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Regelwerk, EU 1990, Biotechnologie

Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt

(ABl. Nr. L 117 vom 08.05.1990 S. 15;
RL 94/15/EG - ABl. Nr. L 103 vom 22.04.1994 S. 20;
RL 97/35/EG - ABl. Nr. L 169 vom 27.06.1997 S. 72;
RL 2001/18/EG - ABl. Nr. L 106 vom 17.04.2001 S. 1aufgehoben)


aufgehoben/ersetzt gemäß Art. 36 der RL 2001/18/EG

Der Rat der Europäischen Gemeinschaften -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission 1,

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament 2,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

Nach dem Vertrag sollte für Umweltmaßnahmen der Gemeinschaft der Grundsatz gelten, Umweltbeeinträchtigungen vorzubeugen.

Lebende Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, können sich in dieser fortpflanzen und sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten, wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Die Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein.

Der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erfordert eine gebührende Kontrolle der Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt.

Die Disparität zwischen den in den Mitgliedstaaten bestehenden oder in Vorbereitung befindlichen gesetzlichen Regelungen über die absichtliche Freisetzung von GVO kann dazu führen, daß ungleiche Wettbewerbsbedingungen oder Handelshemmnisse für Erzeugnisse, die solche Organismen enthalten, entstehen und sich damit auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Demzufolge ist es notwendig, die diesbezüglichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten anzugleichen.

Die Maßnahmen zur Angleichung der Vorschriften der Mitgliedstaaten, deren Ziel in der Verwirklichung des Binnenmarkts liegt, sollten in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau in der gesamten Gemeinschaft ausgehen.

Es ist notwendig, die gefahrlose Entwicklung von Produkten zu gewährleisten, in denen GVO angewendet werden.

Diese Richtlinie sollte nicht für Organismen gelten, die mit Techniken zur genetischen Veränderung gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten.

Zur fallweisen Beurteilung der potentiellen Risiken infolge der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt müssen harmonisierte Verfahren und Kriterien ausgearbeitet werden.

Vor einer Freisetzung sollte in jedem Einzelfall stets eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden.

Die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen im Forschungsbereich ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von genetisch veränderten Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten.

Die Einbringung von GVO in die Umwelt sollte nach dem "Stufenprinzip" erfolgen, d.h., die Einschließung der GVO wird nach und nach stufenweise gelockert und ihre Freisetzung in der gleichen Weise ausgeweitet, jedoch nur dann, wenn die Bewertung der vorherigen Stufen in bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergibt, daß die nächste Stufe eingeleitet werden kann.

Ein Produkt, das GVO enthält oder aus diesen besteht und für die absichtliche Freisetzung bestimmt ist, darf für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn es zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von seiner Anwendung betroffen sein könnten, ausreichend praktisch erprobt wurde.

Ein Genehmigungsverfahren der Gemeinschaft für das Inverkehrbringen von Produkten, die genetisch veränderte Organismen enthalten oder aus diesen bestehen, muß aufgestellt werden, wenn die beabsichtigte Verwendung des Produkts die Freisetzung des Organismus/der Organismen in die Umwelt voraussetzt.

Jedermann hat, bevor er genetisch veränderte Organismen absichtlich in die Umwelt freisetzt oder ein Produkt, das genetisch veränderte Organismen enthält oder aus solchen besteht und dessen Verwendungszweck die absichtliche Freisetzung in die Umwelt beinhaltet, in den Verkehr bringt, der zuständigen Behörde seines Landes eine diesbezügliche Anmeldung zu machen.

Die Anmeldung sollte eine technische Informationsakte enthalten, die eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung, geeignete Sicherheits- und Notmaßnahmen und im Falle von Produkten präzise Gebrauchsanweisungen und -bedingungen sowie Etikettierungs- und Verpackungsvorschläge umfaßt.

Nach der Anmeldung sollte eine absichtliche Freisetzung der GVO nur erfolgen dürfen, wenn die zuständige Behörde hierzu die Zustimmung erteilt hat.

Die zuständige Behörde sollte ihre Zustimmung nur erteilen, wenn ihr ausreichend nachgewiesen wurde, daß die Freisetzung für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ungefährlich ist.

In manchen Fällen kann es angezeigt erscheinen, die Öffentlichkeit zu der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt anzuhören.

Es empfiehlt sich, daß die Kommission im Benehmen mit den Mitgliedstaaten ein Verfahren zum Informationsaustausch über im Rahmen dieser Richtlinie angemeldete absichtliche Freisetzungen von GVO einrichtet.

Die Entwicklung und Anwendung von GVO muß eingehend überwacht werden; es sollte eine Liste aller im Rahmen dieser Richtlinie zugelassenen Produkte veröffentlicht werden.

Wird ein Produkt, das genetisch veränderte Organismen oder eine Kombination von solchen enthält, in den Verkehr gebracht, und ist dieses Produkt nach dieser Richtlinie ordnungsgemäß zugelassen worden, so darf ein Mitgliedstaat die absichtliche Freisetzung des in diesem Produkt enthaltenen Organismus in seinem Gebiet bei Einhaltung der in der Zustimmung dargelegten Bedingungen aus Gründen, die die in dieser Richtlinie geregelten Fragen betreffen, nicht verbieten, einschränken oder behindern; für den Fall einer Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt sollte ein Sicherheitsverfahren vorgesehen werden.

Die in dieser Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über das Inverkehrbringen sollten nicht für Produkte gelten, die GVO enthalten bzw. aus solchen bestehen, auf die aber andere Gemeinschaftsvorschriften Anwendung finden, die eine entsprechende spezifische Umweltverträglichkeitsprüfung wie diese Richtlinie vorsehen.

Es sollte ein Ausschuß eingesetzt werden, der die Kommission bei Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Richtlinie und ihrer Anpassung an den technischen Fortschritt unterstützt

- hat folgende Richtlinie erlassen:

Teil a
Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

(1) Ziel dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt

(2) Diese Richtlinie gilt nicht für die Beförderung von genetisch veränderten Organismen auf Schiene, Straße, Binnenwasserwegen, zur See oder in der Luft.

Artikel 2

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet:

  1. Organismus: jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen.
  2. Genetisch veränderter Organismus (GVO): ein Organismus, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.
    Im Sinne dieser Definition gilt folgendes:
    1. Z u der genetischen Veränderung kommt es mindestens durch den Einsatz der in Anhang I A, Teil 1 aufgelisteten Verfahren;
    2. bei den in Anhang I A, Teil 2 aufgelisteten Verfahren ist nicht davon auszugehen, daß sie zu einer genetischen Veränderung führen.
  3. Absichtliche Freisetzung: jede Art von absichtlichem Ausbringen eines GVO oder einer Kombination von GVO ohne Vorkehrungen zur Einschließung, wie physikalische Einschließungen oder eine Kombination von physikalischen Einschließungen mit chemischen und/oder biologischen Einschließungen, die verwendet werden, um ihren Kontakt mit der allgemeinen Bevölkerung und der Umwelt zu begrenzen.
  4. Produkt: eine Zubereitung, die aus GVO besteht, solche oder eine Kombination von solchen enthält und in den Verkehr gebracht wird.
  5. Inverkehrbringen: die Abgabe an Dritte oder die Bereitstellung für Dritte.
  6. Anmeldung: die Vorlage von Dokumenten mit den einschlägigen Informationen bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates. Die Person, die die Dokumente vorlegt, wird der "Anmelder" genannt.
  7. Anwendung: absichtliches Freisetzen eines Produkts, das in den Verkehr gebracht worden ist. Die Person, die dies vornimmt, wird als "Anwender" bezeichnet.
  8. Umweltverträglichkeitsprüfung: Abschätzung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt (einschließlich Pflanzen und Tiere) im Zusammenhang mit der Freisetzung von GVO und GVO enthaltenden Produkten.

Artikel 3

Diese Richtlinie gilt nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung durch den Einsatz der in Anhang I B aufgelisteten Verfahren herbeigeführt wird.

Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, damit die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO keine Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zur Folge hat.

( 2) Die Mitgliedstaaten bezeichnen die für die Durchführung der Anforderungen dieser Richtlinie und ihrer Anhänge verantwortliche(n) zuständige(n) Behörde(n).

(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die zuständige Behörde Inspektionen und gegebenenfalls sonstige Kontrollmaßnahmen durchführt, um die Einhaltung dieser Richtlinie zu gewährleisten.

Teil B
Absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt zu Forschungs- und Entwicklungszwecken oder anderen Zwecken mit Ausnahme des Inverkehrbringens

Artikel 5

Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Vorschriften, um folgendes sicherzustellen:

  1. Vor einer absichtlichen Freisetzung eines GVO oder einer Kombination von GVO zu Forschungs- und Entwicklungszwecken oder anderen Zwecken mit Ausnahme des Inverkehrbringens muß der Verantwortliche der in Artikel 4 Absatz 2 bezeichneten zuständigen Behörde des Mitgliedstaates, auf dessen Boden die Freisetzung erfolgen soll, eine diesbezügliche Anmeldung vorlegen.
  2. Die Anmeldung muß folgendes umfassen:
    1. Eine technische Akte mit den Informationen nach Anhang II zur Beurteilung der vorhersehbaren Gefahren von Sofort- und Spätfolgen eines GVO oder einer Kombination von GVO für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, sowie eine Beschreibung der Methoden und bibliographische Hinweise auf diese und insbesondere folgende Informationen:
      1. Allgemeine Informationen, einschließlich Informationen über das Personal und dessen Ausbildung,
      2. Informationen über GVO,
      3. Informationen über die Bedingungen der Freisetzung und die Umwelt, in die die GVO freigesetzt werden,
      4. Informationen über die Wechselwirkungen zwischen GVO und Umwelt,
      5. Informationen über Überwachung, Kontrollmaßnahmen, Abfallbehandlung und Noteinsatzpläne.
    2. eine Erklärung über die Folgen und Gefahren der GVO für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bei den vorgesehenen Anwendungen.
  3. Wird eine Kombination von GVO am gleichen Ort oder wird der gleiche GVO an verschiedenen Orten zum gleichen Zweck innerhalb eines begrenzten Zeitraums freigesetzt, so kann die zuständige Behörde gestatten, daß nur eine einzige Anmeldung eingereicht wird.
  4. In der Anmeldung sind auch Daten oder Ergebnisse aus der Freisetzung der gleichen GVO oder GVO-Kombination mitzuteilen, die der Anmelder früher innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft angemeldet und/oder vorgenommen hat bzw. gegenwärtig anmeldet und/oder vornimmt.
    Der Anmelder kann auch auf Daten oder Ergebnisse früherer Anmeldungen durch andere Anmelder Bezug nehmen, sofern diese hierzu ihre schriftliche Zustimmung erteilt haben.
  5. Im Falle aufeinanderfolgender Freisetzungen der gleichen GVO oder GVO-Kombination, die zuvor als Teil des gleichen Forschungsprogramms mitgeteilt worden sind, hat der Anmelder eine neue Anmeldung einzureichen. In diesem Fall kann er auf Daten aus früheren Anmeldungen oder auf Ergebnisse früherer Freisetzungen Bezug nehmen.
  6. Wird die absichtliche Freisetzung eines GVO oder einer Kombination von GVO in einer Weise geändert, die Folgen für die Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben könnte, oder werden entweder während der Prüfung der Anmeldung durch die zuständige Behörde oder nach ihrer schriftlichen Zustimmung neue Informationen über solche Gefahren verfügbar, so ist der Anmelder verpflichtet, unverzüglich
    1. die in der Anmeldung aufgeführten Maßnahmen zu überprüfen;
    2. die zuständige Behörde über diese Änderung im voraus oder sofort nach dem Verfügbarwerden der neuen Informationen zu benachrichtigen;
    3. die für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

____________________
1) ABl. Nr. C 198 vom 28.07.1988 S. 19 und ABl. Nr. C 246 vom 27.09.1989 S. 5

2) ABl. Nr. C. 158 vom 26.06.1989 S. 225 und ABl. Nr. C 96 vom 17.04.1990 S. 87

3) ABl. Nr. C 23 vom 30.01.1998 S. 45

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