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18. TRK-Wert für 1,3-Butadien

(BArbBl. 1/87 S. 69)


Aufarbeitung nach Polymerisation,

1,3-Butadien ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Arbeitsstoffe bei Massengehalten> 1 % in die Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen:

In hohen Konzentrationen (4000 bis 8000 ml/m3) besitzt Butadien eine Reizwirkung auf Schleimhäute von Augen und Atemtrakt und wirkt narkotisierend. Andere ernste Krankheitssymptome sind bislang nicht bekannt geworden [1].

Es gibt Hinweise darauf, daß die Metabolisierung zu dem eigentlichen Kanzerogen, dem Butadien-monoxid, beim Menschen deutlich geringer als bei solchen Versuchstieren ist, an denen eine kanzerogene Wirkung nachgewiesen wurde [2].

Epidemiologische Studien nach ausschließlicher Butadien-Exposition liegen derzeit nicht vor.

Zwei epidemiologische Studien aus der Kautschukindustrie haben die standardisierten Mortalitätsraten (SMR) bei der Herstellung von Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) untersucht. In einer Studie [3] wird darüber hinaus eine "Exposition gegenüber Benzol unterhalb des TLV anhand neuerer Messungen, jedoch das Fehlen älterer Meßwerte" erwähnt.

Meinhardt u.a. [3] untersuchten in einer nachträglichen prospektiven Kohortenstudie die Mortalität von Mitarbeitern zweier SBR-Fabrikationsstätten.

Fabrik a umfaßte 1622, B 1094 Personen. In keiner der beiden Fabriken konnte eine statistisch signifikante Erhöhung der Gesamtmortalität oder der Mortalität für einzelne Todesursachen beobachtet werden. Eine Erhöhung der SMR an Leukämie und aleukämischen Leukosen in der Gesamtkohorte von Fabrik a war nicht statistisch signifikant.

Im Hinblick auf einen Schwerpunkt von Leukämiefällen mit Arbeitsaufnahme vor 1945 wurde in Fabrik a eine Subkohorte von 600 Personen mit Tätigkeit zwischen 1943 und 1945 untersucht. Dabei wurde eine Erhöhung der SMR für die Todesursachen-Gruppe "bösartige Neubildungen des lymphatischen und haemopoetischen Gewebes" (einschließlich Leukämie) und eine SMR von 212 für Leukämien und von 278 für aleukämische Leukosen gefunden. Das Ergebnis wird als "nicht statistisch signifikant, aber auffällig" interpretiert.

Für Fabrik B. betrug die SMR für die genannten Erkrankungen 101.

Die zweite Studie [4] umfaßt Beschäftigte aus 8 SBR-Fabriken mit 13920 Personen. Die SMR lag für alle Todesursachen, für bösartige Neubildungen insgesamt und für bösartige lymphopoetische Erkrankungen einschließlich Leukämie unter der bei der Vergleichsbevölkerung. Die Studie soll für Stand Ende 1985 aktualisiert werden. In der MAK-Begründung lautet die Interpretation: "Es wurde keine erhöhte Mortalität irgendwelcher Art im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung gefunden."

Zusammengefaßt gibt es keine statistisch signifikanten Erkenntnisse über eine karzinogene oder Leukämieinduzierende Wirkung von Butadien beim Menschen. Die Erwähnung einer möglichen Benzol-Exposition unbekannter Höhe in der Subkohorte der Studie a [3] ist bei der Zahl der Leukämiefälle in Betracht zu ziehen.

Toxikologische Erfahrungen [5]:

Im Tierversuch hat sich 1,2-Epoxybuten-3 als der wesentliche primäre Metabolit des 1,3-Butadien erwiesen. Sowohl das 1,3-Butadien selbst als auch 1,2-Epoxybuten-3 sind für Salmonella typhimurium direkte Mutagene.

In einem Inhalationsversuch an Ratten wurden die Konzentrationen von 1000 ml/m3und 8000 ml/m3über den größten Teil der Lebenszeit geprüft (6 Std./Tag; 5 x pro Woche über 2 Jahre). Selbst die hohe Konzentration wurde relativ gut vertragen. Während in diesem Versuch die Gesamtzahl aller Tumoren unter der Behandlung mit 1,3-Butadien ziemlich genau der Tumorzahl in der Kontrollgruppe entsprach, war die Zahl einiger Tumore mit spezifischen Lokalisationen leicht erhöht (gutartige Brustdrüsen- und Hodentumoren, Gehörgangstumoren und bösartige Uterus- und Vaginaltumoren). Demgegenüber waren andere Tumorlokalisationen in den Behandlungsgruppen weniger häufig (Nebenniere, Hypophyse).

1,3-Butadien wurde auch in einem Inhalationsversuch an Mäusen getestet, und zwar in den Konzentrationen von 625 ml/m3und 1250 ml/m3(6 Std./Tag; 5 x Woche über 61 Wochen). Bei der Mehrzahl der männlichen Mäuse - in einigen Fällen auch bei den weiblichen Mäusen - ließen sich bei der hohen Konzentration deutliche Läsionen des Nasenhöhlen-Epithels nachweisen (Entzündung, Fibrose, Metalapsie bzw. Riechepithel-Atrophie). Dies deutet darauf hin, daß bei der Maus die Konzentration von 1250 ml/m3als die maximalverträgliche angesehen werden kann. Bei der Mehrzahl der weiblichen Mäuse und bei etwa einem Drittel der männlichen Mäuse traten unter der Behandlung mit 1,3-Butadien, aber dosisunabhängig, Ovar- bzw. Hodenatrophien auf. Nach 61 Wochen wurde der Versuch beendet, weil sich bei den Versuchsmäusen - im Gegensatz zu den Kontrollmäusen - schon sehr viele Tumoren entwickelt hatten. Die wichtigsten Tumorhäufigkeiten sind nachfolgend aufgeführt (pro Dosis und Geschlecht 50 B6C3F1-Mäuse).

0 ppm 625 ppm 1250 ppm
Lunge (meist gutartig)

5

29 44
Lymphom (bösartig) 1 33 39
Hämangiosarkom - 27 25
Ovar (meist gutartig) - 9 15
Vormagen (meist gutartig) - 12 12
Leber (meist gutartig) 8 8 7
Mamma (meist gutartig) - 6 6

Bei den unter der Einwirkung von 1,3-Butadien sehr deutlich vermehrt aufgetretenen Tumoren handelt es sich weitgehend um solche, die auch bei unbehandelten Kontrollmäusen (Spontantumoren) nicht selten sind. Die große Differenz in den Häufigkeiten dieser Tumoren in den Versuchsgruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe erklärt sich zu einem großen Teil daraus, daß die Kontrolltiere zusammen mit den Versuchstieren bereits nach 61 Wochen abgetötet wurden. Spontantumoren treten nämlich hauptsächlich gegen Ende der Lebenszeit (nach etwa 1 1/2 bis 2 Jahren) auf. Die Tumoren hatten also in diesem Falle bei den Kontrollmäusen nicht ausreichend Zeit, sich zu entwickeln. Die zahlreichen Lymphknoten-Hyperplasien, die sich bei den Kontrollmäusen zum Zeitpunkt der Abtötung entwickelt hatten, könnten deshalb als Vorläufer von Lymphomen angesehen werden:

0 ppm 625 ppm 1250 ppm
Lymphknoten  
malignes Lymphom 1 33 39
Hyperplasie 36 4 2

Bei den erfahrungsgemäß bezüglich einer Tumorinduktion empfindlichen B6C3F1-Mäusen liegt der Effekt des 1,3-Butadien unter den gegebenen Versuchsbedingungen wahrscheinlich im wesentlichen in einer Beschleunigung des Tumorwachstums in entsprechend empfindlichen Geweben.

Vergleichende in-vitro-Untersuchungen mit Lungen- und Lebergeweben ergaben bezüglich einer Epoxy-Bildung folgende abfallende Reihung: Maus, Ratte, Mensch, Affe. Dabei verhielten sich die nachgewiesenen Unterschiede zwischen Maus und Affe etwa wie 7 : 1 [2].

Aus den vorliegenden toxikologischen Ergebnissen läßt sich - abgesehen von den bekannten grundsätzlichen Erwägungen - kein Einwand gegen den technisch begründeten TRK-Wert von 15 ml/m3bzw. 5 ml/m3ableiten.

Analytik

Zur Messung von 1,3-Butadien in der Luft in Arbeitsbereichen stehen anerkannte Verfahren diskontinuierlich und kontinuierlich zur Verfügung [6]. Das kontinuierliche Verfahren (Prozeßgaschromatographie) besitzt eine Nachweisgrenze von 1 ml/m3. Das diskontinuierliche Verfahren erlaubt sowohl ortsfeste als auch personenbezogene Probenahmen. Die Nachweisgrenze des Gesamtverfahrens (Probenahme durch Adsorption an Aktivkohle, Desorption und anschließende gaschromatographische Bestimmung) beträgt 0,5 ml/m3.

Herstellung und Verwendung

1,3-Butadien fällt bei der Ethylenproduktion als Nebenprodukt in den C-4-Strömen von Crack-Anlagen (bis zu 50 %) an. Aus diesen wird Reinbutadien durch Extraktion gewonnen (Menge: ca. 0,5 Mio t/Jahr).

Butadien dient überwiegend als Ausgangsmaterial zur Herstellung verschiedener Kautschukarten, die zu Gummiartikeln (z.B. Autoreifen) verarbeitet werden. Die Polymerisate enthalten in der Regel nur sehr geringe Restmonomerenmengen. Butadien wird weiterhin zusammen mit anderen Monomeren zu Kunststoffen (z.B. Acrylnitril-Butadien-Styrol-Polymeren [ABS]) verarbeitet. Kleinere Mengen werden zur Herstellung von organischen Zwischenprodukten (z.B. Tetramethylensulfon) eingesetzt.

Ergebnisse der Arbeitsplatzmessungen

Es liegen insgesamt 465 Schichtmittelwerte (personenbezogene Probenahme) und 691 Meßwerte (Prozeßgaschromatographie) vor. Der Schwerpunkt befindet sich im Bereich zwischen 10 und 20 ml/m3, an einigen Stellen treten Konzentrationen bis zu 50 ml/m3auf.

Literatur

[1] D. Henschler: MAK-Werte - toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen, Verlag Chemie Weinheim

[2] U. Schmidt und E. Löser: Species differences in ihe formation of butadiene monoxide from 1,3-butadiene (1983), Arch. Toxicol. 57, 222-225

[3] T. J. Meinhardt (1982): Environmental epidemiologic investigation of the Styrene-Butadiene Rubber industry, Scand. j. work. environ. health 8, 250-259

[4] M. Matanoski u. a.: Mortatity of workers in the Styrene-Butadiene Rubber polymer manufacturing Industry (1982); IISRP

[5] Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe (Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten) der Arbeitsstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Verlag Chemie Weinheim

[6] Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analysenverfahren zur Feststellung der Konzentrationen krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen (ZH 1/120)

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