Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes

840. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2007

A

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zur Eingangsformel

In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.

Begründung

Der Gesetzentwurf sieht zur Entlastung der Sozialleistungsträger bei sogenannten Massenwidersprüchen die Möglichkeit einer Bekanntgabe der Widerspruchsentscheidung im Wege der öffentlichen Bekanntgabe vor (Artikel 1 Nr. 13). Dies begründet die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Artikel 84 Abs. 1 Satz 6 in Verbindung mit Satz 5 GG. Der Entwurfsbegründung ist nämlich inzident zu entnehmen, dass der Bund ein besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung annimmt und er den Ländern eine Abweichungsmöglichkeit versperren will. Zwar ist der Bundesgesetzgeber befugt, gestützt auf Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (gerichtliches Verfahren), ein Vorverfahren als Sachurteilsvoraussetzung einzuführen (vgl. BVerfGE 35, 65 <72> unter Hinweis auf BVerwGE 17, 246 <248>); gleichwohl kann das Vorverfahren nicht - jedenfalls nicht mehr - in vollem Umfang dem Kompetenztitel "gerichtliches Verfahren" zugewiesen werden, da es zugleich auch verwaltungsverfahrensrechtlichen Charakter hat (vgl. BVerwG, NVwZ 1987, S. 224 <225>). Jedenfalls nach der mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) vorgenommenen Änderung des Artikels 84 GG, die zwar auf Entflechtung der Bund-Länder-Beziehungen abzielt, zugleich aber auch die Organisationsgewalt der Länder im Bereich Behörden- und Verwaltungsorganisation stärken wollte, verbietet es sich, Regelungen über die Form der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids als Bestandteil der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu betrachten.

2. Zum Gesetzentwurf insgesamt

Der Bundesrat hält eine nachhaltige Entlastung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für dringend geboten. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des Verfahrensrechts erscheinen zwar grundsätzlich geeignet, einen Beitrag zur Entlastung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und zur Straffung der Verfahren zu leisten. Eine dauerhafte Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit kann jedoch allein mit den im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erreicht werden. Es ist vielmehr erforderlich, alle Ziel führenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um die verfassungsrechtliche Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes in der Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig sicherzustellen. Geboten sind daher - neben weiter gehenden Änderungen des Sozialgerichtsgesetzes - auch strukturelle Änderungen, die den Ländern eine bedarfsgerechte Verteilung der knappen richterlichen Personalressourcen ermöglichen.

Zur Erreichung dieser Ziele hat der Bundesrat mehrere Gesetzentwürfe beim Deutschen Bundestag eingebracht:

Die Gesetzentwürfe des Bundesrates lassen in ihrer Gesamtheit erwarten, dass der gegenwärtigen Überlastung der Sozialgerichtsbarkeit dauerhaft begegnet und die Zahl und die Dauer der Verfahren deutlich verringert werden kann.

Die Zusammenführung der Gerichte der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit ist der einzig Erfolg versprechende Weg, die dringend erforderliche nachhaltige und systemgerechte Flexibilisierung des Einsatzes des richterlichen Personals zu bewirken.

Daneben sind weitere Änderungen des Verfahrensrechts erforderlich. Dazu gehören vor allem Änderungen der kostenrechtlichen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes, die es gestatten, von unterlegenden Beteiligten sozialverträgliche Gerichtsgebühren in pauschalierter Form zu erheben (BT-Drs. 016/1028).

Schließlich ist der Zugang zur Berufungsinstanz in ähnlicher Weise auszugestalten wie in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Durch die Einführung einer Zulassungsberufung, wie sie der Gesetzentwurf des Bundesrates auf BT-Drucksache 016/3660 vorschlägt, muss gewährleistet werden, dass nur die wirklich berufungswürdigen Fälle in die zweite Instanz gelangen.

3. Zum Gesetzentwurf allgemein*

Der Bundesrat empfiehlt das Gesetz geschlechtergerecht zu formulieren und einseitig männliche Formulierungen zu vermeiden.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 10 Abs. 1 Satz 2 SGG), Nr. 9 (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Mit Blick auf die wachsende Bedeutung des internationalen und supranationalen Sozialversicherungsrechts gilt es, die diesbezügliche Fachkompetenz der nationalen Sozialgerichtsbarkeit zu stärken und zu bündeln. Einen wesentlichen Beitrag hierzu kann die Einrichtung von Fachkammern bei den Sozialgerichten und von Fachsenaten bei den Landessozialgerichten für Angelegenheiten des internationalen und supranationalen Sozialversicherungsrechts leisten. Damit kann zur Sicherung einer hohen Akzeptanz der einschlägigen Rechtsprechung, auch auf europäischer Ebene, beigetragen werden. Die Eröffnung der Möglichkeit, die Zuständigkeiten auf dem schwierigen Rechtsgebiet des internationalen und supranationalen Sozialversicherungsrechts zu bündeln, entspricht überdies dem Gebot eines ökonomischen Verfahrens.

5. Zu Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe b (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 SGG)

In Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe b § 29 Abs. 2 Nr. 2 sind nach den Wörtern "Trägern der Sozialversicherung" die Wörter "sowie den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen" einzufügen.

Begründung

Auch mit den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KV und KZV) gibt es diverse Streitfragen, deren Beantwortung weitreichende rechtliche und finanzielle Folgen hat. Die erste Instanz bei den Sozialgerichten ist im Normalfall nicht Streit schlichtend. Mit der Ergänzung der KV und der KZV, die keine Träger der Sozialversicherung sind, sind dann auch aufsichtsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 SGB V vollständig erfasst.

6. Zu Artikel 1 Nr. 12 ( § 57a Abs. 1 SGG)

In Artikel 1 Nr. 12 § 57a Abs. 1 sind die Wörter "Vertragsarzt, der Vertragszahnarzt oder der Psychotherapeut seinen Sitz hat." durch die Wörter "Vertragsarztsitz, der Vertragszahnarztsitz oder der Psychotherapeutensitz liegt." zu ersetzen.

Begründung

Es handelt sich um eine redaktionelle Präzisierung. Die vorgesehene Neufassung hätte auf das Sozialgericht abgestellt, in dessen Bezirk der Vertragsarzt seinen Sitz hat. Diese Formulierung ist insofern missverständlich, als sie etwa in Zulassungssachen auf den Sitz des Zulassungsbewerbers hindeutet.

In zulassungsrechtlichen Streitigkeiten ist häufig die Möglichkeit einer Zulassung und damit die Erlangung eines (weiteren) Vertragsarztsitzes umstritten.

An den Streitigkeiten ist zum Teil kein bereits zugelassener Vertragsarzt beteiligt, sondern lediglich der Zulassungsbewerber. Daher sollte in diesem Punkt die bisherige Fassung von § 57a SGG beibehalten werden, die auf das Sozialgericht abstellt, in dessen Bezirk der streitbefangene Vertragsarztsitz liegt. Dadurch werden Schwierigkeiten vermieden, die entstehen können, wenn sich mehrere Ärzte um eine freie Vertragsarztstelle bewerben und jeweils vor dem Gericht ihres Wohn- oder bereits bestehenden Vertragsarztsitzes klagen könnten. Die Vorschrift bewirkt, dass ein mit den örtlichen Verhältnissen vertrautes Gericht entscheidet.

7. Zu Artikel 1 Nr. 12a - neu - ( § 73 SGG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 12 folgende Nummer 12a einzufügen:

"12a. § 73 wird wie folgt geändert:

Begründung

Die vorgeschlagene Fassung des § 73 SGG entspricht weitgehend § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Dies dient zum einen dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung von Sozialgerichtsgesetz und Verwaltungsgerichtsordnung und ist zum anderen deshalb sinnvoll, weil sich die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung in der Praxis bewährt haben. Die Norm führt dabei aber nur die im Sozialgerichtsgesetz bestehenden Rechtsbehelfe an: § 119 SGG kennt anders als § 99 Abs. 2 VwGO keinen Beschluss des Gerichts zur Vorlagepflicht einer Behörde, daher fehlt eine Regelung des Vertretungszwangs für den entsprechenden Rechtsbehelf. Die Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren bleibt vom Vertretungszwang befreit.

Im Unterschied zur entsprechenden Regelung in der VwGO ist klargestellt, dass sich der Vertretungszwang auch auf die Einlegung der Beschwerde bezieht; wegen der nicht eindeutigen Formulierung des § 67 VwGO ist diese Frage dort streitig.

Personell erstreckt sich der Vertretungszwang auf die Beteiligten ( § 69 SGG), also auch auf Beigeladene, sofern diese einen Antrag stellen. Er gilt nicht für Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts bzw. Behörden und Verbände, diese haben ein Selbstvertretungsrecht (vgl. BSGE 36, 234; 2, 159). Sie sind in der Lage, sich durch einen sachkundigen und erfahrenen Beamten oder Angestellten vertreten zu lassen, was in Absatz 02 nochmals ausdrücklich ausgesprochen wird.

Die bisherige Vorschrift des § 166 SGG über den Vertretungszwang vor dem Bundessozialgericht müsste daher aufgehoben werden. Sämtliche Vorschriften über den Vertretungszwang in der Sozialgerichtsbarkeit finden sich dann in der allgemeinen Vorschrift des § 73 SGG im Abschnitt "Gemeinsame Verfahrensvorschriften".

Die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1a - neu - SGG dient der Anpassung des Sozialprozessrechts an das Verwaltungsprozessrecht (vgl. dort § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Sie ermöglicht es dem Gericht, durch Beschluss die Bestellung eines Bevollmächtigten anzuordnen. Hierzu kann Anlass bestehen, wenn der Beteiligte zu sachgemäßem Vortrag nicht fähig erscheint.

Die Regelung des § 73 Abs. 5 Satz 1a - neu - SGG dient ebenfalls der Anpassung an das Verwaltungsprozessrecht (vgl. dort auch § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Sie ermöglicht es dem Gericht, durch Beschluss die Hinzuziehung eines Beistandes anzuordnen. Hierzu kann Anlass bestehen, wenn der Beteiligte nicht in der Lage erscheint, in der mündlichen Verhandlung sachgemäße Erklärungen abzugeben.

8. Zu Artikel 1 Nr. 15 ( § 92 Abs. 1 SGG)

In Artikel 1 Nr. 15 § 92 Abs. 1 sind Satz 2 und 3 durch folgenden Satz zu ersetzen:

Begründung

Die in § 92 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG-E im Gegensatz zum Referentenentwurf enthaltenen Zusätze "Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde.", "... und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein." sind zu streichen. Die auch in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Teil zum Ausdruck gebrachte Parallelität mit den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sollte bei den Normen, bei denen Änderungen vorgenommen werden, konsequent durchgehalten werden. Hier bestehen keine spezifischen Differenzen zwischen dem sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die eine unterschiedliche Formulierung rechtfertigten. Wie jede Willenserklärung unterliegt auch die Klageschrift der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen; im Zweifel ist nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes ein Schriftsatz zu Gunsten des Klägers in dem Sinn zu verstehen, der für ihn nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel am ehesten zum Erfolg führt. Beklagter ist danach, wer erkennbar gemeint ist. Im Zweifel sind zur ergänzenden Auslegung einer Klageschrift auch angefochtene oder in Bezug genommene Bescheide heranzuziehen. Es genügt eine zur Identifikation des Beklagten ausreichende allgemeine Bezeichnung (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO 15. Auflage, § 82 Rnr. 1, 5). § 92 Abs. 1 Satz 2 SGG-E ist danach überflüssig.

Gleiches gilt auch für § 92 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGG-E. Bei dem Erfordernis der Unterzeichnung der Klage handelt es sich lediglich um eine "Soll-Vorschrift", so dass diese Regelung als gesetzlicher Formalismus erscheint. Bereits § 90 SGG macht mit der Formulierung "schriftlich" deutlich, dass die Klage eigenhändig unterschrieben sein muss. Eine fehlende Unterschrift macht die Klage nicht von vornherein unwirksam. Aus dem Schriftstück muss sich ergeben, wer Klage erhoben hat; zudem dürfen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klage ohne Willen des Klägers in den Verkehr gelangt ist.

9. Zu Artikel 1 Nr. 17 Buchstabe c (§ 102 Abs. 2, 3, 4 - neu - SGG)

Artikel 1 Nr. 17 Buchstabe c ist wie folgt zu fassen:

"c) Folgende Absätze 2 bis 4 werden angefügt:

Begründung

Der im Gesetzentwurf im Gegensatz zum Referentenentwurf nicht enthaltene Absatz zur Einwilligung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist in das Gesetz aufzunehmen (Absatz 2). Die auch in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Teil zum Ausdruck gebrachte Parallelität mit den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sollte bei den Normen, bei denen Änderungen vorgenommen werden, konsequent durchgehalten werden. Hier sind spezifische Differenzen zwischen dem sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die eine unterschiedliche Formulierung rechtfertigten, nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Frist von zwei Monaten in § 102 Abs. 3 SGG-E in der Fassung des Antrags.

10. Zu Artikel 1 Nr. 18 Buchstabe b ( § 104 Satz 6 SGG)

In Artikel 1 Nr. 18 Buchstabe b § 104 Satz 6 sind der abschließende Punkt zu streichen und folgende Wörter anzufügen:

Begründung

Die Ergänzung trägt dem Umstand Rechnung, dass einige Versicherungsträger keine Papierakten mehr führen, sondern ganz auf die elektronische Aktenführung setzen. Die Originaldokumente werden in diesen Fällen nach der elektronischen Erfassung vernichtet. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung der in Artikel 1 Nr. 18 Buchstabe b vorgesehenen Regelung wird klargestellt, dass diese Versicherungsträger an ihrer Praxis festhalten können und durch die Änderung von § 104 SGG nicht veranlasst sind, künftig für den Fall Papierakten zu führen, dass das Gericht die Übersendung der Originalverwaltungsakten wünscht.

11. Zu Artikel 1 Nr. 18a - neu - ( § 105 Abs. 2 SGG), Nr. 23a - neu - ( § 143 SGG), Nr. 24 (§ 144 SGG), Nr. 25 (§ 145 SGG), Nr. 25a - neu - (§§ 151, 152 SGG), Nr. 26 (§ 153 Abs. 4, 5 - neu - SGG), Nr. 26a - neu - (§ 154 Abs. 1, 2 SGG), Nr. 34 - neu - ( § 207 SGG), Artikel 2a - neu - (Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG)

Begründung

Zu Artikel 1 Nr. 18a - neu - ( § 105 Abs. 2 SGG)

Die Neuregelung passt die Vorschrift an die entsprechende Regelung der VwGO (§ 84 Abs. 2) an. Dies ist notwendige Folge der Einführung der Zulassungsberufung und dient zudem der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen.

Zu Artikel 1 Nr. 23a - neu - ( § 143 SGG)

Die Regelung des § 143 wird durch die generelle Einführung einer Zulassungsberufung überflüssig und fällt weg.

Zu Artikel 1 Nr. 24 ( § 144 SGG)

Die Vorschrift ist dem § 124 VwGO nachempfunden. Zukünftig soll die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung zunächst beim Sozialgericht gestellt werden. Dies entspricht der Verfahrensweise im Verwaltungsgerichtsverfahren und ist im Sinne der Entlastung der Landessozialgerichte sowie einer Harmonisierung des Sozialgerichtsgesetzes mit der Verwaltungsgerichtsordnung sinnvoll. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Urteile, also auch etwa auf solche im Sinne des § 130 SGG.

Absatz 2 beschränkt die Zulassung auf die bereits in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle, in denen eine Berufung erforderlich erscheint.

Der bisherige Absatz 3 der Vorschrift kann wegfallen, da sein Regelungsgehalt in den neu gefassten § 145 aufgenommen wird.

Zu Artikel 1 Nr. 25 ( § 145 SGG)

Die Vorschrift ist § 124a VwGO nachempfunden. Sie normiert, dass die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung stets beim Sozialgericht zu stellen ist. Das Sozialgericht wird damit wie im Verwaltungsgerichtsverfahren zur Eingangsstation für das zweitinstanzliche Verfahren. Wie dort leitet es die Akten sodann ohne Verzögerung an das Landessozialgericht weiter; das erspart einen Aktenanforderungsvorgang.

Auch die Fristen zur Berufungsbegründung sind der Verwaltungsgerichtsordnung angeglichen worden.

In Absatz 4 Satz 5 ist zusätzlich klargestellt, dass die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung regelmäßig direkt beim Landesozialgericht erfolgen muss, was wiederum einen Übersendungsvorgang erspart. Insofern liegt eine Abweichung zur Regelung der VwGO vor.

Der Regelungsgehalt des § 144 Abs. 3 SGG wird in § 145 Abs. 1 SGG-E mit aufgenommen.

Zu Artikel 1 Nr. 25a - neu - (§§ 151, 152 SGG)

Da die Berufung bzw. der Antrag auf deren Zulassung künftig beim Sozialgericht zu stellen ist, besteht für die Vorschriften kein Anwendungsbereich mehr. Die Einführung des Vertretungszwangs in der zweiten Instanz macht es überflüssig, dem Kläger die nach bisherigem Recht in § 151 Abs. 1 und 2 SGG bestehende Möglichkeit zu erhalten, die Berufung entweder beim Sozialgericht oder beim Landessozialgericht einzureichen.

Der Regelungsgehalt des § 151 SGG (Berufungseinlegung, Frist, Form) wird von § 145 Abs. 2 und 3 SGG-E in der oben vorgeschlagenen Fassung abgedeckt.

Zu Artikel 1 Nr. 26 (§ 153 Abs. 4, 5 SGG)

§ 153 Abs. 4 SGG regelt die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss. Da sie bisher auf § 105 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, muss sie angepasst werden. Dies wird zum Anlass genommen, die Beschlusszurückweisung in Abweichung zur bisherigen Rechtslage auch dann zuzulassen, wenn in der ersten Instanz durch Gerichtsbescheid entschieden wurde.

Dies entspricht der Rechtslage in der Verwaltungsgerichtsordnung (dort § 130a) und dient der Verfahrensbeschleunigung. Rechtliche Bedenken im Hinblick auf die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehen schon deshalb nicht, weil der Unterlegene in erster Instanz nach Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung beantragen kann und eine mündliche Verhandlung in zweiter Instanz nicht erforderlich ist.

Zu Artikel 1 Nr. 26a - neu - ( § 154 SGG)

Redaktionelle Folgeänderungen infolge des Wegfalls der Beschwerde nach § 144 Abs. 1 SGG.

Zu Artikel 1 Nr. 34 ( § 207 SGG)

In § 207 SGG-E werden die Übergangsvorschriften geregelt. Es wird bestimmt, auf welche Verfahren die neuen Vorschriften über die Zulassungsberufung und den Vertretungszwang Anwendung zu finden haben. Ferner wird klargestellt, dass auch nach Streichung des Hinweises auf § 109 in § 183 SGG bereits gerichtlich angeordnete Kostenübernahmen und Kostenvorschüsse nach § 109 wirksam bleiben; dies ist für Fälle erforderlich, in welchen noch vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 109 SGG verfahren wurde, der Rechtsstreit aber noch nicht beendet ist. Hinsichtlich der Präklusionsvorschriften bedurfte es keiner Übergangsregelungen."

Zu Artikel 2a - neu - (Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG)

Es handelt sich zum einen um redaktionelle Folgeänderungen, die sich an die Änderungen der §§ 144 und 145 SGG durch Artikel 1 Nr. 24 und Nr. 25 anschließen. Zum anderen handelt es sich um Änderungen, mit denen für die Verfahrensbeteiligten finanzielle Anreize geschaffen werden, es dem Gericht zu ermöglichen, von der schriftlichen Begründung eines in der mündlichen Verhandlung verkündeten Urteils abzusehen.

12. Zu Artikel 1 Nr. 20 ( § 109 SGG)

Artikel 1 Nr. 20 ist wie folgt zu fassen:

Begründung

§ 109 SGG gibt den Verfahrensbeteiligten das Recht, einen bestimmten Arzt gutachterlich hören zu lassen, obwohl das Gericht das im Rahmen seiner Amtsaufklärung nicht für nötig hält. Die Vorschrift ist geeignet, im Einzelfall erhebliche Verfahrensverzögerungen hervorzurufen, zumal entsprechende Anträge der Beteiligten nur unter äußerst engen Voraussetzungen abgelehnt werden können. Sie stellt zudem eine systemwidrige Durchbrechung des das SGG beherrschenden Amtsaufklärungsgrundsatzes dar. Entsprechende Regelungen finden sich in keiner anderen Verfahrensordnung.

Die Vorschrift sollte daher aufgehoben werden. Die Beteiligten sind durch den Amtsaufklärungsgrundsatz hinreichend geschützt. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, Ärzte ihres Vertrauens als Privatgutachter hinzuzuziehen beziehungsweise das von diesen Ärzten erlangte Wissen in anderer Form in den Rechtsstreit einzubringen.

Erfahrungen der Ziviljustiz in der vergleichbaren Materie des Arzthaftungsrechts zeigen, dass es einer solchen Vorschrift durchaus nicht bedarf. Dabei ist sogar noch zu beachten, dass im Zivilprozess der Amtsermittlungsgrundsatz nicht gilt (wenngleich die Rechtsprechung für den Bereich der Arzthaftung sehr weitreichende Amtsaufklärungserfordernisse fordert) und zudem die Anforderungen an Darlegung und Nachweis eines ärztlichen Verschuldens in aller Regel deutlich höher sein werden als die Anforderungen an die Begründetheit einer Klage beim Sozialgericht, in der regelhaft kein Verschuldensnachweis zu erbringen ist, sondern es nur auf die Feststellung eines gewissen Gesundheitszustandes ankommt.

Als Folge wären § 73a Abs. 3 SGG aufzuheben und § 160 Abs. 2 Nr. 3 und § 183 Satz 4 SGG zu ändern.

13. Zu Artikel 2 Nr. 1a - neu - (§ 46 Abs. 2 Satz 2, 4 - neu - ArbGG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:

"1a. § 46 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

Begründung

§ 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG schließt in seiner derzeitigen Fassung die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ( § 128 Abs. 2 ZPO) im erstinstanzlichen Urteilsverfahren aus. Dies gilt selbst dann, wenn beide Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sind. Hingegen ist im Beschlussverfahren trotz des dort geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes in § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG vorgesehen, dass mit Einverständnis der Beteiligten das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.

Um einerseits dem Mündlichkeitsprinzip Rechnung zu tragen und andererseits den Parteien zur Vereinfachung des Verfahrens mit ihrer Zustimmung eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zu ermöglichen, wird § 46 Abs. 2 dahingehend geändert, dass § 128 Abs. 2 ZPO nach Durchführung der Güteverhandlung Anwendung findet.

Hierdurch wird gewährleistet, dass der Rechtsstreit zumindest einmal mit den Parteien mündlich erörtert wird. Nach Durchführung der Güteverhandlung kann das Arbeitsgericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, wenn beide Parteien hierzu ihre Zustimmung erteilen. Auf diese Weise kann insbesondere dann, wenn die Sach- und Rechtslage einfach gelagert ist oder wenn die Parteien eine weite Anreise zum Gerichtsort in Kauf nehmen müssen, das Verfahren prozessökonomisch fortgesetzt werden.

14. Zu Artikel 2 Nr. 5 ( § 48 ArbGG), Nr. 6 Buchstabe a Doppelbuchstabe 0cc - neu - ( § 55 Abs. 1 ArbGG)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden soll auch auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs und der Verfahrensart erstreckt werden.

§ 55 Abs. 1 Nr. 7 ArbGG sieht für die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit eines Arbeitsgerichts ausdrücklich das Alleinentscheidungsrecht des Vorsitzenden vor. Anders verhält es sich bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs und der Verfahrensart. Hierüber hat nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG stets die Kammer zu entscheiden.

Ebenso wie die Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit betrifft die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs und der Verfahrensart die formelle Vorfrage, welches Gericht zuständig ist bzw. in welcher Verfahrensart zu entscheiden ist. Bei der Prüfung formeller Vorfragen können die ehrenamtlichen Richter ihre betriebliche Sachkunde und Erfahrung in aller Regel nicht einbringen. Da ihre Beteiligung nicht zwingend geboten ist, wird § 48 Abs. 1 Nr. 2 gestrichen. Durch die Einführung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden wird zudem das Verfahren beschleunigt, weil die Erörterung der Sache im gesamten Spruchkörper entfällt.

15. Zu Artikel 2 Nr. 10 (§ 85 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 ArbGG)

Artikel 2 Nr. 10 ist wie folgt zu fassen:

"10. § 85 wird wie folgt geändert:

Begründung

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesarbeitsgerichte haben auf ihrer 69. Konferenz im Mai 2007 in Hamburg unter anderem beschlossen, eine Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes dahingehend anzustrengen, dass im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren eine einstweilige Verfügung in dringenden Fällen entsprechend § 944 ZPO allein durch den Vorsitzenden erlassen werden kann.

Der Vorschlag sollte durch Änderung von Artikel 2 Nr. 10 des Gesetzentwurfs aufgegriffen werden. Das Beschlussverfahren findet nach § 2a ArbGG in Angelegenheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz und in Streitigkeiten über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit statt. Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gelten für den Erlass einer einstweiligen Verfügung die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Allerdings hat die Entscheidung durch Beschluss der Kammer zu ergehen. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Berufung auf diese ausdrückliche Gesetzeslage § 944 ZPO, der ein Alleinentscheidungsrecht des Vorsitzenden in dringenden Fällen (soweit eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist) vorsieht, im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht für anwendbar gehalten. Die Gerichtsorganisation habe sicherzustellen, dass in derartigen dringenden Fällen rechtzeitig eine Entscheidung der Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter ergehen könne (vgl. BAG, Beschluss vom 28. August 1991 - 7 ABR 72/90 -, Rnr. 27, BAGE 68, 232). In der Literatur wird zwar ausnahmsweise zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden dann für zulässig gehalten, wenn in einem äußerst eiligen Fall ehrenamtliche Richter nicht mehr rechtzeitig geladen werden können und daher mit einer zwischenzeitlichen Erledigung der Hauptsache zu rechnen ist. Dies führe andernfalls zu einer Rechtsverweigerung durch das Gericht. Hierbei sei jedoch genau zu prüfen, ob im Fall einer Rechtsverweigerung Rechtsgüter von erheblichem Gewicht verletzt würden und ob mit großer Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erwarten sei (vgl. Hauck, ArbGG, 3. Aufl. 2006, § 85 Rnr. 14; Eisemann, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Müller-Glöge, Preis, Schmidt, 8. Auflage 2008, § 85 Rnr. 7 m. w. N.).

Angesichts der dargestellten Gesetzeslage und der Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung der Regelung, die den Beschluss der Landesarbeitsgerichtspräsidenten ausgelöst haben, sollte die Anwendbarkeit des § 944 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorgesehen werden.

Dies dient auch dem Ziel der Vereinheitlichung der Prozessordnungen. Für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren sieht § 62 Abs. 2 ArbGG eine dem § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entsprechende Einschränkung nicht vor. In personalvertretungsrechtlichen Verfahren, in denen nach § 83 Abs. 1 BPersVG die Verwaltungsgerichte zuständig sind, gelten nach § 83 Abs. 2 BPersVG die Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zwar entsprechend, die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hält jedoch mehrheitlich entweder § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG unter Verweis auf die Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung zur Zusammensetzung des Gerichts schon nicht für anwendbar oder lässt jedenfalls § 944 ZPO neben § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG bestehen, so dass im Ergebnis Eilentscheidungen durch den Vorsitzenden allein getroffen werden können.

Entgegenstehende sachliche Gründe sind nicht ersichtlich. Die Rechte der Parteien im einstweiligen Rechtsschutz werden durch eine Entscheidung des Vorsitzenden ohne ehrenamtliche Richter nicht gefährdet. Eine mögliche Verzögerung des Rechtsschutzes in Eilfällen wegen nicht rechtzeitig einberufener Kammern stellt demgegenüber einen schwerwiegenderen Nachteil für den Rechtsuchenden dar. Zudem wird - da eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Voraussetzung für die Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden ist - ein Widerspruch des Antragsgegners zu einer mündlichen Anhörung und einer Entscheidung der Kammer führen.

16. Zu Artikel 2 Nr. 10a - neu - (§ 87 Abs. 1a - neu - ArbGG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 10 folgende Nummer 10a einzufügen:

"10a. In § 87 wird nach Absatz 1 folgender Absatz 1a eingefügt:

Begründung

Die Beschwerde im Beschlussverfahren findet nach § 87 Abs. 1 ArbGG gegen alle das Verfahren erster Instanz beendenden Beschlüsse ohne Rücksicht auf die Höhe der Beschwerde statt. Eine Zulassung der Beschwerde ist nicht erforderlich. Demgegenüber ist die Berufung im Urteilsverfahren nur in den in § 64 Abs. 2 ArbGG aufgeführten Fällen statthaft. Zur Vereinheitlichung von Urteils- und Beschlussverfahren und zur Entlastung des Beschwerdegerichts von Bagatellstreitigkeiten ist vorgesehen, dass auch im Beschlussverfahren die Beschwerde nur dann statthaft ist, wenn sie entweder in dem Beschluss des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt.

17. Zu Artikel 3 ( § 5 KSchG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob bei einer Neufassung des § 5 KSchG zur Vereinfachung der Rechtsanwendung und Schaffung von Rechtssicherheit die folgenden Punkte berücksichtigt werden können:

Begründung

§ 5 KSchG ist verwandt mit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den §§ 233 ff. ZPO sowie §§ 17 ff. FamFG. Die Praxis hat sich dafür ausgesprochen, § 5 KSchG weiter an die § 233 ff. ZPO anzugleichen, um die umfangreiche Rechtsprechung zu den §§ 233 ff. ZPO nutzen zu können. Die Vereinheitlichung der Prozessordnungen ist dort, wo Differenzierungen sachlich nicht geboten sind, zur anwenderfreundlichen Gestaltung der Rechtsordnung fortzuführen.

Insbesondere hat die Praxis die Ablösung des an die individuellen Möglichkeiten des Antragstellers anknüpfenden Verschuldensmaßstabs des § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG durch den bei der Prozessführung allgemein üblichen objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 233 Satz 1 ZPO befürwortet. Dadurch könnten die Probleme der Arbeitsgerichte, den für den jeweiligen Antragsteller geltenden Sorgfaltsmaßstab zu bestimmen, und die damit verbundene teilweise unüberschaubare Kasuistik im Interesse der Rechtsuchenden gelöst werden. In der Sache ist kein Grund ersichtlich, bei § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG einen strengeren Beurteilungsmaßstab als bei § 233 Satz 1 ZPO zu Grunde zu legen. Dafür spricht insbesondere auch die Herkunft der Regelung zur nachträglichen Klagezulassung aus § 90 BRG 20, der gegen die Versäumung der Frist für die Kündigungseinspruchsklage eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgesehen hatte (vgl. v. Hoyningen-Huene, Linck, Kündigungsschutzgesetz, 14. Auflage 2007, § 5 Rnr. 1).

Die Frage, ob sich der Arbeitnehmer gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten bei Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zurechnen lassen muss, ist in Literatur und Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte äußerst umstritten (vgl. Kiel, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Auflage 2008, Rnr. 7 zu § 5 KSchG mit einer Vielzahl von weiteren Nachweisen). Da nach geltendem Recht keine Rechtsbeschwerde gegen die divergierenden Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte zulässig ist (vgl. BAG, NZA-RR 2006, 211), konnte eine Klärung dieser Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgericht bislang nicht erfolgen. Durch den Gesetzentwurf ist auf Grund der in § 5 Abs. 4 KSchG-E eröffneten Möglichkeit der (Zulassungs-)Revision zwar zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht sich zu einem - jedoch ungewissen - Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mit dieser Frage befassen wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte diese für die Parteien des Rechtsstreits bedeutsame rechtspolitische Entscheidung jedoch alsbald und vom Gesetzgeber getroffen werden. Eine Angleichung an die entsprechende Regelung der Zivilprozessordnung kann die Streitfrage lösen und zugleich die Rechtsanwendung durch eine - wenn sachliche Gründe eine Differenzierung nicht gebieten - möglichst weitgehende Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen vereinfachen.

18. Zu Artikel 3 (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG)

In Artikel 3 § 5 Abs. 4 Satz 3 sind die Wörter ", das wie ein Endurteil angefochten werden kann" zu streichen.

Begründung

In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zu Recht davon ausgegangen, dass sich das bisherige Zwischenverfahren der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage tendenziell verfahrensverlängernd auswirkt und schwierige prozessuale Fragen zum Verhältnis von Zwischen- und Klageverfahren hervorruft. Der Entwurf ist auf Grund der Anfechtbarkeit des Zwischenurteils jedoch nur eingeschränkt geeignet, das Ziel der Prozessbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung zu erreichen.

Bereits unter dem Gesichtspunkt der Rechtsvereinheitlichung sollte ein gesondertes Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil nicht zugelassen werden. Im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 236 ff. ZPO) ist ein Rechtsmittel gegen die Wiedereinsetzung nicht vorgesehen. Es sollten nicht neue überflüssige Abweichungen geschaffen werden.

Die Anfechtbarkeit soll auf das Endurteil beschränkt sein.

B