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Regelwerk; Gefahrenabwehr

Hinweise zur direkten Anwendung der Seveso-III-Richtlinie im bauaufsichtlichen Verfahren
- Schleswig-Holstein -

Vom 13.03.2017
(Amtsbl. Schl.-H. Nr. 13 vom 27.03.2017 S. 378,aufgehoben)
Gl.-Nr.: 2130.107



Gültig bis 31.12.2018 siehe =>

Erlass des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten

Die Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (sogenannte Seveso-III-Richtlinie) hätte gemäß ihrem Artikel 31 Absatz 1 mit Wirkung zum 1. Juni 2015 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Erforderlich waren dazu Änderungen im Bundes- und im Landesrecht. Die Umsetzung auf Bundesebene ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2749) und dem Inkrafttreten der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie vom 9. Januar 2017 (BGBl. I S. 47) abgeschlossen. Auf Landesebene wird nun die Umsetzung (u.a. Landesbauordnung - LBO) nicht zeitnah erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist daher zumindest ein Teil der Regelungen der Seveso-III-Richtlinie unmittelbar anwendbar.

Für das bauaufsichtliche Verfahren sind insbesondere zwei Anforderungen der Seveso-III-Richtlinie, nämlich die Öffentlichkeitsbeteiligung und der angemessene Sicherheitsabstand, relevant. Zur direkten Anwendung der Richtlinie für das bauaufsichtliche Verfahren gebe ich - bis zu ihrer endgültigen Umsetzung in der Landesbauordnung - nachfolgende Hinweise.

Für das bauaufsichtliche Verfahren ist insbesondere bedeutsam, dass nach Artikel 15 der Seveso-III-Richtlinie nunmehr eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist, wenn ein Vorhaben mit einer nach Artikel 13 der Seveso-III-Richtlinie schutzbedürftigen Nutzung innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands eines Störfallbetriebes durchgeführt werden soll. Unmittelbar anwendbar ist zudem Artikel 23 Buchstabe b (Zugang zu Gerichten) der Seveso-III-Richtlinie, so dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit wie Vereinigungen gegen entsprechende Baugenehmigungen oder Bauvorbescheide nach den näheren Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ( UmwRG) Rechtsbehelfe einlegen können. Schutzbedürftig sind nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Seveso-III-Richtlinie Wohngebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Erholungsgebiete und - soweit möglich - Hauptverkehrswege.

Dies entspricht in der Sache unverändert Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Seveso-II-Richtlinie (Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Amtsbl. L 10 vom 14. Januar 1997, S. 13) in der durch die Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2003 (Amtsbl. L 345, S. 97) geänderten Fassung). Wegen der Einzelheiten der von der Seveso-III-Richtlinie erfassten Schutzobjekte sowie der einzuhaltenden Sicherheitsabstände wird auf die Arbeitshilfe der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz "Berücksichtigung des Artikels 12 Seveso-II-Richtlinie im baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung von unter die Richtlinie fallenden Betrieben", beschlossen am 11. März 2015, abrufbar unter www.isargebau.de, Öffentlicher Bereich/Planungshilfen/Städtebau, oder https://www.isargebau.de/verzeichnis.aspx?id=6414&o=759O5120O6414, verwiesen.

Die Anforderungen sind sowohl im Rahmen der Bauleitplanung als auch der Vorhabenzulassung zu beachten, soweit sie nicht bereits Gegenstand eines vorhergehenden Bebauungsplanverfahrens waren und seit Abschluss des Bebauungsplanverfahrens keine wesentlichen Veränderungen (insbesondere Ansiedlung neuer oder Änderung vorhandener Störfallbetriebe) eingetreten sind.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in der Landesbauordnung hinsichtlich der Art der schutzbedürftigen Bauvorhaben lediglich oberhalb bestimmter Schwellenwerte gelten soll. Der Entwurf der Musterbauordnung sieht bislang Schwellenwerte vor. Eine endgültige Fassung für die Musterbauordnung gibt es noch nicht. In einigen Ländern wurde die direkte Anwendung der Seveso-III-Richtlinie unabhängig von Schwellenwerten vorgeschrieben. Bis zu einer gesetzlichen Regelung sind vorerst alle Bauvorhaben (auch unterhalb der Schwellenwerte des Entwurfs der Musterbauordnung) zu berücksichtigen.

Voraussetzung für die Pflicht zur Einhaltung der o.g. Anforderungen ist jeweils, dass das Vorhaben innerhalb eines Achtungsabstands eines Betriebsbereichs im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG errichtet werden soll. Es wird empfohlen, bei der Prüfung des Achtungsabstandes die zuständigen Immissionsschutzbehörden zu beteiligen. Diese verfügen über die entsprechenden Informationen hinsichtlich des jeweils zu beurteilenden Störfallbetriebs, unter anderem aufgrund des ihnen vorliegenden Sicherheitsberichts nach § 9 StörfallV. So muss der Sicherheitsbericht unter anderem eine Beschreibung der Bereiche, die von einem Störfall betroffen werden könnten, enthalten.

Da die Anforderung auch bei Vorhaben in Bebauungsplangebieten gilt, soweit die Seveso-Problematik nicht im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens beachtet wurde oder sich danach im Hinblick auf die

Störfallproblematik wesentliche Änderungen ergeben haben, ist darauf zu achten, dass die in Betracht kommenden Vorhaben zumindest einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO unterworfen werden.

Nach Artikel 15 der Seveso-III-Richtlinie ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, wenn eine im o.g. Sinn schutzbedürftige Bebauung innerhalb des angemessenen Abstands eines Störfallbetriebs errichtet werden soll. Diese Öffentlichkeitsbeteiligung ist vor der Vorhabenzulassung erforderlich, soweit die Seveso-Problematik nicht im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens beachtet wurde oder sich nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens neue Entwicklungen ergeben haben (insbesondere Ansiedlung neuer oder Änderung vorhandener Störfallbetriebe).

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung bedarf es eines Trägerverfahrens. Auch aus diesem Grund ist es notwendig, dass die in Betracht kommenden Vorhaben zumindest einem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO unterworfen werden. Vorhaben, die der Genehmigungsfreistellung nach § 68 LBO unterliegen, sollen daher durch eine Erklärung der Gemeinde nach § 68 Abs. 2 Nr. 4 LBO in das vereinfachte Genehmigungsverfahren "umgesteuert" werden.

Einzelheiten der Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben sich aus Artikel 15 der Seveso-III-Richtlinie. Die Anforderungen des Artikels 15 der Seveso-III-Richtlinie sind für das immissionsschutzrechtliche Verfahren in der Störfall-Verordnung konkretisiert. Da die Anforderungen an die Verfahrensweise der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Artikel 15 der Seveso-III-Richtlinie bei der Änderung von Störfallbetrieben einerseits und der Errichtung einer schutzbedürftigen Bebauung andererseits in wesentlichen Teilen gleich sind, kann dazu auf §§ 8a und 11 Störfall-Verordnung (12. BImSchV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I S. 1598), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Januar 2017 (BGBl. I S. 47) Bezug genommen werden.

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung im Baugenehmigungsverfahren kann davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen des Artikels 15 Absatz 2 bis 5 der Seveso-III-Richtlinie eingehalten werden, wenn folgendes Verfahren durchgeführt wird:

Die Bauaufsichtsbehörde macht das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standorts der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt. Nach der Bekanntmachung sind der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Bauaufsichtsbehörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, einen Monat zur Einsicht auszulegen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich Einwendungen erheben.

In der Bekanntmachung ist die Öffentlichkeit über Folgendes zu informieren:

  1. den Gegenstand des Vorhabens,
  2. gegebenenfalls die Feststellung der UVP-Pflicht des Vorhabens nach § 3a des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sowie erforderlichenfalls die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beteiligung nach §§ 8 und 9a UVPG,
  3. die für die Genehmigung zuständige Behörde, bei der der Antrag nebst Unterlagen zur Einsicht ausgelegt wird sowie wo, wann und wie Einsicht genommen werden kann,
  4. die Möglichkeit für die Personen, deren Belange berührt sind und für Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Abs. 1 oder § 2 Abs. 2 UmwRG erfüllen (betroffene Öffentlichkeit) Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung bezeichneten Stelle bis zu zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist vorzubringen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass mit Ablauf der Frist alle öffentlich-rechtlichen Einwendungen gegen das Bauvorhaben ausgeschlossen sind,
  5. die Art möglicher Entscheidungen oder, soweit vorhanden, den Entscheidungsentwurf,
  6. dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann sowie
  7. gegebenenfalls weitere Einzelheiten des Verfahrens zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit.

Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Genehmigung von Bedeutung sein können und die der Bauaufsichtsbehörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen (Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - IZG-SH) zugänglich zu machen. Besteht für das Vorhaben eine UVP-Pflicht, muss die Bekanntmachung darüber hinaus den Anforderungen des § 9 Abs. 1a UVPG entsprechen.

Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. In der Begründung sind die wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, die Behandlung der Einwendungen sowie Angaben über das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit aufzunehmen. Haben mehr als 20 Personen Einwendungen erhoben, kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden (§ 72 Abs. 3 Satz 2 LBO).

Der Genehmigungsbescheid ist öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheids und die Rechtsbehelfsbelehrung in gleicher Weise wie das beantragte Vorhaben bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. Eine Ausfertigung des gesamten Genehmigungsbescheides ist vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch Dritten gegenüber, die keine Einwendungen erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich angefordert werden.

Dieser Erlass tritt am 15. März 2017 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2018 außer Kraft.

ENDE

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