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§ 110 Die Konformitätsvermutung durch die Anwendung harmonisierter Normen

Der Verweis auf europäische Normen ist ein zentraler Bestandteil der "Neuen Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und Normung", der in der Maschinenrichtlinie gefolgt wird. In der Richtlinie werden die verbindlichen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Maschinen festgelegt, während detaillierte technische Spezifikationen für die Erfüllung dieser grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen in den harmonisierten europäischen Normen festgelegt sind - siehe § 87: Anmerkungen zu Artikel 2 Buchstabe l.

Sobald eine harmonisierte europäische Norm angenommen wurde, teilt die Europäische Normungsorganisation dies der Europäischen Kommission mit, so dass die Fundstellen der Norm im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl.) veröffentlicht werden können.

Sobald die Fundstelle einer harmonisierten Norm im ABl. veröffentlicht wurde, begründet die Anwendung ihrer Festlegungen eine Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die durch die Norm abgedeckt werden. Diese Konformitätsvermutung existiert ab dem Zeitpunkt, an dem die Fundstelle der Norm erstmals im Abl. veröffentlicht wird. Die Konformitätsvermutung erlischt, wenn die Norm durch eine neue oder überarbeitete Norm ersetzt wird, mit dem "Datum der Beendigung der Annahme der Konformitätsvermutung", das im Abl. angegeben ist, für Maschinen, die nach diesem Datum in Verkehr gebracht werden - siehe § 114: Anmerkungen zu Artikel 7 Absatz 3.

Dabei ist zu beachten, dass nach einem formalen Einwand die Fundstellen bestimmter Normen im ABl. mit einem Warnhinweis veröffentlicht werden können, durch den die Konformitätsvermutung für bestimmte Teile der Norm zurückgezogen wird - siehe § 121: Anmerkungen zu Artikel 10.

Die Anwendung der Entwurfsfassungen europäischer Normen (gekennzeichnet durch den Vorsatz "prEN") oder von europäischen Normen, deren Fundstellen noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht wurden, löst keine Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie aus.

Informationen über den Gegenstand der Norm (die Maschinenkategorie bzw. der Aspekt der Maschinensicherheit, der durch die Norm erfasst wird) können in dem Abschnitt der Norm gefunden werden, der sich auf den Anwendungsbereich der Norm bezieht. Zusätzliche Informationen zu den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie, die in der Norm behandelt (bzw. nicht behandelt) werden, sind in einem informativen Anhang "Z" der Norm enthalten.

Wenn auf eine Norm oder einen Teil einer Norm durch einen normativen Verweis in einer europäischen harmonisierten Norm verwiesen wird, werden die Spezifikationen der Norm oder des Normenteils, auf die / den verwiesen wird, zu einem Teil der harmonisierten Norm und deren Anwendung begründet die Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, die hiermit abgedeckt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Norm, auf die verwiesen wird, nicht mehr in Kraft ist (es sei denn, die Fundstelle wurde in Folge eines förmlichen Einwands aus dem ABl. gestrichen - siehe § 121: Anmerkungen zu Artikel 10). Andererseits löst die Anwendung der aktuellen Version der Norm, auf die verweisen wird, ebenfalls die Konformitätsvermutung mit den betreffenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen aus, sofern deren Fundstelle im Amtsblatt veröffentlicht worden ist.

Die Konformitätsvermutung, die sich aus der Anwendung einer harmonisierten Norm ergibt, hat keinen absoluten Charakter, da die Konformität der Norm selbst angefochten werden kann - siehe § 119 bis § 121: Anmerkungen zu Artikel 10. Allerdings verleiht die Konformitätsvermutung, die sich aus der Anwendung einer harmonisierten Norm ergibt, dem Hersteller eine gewisse Rechtssicherheit, da er keinen weiteren Nachweis der Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erbringen muss, die durch diese Norm abgedeckt werden.

Außerdem kann der Hersteller im Falle der in Anhang IV aufgeführten Maschinenkategorien durch die Anwendung einer harmonisierten Norm, die alle auf die Maschine anwendbaren grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen abdeckt, die Konformitätsbewertung der Maschine, ohne Rückgriff auf eine notifizierte Stelle durchführen - siehe § 129: Anmerkungen zu Artikel 12 Absatz 3.

Es ist zu beachten, dass obwohl die Anwendung harmonisierter Normen die Risikobeurteilung erleichtert, der Maschinenhersteller damit nicht völlig von der Pflicht entbunden ist, eine Risikobeurteilung der Maschine durchzuführen - siehe § 159: Anmerkungen zum allgemeinen Grundsatz 1 in Anhang I.

Selbst wenn eine bestimmte grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderung durch eine harmonisierte Norm abgedeckt wird, bleibt es dem Maschinenhersteller freigestellt, alternative Spezifikationen anzuwenden. Der freiwillige Charakter harmonisierter Normen soll verhindern, dass technische Normen ein Hindernis für das Inverkehrbringen von Maschinen darstellen, die innovative Lösungen beinhalten.

Eine harmonisierte Norm gibt jedoch einen Hinweis auf den Stand der Technik zum Zeitpunkt, da die Norm angenommen wurde. Anders ausgedrückt, die harmonisierte Norm gibt das Maß an Sicherheit an, das zu diesem Zeitpunkt von einem bestimmten Produkttyp erwartet werden kann. Ein Maschinenhersteller, der sich für die Anwendung anderer technischer Spezifikationen entscheidet, muss nachweisen können, dass seine Alternativlösung den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie entspricht und ein Sicherheitsniveau bietet, das dem Sicherheitsniveau, das durch die Anwendung der Spezifikationen der harmonisierten Norm erreicht werden könnte, zumindest gleichwertig ist - siehe § 161, und § 162: Anmerkungen zum allgemeinen Grundsatz 3 in Anhang I.

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