Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess

899. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2012

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat,

zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 ( § 232 Satz 1 ZPO)

In Artikel 1 Nummer 3 ist in § 232 Satz 1 nach dem Wort "Jede" das Wort "befristet" einzufügen.

Begründung:

Die Entscheidung, ob es zweckmäßig ist, das Verfahren durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu verlängern und gegebenenfalls ein zusätzliches Kostenrisiko einzugehen, erfordert regelmäßig eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage. In Fällen, in denen keine Frist gewahrt werden muss, ist es sachgerecht, die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf dem Ergebnis dieser Prüfung vorzubehalten. Zum einen wird auf diese Weise dazu beigetragen, die übereilte Einlegung von Rechtsbehelfen zu vermeiden. Zum anderen birgt eine dem Anschein nach umfassend ausgestaltete Rechtsbehelfsbelehrung die Gefahr, bei anwaltlich nicht vertretenen Parteien den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, sie erhielten eine abschließende Auskunft darüber, was zur Wahrung ihrer rechtlichen Interessen weiter unternommen werden kann. Dies ist jedoch auch dann, wenn die Belehrungspflicht auf nicht fristgebundene Rechtsbehelfe erstreckt wird, nicht immer der Fall, denn außerordentliche Rechtsbehelfe wie der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Anhörungsrüge, der Antrag auf Tatbestandsberichtigung und die Verfassungsbeschwerde sind von der Pflicht zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung von vornherein nicht erfasst (vgl. BR-Drucksache 308/12 (PDF) , S. 19). Es erscheint daher sachgerecht, die Belehrungspflicht auf fristgebundene Rechtsbehelfe zu beschränken, zumal den Betroffenen nur insoweit ein endgültiger Rechtsverlust droht. Eine vergleichbare Regelung besteht für den Bereich des Strafprozessrechts in § 35a Satz 1 StPO.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Dieses Anliegen hat bereits die 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 23./24. Juni 2010 (TOP I. 8) einstimmig beschlossen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 ( § 232 Satz 2 ZPO)

In Artikel 1 Nummer 3 ist § 232 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Dies gilt nicht in Verfahren, in denen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, es sei denn, es ist über einen Einspruch, Widerspruch oder die Berufung gemäß § 514 Absatz 2 zu belehren oder die Belehrung ist an einen Zeugen oder Sachverständigen zu richten."

Begründung:

Sollte der Anwendungsbereich der Belehrungspflicht entsprechend der derzeitigen Fassung des Gesetzentwurfs beibehalten werden, ist darauf hinzuweisen, dass die in § 232 Satz 2 ZPO-E geregelten Ausnahmefälle nicht vollständig erfasst sind. Dort ist derzeit geregelt, dass die Belehrungspflicht nicht in Verfahren gilt, in denen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, "es sei denn, es ist über einen Einspruch oder Widerspruch zu belehren... ". Dies soll die Fälle des Erlasses eines Versäumnisurteils - gegen das ein Einspruch zulässig ist - und der Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz - gegen die ein Widerspruch erhoben werden kann - erfassen, die regelmäßig gegenüber einer nicht anwaltlich vertretenen Partei ergehen.

Die aufgeführten Ausnahmefälle erfassen indes nicht die Fallgestaltung eines zweiten Versäumnisurteils gemäß § 345 ZPO. Erscheint eine Partei, die gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt hat, nicht in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung, ist gegen das dann ergehende zweite Versäumnisurteil, mit welchem der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch zwar nicht statthaft. Stattdessen ist gemäß § 514 Absatz 2 ZPO aber das Rechtsmittel der Berufung möglich, wenngleich diese letztlich nur darauf gestützt werden kann, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis nicht vorgelegen habe. Auch insoweit kann also trotz Anwaltszwang der Fall eintreten, dass die Partei nicht anwaltlich vertreten ist. Für diesen Ausnahmefall ist aber in § 232 ZPO-E derzeit keine Regelung vorgesehen, weshalb die vorgeschlagene Ergänzung notwendig ist.

3. Zu Artikel 1 Nummer 6 ( § 699 Absatz 5 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in der auf der Grundlage von § 703c ZPO erlassenen Vordruckverordnung die vorgesehene Rechtsbehelfsbelehrung für den Vollstreckungsbescheid um eine Belehrung über die sofortige Beschwerde nach § 104 Absatz 3 ZPO bzw. die sofortige Erinnerung nach § 11 Absatz 2 RPflG ergänzt werden muss.

Begründung:

Die Aufnahme der Kosten in den Vollstreckungsbescheid nach § 699 Absatz 3 ZPO stellt zugleich eine vereinfachte Kostenfestsetzung dar. Soweit das Mahngericht darin nicht alle seitens des Antragstellers geltend gemachten Kosten berücksichtigt, ist dem Antragsteller gegen die Zurückweisung im Übrigen, die ihm - künftig wohl mit entsprechender Belehrung - zuzustellen ist, die sofortige Beschwerde nach § 104 Absatz 3 ZPO oder - bei Nichterreichen des Beschwerdewerts von 200 EUR - die sofortige Erinnerung nach § 11 Absatz 2 RPflG eröffnet (vgl. etwa KG Berlin, Beschluss vom 4. August 2005 - 1 W 291/05 -, KGR Berlin 2005, 974; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Juli 2003 - 8 W 3 06/03 -, OLGR Stuttgart 2004, 18 1).

Teilweise wird indes angenommen, dass die Rechtsbehelfe nach § 104 Absatz 3 ZPO bzw. § 11 Absatz 2 RPflG auch dem Antragsgegner, also dem Adressaten des Vollstreckungsbescheids, zusätzlich zum Rechtsbehelf des Einspruchs offen stehen, wenn sich dieser nicht gegen die Kostengrundentscheidung, sondern ausschließlich gegen die Höhe und den Umfang der im Vollstreckungsbescheid festgesetzten Kosten wenden will (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 699 Rnr. 20; Münchner Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 699 Rnr. 66). Andere Kommentierungen (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 68. Aufl., § 699 Rnr. 28 und § 700 Rnr. 6, und wohl auch Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 699 Rnr. 14) vertreten demgegenüber die Auffassung, dass der Einspruch der einzige statthafte Rechtsbehelf gegen den Vollstreckungsbescheid ist. Für die Ansicht spricht auch § 11 Absatz 3 Satz 2 RPflG, wonach die Erinnerung "in den Fällen der §§ 694, 700 ZPO" ausgeschlossen ist.

Folgt man der erstgenannten Auffassung, so würde dies bedeuten, dass die derzeitige Rechtsbehelfsbelehrung im Vollstreckungsbescheid nach der Vordruckverordnung unvollständig ist, weil sie nur über den Einspruch belehrt. Eine Änderung der Vordruckverordnung und der maschinellen Vordrucke würde einen erheblichen zeitlichen Vorlauf erfordern. Dem müsste im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bei der Bestimmung des Inkrafttretens angemessen Rechnung getragen werden.

4. Zu Artikel 1 Nummer 6a - neu - (§ 703b Absatz 1a - neu - ZPO)

Nach Artikel 1 Nummer 6 ist folgende Nummer 6a einzufügen:

'6a. Nach § 703b Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

Begründung:

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll für das automatisierte Mahnverfahren die Zulässigkeit der automatisierten Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel klargestellt bzw. die automatisierte Erteilung von Rechtsnachfolgeklauseln ermöglicht werden.

Seit Einführung der Automation des Mahnverfahrens wurden rund 110 Millionen Mahnverfahren automatisiert durchgeführt. In etwa 70 Prozent der Fälle endet das Verfahren mit dem Erlass eines Vollstreckungsbescheids. Antragsteller mit großem Verfahrensaufkommen nutzen das Verfahren wegen der Vorzüge des einfachen Verfahrens und seiner maschinellen Bearbeitung und erwirken teils eine große Anzahl an Vollstreckungsbescheiden. In letzter Zeit kommt es vermehrt dazu, dass Rechtsnachfolger von Gläubigern, welche in einer Vielzahl von Vollstreckungsbescheiden als Gläubiger bezeichnet sind, die Erteilung von Rechtsnachfolgeklauseln in einer großen Anzahl von Verfahren beantragen.

Die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel ist im automatisierten Mahnverfahren daher im Jahr 2009 wie folgt teilautomatisiert worden: Der Eintritt der Rechtsnachfolge wird - wie zuvor - durch den zuständigen Rechtspfleger geprüft und die geschäftsstellenmäßige Abwicklung (Ausformulierung der Klausel, Druck, Siegelung, Unterschrift unter die Klausel, etc.) wird automationsgestützt erledigt. Durch die Teilautomation ist folglich die Abwicklung automatisiert worden, ohne dass die formale Prüfung durch den Rechtspfleger angetastet wurde. Ein Verlust an Rechtssicherheit ist damit nicht eingetreten.

Im Hinblick auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Leutkirch vom 22. März 2011 (- M 1089/11 -, DGVZ 2011, 93 f.), das die Ansicht vertritt, die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel sei Teil des Vollstreckungsverfahrens, weshalb - auch wenn eine Rechtsnachfolgeklausel für einen Vollstreckungsbescheid erteilt werde - die Formvorschriften der §§ 724 ff. ZPO gelten würden, sollte - ungeachtet der gegenteiligen Entscheidung des Amtsgerichts Unna vom 26. Mai 2011 (- 5 M 789/11 -, DGVZ 2011, 214) - § 703b ZPO zur Vermeidung von Zweifeln an der Wirksamkeit von im automatisierten Verfahren erteilten Rechtsnachfolgeklauseln bzw. zur Ermöglichung einer automatisierten Erteilung um den vorgeschlagenen Absatz 1a ergänzt werden.

5. Zu Artikel 6 Nummer 4 ( § 39 FamFG)

Artikel 6 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:

'4. § 39 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Die Entscheidung, ob es zweckmäßig ist, das Verfahren durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu verlängern und gegebenenfalls ein zusätzliches Kostenrisiko einzugehen, erfordert regelmäßig eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage. In Fällen, in denen keine Frist gewahrt werden muss, ist es sachgerecht, die Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf dem Ergebnis dieser Prüfung vorzubehalten. Zum einen wird auf diese Weise dazu beigetragen, die übereilte Einlegung von Rechtsbehelfen zu vermeiden. Zum anderen birgt eine dem Anschein nach umfassend ausgestaltete Rechtsbehelfsbelehrung die Gefahr, bei anwaltlich nicht vertretenen Parteien den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, sie erhielten eine abschließende Auskunft darüber, was zur Wahrung ihrer rechtlichen Interessen weiter unternommen werden kann. Dies ist jedoch auch dann, wenn die Belehrungspflicht auf nicht fristgebundene Rechtsbehelfe erstreckt wird, nicht immer der Fall, denn außerordentliche Rechtsbehelfe wie der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Anhörungsrüge, der Antrag auf Tatbestandsberichtigung und die Verfassungsbeschwerde sind von der Pflicht zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung von vornherein nicht erfasst (vgl. BR-Drucksache 308/12 (PDF) , S. 19). Es erscheint daher sachgerecht, die Belehrungspflicht auf fristgebundene Rechtsbehelfe zu beschränken, zumal den Betroffenen nur insoweit ein endgültiger Rechtsverlust droht. Eine vergleichbare Regelung besteht für den Bereich des Strafprozessrechts in § 35a Satz 1 StPO.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Dieses Anliegen hat bereits die 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 23./24. Juni 2010 (TOP I. 8) einstimmig beschlossen.

6. Zu Artikel 6 Nummer 8 ( § 65 Absatz 2 FamFG)

Artikel 6 Nummer 8 ist wie folgt zu fassen:

Begründung:

Der Änderungsbefehl in Artikel 6 Nummer 8 bezweckt eine Klarstellung, dass auch der Vorsitzende - und nicht nur, wie bislang teilweise vertreten worden ist, die Kammer bzw. der Senat in voller Besetzung - die Frist zur Begründung der Beschwerde setzen kann. Der Wortlaut des Gesetzentwurfs birgt indes die Gefahr, dass die Norm entsprechend ihrem Wortlaut so verstanden werden kann, dass nunmehr die Frist zur Beschwerdebegründung nur noch vom Vorsitzenden gesetzt werden kann. Dies wäre insbesondere in den Fällen problematisch, in denen dem Beschwerdeführer nicht nur eine Frist zur Beschwerdebegründung gesetzt, sondern gleichzeitig auch ein Hinweis erteilt werden soll. Um dies in einem Beschluss zu ermöglichen, muss die Fristsetzung auch durch die Kammer bzw. den Senat erfolgen können.

Die vorgeschlagene Formulierung "Das Beschwerdegericht oder der Vorsitzende" würde der Klarstellung dienen, dass die Frist zur Beschwerdebegründung sowohl vom Vorsitzenden als auch von der Kammer bzw. dem Senat gesetzt werden kann, und terminologisch mit der Formulierung in § 571 Absatz 3 ZPO gleichlaufen.

7. Zu Artikel 6 Nummer 10aneu-(§ 113 Absatz 1 Satz 1 FamFG)

Nach Artikel 6 Nummer 10 ist folgende Nummer 10a einzufügen:

Begründung:

§ 113 Absatz 1 FamFG regelt, welche Vorschriften des Allgemeinen Teils des FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen keine Anwendung finden sollen und an deren Stelle die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten. Bislang wird auch § 22a FamFG von diesem Anwendungsausschluss erfasst. Dies soll durch die vorgesehene Änderung korrigiert werden.

Da § 22a FamFG erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nachträglich eingefügt wurde, handelt es sich bei dem Anwendungsausschluss in § 113 Absatz 1 FamFG insoweit nach fast einhelliger Auffassung offensichtlich um ein Redaktionsversehen (vgl. Bahrenfuss-Bahrenfuss, FamFG, § 22a Rnr. 1; Keidel-Sternal, FamFG, § 22a Rnr. 2; Prütting/Helms-Ahn-Roth, FamFG, § 22a Rnr. 1a; Hondrasch/Viefhues-Reinken, FamFG, § 22a Rnr. 2; Haußleiter-Gomille, § 22a Rnr. 2; Kemper/Schreiber-Schreiber, Familienverfahrensrecht; § 22a FamFG Rnr. 2; im Ergebnis auch MünchKomm-Pabst, ZPO, § 22a FamFG Rnr. 4; a. A. ohne nähere Begründung nur Zöller-Geimer, ZPO, § 22a FamFG Rnr. 5.).

§ 22a FamFG soll Gerichten und Behörden eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten an die Familien- oder Betreuungsgerichte geben. Der Anwendungsbereich des § 22a FamFG ist dabei nicht auf einzelne Verfahrensarten des FamFG beschränkt. Bereits aus der in § 22a Absatz 2 FamFG geregelten Übermittlungsbefugnis für "Gerichte und Behörden" wird deutlich, dass der Gesetzgeber hier ganz allgemein die Datenübermittlung an die Familien- und Betreuungsgerichte regeln wollte, unabhängig davon, ob im Ausgangsverfahren, in dem das Gericht oder die Behörde die zu übermittelnde Kenntnis erlangt hat, das FamFG überhaupt Anwendung findet. Auch die in § 22a Absatz 1 FamFG geregelte Übermittlungspflicht für Gerichte (oder die nach Landesrecht anstelle des Gerichts tätigen Behörden) gilt nach ihrem Sinn und Zweck für alle Gerichte - auch Instanzgerichte - der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafsachen) sowie Fachgerichtsbarkeiten. Nur so wird gewährleistet, dass das Familien- oder das Betreuungsgericht im Interesse des Betroffenen die erforderlichen Maßnahmen, z.B. die Anordnung einer Vormundschaft (§ 1773 BGB), einer Betreuung (§ 1896 BGB) oder einer Pflegschaft (§§ 1909 ff. BGB), überhaupt ergreifen kann. Gerade auch in Ehesachen und Familienstreitsachen kann ein solches Bedürfnis entstehen, weshalb diese nicht ausgenommen sein dürfen.

8. Zu Artikel 6 (§§ 158,174FamFG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Regelungen zur Bestellung von Verfahrensbeiständen für minderjährige Kinder in den §§ 15 8 und 174, insbesondere hinsichtlich der weit gefassten Regelbeispiele und der Vergütungsregelungen, zu überprüfen.

Begründung:

Mit der Reform des Verfahrens in Familiensachen hat zum 1. September 2009 in Kindschaftssachen ( § 158 FamFG) und in Abstammungssachen (§ 174 FamFG) das Institut des Verfahrensbeistandes die bis dahin geltende Regelung des Verfahrenspflegers für minderjährige Kinder (§ 50 FGG) abgelöst. Gleichzeitig wurden sowohl die Bestellungsgründe als auch der Aufgabenkreis des Verfahrensbeistandes gegenüber dem des Verfahrenspflegers ausgeweitet.

Der Bundesrat hatte hiergegen bereits im Gesetzgebungsverfahren erhebliche Bedenken vorgetragen; vgl. hierzu im Einzelnen BR-Drs. 309/07(B) HTML PDF , Ziffer 53; BT-Drs. 016/6308, S. 376 ff. Insbesondere hatte er die aufgrund der in der Neuregelung aufgeführten, sehr weit gefassten Regelbeispiele zu erwartende Steigerung der Bestellungszahlen kritisiert. Die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des Rechtsinstituts des Verfahrenspflegers im Jahre 1997 war eigentlich, dass die Bestellung - gerade auch wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Elternrecht - nur in Ausnahmefällen, nämlich bei einem "schwerwiegenden Interessenkonflikt in einer für das weitere Schicksal des Kindes bedeutsamen Angelegenheit" in Frage kommen sollte (vgl. BT-Drs. 013/4899, S. 130). Der Deutsche Bundestag hat den Bedenken des Bundesrats zwar teilweise Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 016/9733, S. 74 f. u. 294), gleichwohl hat die Neuregelung entgegen den Annahmen der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 016/6308, S. 415) zu einer substanziellen Ausweitung der Bestellungszahlen geführt.

Ausweislich der Bundesstatistik zu den Verfahrenszahlen in Familiensachen hat sich die Bestellung von Verfahrensbeiständen seit der Reform vervielfacht:

Jahr2005200620072008Jan.-Aug.
2009*
2010
Amtsgerichte8.76512.52513.65718.12514.409
erweiterter Aufgaben kreis17.233
ohne erweiterten Auf gabenkreis28.003
Oberlandesgerichte456599587760601
erweiterter Aufgaben kreis354
ohne erweiterten Auf gabenkreis983
Gesamt9.23013.12414.24418.88515.01046.573

Damit verbunden ist gleichzeitig eine überproportionale Steigerung der Kosten für die Justizhaushalte und die Verfahrensbeteiligten. Der Verfahrensbeistand erhält bei berufsmäßiger Führung der Beistandschaft für jedes Kind und für jede Instanz eine Pauschale von 350 Euro, bei erweitertem Aufgabenkreis von 550 Euro ( § 158 Absatz 7 FamFG). Im Jahr 2010 machten dies auf der Grundlage der obigen Zahlen eine Gesamtsumme von 25 615 150 Euro aus. Im Jahr 2011 sind die Bestellungszahlen und damit auch die Kosten nach Mitteilungen der Länder noch einmal um 75 Prozent gegenüber 2010 angestiegen, liegen also inzwischen bei ca. 44 Millionen Euro.

Diese Vergütung ist zunächst aus der Staatskasse zu bezahlen, zählt aber zu den Kosten des Verfahrens, die von den Beteiligten erhoben werden können (vgl. BT-Drs. 016/6308, S. 416). Für die Verfahrensbeteiligten, die keine Verfahrenskostenhilfe erhalten - was allerdings in Familiensachen in der überwiegenden Zahl der Verfahren der Fall ist -, birgt die Bestellung eines Verfahrensbeistandes deshalb ein erhebliches Kostenrisiko (vgl. hierzu die Berechnungen bei Viefhus, FamRZ 2010, 2064 f.). Soweit die Staatskasse die Kosten zu tragen hat, hat dies bereits zu einer Vervielfachung der diesbezüglichen Ausgaben in den Landesjustizhaushalten geführt.

Zu einem Anstieg der Kosten für den Verfahrensbeistand trägt auch die Systematik der Neuregelungen bei, die dazu führt, dass ein Verfahrensbeistand nach der Rechtsprechung in verschiedenen Fallkonstellationen auch dann mehrfach die volle Pauschalvergütung erhält, wenn er in derselben Sache inhaltlich bereits tätig geworden ist:

In allen diesen Fällen bedarf die Vergütungsregelung der Überprüfung, da der Verfahrensbeistand aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit für seine weiteren Aufgaben deutlich weniger Aufwand hat, z.B. weil er bei Geschwisterkindern nur einmal mit den Eltern sprechen muss oder weil er die Erkenntnisse aus dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Hauptsacheverfahren vollständig übernehmen kann und keine erneuten Gespräche führen muss. Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers, die Vergütung des Verfahrensbeistandes an der Vergütung eines Rechtsbeistandes zu orientieren (vgl. BT-Drs. 016/9733, S. 294) sollte in diesen Fällen eine Anrechnung der bisherigen Tätigkeit des Verfahrensbeistandes bei der Vergütung für weitere Verfahren erfolgen, z.B. durch Einführung einer Mehrvertretungsgebühr angelehnt an Nummer 1008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die Ausweitung der Bestellungen von Verfahrensbeiständen nach Mitteilung einiger Gerichte in bestimmten Bereichen eine Verlagerung von Aufgaben stattgefunden hat. Die Verfahrensbeistände erbrächten dort zunehmend Leistungen, wie z.B. Abgabe eines Berichts über die familiäre Situation des Kindes, die bislang zu dem Aufgabenbereich der Jugendämter zählten, von diesen aber aufgrund der engen zeitlichen Vorgaben ( § 155 FamFG) und der personellen Besetzung nicht mehr erfüllt werden können.

Es bedarf deshalb einer umfassenden Überprüfung der Regelungen zum Verfahrensbeistand, insbesondere hinsichtlich der weit gefassten Regelbeispiele und der Vergütungsregelungen.

9. Zu Artikel 6 Nummer 19a - neu - ( § 298 FamFG)

Nach Artikel 6 Nummer 19 ist folgende Nummer 19a einzufügen:

'19a. § 298 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Das Genehmigungsverfahren für Entscheidungen nach § 1904 Absatz 1 und 2 BGB ist in § 298 Absatz 1 und 2 FamFG uneinheitlich ausgestaltet. Während für Genehmigungen nach § 1904 Absatz 1 BGB die vorherige persönliche Anhörung des Betroffenen, die Anhörung der sonstigen Beteiligten und - auf Verlangen des Betroffenen - auch die Anhörung ihm nahestehender Personen als gesetzliches Pflichtprogramm des Genehmigungsverfahrens vorgesehen sind (§ 298 Absatz 1 Satz 1 bis 3 FamFG), beschränkt sich die das Genehmigungsverfahren für Entscheidungen nach § 1904 Absatz 2 BGB betreffende Verfahrensvorschrift auf die Anhörung der sonstigen Beteiligten (§ 298 Absatz 2 FamFG). Es wird deshalb in der Literatur vertreten, dass die persönliche Anhörung bei Genehmigungen nach § 1904 Absatz 2 BGB nicht zwingend erforderlich sei (so etwa Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, 5. Auflage 2011, § 298 Rnr. 52).

Die einer Entscheidung nach § 1904 Absatz 2 BGB zugrundeliegenden Sachverhalte, in denen der Betreuer in eine besonders folgenschwere Maßnahme nicht einwilligt oder die Einwilligung widerruft, unterscheiden sich allerdings in ihrer qualitativen Ausprägung weder für den Betroffenen noch für die übrigen Beteiligten von denjenigen des § 1904 Absatz 1 BGB (vgl. auch Keidel/Budde, 17. Auflage 2011, § 298 Rnr. 9). Auch die Entwurfsbegründung enthält keine Anhaltspunkte dafür, zwischen den Genehmigungen nach § 1904 Absatz 1 und 2 BGB zu differenzieren. Die heute geltende Gesetzesfassung des § 298 FamFG beruht auf der vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vorgeschlagenen Fassung im Rahmen des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (vgl. BT-Drs. 016/13314, S. 15). Die dem Rechtsausschuss dazu vorliegenden Entwürfe bezogen sich noch auf die Vorgängerregelung in § 69d FGG, die allerdings zum damaligen Zeitpunkt bereits durch § 298 FamFG des am 17. Dezember 2008 beschlossenen, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ersetzt worden war (vgl. BGBl. I S. 2586, 2640). Sowohl der Entwurf der Abgeordneten Stünker u.a. als auch derjenige der Abgeordneten Bosbach u.a. wie auch der Abgeordneten Zöller u.a. sah für beide Genehmigungsfälle des § 1904 BGB die persönliche Anhörung des Betroffenen, die Anhörung der Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Pflegeeltern und der Kinder sowie einer ihm nahestehenden Person vor (zum Entwurf der Abgeordneten Stünker u.a. BT-Drs. 016/8442, S. 5 und 19; zum Entwurf der Abgeordneten Bosbach u.a. BT-Drs. 016/11360, S. 6 und 26; zum Entwurf der Abgeordneten Zöller u.a. BT-Drs. 016/11493, S. 6 und 12). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages befand in der Begründung seiner Beschlussempfehlung, dass die von ihm auf dieser Grundlage vorgeschlagene Gesetzesfassung von § 298 FamFG "im Wesentlichen inhaltlich identisch mit den im ursprünglichen Artikel 2 vorgesehenen Änderungen des FGG" sei (BT-Drs. 016/13314, S. 21).

Zur Herstellung des nach dem Willen des Gesetzgebers angestrebten Gleichlaufs im Genehmigungsverfahren ist deshalb § 298 Absatz 1 Satz 1 FamFG um die Genehmigung im Fall des § 1904 Absatz 2 BGB zu erweitern. § 298 Absatz 1 Satz 2 FamFG enthält eine klarstellende Ergänzung. Die gesonderte Regelung in Absatz 2 wird dadurch entbehrlich. Die in § 298 Absatz 3 FamFG bislang enthaltene Beschränkung, einen Verfahrenspfleger nur in Fällen des § 1904 Absatz 2 BGB bestellen zu müssen, wird auf die Fälle des § 1904 Absatz 1 BGB erweitert. Mit der in Satz 2 neu hinzugefügten entsprechenden Anwendung von § 276 Absatz 4 FamFG wird der Fallgestaltung Rechnung getragen, dass die Interessen des Betroffenen bereits anderweitig im Verfahren durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden. Der zusätzlichen Bestellung eines Verfahrenspflegers bedarf es in einem solchen Fall nicht.

10. Zu Artikel 8 Nummer 2 ( § 5b GKG), Artikel 9 Nummer 1 (§ 1b KostO), Artikel 10 Nummer 2 (§ 8a FamGKG), Artikel 11 Nummer 2 (§ 3a GvKostG), Artikel 13 Nummer 2 ( § 4c JVEG) und Artikel 14 Nummer 2 ( § 12c RVG)

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht eine Belehrungspflicht auch über Rechtsbehelfe gegen Kostenrechnungen und jede sonstige anfechtbare kostenrechtliche Entscheidung sowie gegen Festsetzungsentscheidungen nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz vor und unterscheidet dabei nicht zwischen befristeten oder unbefristeten Rechtsbehelfen.

Erinnerungen und Beschwerden gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG, § 57 FamGKG, § 14 KostO und § 5 GvKostG, die Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung nach § 67 GKG und § 58 FamGKG, der Antrag auf gerichtliche Festsetzung und die hiergegen statthafte Beschwerde nach § 4 JVEG sowie die Erinnerung nach § 56 RVG sind unbefristet zulässig. Die Erinnerung gegen die Kostenberechnung eines Notars nach § 156 Absatz 1 KostO unterliegt ebenfalls keiner Frist. Zwar sieht § 156 Absatz 2 KostO eine Rügepräklusion mit Ablauf eines Jahres nach Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung nach § 155 KostO vor. In den wenigsten Fällen wird der Notar jedoch sogleich eine vollstreckbare Ausfertigung der Kostenberechnung an den Kostenschuldner zustellen. Vielmehr wird er ihm zunächst eine einfache Rechnung zukommen lassen.

Ein betroffener Bürger, der Einwendungen gegen eine gerichtliche oder notarielle Kostenrechnung oder gegen die Höhe der ihm ausgezahlten Entschädigung oder Vergütung nach dem JVEG hat, wird diese regelmäßig zeitnah gegenüber dem Gericht (Kostenbeamten) oder dem Notar vorbringen. Unklarheiten können dann oft ohne großen bürokratischen Aufwand geklärt werden. Wo dies nicht möglich ist, werden Eingaben bereits jetzt großzügig als jeweils statthafter und das Rechtsschutzziel des Betroffenen am meisten treffender Rechtsbehelf ausgelegt. Angesichts der fehlendenden Fristbindung droht dem Betroffenen kein Rechtsverlust. Vor diesem Hintergrund ist eine zwingend vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung über unbefristete Rechtsbehelfsmöglichkeiten in Kostensachen zur wirksamen Rechtsdurchsetzung nicht geboten. Sie wäre vielmehr möglicherweise sogar dem Rechtsfrieden abträglich, denn der vorbeschriebene Filter der formlosen Klärung von Fragen und Unstimmigkeiten droht zu entfallen, sollten Betroffene durch die Rechtsbehelfsbelehrung zu der Fehlvorstellung gelangen, sie müssten sogleich einen förmlichen Rechtsbehelf einlegen, damit ihnen überhaupt rechtliches Gehör gewährt wird. Hierdurch stiege die Zahl der ohne jede Aussicht auf Erfolg eingelegten Rechtsbehelfe und damit auch die Belastung der Gerichte.

Das mit einer unbeschränkten Rechtsbehelfsbelehrungspflicht in Kostensachen möglicherweise einhergehende Mehr an Transparenz für den Bürger stünde jedenfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem zusätzlichen Aufwand und den Kosten, die verursacht werden, wenn nicht nur jede befristet anfechtbare Entscheidung, sondern auch jede Kostenrechnung - einschließlich solcher im automatisierten Mahnverfahren - und jede Anforderung einer Vorauszahlung, eines Vorschusses oder einer Aktenversendungspauschale sowie jede Festsetzung nach dem JVEG mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen sind.

Zu berücksichtigen ist dabei nicht nur der einmalige Umstellungsaufwand durch die Anpassung der Fachanwendungen, sondern auch der laufende Mehraufwand an Papier-, Druck- und Portokosten.

Noch weniger besteht ein praktischer Bedarf oder ein schutzwürdiges Interesse an einer Belehrung des ohnehin rechtskundigen Rechtsanwalts über die Rechtsbehelfsmöglichkeit des § 56 Absatz 1 RVG.

Im Bereich der Kostengesetze sollte die Belehrungspflicht daher auf befristete Rechtsbehelfe und bei der Erinnerung nach § 156 Absatz 1 KostO auf den Fall der Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung, welche die Präklusionsfrist des § 156 Absatz 2 KostO in Lauf setzt, beschränkt werden.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Insoweit geht der Gesetzentwurf über den Beschluss der 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 23./24. Juni 2010 hinaus, der sich für die Einführung von Rechtsbehelfsbelehrungen jedenfalls in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist und bei denen die Entscheidungen nur befristet anfechtbar sind, ausgesprochen hatte.