Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 10. August 2007
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 21.09.07

Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch [...], wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202, 2006 I S. 431), zuletzt geändert durch [...], wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch [...], wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Änderung der Kostenordnung

Artikel 5
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Dem Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494, 1997 I S. 1061), das zuletzt durch [...] geändert worden ist, wird folgender § 16 angefügt:

" § 16 Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Artikel 6
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Anlass und Gegenstand der Gesetzesänderung

Durch die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist es heute möglich, die Abstammung eines Kindes im Rahmen einer genetischen Abstammungsuntersuchung schnell und zuverlässig zu klären. Die technischen Möglichkeiten der modernen Gendiagnostik werden zunehmend von privaten Laboren genutzt, die zum Teil offensiv für die Durchführung genetischer Abstammungstests (Vaterschaftstests) werben. Auftraggeber dieser privaten Vaterschaftstests sind meist Männer, die Zweifel an ihrer Vaterschaft hegen; gelegentlich werden die Untersuchungen auch von Frauen in Auftrag gegeben, die sich Klarheit über den Vater des Kindes verschaffen wollen. Da für die genetische Untersuchung bereits geringe Mengen einer Körpersubstanz (z.B. Haare, Speichel) genügen und diese leicht und unbemerkt zu beschaffen sind, werden genetische Abstammungsuntersuchungen häufig ohne Kenntnis und Zustimmung der betroffenen Person vorgenommen.

Mit zwei Urteilen vom 12. Januar 2005 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass solche heimlich eingeholten DNA-Gutachten das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung verletzen und daher im Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft nicht verwertet werden dürfen (BGHZ 162, 1 ff. =FamRZ 2005, 340 ff., und FamRZ 2005, 342 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 13. Februar 2007 diese Rechtsprechung bestätigt (FamRZ 2007, 441 ff.).

Die derzeitige Rechtslage trägt den Möglichkeiten der modernen Gendiagnostik nicht ausreichend Rechnung. Zweifelt ein Vater an der biologischen Herkunft seines Kindes, so kann er die Frage der Abstammung gegen den Willen des Kindes bzw. der Kindesmutter nur klären, indem er ein Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft betreibt. Dabei ist der anfechtungsberechtigte Vater stets gezwungen, die Vaterschaft ausdrücklich und positiv zu bestreiten. Hierdurch kann sich die Auseinandersetzung verschärfen und die Familie in ihrem sozialen Bestand gefährdet werden. Um einen angemessenen Ausgleich der betroffenen Grundrechte - insbesondere des Rechts auf Kenntnis der Abstammung und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung - zu gewährleisten, sollen die anfechtungsberechtigten Personen (Vater, Mutter, Kind) - entsprechend dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 (S. 123) - eine legale Möglichkeit erhalten, die Abstammung unabhängig vom Anfechtungsverfahren zu klären. Damit wird auch dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber in der Entscheidung vom 13. Februar 2007 (FamRZ 2007, 441 ff.) Rechnung getragen. Hiernach ist dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. März 2008 ein rechtsförmiges Verfahren bereitzustellen, in dem die Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater unabhängig von einer Anfechtung der Vaterschaft geklärt werden kann. Die hier vorgeschlagene Regelung zur Einführung eines solchen Verfahrens soll den Dialog in der Familie und der Gesellschaft fördern, die Familie in ihrem sozialen Bestand schützen und die Einschaltung von Gerichten möglichst vermeiden.

II. Bestehendes Recht

1. Vaterschaft

Der Begriff der Abstammung knüpft an die genetische Verbindung zweier Menschen an. Gleichwohl enthält das Recht Vorschriften, die dem Kind - unabhängig von seiner biologischen Herkunft - eine Mutter bzw. einen Vater im Rechtssinn zuordnen. Ziel dieser Regelungen sind klare Statusverhältnisse, die den Streit insbesondere um die Vaterschaft auf die zugelassenen Statusverfahren begrenzen sollen (Rechtsausübungssperren). Vater im Rechtssinn ist nach den Zuordnungstatbeständen des § 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erstens der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Kindesmutter verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB), zweitens der Mann, der die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB), und drittens der Mann, dessen Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde (§ 1592 Nr. 3 BGB). Diese Zuordnungstatbestände knüpfen an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater erfassen, von dem das Kind biologisch abstammt. Gleichwohl kann im Einzelfall die rechtliche Vaterschaft, vor allem wenn sie durch eheliche Geburt oder durch Anerkennung begründet wurde, von der biologischen Vaterschaft abweichen. Bei der Vereinheitlichung des Abstammungsrechts mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz wurde bewusst davon abgesehen, auf den Zuordnungstatbestand der ehelichen Geburt zu verzichten (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts, BT-Drs. 013/4899 S. 52).

2. Private genetische Abstammungsuntersuchung

Die Zulässigkeit heimlicher Abstammungsuntersuchungen ist bislang nicht ausdrücklich geregelt. Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben in den Urteilen vom 12. Januar 2005 (FamRZ 2005, 340 ff.; FamRZ 2005, 342 ff.) und vom 13. Februar 2007 (FamRZ 2007, 441 ff.) entschieden, dass DNA-Tests, die ohne Wissen und Einwilligung des betroffenen Kindes bzw. dessen gesetzlichen Vertreters eingeholt werden, nicht als Beweismittel im gerichtlichen Verfahren verwertet werden dürfen, weil sie das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) verletzen und daher rechtswidrig sind. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Daten offenbart werden (BVerfGE 65, 1 [42]; 78, 77 [84]; 84, 192 (194); BVerfG FamRZ 2007, 441 ff.). Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nur zulässig, wenn die betroffene Person einwilligt oder ein Gesetz den Eingriff ohne oder gegen den Willen des Betroffenen erlaubt. Will der rechtliche Vater seine Zweifel an der Abstammung des Kindes durch eine genetische Abstammungsuntersuchung klären, so muss er nach dem geltenden Recht die Einwilligung des Kindes bzw. die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des Kindes einholen.

3. Anfechtung der Vaterschaft

Stimmt das Kind bzw. sein gesetzlicher Vertreter einer privaten Abstammungsuntersuchung nicht zu, so bleibt dem zweifelnden Vater die Möglichkeit, seine Vaterschaft unter Darlegung begründeter Zweifel anzufechten. Im Rahmen des Anfechtungsverfahrens wird die Frage der biologischen Abstammung unabhängig vom Einverständnis des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters geklärt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben wird, die rechtliche Vaterschaft mit ihren Rechtsfolgen zu beseitigen. Dabei stellt die Rechtsprechung im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung bestimmte Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers, um missbräuchliche Anfechtungen "ins Blaue hinein" zu verhindern. Der Kläger muss hierfür substantiiert Umstände vortragen, die Zweifel an der Abstammung begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollen allerdings an die Darlegung derartiger Umstände keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist nicht erforderlich, dass die vorgetragenen Umstände die Nichtvaterschaft wahrscheinlich oder gar überwiegend wahrscheinlich machen. Es genügt, wenn sie bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken und die Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen (vgl. BGH, NJW 1998, 2976).

4. Änderungsbedarf

Die derzeitige Rechtslage trägt dem Recht auf Kenntnis der Abstammung nicht ausreichend Rechnung. Der zweifelnde Vater hat derzeit nur die Möglichkeit, die Frage der Abstammung gegen den Willen der Kindesmutter zu klären, wenn er die Vaterschaft unter Darlegung objektiver Zweifel anficht. Das widerspricht dem Recht eines Mannes auf Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt. Dieses Recht ist - wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2007 (FamRZ 2007, 441 ff.) festgestellt hat - aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Hierzu gehört auch, dass in einem rechtsförmigen Verfahren die Abstammung eines Kindes geklärt werden kann. Das Anfechtungsverfahren nach den §§ 1600 ff. BGB trägt dem nicht in verfassungsgemäßer Weise Rechnung. Denn das Anfechtungsverfahren geht über das Begehren nach Kenntnis der Abstammung hinaus (BVerfG FamRZ 2007, 441 ff., unter B II). Es entspricht in vielen Fällen weder den Interessen der Beteiligten, noch dem Rechtsschutzbedürfnis des zweifelnden Vaters. Aufgrund des Klageziels birgt das Anfechtungsverfahren die Gefahr, Konflikte in der Familie zu verschärfen, und bietet den Vätern, die lediglich Gewissheit über die Frage der Abstammung haben wollen, nicht aber die Vaterschaft rechtlich in Frage stellen, keine sinnvolle Lösung. Darüber hinaus bestätigen DNA-Gutachten die Vaterschaft überwiegend - nach den derzeitigen Erkenntnissen in über 80% der Fälle. Einer britischen Untersuchung (Bellis u. a., Measuring paternal discrepancy and its public health consequences, J. Epidemial Community Health 2005, 749 ff.) zufolge beträgt die Quote der Kinder, die nicht von ihrem rechtlichen Vater abstammen, sogar nur 3,7 %. Diese deutlich niedrigere Zahl ergibt sich daraus, dass die Untersuchung auch die Ergebnisse von DNA-Tests berücksichtigt, die nicht aufgrund von Zweifeln an der Abstammung, sondern aus anderen Gründen durchgeführt wurden (z.B. zur Aufdeckung von erblich bedingten Krankheiten). Da sich Zweifel an der biologischen Vaterschaft im Ergebnis überwiegend nicht bestätigen, erscheint es sinnvoll, sie unabhängig von einem für die Familienmitglieder belastenden Anfechtungsverfahren beseitigen zu können. Das Anfechtungsrecht stellt zudem mit der Anfechtungsfrist von zwei Jahren und den oben genannten Anforderungen an die Schlüssigkeit einer Anfechtungsklage Voraussetzungen auf, die durch das Ziel des Verfahrens - rechtliche Trennung von dem Kind - begründet sind. Sie sind für ein Verfahren, das allein auf Klärung der Vaterschaft gerichtet ist, nicht erforderlich und werden dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse auch nicht gerecht (BVerfG FamRZ 2007, 441 ff., unter B II, FamRZ 2007, 441 ff.).

III. Ausländisches Recht

Der europäische Rechtsvergleich zeigt, dass die Durchführung genetischer Abstammungsuntersuchungen in der Mehrzahl der Länder Probleme bereitet. In manchen Ländern existieren bereits Regelungen, die auf die neuen Möglichkeiten der modernen Gendiagnostik abgestimmt sind, oder es wird derzeit ein Gesetzgebungsverfahren durchgeführt. Während die Regelungen zur genetischen Abstammungsuntersuchungen unterschiedlich sind, gibt es einen weitgehenden Konsens über die Grundfragen.

Die überwiegende Mehrzahl der europäischen Länder lehnt die Durchführung heimlicher Vaterschaftstests ab. In manchen Ländern sind heimliche Vaterschaftstests ausdrücklich verboten (z.B. Luxemburg) oder aufgrund eines gesetzlich verankerten Einwilligungserfordernisses ausgeschlossen (z.B. Frankreich, Niederlande, Schweiz). Die Regelungen sind teilweise im Datenschutzrecht (z.B. Italien) verankert, teilweise auch im Zivilrecht (Frankreich, Niederlande) oder im Familienrecht (Irland, Finnland). In anderen Ländern fehlen Vorschriften über die Durchführung genetischer Abstammungsuntersuchungen. Hierzu gehören die Länder Österreich, Belgien, Estland, Tschechien und Ungarn. In Österreich wird die Durchführung heimlicher Vaterschaftstests wegen Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht für unzulässig gehalten. Demgegenüber ist nach Einschätzung der Justizministerien von Tschechien, Belgien, Estland und Ungarn nicht sicher, ob heimliche DNA-Tests dort mangels gesetzlicher Regelung zulässig sind. In Tschechien und Belgien wurden jedoch bereits Gesetzesinitiativen erörtert, die ein Einwilligungserfordernis vorsehen.

Die meisten europäischen Länder stellen hohe Anforderungen an die Beweistauglichkeit einer Abstammungsuntersuchung, die im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung bzw. Anfechtung der Vaterschaft verwertet werden soll. Private Abstammungsuntersuchungen sind in vielen Ländern nicht zugelassen. Die genetische Untersuchung muss hier durch ein Gericht angeordnet und von einem staatlich anerkannten Labor durchgeführt werden (u. a. Österreich, Griechenland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Irland, Estland, Ungarn). Die beauftragten Labore gewährleisten eine ordnungsgemäße Durchführung und unterstehen zum Teil einer strengen staatlichen Aufsicht (z.B. Estland, Großbritannien, Dänemark). Darüber hinaus wird neben der richterlichen Anordnung zum Teil (z.B. Italien und Irland) eine Einwilligung der betroffenen Person verlangt. Wird die Einwilligung verweigert, kann das Gericht dies zwar im Rahmen der Beweiswürdigung werten, nicht aber die Einwilligung ersetzen. In manchen europäischen Ländern werden dagegen auch private Abstammungsuntersuchungen als Beweismittel zugelassen, sofern sie mit Einwilligung der betroffenen Person vorgenommen wurden (Niederlande, Dänemark, Schweiz). Nur in Ungarn, Belgien und Tschechien war nach Auskunft der dortigen Justizministerien unklar, ob die Gerichte ein heimlich eingeholtes Abstammungsgutachten als Beweismittel zulassen würden. Dies wurde jedoch mit Blick auf die ungesicherte Herkunft und Zuverlässigkeit eines solchen Tests für unwahrscheinlich gehalten. Darüber hinaus wurden sowohl in Belgien als auch in Tschechien bereits gegenläufige Gesetzesinitiativen ergriffen. Regelungen, die einen Anspruch auf Einwilligung in die Durchführung einer privaten genetischen Abstammungsuntersuchung vorsehen, sind bisher nicht bekannt geworden.

IV. Grundzüge des Entwurfs

Die vorgeschlagene Lösung soll die widerstreitenden Grundrechte der Beteiligten, insbesondere das Recht auf Kenntnis der Abstammung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in einen angemessenen Ausgleich bringen. Zugleich sollen die vorgeschlagenen Regelungen im Interesse des Kindeswohls und des Schutzes von Ehe und Familie die Dialogbereitschaft in der Familie und die Bereitschaft zur außergerichtlichen Einigung fördern.

V. Haltung der Landesjustizverwaltungen sowie der beteiligten Fachkreise und Verbände

Zur Vorbereitung des Gesetzentwurfs hat das Bundesministerium der Justiz im Mai 2007 den Landesjustizverwaltungen und den am Vorhaben interessierten Fachkreisen und Verbänden den Referentenentwurf übersandt. Von der Möglichkeit zur Stellungnahme wurde reger Gebrauch gemacht. Die überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen hat das Gesetzesvorhaben zur Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 13. Februar 2007 begrüßt und den Handlungsbedarf bekräftigt. Die gerichtliche Praxis hat allerdings in der Mehrzahl der Fälle darauf hingewiesen, dass durch das neue Klärungsverfahren eine Mehrbelastung der Familiengerichte zu erwarten sei und im Hinblick auf die in Familiensachen besonders häufige Gewährung von Prozesskostenhilfe auch mit einer erhöhten finanziellen Belastung zu rechnen sei. Mehrfach wurde gefordert, in das Gesetz Qualitätsanforderungen an das von den Parteien privat einzuholende Abstammungsgutachten aufzunehmen. Während die Kindesschutzklauseln in § 1598a Abs. 3 BGB-E und § 1600 Abs. 5 BGB-E mehrheitlich begrüßt oder zumindest im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als unvermeidlich angesehen wurden, ist in vielen Stellungnahmen der auslegungsbedürftige Begriff der "erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls" als zu unbestimmt kritisiert worden. Problematisiert wurde im Hinblick auf § 1600 Abs. 5 BGB-E auch die Gefahr einer "Kettenanfechtung" mit daraus resultierender mehrfacher Belastung des Kindes, wenn das Kindeswohl der Anfechtung über mehrere Jahre entgegensteht. Dieser Kritik wird im vorliegenden Gesetzesentwurf Rechnung getragen. Die in § 1600b Abs. 7 BGB-E vorgesehene Ausnahme von der Anfechtungsfrist ist in den Stellungnahmen sehr unterschiedlich gewertet worden: entweder als gelungene Wahrung der Interessen der Väter oder als unnötige "Aufweichung" der Anfechtungsfrist. Aus der gerichtlichen Praxis wurden häufig Bedenken dagegen geäußert, im Klärungsverfahren eine regelmäßige Kindesanhörung vorzusehen.

Diese Bedenken berücksichtigt der vorliegende Entwurf.

VI. Gesetzgebungszuständigkeit

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Artikel 1 und 5 des Entwurfs betreffen dabei "bürgerliches Recht", die Artikel 2, 3 und 4 betreffen das "gerichtliche Verfahren".

VII. Prinzip des "Gender Mainstreaming" / Recht der Europäischen Union

Das Prinzip des "Gender Mainstreaming" wurde bei der Erstellung des vorliegenden Gesetzesentwurfs berücksichtigt. Die Klärung der Vaterschaft dient der Verwirklichung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG) und liegt wegen der weit reichenden Folgen der Vaterschaft im Interesse der primär betroffenen und ggf. anfechtungsberechtigten Personen (rechtlicher Vater, Mutter, Kind). Der vorgeschlagene Anspruch auf Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung steht dementsprechend diesen Personen gleichermaßen zu. Eine Benachteiligung von Frauen ist damit nicht verbunden.

Das Recht der Europäischen Union ist nicht berührt.

VIII. Finanzielle Auswirkungen

Die neue Antragsmöglichkeit zur Durchführung von Abstammungsgutachten wird zu zusätzlichen Verfahren bei den Familiengerichten, Oberlandesgerichten und eventuell auch beim Bundesgerichtshof führen. Dabei sind insbesondere folgenden Entwicklungen zu erwarten: Der vorgeschlagene Anspruch auf Einwilligung in die Abstammungsbegutachtung dürfte wegen seiner niedrigen Anspruchsvoraussetzungen in erster Linie Klarstellungsfunktion entfalten und die Betroffenen dazu anhalten, sich überwiegend außergerichtlich zu einigen. Die Bereitschaft zu außergerichtlichen Lösungen kann darüber hinaus durch ein von den Ländern einzuführendes Beratungsangebot der Jugendhilfe gefördert werden. Die Anzahl der gerichtlichen Verfahren nach § 1598a BGB-E dürfte aus diesen Gründen gering bleiben.

Darüber hinaus wird die Klärung der Abstammung durch ein Privatgutachten häufig das Anfechtungsverfahren entbehrlich machen, weil die Abstammungsuntersuchung die Vaterschaft bestätigt. Gegenwärtig soll dies bei rund 80 % der Privatgutachten, die wegen Zweifeln an der Vaterschaft eingeholt wurden, der Fall sein. Eine Prognose, wie sich dies im Einzelnen auf die Zahl der gerichtlichen Verfahren und damit auf die Kosten für Bund, Länder und Kommunen (Mitwirkung der Jugendämter) auswirkt, ist nicht möglich. Die vorgeschlagenen Regelungen beschränken sich auf das Familienrecht und werden daher weder Kosten für die Wirtschaft verursachen noch Auswirkungen auf Einzelpreise oder Preisniveau haben.

IX. Bürokratiekosten

Nach § 1598a Abs. 4 BGB-E können Personen, die zur Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung eine genetische Probe abgegeben haben, von der Person, die die Einwilligung in die Untersuchung und die Duldung der Probeentnahme verlangt hat, Einsicht in das erstellte Abstammungsgutachten und Aushändigung einer Abschrift verlangen. Damit wird eine Informationspflicht für Bürgerinnen und Bürger begründet. Für Unternehmen sowie die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)

Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)

In die Inhaltsübersicht wird der neue § 1598a BGB-E aufgenommen.

Zu Nummer 2 ( § 194 BGB)

Ebenso wie nach dem geltendem § 194 Abs. 2 BGB die Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, die auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustand für die Zukunft gerichtet sind, sollen auch die Ansprüche auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung nach § 1598a Abs. 1 BGB-E nicht der Verjährung unterliegen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Anspruch auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung der Vorbereitung der Anfechtung der Vaterschaft dienen kann, die als Gestaltungsrecht ebenfalls nicht der Verjährung unterliegt. Zudem können sich Zweifel an der Vaterschaft auch noch Jahrzehnte nach der Entstehung des Anspruchs mit der Geburt des Kindes ergeben und zum Beispiel zur Klärung von Erb- und Pflichtteilsberechtigungen von Bedeutung sein.

Zu Nummer 3 ( § 1598a BGB)

Zu Nummer 4 ( § 1600 BGB)

Die Anfechtungsberechtigung soll zum Schutz des Kindes durch einen neuen Absatz 5 eingeschränkt werden. Dies ist erforderlich, weil durch den neuen Anspruch auf Klärung der Abstammung sehr viel leichter als bisher die Kenntnis erworben werden kann, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Vater ist. Wegen der weit reichenden Folgen der Anfechtung, die die Belange des Kindes in erheblichem Maße beeinträchtigen kann, muss hier ein Korrektiv geschaffen werden, das in Ausnahmefällen die Anfechtung ausschließen kann.

Dabei sollen z.B. Fälle erfasst werden, in denen wegen der Dauer der rechtlichen und sozialen Bindung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater sowie der besonderen Lebenssituation und Entwicklungsphase, in der das Kind sich gerade befindet, eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls zu befürchten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 441 ff., unter C I 2). Finanzielle Interessen des Kindes (z.B. Sicherung von Unterhaltsansprüchen) dürften hingegen in der Regel nicht als erhebliche Beeinträchtigung gewertet werden können. Es ist nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften über die rechtliche Vaterschaft, einen bestimmten Lebensstandard zu garantieren.

Da es anders als beim Klärungsanspruch um die bindende Feststellung der rechtlichen Vaterschaft oder Nichtvaterschaft geht und in einem solchen Statusverfahren dem Grundsatz der Rechtssicherheit besondere Bedeutung zukommt, soll in einem solchen Härtefall nicht nur das Verfahren ausgesetzt, sondern die Anfechtungsklage abgewiesen werden. Dem Kläger bleibt es jedoch nach Absatz 5 Satz 2 unbenommen, nach Wegfall der Härtegründe die Vaterschaft erneut anzufechten. In diesem Fall beginnt auch die Anfechtungsfrist mit der Rechtskraft des abweisenden Urteils erneut zu laufen. In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass Ausnahmesituationen, die zu einem Anfechtungsausschluss nach Absatz 5 Satz 1 führen, lediglich vorübergehend sind. Es sind allerdings auch seltene Konstellationen denkbar, die zu einer länger andauernden Unzumutbarkeit führen können, beispielsweise eine besonders langwierige, schwere Erkrankung des Kindes. Steht bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, etwa aufgrund eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens, mit großer Wahrscheinlichkeit fest, dass die Unzumutbarkeit für das Kind auch noch nach Ablauf der neu beginnenden Anfechtungsfrist vorliegen wird, soll das Gericht nach Absatz 5 Satz 3 die Möglichkeit erhalten, die Anfechtungsfrist zu verlängern. Damit soll insbesondere das Kind davor geschützt werden, dass der Anfechtungsberechtigte nur um den Ablauf der Anfechtungsfrist zu verhindern, zur Unzeit erneut Anfechtungsklage erheben muss, die das Kind wiederum belastet.

Zu Nummer 5 ( § 1600b BGB)

Zu Buchstabe a)

Nach dem geänderten Absatz 5 wird die Anfechtungsfrist durch ein gerichtliches Verfahren auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung gemäß § 1598a Abs. 2 BGB-E gehemmt.

Aufgrund der Verweisung auf § 204 Abs. 2 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Da das Abstammungsgutachten erst nach erfolgreicher gerichtlicher Geltendmachung eingeholt werden kann, soll die Verweisung sicherstellen, dass die Anfechtungsfrist als echte Überlegungsfrist erhalten bleibt.

Zu Buchstabe b)

Die Änderung der Reihenfolge der Absätze beruht auf dem Gedanken, dass vor der Frage eines Neubeginns einer bereits abgelaufenen Frist zunächst die Frage der Hemmung einer noch laufenden Frist zu prüfen ist.

Zu Buchstabe c)

Für Vater und Kind beginnt nach § 1600b Abs. 7 BGB-E eine neue zweijährige Anfechtungsfrist, wenn sie aufgrund einer genetischen Untersuchung nach § 1598a BGB-E erfahren, dass der Vater nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Ist ein minderjähriges Kind betroffen, gilt dies allerdings nur, sofern nicht die Folgen der Anfechtung das Kindeswohl erheblich beeinträchtigen.

Der Entwurf will damit insbesondere vermeiden, dass sich ein Scheinvater am Ablauf der Frist festhalten lassen muss, wenn dies zu einem schwer erträglichen Ergebnis führt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Vater die Entscheidung gegen eine Vaterschaftsanfechtung auf achtbare Überlegungen stützt, die sich später als falsch erweisen, so zum Beispiel, wenn der Mann die Frist trotz Zweifeln an der fremden Abstammung verstreichen lässt, um die Ehe bzw. die soziale Familie zu retten, diese dann nach Ablauf der Anfechtungsfrist aber gleichwohl auseinander bricht. Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob der Anfechtungsberechtigte bisher nur bestimmte Zweifel an der Vaterschaft hatte oder ob er - etwa durch Äußerungen Dritter - schon mit einiger Sicherheit wusste, dass er nicht der Vater ist. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Fallkonstellationen wäre weder praktikabel noch angemessen. Denn eine wirklich sichere Kenntnis von der Nichtvaterschaft lässt sich regelmäßig nur durch ein Abstammungsgutachten erlangen.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Folgen der Anfechtung das Kindeswohl erheblich beeinträchtigen, ist eine Abwägung erforderlich, die die Belange des Kindes berücksichtigt, insbesondere sein Interesse am Erhalt der sozialen Vater-Kind-Beziehung. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls kann sich beispielsweise aus einer langjährigen, engen Vater-Kind-Beziehung ergeben, deren Verlust dem Kind nunmehr droht. Denkbar sind auch psychische Gründe in der Person des Kindes, die dazu führen können, dass die Beendigung der rechtlichen Vaterschaft das Kind außergewöhnlich belastet (z.B. Suizidgefahr oder Gefahr der gravierenden Verschlechterung einer bereits bestehenden schweren Krankheit).

Finanzielle Interessen des Kindes dürften dagegen in der Regel diese Frage nicht beeinflussen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der erheblichen Kindeswohlbeeinträchtigung und damit dafür, ob die Frist erneut zu laufen beginnt, ist die Kenntnis von dem Ergebnis einer genetischen Untersuchung nach § 1598a BGB-E. Das gilt unabhängig davon, ob die Untersuchung aufgrund einer freiwillig erteilten oder einer vom Gericht ersetzten Einwilligung durchgeführt wurde. Ist die Kindeswohlbeeinträchtigung im maßgeblichen Zeitpunkt zu bejahen, wird im Hinblick auf Sinn und Zweck der Anfechtungsfrist - insbesondere der Schaffung von Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Bestandskraft des rechtlichen Status von Vater und Kind - keine erneute Anfechtungsmöglichkeit gewährt, auch wenn die Kindeswohlbeeinträchtigung später wieder entfallen sollte.

Die Möglichkeit einer Fristdurchbrechung ist dem Vater und dem Kind eröffnet, nicht jedoch der Mutter. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Mutter durch eine Anfechtung der Vaterschaft auf eine rechtliche Beziehung einwirkt, an der sie nicht unmittelbar beteiligt ist. Da die rechtliche Vater-Kind-Beziehung auf die Mutter lediglich mittelbare Auswirkungen hat, ist auch ihrem Interesse, dieses rechtliche Verhältnis zu beenden, nicht dasselbe Gewicht beizumessen wie dem Interesse von Vater und Kind. Das lässt es als angemessen erscheinen, hinsichtlich der Mutter an der einmal abgelaufenen Anfechtungsfrist festzuhalten.

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift kann sich mit dem der in Absatz 5 geregelten Hemmung der Anfechtungsfrist überschneiden. Führt beispielsweise ein Vater, dessen Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen ist, ein Klärungsverfahren mit gerichtlicher Ersetzung der Einwilligung durch, ist die für ihn geltende Anfechtungsfrist zunächst gehemmt. Erfährt er nun durch eine genetische Abstammungsuntersuchung, dass er nicht der leibliche Vater des Kindes ist, so beginnt für ihn auch die Anfechtungsfrist erneut zu laufen, sofern nicht die Folgen der Anfechtung das Wohl des minderjährigen Kindes erheblich beeinträchtigen. Die Frage, ob das Kindeswohl erheblich beeinträchtigt ist, kann jedoch in dieser Konstellation dahingestellt bleiben, weil die Anfechtungsfrist jedenfalls infolge der Hemmung gewahrt ist.

Zu Nummer 6 ( § 1629 BGB)

Durch die vorgesehene Regelung des § 1629 Abs. 2a BGB soll ausgeschlossen werden, dass in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a BGB-E der Vater oder die Mutter die Vertretung des minderjährigen Kindes wahrnehmen. Die spezielle Regelung tritt in diesen Fällen an die Stelle der Vorschriften der §§ 1629 Abs. 2, 1795, 1796 BGB. Der vorgeschlagene Vertretungsausschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass die Eltern durch die Frage der Vaterschaft stets auch in eigenen, möglicherweise von denen des Kindes abweichenden Interessen betroffen sind. Der Vertretungsausschluss soll Interessenkollisionen verhindern und gewährleisten, dass die Interessen des Kindes im Verfahren zur Geltung kommen. Im gerichtlichen Verfahren nach § 1598a BGB-E ist dem minderjährigen Kind daher stets ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Der Vertretungsausschluss des § 1629 Abs. 2a BGB-E beschränkt sich auf das gerichtliche Verfahren. Einigen sich die Eltern außerhalb des gerichtlichen Verfahrens über die Klärung der Abstammung, so ist in der Regel von der Wahrung der Kindesinteressen auszugehen. Tritt im Einzelfall zwischen den Eltern und dem Kind ein erheblicher Interessengegensatz hinsichtlich der Durchführung einer genetischen Abstammungsuntersuchung auf, kann das Familiengericht dem vertretungsberechtigten Elternteil unter den Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 1796 BGB die Vertretungsmacht für die Entscheidung über die Einwilligung des Kindes entziehen und auf einen Ergänzungspfleger übertragen.

Zu Artikel 2 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 ( § 621a Abs. 1 ZPO)

Die Ergänzung in Absatz 1 bestimmt, dass Verfahren nach § 1598a BGB-E - obwohl sie Kindschaftssachen im Sinne des § 621a Abs. 1 Nr. 10 BGB sind - vor dem Familiengericht nach den Grundsätzen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit behandelt werden, soweit sich aus der ZPO und dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nichts anderes ergibt. Für die Anwendung der flexibleren Verfahrensordnung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit spricht, dass sie - anders als das kontradiktorische Verfahren der ZPO mit seinen Beweislastregeln - verschiedene Elemente enthält, die einer Konfliktverschärfung entgegenwirken. So können insbesondere durch den Amtsermittlungsgrundsatz, die Einbindung des Jugendamtes und die Möglichkeiten, das Verfahren gemäß § 52 Abs. 2 FGG auszusetzen, die Interessen des Kindes geschützt und einvernehmliche Lösungen gefördert werden.

Zu Nummer 2 ( § 621e ZPO)

Es handelt sich um Folgeänderungen. In Abweichung von den allgemeinen FGG-Rechtsmitteln findet danach gegen Endentscheidungen, die im ersten Rechtszug in Verfahren nach § 1598a BGB-E ergangen sind, die befristete Beschwerde bzw. die Rechtsbeschwerde statt.

Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass die allgemeine Beschwerde und die Regelungen über die Abänderbarkeit gerichtlicher Entscheidungen nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung finden.

Zu Nummer 3 ( § 640 ZPO)

Die vorgesehene Ergänzung in Absatz 1 stellt klar, dass sich die nachfolgenden Vorschriften des Fünften Abschnitts (§§ 640a bis 641i ZPO) und die entsprechende Anwendung der einzelnen aufgeführten Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht auf die Kindschaftssachen beziehen, die Verfahren nach § 1598a BGB-E betreffen. Für diese gelten nach der vorgesehenen Regelung des § 621a Abs. 1 BGB die Grundsätze des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

In Absatz 2 wird in den Katalog der Kindschaftssachen unter Nummer 2 "die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Untersuchung und die Anordnung der Duldung der Probeentnahme" aufgenommen. Als Folge dieser Änderung wird die bisherige Nummer 2 künftig Nummer 3 und die bisherige Nummer 3 künftig Nummer 4.

Zu Nummer 4 ( § 640d ZPO)

Dem § 640d ZPO wird ein neuer Absatz 2 angefügt. Dieser hat zum Ziel, dem Familiengericht die Möglichkeit zu bieten, das Jugendamt vor einer Entscheidung über die Anfechtung der Vaterschaft anzuhören. Eine solche Anhörung kommt dann in Betracht, wenn ein möglicher Ausschluss der Anfechtung nach § 1600 Abs. 5 BGB wegen Beeinträchtigung des Wohls eines minderjährigen Kindes in Frage steht. In diesem Fall kann das Jugendamt als Fachbehörde dem Gericht gegebenenfalls entscheidungserhebliche Umstände vortragen.

Zu Nummer 5 ( § 641i Abs. 1 ZPO)

In § 641i ZPO wird das Wort "Vaterschaft" durch das Wort "Abstammung" ersetzt. Die Vorschrift trägt den Schwierigkeiten des Abstammungsnachweises in der Vergangenheit Rechnung und dient der Beseitigung sachlich unrichtiger Urteile. Sie gilt daher für alle Urteile, die eine Entscheidung über das Abstammungsverhältnis zum Gegenstand haben, insbesondere auch für Entscheidungen über die Anfechtung der Vaterschaft.

Zu Artikel 3 (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)

Zu Nummer 1 (§ 49a Abs. 2a FGG)

Die vorgeschlagene Ergänzung räumt dem Familiengericht die Möglichkeit ein, das Jugendamt vor einer Entscheidung über die Ersetzung der Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung anzuhören. Das Jugendamt kann als Fachbehörde im gerichtlichen Verfahren zur Konfliktbewältigung beitragen und entscheidungserhebliche Fakten, etwa zum Erfordernis einer Aussetzung des Verfahrens nach § 1598a Abs. 3 BGB-E, zur Geltung bringen.

Eine generelle Pflicht zur Anhörung besteht jedoch nicht.

Zu Nummer 2 (§ 56 FGG)

Absatz 1 der vorgeschlagenen Bestimmung regelt die persönliche Anhörung der Beteiligten durch das Gericht in Verfahren nach § 1598a BGB-E. Er enthält eine Soll-Vorschrift für die Anhörung der beiden Elternteile und ein Kind, das das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat.

Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Anordnung der Duldung einer Probeentnahme sich erheblich auf die persönlichen Verhältnisse und familiären Beziehungen auswirken können. Durch die persönliche Anhörung kann das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von den Betroffenen gewinnen und hat die Möglichkeit, auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken (§ 52 FGG). Hat das Kind das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, ist die Entscheidung über die Anhörung in das Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht soll im Einzelfall entscheiden, inwieweit die Willensäußerung oder der persönlichen Eindruck eines gegebenenfalls noch sehr jungen Kindes für seine Entscheidung über die Aussetzung von Bedeutung ist und auch inwieweit die gerichtliche Anhörung eine etwa bestehende Belastungssituation noch verschärfen würde.

Nach Absatz 2 der vorgeschlagenen Regelung werden Entscheidungen nach § 1598a BGB-E erst mit Rechtskraft wirksam. Die Regelung bildet eine Ausnahme zum Grundsatz des § 16 Abs. 1 FGG und ist aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Wegen der Bedeutung der Einwilligung für die Durchführung der Abstammungsuntersuchung muss gewährleistet sein, dass insbesondere die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird.

Gegen eine Entscheidung des Gerichts nach § 1598a BGB-E findet die befristete Beschwerde statt ( § 621e Abs. 1 ZPO). Beschwerdeberechtigt sind nach Absatz 3 der vorgeschlagenen Regelung nur die Personen, die ein Antragsrecht nach § 1598a BGB-E haben (Vater, Mutter, Kind). Der Kreis der Beschwerdeberechtigten soll im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eng begrenzt sein. So steht insbesondere den Erben einer klagebefugten Person kein Beschwerderecht zu. Diese Personen sind zur Anfechtung der Vaterschaft selbst nicht berechtigt und haben daher kein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Abstammung.

Absatz 4 der vorgeschlagenen Regelung trifft Bestimmungen über die Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen nach Absatz 2. Der Anspruchsgegner ist nach rechtskräftiger Entscheidung oder einem wirksamen gerichtlichen Vergleich verpflichtet, die Entnahme einer für die Abstammungsuntersuchung geeigneten genetischen Probe zu dulden. In der Regel wird es sich dabei um die Entnahme einer Blutprobe handeln (vgl. Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 1). Dies gilt nicht, wenn die Art der Untersuchung der zu untersuchenden Person nicht zugemutet werden kann. Das ist dann der Fall, wenn gesundheitliche Schäden für den zu Untersuchenden zu befürchten sind. Über die Frage, ob die Verweigerung einer Untersuchung rechtmäßig ist, entscheidet nach Absatz 4 Satz 2 das Gericht, das auch die Einwilligung des Antragsgegners ersetzt hat, nach Anhörung der Parteien. Absatz 4 Satz 3 stellt klar, dass Zwangsmittel nach § 33 FGG, insbesondere die Verhängung von Zwangsgeld, anwendbar bleiben. Nach wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung kommt als ultima ratio die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Betracht.

Zu Artikel 4 (Änderung der Kostenordnung)

Das Verfahren über die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung ist als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet, auf die die Verfahrensvorschriften über Kindschaftssachen nach den §§ 640 ff. ZPO keine Anwendung finden (§ 621a Abs. 1 Satz 1, § 640 Abs. 1 ZPO-E). Folglich sind Gerichtskosten für dieses Verfahren nicht im Gerichtskostengesetz (GKG), sondern in der Kostenordnung (KostO) zu regeln. Vergleichbar sind Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB-E in der Fassung dieses Entwurfs mit Verfahren nach § 1600e Abs. 2 BGB, da es sich auch bei diesen in der Sache eigentlich um Kindschaftssachen handelt, gleichwohl aber nicht die Regelungen der §§ 640 ff. ZPO, sondern nur die des FGG gelten. Daher soll die Gebühr entsprechend der Gebühr für Verfahren nach § 1600e Abs. 2 BGB als Verfahrensgebühr ausgestaltet und in § 94 KostO geregelt werden.

Zu Artikel 5 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche)

Zu Artikel 6 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Es soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des Gesetzes auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetz wird eine neue Informationspflicht für die Bürger eingeführt. Informationspflichten der Wirtschaft und der Verwaltung sind durch das Gesetz nicht betroffen.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter