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Regelwerk, Strahlenschutz

Prüfung der Notwendigkeit der Festlegung von Organdosen für gesunde Probanden in der medizinischen Forschung
- Stellungnahme der Strahlenschutzkommission -

Vom 16. Juli 2008
(BAnz. Nr. 130 vom 28.08.2008 S. 3123)



Nachfolgend wird die Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 222. Sitzung der Kommission am 15./16. April 2008, bekannt gegeben.

Verabschiedet in der 222. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 15./16. April 2008.

Medizinische Forschung mit ionisierender Strahlung an gesunden Probanden ist nur im Rahmen diagnostischer Anwendungen, jedoch nicht bei therapeutischen Anwendungen relevant. Die dabei auftretenden Organdosen sind so niedrig, dass deterministische Strahleneffekte praktisch ausgeschlossen werden können, und somit nur die Möglichkeit stochastischer Wirkungen zu berücksichtigen ist.

Für die Risikobewertung durch stochastische Strahleneffekte ist die Berechnung der effektiven Dosis das etablierte Verfahren. In die Dosisabschätzung gehen die Organdosen aller strahlenhygienisch relevanten Organe und Gewebe, gewichtet mit dem jeweiligen Gewebewichtungsfaktor, ein. Der bisher bereits bestehende Grenzwert der effektiven Dosis für die medizinische Forschung von 20 mSv orientiert sich an dem für beruflich strahlenexponierte Personen nach § 55 Abs. 1 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bzw. § 31a Abs.1 der Röntgenverordnung (RöV).

Nach § 55 Abs. 2 StrlSchV bzw. § 31a Abs. 2 RöV dürfen für beruflich strahlenexponierte Personen folgende Organdosisgrenzwerte im Kalenderjahr nicht überschritten werden:

  1. für die Augenlinse 150 Millisievert,
  2. für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel jeweils 500 Millisievert,
  3. für die Keimdrüsen, die Gebärmutter und das Knochenmark (rot) 50 Millisievert,
  4. für die Schilddrüse und die Knochenoberfläche ;jeweils 300 Millisievert,
  5. für den Dickdarm, die Lunge, den Magen, die Blase, die Brust, die Leber, die Speiseröhre, andere Organe oder Gewebe gemäß Anlage VI Teil C Nr. 2 Fußnote 1 StrlSchV bzw. Anlage 3 Fußnote 1 RöV, soweit nicht unter Nummer 3 genannt, jeweils 150 Millisievert.

Auf europäischer Ebene existieren für die medizinische Forschung keine einheitlichen Regelungen. Allen Regelungen gemeinsam ist jedoch, dass es keine Organdosen als Obergrenzen für eine Genehmigung gibt. In den neuen Empfehlungen der ICRP 1 werden für Probanden keine Dosisgrenzwerte, sondern nur Richtwerte empfohlen.

Die Anwendung ionisierender Strahlung in der medizinischen Forschung wird in einem Genehmigungsverfahren durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) überprüft. Dabei werden die möglichen Strahlenexpositionen, besonders die der kritischen Organe, hinsichtlich ihrer Rechtfertigung ( § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a bis d StrlSchV, § 28b Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a bis c RöV) und insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung des Gebots zur Dosisreduzierung ( § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben d und e StrlSchV, § 28b Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben d und e RöV) bewertet.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens werden ggf. durch das BfS gemäß der StrlSchV und der RöV Rand- und Rahmenbedingungen für die medizinische Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung festgelegt.

Insbesondere sind die kritische Überprüfung der Expositionen und mögliche Optimierungen dann erforderlich, wenn bei dem Forschungsvorhaben an gesunden Probanden Organdosiswerte auftreten können, die oberhalb der für beruflich strahlenexponierte Personen liegen. Neben der effektiven Dosis sind, soweit möglich, individuelle Risikofaktoren, z.B. Organdosen, Alter der Probanden etc., zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sind nach § 88 Abs. 2 StrlSchV sowie § 28d Abs. 2 RöV diejenigen Probanden, bei denen in den vergangenen 10 Jahren radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung zu Forschungs- oder Behandlungszwecken angewendet worden sind, von der Anwendung ausgeschlossen, wenn durch die erneute Anwendung in der medizinischen Forschung eine effektive Dosis von mehr als 10 mSv zu erwarten ist. Für einen effektiven Probandenschutz muss gewährleistet sein, dass Strahlenexpositionen aus einer wiederholten Teilnahme an verschiedenen Forschungsvorhaben erfasst werden.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für die konventionelle projektionsradiographische Röntgendiagnostik keine standardisierten, allgemein anerkannten Programme zur Berechnung von Organdosen zur Verfügung stehen. Die derzeit verfügbaren Programme differieren in ihren Ergebnissen so stark, dass sie im Bereich niedriger Dosen, insbesondere bei effektiven Dosen unter 20 mSv, für die Überwachung einer Grenzwertsetzung weniger geeignet sind. Im Bereich der CT-Diagnostik sind die Fehlerspannen bei der Berechnung von Organdosen zwar kleiner als bei der konventionellen Röntgendiagnostik, liegen jedoch - nach Messungen des BfS 2 - immer noch im Bereich von ca. 30 %. Demgegenüber liegt die Fehlerspanne bei der Berechnung der effektiven Dosis nur bei etwa 10%. Darüber hinaus existieren auch für die CT-Diagnostik keine standardisierten und allgemein anerkannten Programme zur Berechnung von Organdosen.

Eine gewisse Ausnahme stellen hier die Organdosen der Haut und der Augenlinse dar, die über die Oberflächendosis verhältnismäßig gut abgeschätzt werden können. In der Röntgendiagnostik sind lediglich diese Organdosen strahlenhygienisch von Bedeutung.

In Anbetracht der dargelegten großen Unsicherheiten und Fehlerspannen bei der Abschätzung von Organdosen stellt die Einführung von Organdosis-Grenzwerten kein geeignetes Instrumentarium zur Verbesserung des Strahlenschutzes im Rahmen der medizinischen Forschung an gesunden Probanden dar.

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