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Regelwerk

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum, des Justizministeriums und des Innenministeriums
Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes

- Baden-Württemberg -

Vom 19. Januar 2009
(GABl. Nr. 2 vom 25.02.2009 S. 39; 28.02.2015aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

Präambel

1.1 Die Sicherheit von Lebensmitteln ist wichtige Lebensgrundlage für den Menschen. Das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittel und ihre Erwartungen an einen funktionierenden gesundheitlichen Verbraucherschutz hat, wie die öffentliche Diskussion in den letzten Jahren zeigt, stark an gesellschaftspolitischer Bedeutung gewonnen.

1.2 Es sind daher im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes alle geeigneten und erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Produktion sicherer Lebensmittel auf allen Stufen zu gewährleisten und dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Diese Verpflichtung obliegt in erster Linie den Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern. Die für die amtliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung nach § 18 Ausführungsgesetz zum Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz ( AGLMBG) und § 1 Futtermittelzuständigkeitsverordnung zuständigen Behörden (Verwaltungsbehörden) überwachen die Einhaltung der Vorschriften und sanktionieren Verstöße verwaltungs- und bußgeldrechtlich. Die verwaltungsrechtlichen Anordnungsbefugnisse und Vollstreckungsmöglichkeiten sind im Interesse eines effektiven Verbraucherschutzes im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes voll auszuschöpfen.

1.3 Daneben verpflichtet Artikel 17 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. EG Nr. L 31 S.1) - Verordnung (EG) Nr. 178/2002 - die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, für eine effektive Durchsetzung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts auch mit Hilfe von Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, Sorge zu tragen.

1.4 Insofern kommt der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten als weitere Maßnahme zur Bekämpfung von Verstößen gegen entsprechende Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelrechts besondere Bedeutung zu.

1.5 Die wirksame Verfolgung solcher Verstöße, die häufig als besonders gemein- und sozialschädlich anzusehen sind, setzt eine enge, koordinierte, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für die Überwachung der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit verantwortlichen Verwaltungsbehörden und Untersuchungseinrichtungen einerseits und den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Polizei) andererseits voraus. Um diese Zusammenarbeit noch effektiver zu gestalten, sind insbesondere die folgenden dargestellten Maßnahmen geboten.

2 Ansprechpartner

Um eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit zu gewährleisten, teilen die Verwaltungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden sich gegenseitig die Namen und Erreichbarkeiten von Ansprechpartnern für die Bearbeitung von Verfahren in Zusammenhang mit lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Verstößen mit.

3 Besprechungen

3.1 Ein wirksames Mittel, um Erfahrungen auszutauschen, Unklarheiten zu beseitigen oder Streitpunkte zu klären, sind rechtzeitige offene Gespräche. Deshalb sollten bei Bedarf die jeweils für den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Bereich zuständigen Verwaltungsbehörden und Untersuchungseinrichtungen, Staatsanwaltschaften und die Polizei Besprechungen vereinbaren.

3.2 Darüber hinaus vereinbart das Regierungspräsidium für seinen Zuständigkeitsbereich mindestens einmal jährlich eine gemeinsame Besprechung zum Zwecke des Meinungs- und Erfahrungsaustausches, insbesondere auch der Erörterung von Fragen der Zusammenarbeit, der Koordinierung von Maßnahmen, der wechselseitigen Unterrichtung über den Erlass, die Änderung oder die Auslegung wichtiger Vorschriften, sowie der Behandlung aller sonstigen relevanten Fragen aus dem präventiven und repressiven Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts. Diese Besprechungen können von den Regierungspräsidien auch gemeinsam veranstaltet werden. Daneben werden bei Bedarf zusätzlich Besprechungen über fachliche oder ortsbezogene Einzelfragen von den jeweils zuständigen Behörden durchgeführt.

3.3 An den Besprechungen sollen die Ansprechpartner nach Nr. 2 der für den jeweiligen Bereich zuständigen Staatsanwaltschaften, Vertreter der Polizei, Vertreter der unteren Verwaltungsbehörden und Vertreter der Untersuchungseinrichtungen teilnehmen. Die Generalstaatsanwaltschaften sowie das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum sollen von der Besprechung verständigt werden, um ihnen eine Teilnahme oder die Benennung zusätzlicher Besprechungsthemen zu ermöglichen.

Staatsanwaltschaften, bei denen erfahrungsgemäß nur eine kleine Zahl von Verfahren wegen lebensmittel- oder futtermittelrechtlicher Verstöße anhängig wird, können sich bei den Besprechungen auf Ebene der Regierungspräsidien durch eine andere Staatsanwaltschaft vertreten lassen

3.4 Die Oberlandesgerichte sind zu unterrichten, wenn die Tagesordnung Themen enthält, die auch für Richterinnen und Richter, die mit Strafsachen oder Ordnungswidrigkeiten aus dem lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Bereich befasst sind, von Interesse sein können.

3.5 Die jeweils einladende Behörde fertigt über die Besprechung einen Ergebnisbericht, den sie ihrer obersten Dienstbehörde und den Teilnehmern der Besprechung zur Unterrichtung ihrer vorgesetzten Stellen übermittelt.

Nimmt eine Staatsanwaltschaft bei einer Besprechung auf Regierungspräsidiumsebene nicht teil, stellt die vertretende Staatsanwaltschaft sicher, dass der vertretenen Staatsanwaltschaft der Ergebnisbericht zur Kenntnis gegeben wird.

4 Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen Vorschriften des Lebensmittel- oder Futtermittelrechtes

4.1 Die Verwaltungsbehörden unterrichten die Strafverfolgungsbehörden über den Verdacht einer Straftat gegen Vorschriften des Lebensmittel- oder Futtermittelrechtes. Hinsichtlich der Frage, ob eine Straftat vorliegt, bedarf es keiner abschließenden strafrechtlichen Bewertung durch die Verwaltungsbehörde. Es genügt eine Würdigung im Rahmen des allgemeinen Rechtsempfindens (Würdigung in der Laiensphäre) unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der bestehenden Fachkompetenz. Bestehen Zweifel am Vorliegen des Verdachts einer Straftat, nimmt die Verwaltungsbehörde Kontakt mit der zuständigen Staatsanwaltschaft auf, um diese Zweifel zu klären. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip zum Einschreiten, wenn sie Kenntnis von einem Sachverhalt erhält, der den Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat begründet, bleibt hiervon unberührt.

4.2 Die Unterrichtungspflicht besteht insbesondere,

4.3 Die Mitteilung ist grundsätzlich an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft zu richten. Sie ist an die örtlich zuständige Polizeidienststelle zu richten, wenn hierdurch das Verfahren beschleunigt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn aus Sicht der Verwaltungsbehörde nur noch einzelne Ermittlungsmaßnahmen, wie z.B. eine Beschuldigtenvernehmung, erforderlich sind, die nicht Staatsanwaltschaft oder Gericht vorbehalten sind. In Zweifelsfällen ist vor der Mitteilung die zuständige Staatsanwaltschaft zu befragen und das Ergebnis in der Mitteilung zu vermerken.

Die Mitteilung hat unverzüglich nach Kenntniserlangung durch die Verwaltungsbehörde zu erfolgen und sollte folgende Angaben umfassen:

Zur Verdeutlichung der Vorwürfe oder als Beweismittel geeignete Lichtbilder, Gutachten von Untersuchungsstellen oder sonstige Gegenstände oder Dokumente können der Mitteilung beigefügt werden.

4.4 Die Verwaltungsbehörde teilt die beabsichtigte Mitteilung der Staatsanwaltschaft vorab in geeigneter Weise (telefonisch, per E-Mail oder Telefax) mit, wenn hierzu aus ihrer Sicht Veranlassung besteht (z.B. wegen der Schwere des Tatvorwurfes oder erforderlicher Eilmaßnahmen). Ist zum Zwecke der Beweissicherung ein sofortiges Einschreiten der Strafverfölgungsbehörden erforderlich, ist ferner die Polizei unverzüglich zu unterrichten.

4.5 Durch die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden bleiben die ordnungsbehördlichen Aufgaben und Befugnisse der Verwaltungsbehörden, insbesondere zur Abwehr konkreter Gefahren sowie zur Verhütung künftiger Verstöße, unberührt. Soweit erforderlich, ist wegen beabsichtigter Maßnahmen eine Abstimmung mit den Strafverfolgungsbehörden vorzunehmen, um nicht die dort laufenden Ermittlungen zu beeinträchtigen.

4.6 Nach § 2 der Verordnung der Landesregierung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind die Verwaltungsangehörigen (hier.. Wein- oder Lebensmittelkontrolleure), die mit der berwachung des Weinverkehrs oder der Lebensmittelüberwachung beschäftigt sind, Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, sofern sie mindestens zwei Jahre in dieser Funktion tätig sind. Eine über die oben unter Ziffer 4.1 und 4.2 genannten Voraussetzungen hinausgehende Rechtspflicht zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaften besteht auch für sie nicht, da sie nicht dem Legalitätsprinzip nach § 152 StPO unterworfen sind. Sie sind lediglich berechtigt, bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes auch aufgrund eigener Initiative die in der Strafprozessordnung ( StPO) vorgesehenen speziellen Maßnahmen zu ergreifen; ein so eingeleitetes Strafverfahren ist in jedem Fall zur abschließenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft zuzuleiten. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft unterliegen sie den Weisungen der Staatsanwaltschaft.

5 Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten

5.1 Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen unteren Verwaltungsbehörden (§ 47 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - i. V. m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG und § 2 Verordnung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiZuVO -) bzw. für den Bereich der Futtermittelüberwachung den Regierungspräsidien (§ 4 Abs. 1 Nr. 37 OwiZuV) und wird durch die vorstehende Unterrichtungspflicht nach Ziffer 4 nicht berührt.

5.2 In jedem Fall hat die Verwaltungsbehörde gemäß § 41 OWiG die Sache an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Das gleiche gilt, wenn eine Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat zusammentrifft (§ 21 OWiG) oder Zweifel darüber bestehen, ob eine Handlung eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit ist.

6 Beteiligung der Verwaltungsbehörden durch die Strafverfolgungsbehörde

6.1 Werden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens für die Strafverfolgungsbehörde Sachverhalte offenkundig, die im Bereich des Lebensmittel- oder Futtermittelrechts eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers oder eine sonstige nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Verbraucherschutzes befürchten lassen, unterrichtet sie die zuständige Verwaltungsbehörde. Auf § 42 Abs. 5 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ( LFGB) wird insbesondere hingewiesen.

6.2 Die in dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren ( RiStBV) und der Anordnung über Mitteilung in Strafsachen ( MiStra) enthaltenen Vorschriften über die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden in Straf- und Bußgeldsachen sind zu beachten. Dies gilt insbesondere für:

6.3 Die Verwaltungsbehörden können auf Antrag Akteneinsicht oder Auskünfte von der Staatsanwaltschaft nach Maßgabe von § 474 Abs. 2 bis 5 StPO erhalten.

7 Datenschutz

Für die Weitergabe personenbezogener Daten sind die einschlägigen Rechtsvorschriften zu beachten. Auf § 17 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) wird insbesondere hingewiesen.

8 Zusammenarbeit im Einzelfall

Mehrere Verwaltungsbehörden koordinieren ihre Tätigkeiten im Einzelfall mit dem Ziel, eine bestmögliche Aufgabenerfüllung aller beteiligten Behörden zu erreichen. Grundlage hierfür ist ein möglichst umfassender und zeitnaher Informationsaustausch. Die Behörden legen die Federführung für die weitere Koordinierung fest. Insbesondere bei schwierigen und umfangreichen Verfahren mit mehreren betroffenen Behörden hat sich dabei eine Zusammenarbeit der Sachbearbeiter in Form einer Arbeitsgemeinschaft mit regelmäßigen Abstimmungsgesprächen bewährt. Die getroffenen Absprachen sind in geeigneter Weise zu dokumentieren.

9 Inkrafttreten

Die gemeinsame Verwaltungsvorschrift tritt am 1. März 2009 in Kraft. Gleichzeitig wird der Erlass des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum vom 7. Dezember 2005 - Az.35-9161.68 - aufgehoben. Am 28. Februar 2015 tritt die vorliegende gemeinsame Verwaltungsvorschrift spätestens außer Kraft.

ENDE

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