umwelt-online: VwV zum Bundes-Immissionsschutzgesetz NRW (5)

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12.2.1.1 Sind die behördlich durchzusetzenden Anforderungen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift konkretisiert, ist nur eine eingeschränkte Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Werden in einer Rechtsnorm (Durchführungsverordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz) konkrete Maßnahmen gefordert (z.B. Abgasableitung über einen Schornstein mit bestimmter Höhe, vgl. § 29 der 13. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Großfeuerungsanlagen - vom 22. Juni 1983, BGBl. I S. 719, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2000 (BGBl. I S. 632), und § 6 der 17. BImSchV), so ist davon auszugehen, dass der Normgeber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits umfassend berücksichtigt hat. Lässt die Rechtsnorm Ausnahmen oder Alternativen zu, darf nur unter den dafür geltenden Voraussetzungen von den generellen Anforderungen abgewichen werden.

Enthält eine Rechtsnorm lediglich eine konkrete Zielanforderung (z.B. Emissionsgrenzwert, vgl. §§ 3 bis 20 der 13. BImSchV und § 5 der 17. BImSchV), so gelten die Hinweise des vorstehenden Absatzes entsprechend. Will die zuständige Behörde nicht nur die Einhaltung der Zielanforderung, sondern auch die Anwendung eines bestimmten Mittels vorschreiben, so verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die den Anlagenbetreiber am wenigsten belastende Maßnahme angeordnet wird, sofern mit dieser der angestrebte Erfolg sicher zu erreichen ist. Ggf. ist ein nachträglicher Austausch der Mittel zuzulassen; allerdings soll dies nicht zu einer zeitlichen Verzögerung bei der Erfüllung der normativen Anforderungen führen. Werden allgemeine gesetzliche Pflichten durch eine Verwaltungsvorschrift (z.B. Nummer 3 der Ta Luft) konkretisiert, kann - ähnlich wie bei konkretisierenden Rechtsverordnungen (vgl. Absatz 2 und 3 dieser Nummer) - davon ausgegangen werden dass der Vorschriftengeber im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden und von ihm wahrgenommenen Regelungsspielraums die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Gesichtspunkte beachtet hat. Dies gilt auch für ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften. So kann z.B. gegenüber Anordnungen im Sinne der Nummer 4.2 Ta Luft nicht allgemein eingewandt werden, sie seien unverhältnismäßig.

Bei atypischen Sachverhalten haben allgemeine Verwaltungsvorschriften keine umfassende Bindungswirkung. Vielmehr hängt es vom Aussagegehalt der einzelnen Bestimmungen ab, welche Sachverhalte (noch) von der Verwaltungsvorschrift erfasst werden. Liegt ein atypischer Sachverhalt vor, auf den die Verwaltungsvorschrift insgesamt nicht anwendbar ist, muss von der anordnenden Behörde selbständig geprüft wer- den, welche Maßnahme im Einzelfall zur Erfüllung der allgemeinen gesetzlichen Pflicht geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. Nummer 12.2.1.2 dieses RdErl.). Im Übrigen wird auf Nummer 4.3 Abs. 2 dieses RdErl. hingewiesen.

Auch wenn ein Sachverhalt in einer Verwaltungsvorschrift grundsätzlich geregelt wird, nimmt der Vorschriftengeber nur eine generelle Betrachtung der für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Gesichtspunkte vor. Hat er bestimmte Umstände des Einzelfalles, die für die Beurteilung der Auswirkungen einer Maßnahme von Bedeutung sind (z.B. Platzverhältnisse am Standort), nicht in seine Betrachtung einbezogen oder wegen der Vielfältigkeit der Lebensverhältnisse gar nicht einbeziehen können, so muss die anordnende Behörde diese bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Sie hat dann aber nur zu prüfen, ob sich wegen der Besonderheiten des Einzelfalles für der Betroffenen wesentlich höhere Belastungen ergeben, als sie der Vorschriftengeber bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung für zumutbar gehalten hat; eine weitergehende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nicht erforderlich.

Zur Frage der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei nachträglichen Anordnungen im Rahmen der Altanlagensanierung nach Nummer 4 Ta Luft wird zusätzlich auf Nummer 19.13 des Durchführungserlasses zur Ta Luft (Gem. RdErl. d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft u. d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie v. 14.10.1986 - SMBl. NRW. 7130) verwiesen.

12.2.1.2 Soll eine nachträgliche Anordnung der Erfüllung - allgemein formulierter gesetzlicher Pflichten dienen, für die keine konkretisierenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften bestehen, so hat die zuständige Behörde die Verhältnismäßigkeit ihres Einschreitens umfassend zu prüfen. Zu diesem Zweck muss sie ermitteln,

  1. welche Anforderungen sich aus den gesetzlichen Pflichten im konkreten Fall ergeben,
  2. in welchem Umfang der Verpflichtete hinter den gesetzlichen Anforderungen zurückbleibt,
  3. welche Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten in Betracht kommen,
  4. welche der grundsätzlich geeigneten Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belastet und
  5. ob die Belastungen die zu erwartenden Vorteile nicht erkennbar übersteigen.

Können mehrere Anlagenbetreiber zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes in Anspruch genommen werden, ist auch zu berücksichtigen, dass die Auswahl nicht willkürlich vorgenommen werden darf. Es ist dann aber nicht in jedem Fall erforderlich, eine Anordnung nur gegenüber demjenigen zu erlassen, den die Maßnahme am wenigsten belastet. Hier können auch Gründe der Praktikabilität und der Beschleunigung der Zweckerreichung den Ausschlag geben.

12.2.2

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