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Regelwerk, Strahlenschutz

Strahlenexposition durch Radon-222 im Trinkwasser
Stellungnahme der Strahlenschutzkommission

Verabschiedet in der 188. Sitzung der
Strahlenschutzkommission am 2. Dezember 2003

Vom 3. August 2004
(BAnz. 159 vom 25.08.2004 S. 18957)


Vorwort

Das aus Grundwasserleitern gewonnene Trinkwasser kann in Abhängigkeit von den lokalen geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten Aktivitätskonzentrationen natürlicher Radionuklide aufweisen, die zu Strahlenexpositionen der Bevölkerung führen können, deren Höhe, nicht mehr als geringfügig anzusehen ist.

In Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch enthält die deutsche Trinkwasserverordnung: ( TrinkwV 2001) zum Radionuklidgehalt im Trinkwasser, das durch öffentliche oder gewerbliche Versorger bereitgestellt wird, im Sinne eines Indikatorparameters zur Strahlenexposition der Bevölkerung infolge der Nutzung des Wassers eine effektive Dosis von 0,1 mSv/a, bei deren Überschreitung eine mögliche Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu überprüfen ist. In diesem Wert sind die Radionuklide H-3, K-40 sowie Rn-222 und seine Zerfallsprodukte nicht berücksichtigt. Für Tritium (H-3) ist die Aktivitätskonzentration auf 100 Bq/l begrenzt.

Zur Begrenzung der Strahlenexposition der Bevölkerung durch die Nutzung von Trinkwasser bei erhöhten Aktivitätskonzentrationen von Rn-222 und seiner langlebigen Zerfallsprodukte Pb-210 und Po-210 wurden durch die EU in der Empfehlung 2001/928/Euratom "über den Schutz der Öffentlichkeit vor der Exposition gegenüber Radon im Trinkwasser" Referenzwerte vorgeschlagen, bei deren Überschreitung geprüft werden sollte, ob Gegenmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich sind. Für Rn-222 wurde die Festlegung eines Referenzwertes im Bereich von 100 Bq/l bis 1000 Bq/l empfohlen:

"Die Mitgliedstaaten sollten oberhalb einer Konzentration von 100 Bq/l einen Referenzwert festlegen, bei dessen Überschreitung zu prüfen ist, ob Gegenmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich sind. Sollten Untersuchungen auf nationaler Ebene ergeben, dass dies für die praktische Durchführung eines Radonprogramms erforderlich ist, kann ein höherer Wert als 100 Bq/l festgelegt werden. Bei Konzentrationen über 1000 Bq/l werden Gegenmaßnahmen als aus Strahlenschutzgründen gerechtfertigt angesehen."

Die Strahlenschutzkommission wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beauftragt, die EU-Empfehlung 2001/928/Euratom bezüglich eines Referenzwertes für Radon im Trinkwasser auch unter dem Aspekt eines Wertes von 0,1 mSv/a für Säuglingsnahrung zu beraten. Im Ergebnis der hierzu im SSK-Ausschuss Radioökologie durchgeführten Beratungen und der beigefügten wissenschaftlichen Begründung gibt die Strahlenschutzkommission nachfolgende Empfehlung zur Festlegung eines Referenzwertes für die Aktivitätskonzentration von Rn-222 im Trinkwasser.

Referenzwert der Rn-222-Aktivitätskonzentration im Trinkwasser Zur Beantwortung der Frage, ob in Deutschland ein Referenzwert zur Rn-222-Konzentration im Trinkwasser oberhalb 100 Bq/l festgelegt werden sollte, wurden die vom Bundesamt für Strahlenschutz erfolgten Messungen zur Rn-222-Konzentration im Trinkwasser ausgewertet. Es wurden die Strahlenexpositionen der Bevölkerung abgeschätzt, die infolge der Ingestion von Trinkwasser sowie durch die Inhalation der kurzlebigen Tochternuklide von Rn-222, das bei verschiedenen Nutzungen des Wassers in die Luft freigesetzt wird, resultieren können.

Bei einer Rn-222-Konzentration im Trinkwasser von 100 Bq/l ist für alle Altersgruppen der Bevölkerung mit einer mittleren Strahlenexposition von ca. 0,4 mSv/a zu rechnen, die aus ca. 0,05 mSv/a infolge der Ingestion von Trinkwasser sowie aus ca. 0,35 mSv/a infolge der Inhalation kurzlebiger Radonfolgenuklide durch die Freisetzung von Rn-222 in die Luft bei einer typischen häuslichen Wassernutzung resultieren.

Eine Nutzung des Trinkwassers für die Herstellung von Säuglingsnahrung bewirkt keine nennenswert erhöhte Strahlenexposition der Säuglinge infolge Ingestion von Rn-222, weil das im Trinkwasser enthaltene Radon bei der Herstellung von Säuglingsnahrung durch das Kochen praktisch vollständig in die Luft entweicht. Angesichts der für Rn-222 im Trinkwasser abgeschätzten effektiven Dosis von ca. 0,4 mSv/a ist die Festlegung eines Referenzwertes oberhalb 100 Bq/l nicht gerechtfertigt, da bei einer Überschreitung dieses Referenzwertes nötige Gegenmaßnahmen generell dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Die durch Radon im Trinkwasser bedingte mittlere Strahlenexposition der Bevölkerung sollte zudem nicht größer sein als die durch die geogenbedingte Rn-222-Konzentration der bodennahen Atmosphäre resultierende effektive Dosis, die bei einer mittleren Rn222-Konzentration im Freien von ca. 20 Bq/m3 bei etwa 0,4 mSv/a liegt. Auch nach diesem Kriterium, auf dessen Basis von der EPa für die USa analog ein so genannter AMCL-Wert (Alternative Maximum Contaminant Level) für Rn-222 abgeleitet wurde, ist eine Rn-222-Aktivitätskonzentration im Trinkwasser von 100 Bq/l als angemessener Referenzwert anzusehen.

In 50% der für Deutschland untersuchten Wasserwerke liegt die Rn-222-Konzentration des Trinkwassers unter 6 Bq/l. Bei einem Referenzwert zur Rn-222-Konzentration von 100 Bq/l wäre in ca. 7% der deutschen Wasserwerke zu prüfen, welche Maßnahmen zur Reduzierung der Radonkonzentration erforderlich sind. Eine Reduzierung der Rn-222-Konzentration im Trinkwasser kann in den betroffenen Wasserwerken z.B. mit Hilfe von erprobten Belüftungsverfahren auf effektive Weise erreicht werden.

Aus den genannten Gründen empfiehlt die Strahlenschutzkommission für Deutschland zur Rn-222-Aktivitätskonzentration im Trinkwasser der öffentlichen und gewerblichen Versorgung einen Referenzwert von 100 Bq/l, bei dessen Überschreitung die Durchführung von Gegenmaßnahmen zu prüfen ist.