Anlagen und Strahlenschutz im HMUELV.
  3. Das HMUELV alarmiert in der Regel Strahlenschutzfachkräfte des örtlich zuständigen RP und bei Bedarf weitere Stellen. Falls erforderlich, nimmt es hierzu die Amtshilfe des Lagezentrums in Anspruch. Die Entscheidung über eine Anforderung der ZUB wird einvernehmlich zwischen den zuständigen Abteilungen des HMdIS und des HMUELV getroffen.
  4. HLUG, Strahlenschutzärzte oder sonst zur Hilfeleistung organisatorisch, personell und materiell ausgestattete Stellen können auch vom örtlich zuständigen RP hinzugezogen werden.
ENDE

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