Regelwerk

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU

Vom 26. Oktober 2009
(GMBl. Nr. 62/63 vom 02.11.2009 S. 1270; 03.02.2016 S. 86 16aufgehoben)


zur aktuellen Fassung

Nach Artikel 84 Absatz 2 des Grundgesetzes wird folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassen:

0 Vorbemerkung

0.1 Allgemeines

0.1.1 Das Freizügigkeitsgesetz/EU regelt das Recht auf Einreise und Aufenthalt der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen. Es handelt sich um eine eigenständige, abschließende Regelung für diese Personengruppe. Das Aufenthaltsgesetz ist grundsätzlich nicht anwendbar (zu den Ausnahmen vgl. insbesondere Nummer 11).

0.1.2 Das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen wird wesentlich durch das europäische Gemeinschaftsrecht bestimmt. Im Freizügigkeitsgesetz/EU sind die europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht umgesetzt.

0.1.3 Das europäische Gemeinschaftsrecht genießt im Kollisionsfall Anwendungsvorrang vor dem Freizügigkeitsgesetz/EU, es sei denn, das nationale Recht enthält günstigere Regelungen (vgl. § 11 Absatz 1 Satz 5). Bei der Anwendung und Auslegung des nationalen Rechts ist das Gemeinschaftsrecht durch die zuständigen Behörden zu berücksichtigen.

0.2 Gemeinschaftsrecht

0.2.1 Das Recht von Unionsbürgern auf Einreise und Aufenthalt ergibt sich bereits unmittelbar aus dem primären Gemeinschaftsrecht. Artikel 18 Absatz 1 EGV (Allgemeine Freizügigkeit) vermittelt allen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, den Unionsbürgern, das Recht, sich innerhalb der Europäischen Union frei zu bewegen und aufzuhalten. Spezielle Freizügigkeitsgewährleistungen für bestimmte Personengruppen (Arbeitnehmer, Selbständige, Dienstleistungserbringer) ergeben sich aus Artikeln 39 (Arbeitnehmerfreizügigkeit), 43 (Niederlassungsfreiheit), 49 (Dienstleistungsfreiheit) EGV. Das Recht der Unionsbürger aus Artikel 18 EGV steht unter dem Vorbehalt der europarechtlichen Durchführungsbestimmungen. Grundlegende Bedeutung hierbei hat die Richtlinie 2004/ 38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nummer 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/ 221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/ EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365 EWG und 93/96/EWG (ABl. EU Nummer L 229 S. 35, so genannte Freizügigkeitsrichtlinie), deren Umsetzung durch Anpassungen im Freizügigkeitsgesetz/EU mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz erfolgt ist.

0.2.2 Gegenstand der Freizügigkeitsrichtlinie sind die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen, das Recht auf Daueraufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie die Beschränkungen dieser Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit. Im Fall von Rechtsmissbrauch (Artikel 35 Freizügigkeitsrichtlinie) kann das Freizügigkeitsrecht verweigert werden.

1 Zu § 1 - Anwendungsbereich

1.1 Aus der Definition des Anwendungsbereichs in 1 ergibt sich i. V. m. § 11, dass es sich beim Freizügigkeitsgesetz/EU um Spezialregelungen zur Freizügigkeit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen handelt, die dem allgemeinen Aufenthaltsrecht vorgehen. Gleiches gilt für Staatsangehörige der EWR-Staaten und ihre Familienangehörigen (vgl. Nummer 12).

1.2 Das Freizügigkeitsgesetz/EU enthält nur speziell aufenthaltsrechtliche Regelungen. Soziale Rechte werden in den jeweiligen Leistungsgesetzen festgelegt.

1.3 Deutsche Staatsangehörige sind nicht als Unionsbürger i. S. d. § 1 anzusehen, wenn sie von ihrem Freizügigkeitsrecht noch keinen Gebrauch gemacht haben. Die Freizügigkeitsrichtlinie regelt das Einreise- und Aufenthaltsrecht von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern innerhalb der Europäischen Union. Während sich Unionsbürger im Rahmen der Ausübung des Freizügigkeitsrechts in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, fließt das Recht auf Aufenthalt im Herkunftsmitgliedstaat nicht aus dem Gemeinschaftsrecht, sondern aus der Staatsangehörigkeit (EuGH, Urteil vom 7. Juli 1992, Rechtssache C-370/90 - Singh, Rn. 22, weiterführend Urteil vom 11. Dezember 2007, Rechtssache C-291/05 - Eind). Allerdings können sich Deutsche und ihre drittstaatsangehörigen Familienangehörigen auf das Gemeinschaftsrecht über die Freizügigkeit berufen, wenn sie während oder nach Beendigung der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat nach Deutschland zurückkehren. Solche so genannten "Rückkehrfälle" treten häufig im Zusammenhang mit der Frage auf, welche Regelungen auf den Familiennachzug drittstaatsangehöriger Familienangehöriger zu einem Deutschen anzuwenden sind (hierzu ausführlich unten Nummer 3.0.2).

1.4 Ein Deutscher, der zugleich Staatsangehöriger eines anderen EU-Mitgliedstaates ist, kann sich für die Einreise und den Aufenthalt seiner drittstaatsangehörigen Familienangehörigen in Deutschland nicht allein aufgrund der Doppelstaatsangehörigkeit auf die Anwendung von Freizügigkeitsrecht berufen. Auch in diesem Fall ist stets ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich, insbesondere durch den Gebrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat (vgl. Nummer 1.3).

2 Zu § 2 - Recht auf Einreise und Aufenthalt

2.1 Freizügigkeitsrecht

Absatz 1 beschreibt den Wesensgehalt des Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen. Bei Vorliegen der gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen gewährt das Gemeinschaftsrecht unmittelbar das Recht auf Einreise und Aufenthalt und damit auch freie Wahl des Wohnsitzes im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dieses Recht steht sowohl dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger selbst als auch seinen Familienangehörigen unter den Voraussetzungen der § § 3 und 4 - unabhängig von deren Staatsangehörigkeit - zu. Für die Einreise der drittstaatsangehörigen Familienangehörigen ist gegebenenfalls nach § 2 Absatz 4 Satz 2 ein Visum erforderlich. Das Freizügigkeitsrecht schließt das Recht ein, den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen und sich an einem frei gewählten Ort niederzulassen.

2.2 Freizügigkeitsberechtigte

2.2.0 Absatz 2 benennt die nach Gemeinschaftsrecht (Primär- und Sekundärrecht) freizügigkeitsberechtigten Personengruppen. Gemeinschaftsrechtliche Begriffe, wie z.B. der durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkretisierte Arbeitnehmerbegriff werden vom Freizügigkeitsgesetz/EU vorausgesetzt und nicht modifiziert.

2.2.1 Gemeinschaftsrechtlicher Begriff des "Arbeitnehmers"

2.2.1.1 Nach Gemeinschaftsrecht gilt als "Arbeitnehmer", wer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses während einer bestimmten Zeit eine tatsächliche, echte und nicht nur völlig untergeordnete oder unwesentliche Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung ausübt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei ist nur auf objektive Kriterien abzustellen. Die rechtliche Einordnung des Verhältnisses zwischen Empfänger und Erbringer der Arbeitsleistung nach nationalem Recht ist unerheblich. Unerheblich ist ferner, woher die Mittel für die Vergütung des Arbeitnehmers stammen, ob das Rechtsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis eigener Rechtsform ist oder wie hoch die Produktivität des Betroffenen ist. Der Europäische Gerichtshof hat bereits Tätigkeiten mit einer Wochenarbeitszeit von zehn bis zwölf Wochenstunden für die Begründung des Arbeitnehmerstatus ausreichen lassen (EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986, Rs. 139/85 - Kempf). Diese Grundsätze hat der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung aufgestellt (vgl. nur EuGH, Urteil vom 7. September 2004, Rs. C-456/02 - Trojani, EuGH, Urteil vom 6. November 2003, Rs. C-413/01 - Ninni-Orasche). In der Rechtsprechung wurde bislang kein Mindestbetrag für eine Vergütung festgelegt.

Eine nach nationalem Recht geringfügige Beschäftigung kann eine Arbeitnehmereigenschaft begründen. Als Arbeitnehmer gilt auch, wer eine Berufsausbildung im dualen System absolviert.

2.2.1.2 Der Arbeitnehmerstatus endet, wenn der Unionsbürger den deutschen Arbeitsmarkt endgültig verlassen hat, etwa weil er das Rentenalter erreicht hat oder auf Dauer in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt ist oder weil er vollständig und dauernd erwerbsunfähig wurde. Im letzteren Fall ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht, insbesondere gemäß § 4a Absatz 2 vorliegen.

2.2.1.3 Unionsbürger haben gemäß Artikel 39 Absatz 3 EGV ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche. Nach den ersten drei Monaten, in denen das Aufenthaltsrecht ohnehin keinen zweckgebundenen Voraussetzungen unterliegt (siehe auch Nummer 2.5.1), bleibt das Aufenthaltsrecht bestehen, wenn begründete Aussicht besteht, einen Arbeitsplatz zu finden (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89 - Antonissen, Artikel 14 Absatz 4, Buchstabe b) Freizügigkeitsrichtlinie). Begründete Aussicht, einen Arbeitsplatz zu finden, kann angenommen werden, wenn der Arbeitssuchende aufgrund seiner Qualifikation und des aktuellen Bedarfs am Arbeitsmarkt voraussichtlich mit seinen Bewerbungen erfolgreich sein wird. Dies ist zu verneinen, wenn er keinerlei ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen.

2.2.2 Niedergelassene Erwerbstätige (Artikel 43 ff. EGV) sind Personen, die eine nicht weisungsgebundene und nicht untergeordnete, auf Kontinuität angelegte selbständige Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat aufnehmen und ausüben.

2.2.3 Erbringer von Dienstleistungen behalten ihren Sitz im Herkunftsmitgliedstaat bei und erbringen ihre Leistungen grenzüberschreitend während eines begrenzten Zeitraums in einem anderen Mitgliedstaat (aktive Dienstleistungsfreiheit). Das Merkmal "vorübergehend" grenzt die Dienstleistung von der Niederlassung ab, die auf Dauer angelegt ist.

2.2.4 Empfänger von Dienstleistungen begeben sich zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat (passive Dienstleistungsfreiheit). Der Europäische Gerichtshof nennt als Beispiele für Empfänger von Dienstleistungen Touristen, Personen, die medizinische Behandlung entgegen nehmen, Studien- und Geschäftsreisende (EuGH, Urteil vom 31. Januar 1984, Rs. 286/82 und 26/83 - Luisi und Carbone). Der Empfang von Dienstleistungen vermittelt kein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht. Die Dauer des Aufenthaltsrechts orientiert sich an der Dauer der Dienstleistung. Sobald ein Unionsbürger seinen Hauptaufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, empfängt er nicht mehr vorübergehend Dienstleistungen (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1988, Rs. 196/87 - Steymann, Rn. 16).

2.2.5 Nichterwerbstätige sind alle übrigen, nicht von § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und § 2 Absatz 2 Nummer 7 erfassten Unionsbürger. Hierunter fallen Rentner, Studenten und sonstige Nichterwerbstätige. Die Voraussetzungen für ihren Aufenthalt ergeben sich aus § 4.

2.2.6 Familienangehörige von Unionsbürgern sind nach Maßgabe der § § 3 und 4 freizügigkeitsberechtigt (siehe auch unten Nummer 3 und 4).

2.2.7 Ebenfalls freizügigkeitsberechtigt sind Unionsbürger und deren Familienangehörige, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben (siehe auch unten Nummer 4a).

2.3 Aufrechterhaltung des Freizügigkeitsrechts für Erwerbstätige

2.3.0 Absatz 3 nennt die von Artikel 7 Absatz 3 Freizügigkeitsrichtlinie gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Gründe, unter denen das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 erhalten bleibt, obwohl tatsächlich keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird.

2.3.1.1 Das Freizügigkeitsrecht bleibt erhalten, wenn die infolge von Krankheit oder Unfall eingetretene Erwerbsminderung nur vorübergehend ist ( § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1). Sie ist dann als vorübergehend anzusehen, wenn aufgrund einer ärztlichen Prognose mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, ggf. auch eingeschränkt, gerechnet werden kann. Zweifel an der Wiederherstellung begründen den Wegfall des Rechts nicht.

2.3.1.2 Sofern die von der Arbeitsagentur bestätigte unfreiwillige Arbeitslosigkeit nach weniger als einjähriger Beschäftigung eintritt, bleibt das Aufenthaltsrecht nach § 2 Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt ( § 2 Absatz 3 Satz 2). Nach einer mehr als einjährigen durchgängigen Beschäftigung besteht das Freizügigkeitsrecht fort, wenn die Agentur für Arbeit die Unfreiwilligkeit des Eintretens der Arbeitslosigkeit bestätigt ( § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2). Das unfreiwillige Eintreten von Arbeitslosigkeit liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Gründe, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung, Aufhebungsvertrag) geführt haben, nicht zu vertreten hat. Die Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ist Voraussetzung für das Fortbestehen des Freizügigkeitsrechts. Die Bestätigung erfolgt, wenn der Arbeitnehmer die Aufnahme einer anderen zumutbaren Tätigkeit nicht verweigert oder alle erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit ergreift. Das Recht nach § 2 Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer für die Zeit zwischen Beginn der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit und Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit des Eintretens der Arbeitslosigkeit bestehen.

Entsprechendes gilt, wenn die Einstellung einer selbständigen Tätigkeit in Umständen begründet liegt, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte.

2.3.1.3 Beginnt der Unionsbürger eine Berufsausbildung, die im Zusammenhang mit der früheren Erwerbstätigkeit steht, behält er ebenfalls das Recht nach Absatz 1 ( § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3). Anforderungen an die Dauer der vorangegangenen Erwerbstätigkeit bestehen i. d. R. nicht.

Der Zusammenhang der Berufsausbildung zur vorherigen Tätigkeit ist dann entbehrlich, wenn der Unionsbürger unfreiwillig arbeitslos geworden ist (vgl. oben Nummer 2.3.1.2).

2.4 Einreise und Aufenthalt

2.4.1 Unionsbürger benötigen für die Einreise nach Deutschland kein Visum und für den Aufenthalt keinen Aufenthaltstitel, § 2 Absatz 4 Satz 1.

2.4.2.1 Für drittstaatsangehörige Familienangehörige verweist § 2 Absatz 4 Satz 2 unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf die allgemeinen, für Drittstaatsangehörige geltenden Regeln zur Visumpflicht. Damit gilt die Regelung zur Visumpflicht gemäß Anhang I der Verordnung (EG) Nummer 539/2001 des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenze im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind vom 15. März 2001 (Abl. L 81 S. 1) in der zur Zeit gültigen Fassung, aus der sich die Visumpflicht der Staatsangehörigen bestimmter Staaten ergibt. Die Befreiungstatbestände gemäß Anhang II der Verordnung (EG) Nummer 539/2001 sowie nach den nationalen Regelungen, insbesondere nach der AufenthV, sind bei Erfüllung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen ebenfalls anwendbar. Die Verweisung des § 2 Absatz 4 Satz 2 bezieht sich ausschließlich auf die Regelung der Visumpflichtigkeit. Bei dem Visum handelt es sich um einen nach den materiellen Voraussetzungen des Freizügigkeitsgesetz/EU erteilten Aufenthaltstitel. Dies wird durch die Anmerkung "Familienangehöriger eines Unionsbürgers/EWR-Bürgers" im Auflagenfeld des Visumetiketts kenntlich gemacht. Nach § 11 Absatz 1 i. V. m. § 14 Absatz 2 AufenthG ist auch die Erteilung eines Ausnahmevisums an der Grenze möglich (siehe Nummer 11.1.2.1).

2.4.2.2 Im Fall der Visumpflicht gilt diese für die Einreise ungeachtet der Tatsache, dass aufgrund der unmittelbaren Gewährung der Rechte aus dem EGV eine Zurückweisung ohne Visum an der Grenze unverhältnismäßig sein kann. Der Europäische Gerichtshof hat in der einschlägigen Entscheidung vom 25. Juli 2002 (Rs. C-459/99 - MRAX) festgestellt, dass das vorherige Visumverfahren zulässig ist. Dabei bedeutet die Visumpflicht für drittstaatsangehörige Familienangehörige nicht, dass der nach Gemeinschaftsrecht zur Einreise Berechtigte in jedem Fall an der Grenze zurückgewiesen oder ihm allein aufgrund einer unerlaubten Einreise oder eines abgelaufenen Visums im Inland die Ausstellung einer Aufenthaltskarte verweigert werden könnte. Unberührt bleibt die Befugnis, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen einer Verletzung der Visumpflicht einzuleiten.

2.4.2.3 Eine Zurückweisung an der Grenze ist nicht völlig ausgeschlossen. Sie ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 25. Juli 2002, Rs. C-459/99, - MRAX) jedoch dann unverhältnismäßig und deshalb untersagt, wenn der Staatsangehörige des Drittstaates, der mit dem Unionsbürger verheiratet oder aufgrund anderer familiärer Verbundenheit nachzugsberechtigt ist, seine Identität sowie die Ehe bzw. das Verwandtschaftsverhältnis nachweisen kann und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne des § 6 darstellt. Zum Anwendungsmaßstab der Zurückweisung an der Grenze aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vgl. Nummer 6. Zur Ausstellung eines Ausnahmevisums nach Freizügigkeitsgesetz/ EU an der Grenze siehe Nummer 11.1.2.1.

2.4.3 Sofern ein visumpflichtiger Familienangehöriger eine Aufenthaltskarte als Familienangehöriger gemäß Artikel 10 der Freizügigkeitsrichtlinie eines anderen Mitgliedstaates besitzt, entfällt das Visumerfordernis in den Fällen, in denen der Familienangehörige sein Recht auf Begleitung oder auf Nachzug zum Unionsbürger in Anspruch nimmt ( § 2 Absatz 4 Satz 3, § 3 Absatz 1; vgl. Nummer 3.1.1, Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 Freizügigkeitsrichtlinie)

2.4.4 Im Fall der Visumpflicht sollen die Auslandsvertretungen alle erforderlichen Vorkehrungen treffen, um den Betroffenen die Beschaffung des Visums zu erleichtern. Im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten sind ihre Anträge unverzüglich anzunehmen, zu bearbeiten und zu entscheiden. Ein Zustimmungsverfahren nach § 31 AufenthV findet nicht statt. Die Erläuterungen in Nummer 11.1.2.1 bis 11.1.3.1 gelten im Visumverfahren der Auslandsvertretungen entsprechend.

2.5 Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten

2.5.1 Absatz 5 führt ausdrücklich ein von materiellen Voraussetzungen unabhängiges Aufenthaltsrecht für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen mit gültigem Ausweisdokument für die Dauer von drei Monaten (Artikel 6 Freizügigkeitsrichtlinie) ein. Von diesem voraussetzungslosen Aufenthaltsrecht kann auch zur Vorbereitung eines längerfristigen Aufenthalts (Artikel 7 Freizügigkeitsrichtlinie) Gebrauch gemacht werden.

2.5.2 Ob Familienangehörige aus Drittstaaten, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, im Besitz eines anerkannten oder sonst zugelassenen Ausweisdokuments sind, ergibt sich aus den Bestimmungen des AufenthG und der AufenthV.

2.6 Gebührenfreie Ausstellung der Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht und des Visums

Die gebührenfreie Ausstellung der Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht und des Visums ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 2, Unterabsatz 2 und Artikel 25 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie. Kosten, die gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung der Freizügigkeitsvoraussetzungen entstehen (z.B. Überprüfungen der Nachweise über das Verwandtschaftsverhältnis; Beschaffung von amtlichen Unterhaltsnachweisen) trägt der Visumantragsteller. Für die Ausstellung der Aufenthaltskarte gemäß § 5 Absatz 2, der Bescheinigung des Daueraufenthalts gemäß § 5 Absatz 6 Satz 1 sowie der Daueraufenthaltskarte gemäß § 5 Absatz 6 Satz 2 wird gemäß § 47 Absatz 3 AufenthV zur Entlastung der öffentlichen Haushalte eine Gebühr in Höhe von acht Euro erhoben. Die Erhebung erfolgt nicht, wenn es sich um die erstmalige Ausstellung an Personen handelt, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

3 Zu § 3 - Familienangehörige

3.0 Allgemeines

3.0.1 Das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen von Unionsbürgern richtet sich allein nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU. Voraussetzungen des AufenthG. zum Familiennachzug (§ § 27 ff. AufenthG), wie zum Beispiel das Erfordernis von Sprachkenntnissen, finden keine Anwendung. Einzelne Bestimmungen des AufenthG. finden gemäß § 11 Anwendung, wenn dieses für Freizügigkeitsberechtigte günstigere Regelungen beinhaltet ( § 11 Absatz 1 Satz 5). So kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG für einen Unionsbürger aus den neuen EU-Mitgliedstaaten, der mit einer/einem Deutschen verheiratet ist, wegen des hiermit verbundenen uneingeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt ( § 28 Absatz 5 AufenthG) günstiger sein als eine Freizügigkeitsbescheinigung. Die Rechtsstellung des Betroffenen als freizügigkeitsberechtigt bleibt durch die Anwendung günstigeren Rechts im Einzelfall unberührt. In Fällen, in denen die Ausländerbehörde das Nichtbestehen bzw. den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt hat, weil die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nicht gegeben sind (§ § 5 Absatz 5, 11 Absatz 2), kommt für Familienangehörige ggf. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach dem Aufenthaltsgesetz in Betracht.

3.0.2 Da deutsche Staatsangehörige grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes/EU bzw. der Freizügigkeitsrichtlinie fallen, wenn sie von ihrem Freizügigkeitsrecht noch keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. Nummer 1.3), können sich ihre Familienangehörigen nicht auf § 3 berufen. Das Aufenthaltsrecht dieser Familienangehörigen richtet sich nach dem AufenthG. Allerdings können sich drittstaatsangehörige Familienangehörige von Deutschen auf das Gemeinschaftsrecht auf Freizügigkeit berufen. Dies ist der Fall, wenn der deutsche Staatsangehörige mit seinen Familienangehörigen aus einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat nach Deutschland zurückkehrt, nachdem er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat (so genannte "Rückkehrfälle"). Dies gilt auch, wenn der deutsche Staatsangehörige, der von seinem Freizügigkeitsrecht in einem anderen EU-/EWR Mitgliedstaat Gebrauch macht und mit seinen (drittstaatsangehörigen) Familienangehörigen aus dem EU-/EWR-Mitgliedstaat vorübergehend (z.B. zu familiären Besuchen) oder dauerhaft nach Deutschland zurückkehrt. In diesen "Rückkehrerfällen" liegt ein grenzüberschreitender Bezug vor, bei dem sich der Deutsche und seine Familienangehörigen in einer Situation befinden, die der Situation des Unionsbürgers gleicht, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht und von seinem Herkunftsstaat mit seiner Familie nach Deutschland kommt. Wenn ein solcher Gemeinschaftsbezug vorliegt, sind ausnahmsweise die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU auch auf die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen Deutscher anwendbar. Unerheblich ist dabei, ob die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis erst während des Aufenthalts des Deutschen im anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat begründet worden ist. In diesen Fällen muss jedoch darauf geachtet werden, ob es sich um eine "echte" Rückkehr eines Deutschen handelt. Besteht ein hinreichender Verdacht, dass die Ausreise lediglich vorübergehend war und dem Zweck der Umgehung nationaler Familiennachzugsregelungen diente, ist das Bestehen der Freizügigkeit wegen Rechtsmissbrauchs zu versagen.

3.0.3 Zur Frage der Reichweite der Familiennachzugsbestimmungen hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (Rs. C-127/08 - Metock u. a.) entschieden, dass die Freizügigkeitsrichtlinie drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern das Recht einräumt, sich bei ihren Familienangehörigen in der EU aufzuhalten. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob sich der Drittstaatsangehörige bereits in einem EU-Mitgliedstaat rechtmäßig aufhält und ob die Eheschließung mit dem Unionsbürger vor oder nach der Zuwanderung in die Gemeinschaft erfolgt ist. Der Europäische Gerichtshof hat seine anders lautende Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 23. September 2003, Rs. C-109/01 - Akrich) ausdrücklich aufgegeben.

Die bisher vorgenommene Unterscheidung hinsichtlich des Familiennachzugs zu Unionsbürgern zwischen einem Erstzuzug in das Gemeinschaftsgebiet und der Freizügigkeit innerhalb der EU ist damit aufzugeben. Für alle drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern gilt damit unabhängig von ihrer bisherigen aufenthaltsrechtlichen Situation, dass ein Aufenthaltsrecht auf Grundlage der Freizügigkeitsrichtlinie besitzt, wer seinen Status als Familienangehöriger eines Unionsbürgers nachgewiesen hat und die in der Freizügigkeitsrichtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Nachzuweisen ist außerdem, dass der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat und dass der Familienangehörige diesen begleitet oder ihm nachzieht sowie beim Nachzug zum Nichterwerbstätigen, dass ausreichende Existenzmittel vorhanden sind bzw. ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht. Als Konsequenz aus dem Urteil ergibt sich, dass der Familiennachzug zu Unionsbürgern ausschließlich auf der Grundlage des Freizügigkeitsgesetzes/EU stattfindet. Dies bedeutet, dass ein drittstaatsangehöriger Familienangehöriger eines Unionsbürgers u. a. keine einfachen deutschen Sprachkenntnisse nachweisen muss.

Der Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen und zu eigenen Staatsangehörigen in das eigene Staatsgebiet ist von der Entscheidung des Gerichtshofs grundsätzlich nicht betroffen. Dieser hat klargestellt, dass sich das Freizügigkeitsrecht ausschließlich auf Sachverhalte mit einem grenzüberschreitenden Bezug erstreckt und die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers, im Übrigen strengere Regelungen des Familiennachzugs zu treffen, davon unberührt bleibt.

3.1 Voraussetzungen des abgeleiteten Aufenthaltsrechts von Familienangehörigen

3.1.0 Absatz 1 stellt klar, dass die Familienangehörigen von Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht genießen. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen dient primär dem Zweck, die Ausübung der Freizügigkeit durch die Unionsbürger zu erleichtern. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen ist daher auch auf die Herstellung der Familieneinheit ausgerichtet und in Bestand und Dauer mit dem Aufenthaltsrecht des freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers verknüpft. Das Aufenthaltsrecht des Ehegatten knüpft an die bestehende Ehe an. Dies hat zur Folge, dass auch ein Ehegatte aus einem Drittstaat, der von dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger getrennt lebt, bis zur rechtskräftigen Scheidung ein Aufenthaltsrecht besitzt, sofern der Unionsbürger nicht durch Wegzug ins Ausland sein Freizügigkeitsrecht aufgibt. Zum Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe siehe Nummer 3.5.

Beim Kindernachzug sind die Sorgeberechtigung bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht des nachholenden Elternteils nach § 3 Absatz 1 keine Voraussetzungen für Einreise und Aufenthalt des Kindes (vgl. auch Umkehrschluss aus § 3 Absatz 4).

Bestehen allerdings begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Einreise und der Aufenthalt des Kindes von der Sorgeberechtigung bzw. dem Aufenthaltsbestimmungsrecht eines Elternteils nicht gedeckt ist, kann zur Verhinderung von rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Freizügigkeitsrechts (insbesondere Kindesentziehung) eine Versagung der Einreise oder eine Feststellung des Verlustes in Betracht kommen. Zu sorgerechtlichen Entscheidungen ausländischer Gerichte oder Behörden und Auslandsadoptionen vgl. die Ausführungen zu Nummer 28.1.3 und 28.1.2.1 AufenthG-VwV.

Beim Visum zum Kindernachzug nach § 2 Absatz 4 Satz 2 kann das elterliche Sorgerecht auch hinsichtlich der Handlungsbefugnis eines Elternteils zur alleinigen Antragstellung zu beachten sein.

3.1.1 Den Familienangehörigen von Unionsbürgern steht das abgeleitete Aufenthaltsrecht nur dann zu, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Die zuvor bestehende terminologische Abweichung des Freizügigkeitsgesetzes/EU von der Freizügigkeitsrichtlinie durch Verwendung des Begriffs "Wohnung nehmen" an Stelle der Begriffe "Begleiten" oder "Nachziehen" (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d) Freizügigkeitsrichtlinie) ist mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz beseitigt worden, ohne dass sich daraus ein inhaltlicher Unterschied in der Praxis ergibt. Der Begriff "begleiten oder ihm nachziehen" ist dahin gehend auszulegen, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im letztgenannten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - C-127/08 - Metock u. a.). Eine gemeinsame Wohnung ist keine zwingende Voraussetzung. Es ist vom Sinn und Zweck der Gewährung des "abgeleiteten" Aufenthaltsrechts des Familienangehörigen auszugehen, nämlich der Wahrung der bestehenden familiären Lebenssituation des Unionsbürgers. Der Begriff "begleiten oder nachziehen" impliziert eine im Sinne des Ehe- und Familienschutzes schutzwürdige tatsächliche Beziehung.

3.1.2 Die Familienangehörigen von Dienstleistungsempfängern (Personen, die gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 4 freizügigkeitsberechtigt sind) haben ebenfalls das Recht, den Unionsbürger zu begleiten. Da es sich um ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht handelt, richtet sich dessen Dauer nach der Dauer des Aufenthaltsrechts des Dienstleistungsempfängers. Es kann nur zum vorübergehenden Aufenthalt berechtigen (siehe Nummer 2.2.4).

3.1.3 Das Freizügigkeitsrecht von Familienangehörigen nicht erwerbstätiger Unionsbürger gilt nach Maßgabe des § 4. Zu den weiteren Voraussetzungen vgl. Nummer 4.

3.1.4 Das abgeleitete Recht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers besteht unabhängig davon, ob der Familienangehörige sich bislang in der EU aufhält oder zwecks Begleitung oder Nachzug zum Unionsbürger erstmals in die EU einreist. Unerheblich ist auch, ob die Ehe bzw. Familie erst nach dem Zuzug des freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nach Deutschland begründet worden ist, oder ob der Drittstaatsangehörige sich bislang unrechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat (siehe Nummer 3.0.3).

3.2 Begriff des Familienangehörigen

3.2.1 Absatz 2 enthält die Legaldefinition der Familienangehörigen. Sie entspricht der Definition in Artikel 2 Nummer 2, Buchstaben a), c) und d) Freizügigkeitsrichtlinie.

3.2.2.1 Die in Absatz 2 Nummer 2 genannten Verwandten haben nur ein Aufenthaltsrecht, solange ihnen Unterhalt gewährt wird (EuGH, Urteil vom 18. Juni 1987, Rs. 316/85 - Lebon). Eine solche Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn dem Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen, die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung in einem Umfang, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken. Maßstab ist dabei das Lebenshaltungsniveau in dem EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Familienangehörige ständig aufhält. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat oder seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten könnte. Auf die Gründe für die Unterstützung kommt es ebenfalls nicht an.

Allein die Tatsache, dass der Unterhaltsberechtigte Sozialleistungen in Anspruch nimmt, steht einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung nicht entgegen.

3.2.2.2 Ausnahmsweise kann aus § 3 Absatz 2 Nummer 2 auch dann ein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden, wenn nicht der EU-Bürger seinem Verwandten den Unterhalt gewährt, sondern es sich umgekehrt verhält. Dies ist der Fall, wenn es sich bei dem EU-Bürger um einen freizügigkeitsberechtigten Minderjährigen handelt, der von einem drittstaatsangehörigen Elternteil tatsächlich betreut wird, diese Betreuung erforderlich ist und keine öffentlichen Mittel in Anspruch genommen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2004, Rs. C-200/02 - Zu/Chen, Rn. 42 ff.).

3.3 Hinterbliebene eines Unionsbürgers

3.3.0 Nach Absatz 3 erhalten drittstaatsangehörige Familienangehörige eines verstorbenen Unionsbürgers unter bestimmten Voraussetzungen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht.

3.3.1 Die Voraussetzung des rechtmäßigen Voraufenthalts von einem Jahr als Familienangehöriger des Verstorbenen in Deutschland bedeutet, dass ein Aufenthalt aus anderen Gründen nicht ausreicht. Es ist auf die objektive Rechtslage abzustellen. Nicht notwendig ist, dass das sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger bescheinigt wurde. Zur Kontinuität des Aufenthaltes vgl. § 4a Absatz 6.

3.3.2 Der Verweis in Absatz 3 Satz 1 auf die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 oder Nummer 5 - Erfüllung der Freizügigkeitsvoraussetzungen in der eigenen Person - bedeutet für die drittstaatsangehörigen Hinterbliebenen, dass sie entweder Arbeitnehmer, Selbständige oder Erbringer von Dienstleistungen sein oder als nicht Erwerbstätige die Voraussetzungen des § 4 erfüllen müssen. Die Aussparung des § 2 Absatz 2 Nummer 4 in dem Verweis macht deutlich, dass der Empfang von Dienstleistungen für das Verbleiberecht nicht ausreicht. Soweit der Hinterbliebene als Dienstleistungserbringer i. S. d. § 2 Absatz 2 Nummer 3 freizügigkeitsberechtigt ist, bleibt sein Aufenthaltsrecht für die Dauer der Dienstleistungserbringung erhalten.

3.3.3 Die Familienangehörigen behalten den Status, der sich aus der Aufenthaltskarte ergibt, grundsätzlich bei. Dies entspricht den Vorgaben des Artikels 12 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie.

3.3.4 Der künftige Aufenthaltsstatus eines Familienangehörigen nach Absatz 3 Satz 1 entspricht jedoch nicht vollständig dem eines Unionsbürgers oder privilegierten Familienangehörigen. Nach der Richtlinie behalten diese ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage (Artikel 12 Absatz 2 Unterabsatz 3 Freizügigkeitsrichtlinie). Dies bedeutet, dass die betroffenen Personen in einigen Bereichen (Familiennachzug, Schutz vor Verlust: des Aufenthaltsrechts) nicht nach den privilegierenden Vorschriften des Freizügigkeitsgesetz/EU behandelt werden. Satz 2 ordnet daher an, dass § 3 Absatz 1 und 2 sowie § § 6 und 7 auf diesen Personenkreis keine Anwendung finden, sondern das AufenthG.

3.3.5 Soweit die Regelungen für ein Aufenthaltsrecht des verbleibenden Familienangehörigen nach dem AufenthG. ausnahmsweise günstiger sein sollten, finden sie über § 11 Absatz 1 Satz 5 Anwendung.

3.4 Aufenthaltsrecht für Kinder und sorgeberechtigten Elternteil nach Tod oder Wegzug des Unionsbürgers

3.4.1 Absatz 4 regelt die Frage des Aufenthaltsrechts für Kinder und den Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt, wenn der Unionsbürger aus dem Aufnahmemitgliedstaat wegzieht oder verstirbt. Unter der Voraussetzung, dass die Kinder sich in Deutschland aufhalten und sie eine Bildungseinrichtung zu Ausbildungszwecken besuchen, bleibt das Aufenthaltsrecht bis zum Abschluss der Ausbildung erhalten (Artikel 12 Absatz 3 Freizügigkeitsrichtlinie). Die Einschränkung, dass das Recht ausschließlich auf persönlicher Grundlage (vgl. Nummer 3.3.4) erhalten bleibt, gilt hier nicht.

3.4.2 Ausbildungseinrichtungen i. S. d. Absatzes 4 sind staatliche und anerkannte private Ausbildungseinrichtungen, die zum Abschluss einer Ausbildung im Sinne einer beruflichen Qualifikation führen. Dazu gehören auch allgemeinbildende Schulen.

Das Kind "besucht" diese Einrichtung, wenn es der Ausbildung ernsthaft nachgeht, d. h. die Einschreibung allein reicht nicht aus.

3.5 Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Unionsbürgers bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe

3.5.1 Absatz 5 betrifft die Frage, inwieweit das Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Ehegatten nach Scheidung oder Aufhebung der Ehe erhalten bleibt. Voraussetzung ist, dass der Ehegatte in seiner eigenen Person die Freizügigkeitsvoraussetzungen erfüllt und zudem ein in Absatz 5 unter den Nummer 1 bis 4 aufgeführter Fall vorliegt. Zur Erfüllung der Freizügigkeitsvoraussetzungen in der eigenen Person siehe Nummer 3.3.2. Die Familienangehörigen behalten ihren Status, der sich in der Aufenthaltskarte ausdrückt, grundsätzlich bei. Dies entspricht den Vorgaben des Artikels 13 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie.

3.5.2 Auch der Familienangehörige nach Absatz 5 hat das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf persönlicher Grundlage (Artikel 13 Absatz 2 Unterabsatz 3 Freizügigkeitsrichtlinie). Dies ist in Absatz 5 Satz 2 angeordnet. Die Ausführungen zu Nummer 3.3.4 gelten entsprechend.

3.6 Recht auf Einreise und Aufenthalt von Lebenspartnern eines Unionsbürgers

3.6.0 Absatz 6 regelt das Recht auf Einreise und Aufenthalt der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner ( § 1 Absatz 1 Satz 1 LPartG) von Unionsbürgern. Von Bedeutung ist diese Regelung nur, wenn der Lebenspartner nicht selbst unmittelbar freizügigkeitsberechtigt ist. Die Vorschrift findet daher in erster Linie auf drittstaatsangehörige Lebenspartner Anwendung.

3.6.1 Absatz 6 verweist für die Lebenspartner der in § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 aufgeführten Personen auf die Voraussetzungen, die für die ausländischen Lebenspartner von Deutschen entsprechend gelten ( § 27 Absatz 2 i. V. m. Absatz 1a und 3, § 9 Absatz 3, § 9c Satz 2, § § 28 bis 31 sowie 51 Absatz 2 AufenthG). Danach ist u. a. Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht, dass der Unionsbürger, zu dem der Zuzug erfolgen soll, für den Unterhalt anderer ausländischer Familienmitglieder oder anderer. Haushaltsangehöriger nicht auf Leistungen gemäß SGB II oder SGB XII angewiesen ist. Diese Regelung orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach einem Arbeitnehmer aus einem Mitgliedstaat der Nachzug des nichtehelichen Lebenspartners dann nicht versagt werden kann, wenn das nationale Recht einem Inländer ein solches Recht einräumt (vom Europäischen Gerichtshof für eine verschiedengeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaft entschieden - Urteil vom 17. April 1986, Rs. 59/85 - Florence Reed). Zu den Voraussetzungen, die vom drittstaatsangehörigen Lebenspartner erfüllt werden müssen, gehört auch der Nachweis "einfacher deutscher Sprachkenntnisse" i. S. d. § 28 Absatz 2 Satz 1 AufenthG.

3.6.2 Soweit drittstaatsangehörige Lebenspartner der in § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 aufgeführten Personen die Voraussetzungen nach dem AufenthG erfüllen, erhalten sie die Rechtsstellung nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, d. h. i. d. R. gemäß § 5 Absatz 2 eine Aufenthaltskarte.

3.6.3 Für das Aufenthaltsrecht des Lebenspartners eines nichterwerbstätigen Unionsbürgers gilt § 4 mit der Folge, dass ausreichende Existenzmittel und Krankversicherungsschutz vorhanden sein müssen (vgl. Nummer 4.1.3).

4 Zu § 4 - Nicht erwerbstätige Freizügigkeitsberechtigte

4.1 Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts

Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht Nichterwerbstätiger, ihrer Familienangehörigen und Lebenspartner, die ihn begleiten oder ihm nachziehen, sind die eigenständige Existenzsicherung und der ausreichende Krankenversicherungsschutz. Die Voraussetzungen ergeben sich aus Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b) und c) Freizügigkeitsrichtlinie.

4.1.1 Ausreichender Krankenversicherungsschutz

Der notwendige, gemeinschaftsrechtlich vorausgesetzte Krankenversicherungsschutz muss für alle in § 4 genannten Personen bestehen. Er ist als ausreichend anzusehen, wenn er im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung folgende Leistungen umfasst:

4.1.1.1 - ärztliche und zahnärztliche Behandlungen,

4.1.1.2 - Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,

4.1.1.3 - Krankenhausbehandlung,

4.1.1.4 - medizinische Leistungen zur Rehabilitation und

4.1.1.5 - Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt.

4.1.2 Ausreichende Existenzmittel

4.1.2.1 Existenzmittel sind alle gesetzlich zulässigen Einkommen und Vermögen in Geld oder Geldeswert oder sonstige eigene Mittel, insbesondere Unterhaltsleistungen von Familienangehörigen oder Dritten, Stipendien, Ausbildungs- oder Umschulungsbeihilfen, Arbeitslosengeld, Invaliditäts-, Hinterbliebenen-, Vorruhestands- oder Altersrenten, Renten wegen Arbeitsunfall, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder sonstige auf einer Beitragsleistung beruhende öffentliche Mittel. Dazu zählen nicht die nach SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts an Arbeitsuchende und an die mit ihnen in einer so genannten Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Personen zu gewährenden Mittel.

4.1.2.2 Aufgrund des in § 5 festgelegten vereinfachten Verfahrens wird die Voraussetzung "ausreichende Existenzmittel" vor Ausstellung der Bescheinigung i. d. R. nicht geprüft. Die Ausländerbehörde kann die Glaubhaftmachung verlangen ( § 5 Absatz 3 Satz 1). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ausreichende Existenzmittel vorliegen, wenn während des Aufenthalts keine Leistungen nach SGB II oder SGB XII in Anspruch genommen werden. Wenn allerdings im Einzelfall nachträglich ein Antrag auf entsprechende Leistungen gestellt wird, liegt ein besonderer Anlass i. S. d. § 5 Absatz 4 vor, wonach der Fortbestand der Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht überprüft werden kann.

4.1.2.3 Das Gesetz nennt keinen festen Betrag für die Höhe der Existenzmittel. Dies wäre gemäß Artikel 8 Absatz 4 Freizügigkeitsrichtlinie unzulässig. Es ist eine Vergleichsberechnung unter Einbeziehung der regionalen, sozialhilferechtlichen Bedarfssätze erforderlich. Zugleich müssen die persönlichen Umstände in jedem Einzelfall berücksichtigt werden. Der danach erforderliche Betrag darf nicht über dem Schwellenwert liegen, unter dem Deutschen Sozialhilfe gewährt wird. Ein bestimmter Schwellenwert kann hier nicht genannt werden, da die Werte regional unterschiedlich sind. Zur Prüfung der Plausibilität der Angaben des Antragstellers kann die Auslandsvertretung im Visumverfahren nach § 2 Absatz 4 Satz 2 gegebenenfalls die Behörde am Zuzugsort um nähere Informationen (insbesondere zu Unterkunftskosten) ersuchen.

4.1.3 Familienangehörige und Lebenspartner von nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die diesen begleiten oder ihm nachziehen, sind unter den gleichen Bedingungen wie der Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt. Der ausreichende Krankenversicherungsschutz und die ausreichenden Existenzmittel müssen bei allen in § 4 genannten Personen vorliegen. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass auch die nachziehenden oder begleitenden Familienangehörigen und der Lebenspartner selbst über ausreichende Existenzmittel verfügen. Insoweit kann auf die finanziellen Mittel des Unionsbürgers, von dem die Familienangehörigen bzw. der Lebenspartner sein Aufenthaltsrecht ableitet, abgestellt werden. Diese Voraussetzung muss während des gesamten Aufenthalts vorliegen (Artikel 14 Freizügigkeitsrichtlinie, § 5 Absatz 5).

4.1.4 In § 4 ist der Kreis der Familienangehörigen von Nichterwerbstätigen im Freizügigkeitsgesetz/EU im Vergleich zum vor dem Richtlinienumsetzungsgesetz geltenden Recht um Abkömmlinge unter 21 Jahren, denen kein Unterhalt gewährt wird, sowie um die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird, erweitert worden. Hierbei handelt es sich um eine Umsetzung des Artikels 2 Nummer 2 Buchstabe c) und d) der Freizügigkeitsrichtlinie.

4.2 Familienangehörige von studierenden Unionsbürgern

4.2.1 Student i. S. d. Gesetzes ist eine Person, die eine Zulassung zu einer staatlichen oder nach Landesrecht staatlich anerkannten Universität, pädagogischen Hochschule, Kunsthochschule, Fachhochschule oder sonstigen anerkannten Lehranstalt, die eine über die Allgemeinbildung hinausgehende berufliche Qualifikation vermittelt, besitzt oder an einer solchen immatrikuliert ist.

4.2.2 Der Kreis der familiennachzugsberechtigten Familienangehörigen ist bei Studenten enger gezogen als bei den übrigen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern. Er ist auf die Kernfamilie, d. h. den Ehegatten, Kinder, denen Unterhalt gewährt wird, sowie Lebenspartner beschränkt (vgl. Artikel 7 Absatz 4 Freizügigkeitsrichtlinie). Zu beachten ist, dass der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert sein muss (Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c) Freizügigkeitsrichtlinie). Zur Unterhaltsgewährung vgl. Nummer 3.2.2.1.

4a Zu § 4a - Daueraufenthaltsrecht

4a.0 Allgemeines

4a.0.1 In § 4a sind die Daueraufenthaltsrechte zusammengefasst. Mit dem Erwerb des Daueraufenthaltsrechts erhalten Unionsbürger und ihre Familienangehörigen - unabhängig von deren Staatsangehörigkeit - eine verbesserte Rechtsstellung. Ihr Aufenthaltsrecht geht auch dann nicht mehr verloren, wenn sie die Voraussetzung des § 2 Absatz 2 nicht mehr erfüllen, weil sie beispielsweise die Arbeitnehmereigenschaft oder durch Scheidung die Ehegatteneigenschaft verloren haben. Darüber hinaus erhöht sich der Ausweisungsschutz (vgl. § 6 Absatz 4).

4a.0.2 Der Familiennachzug zu Daueraufenthaltsberechtigten ist im Freizügigkeitsgesetz/EU nicht geregelt. § § 3, 4 Freizügigkeitsgesetz/EU sowie Artikel 6, 7, 16 ff. Freizügigkeitsrichtlinie regeln den abgeleiteten Erwerb des Aufenthaltsrechts und den eigenständigen Erwerb des Daueraufenthaltsrechts von Familienangehörigen. Es fehlt jedoch eine Regelung über den Erwerb eines Aufenthaltsrechts, wenn der Unionsbürger, zu dem der Nachzug erfolgen soll, bereits ein Daueraufenthaltsrecht erlangt hat, der Familienangehörige die Voraussetzungen für den Daueraufenthalt selbst aber noch nicht erfüllt. Da Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten, aber noch nicht daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern ein Aufenthaltsrecht haben, muss dies erst recht für Familienangehörige von daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgern gelten. Letztere haben eine stärkere aufenthaltsrechtliche Position als "gewöhnlich" freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung entsprechender Fälle ist das Freizügigkeitsrecht, das der Daueraufenthaltsberechtigte derzeit innehat. Ist der daueraufenthaltsberechtigte Unionsbürger Erwerbstätiger, richtet sich der Familiennachzug nach den Bestimmungen für Erwerbstätige, ansonsten nach den Bestimmungen für Nichterwerbstätige. Damit sind die daueraufenthaltsberechtigten den "gewöhnlich freizügigkeitsberechtigten" Unionsbürgern hinsichtlich des Familiennachzugs gleichgestellt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass für die Kernfamilie zumindest das Niveau erreicht werden muss, das das AufenthG. für den Nachzug zu Deutschen enthält (Artikel 24 Absatz 1 Freizügigkeitsrichtlinie). D.h., dass beim Ehegatten, beim minderjährigen ledigen Kind sowie beim Elternteil eines minderjährigen ledigen Unionsbürgers, der die Personensorge ausübt, auch ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen (ausreichender Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel) ein Familiennachzug möglich sein muss (vgl. § 28 AufenthG).

4a.0.3 Zur Bescheinigung und zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts vgl. Nummer 5.6 und 5.7.

4a.1 Allgemeine Voraussetzungen

Absatz 1 enthält die Grundnorm. Nach fünfjährigem ständigem rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet entsteht das voraussetzungslose Daueraufenthaltsrecht. Das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a Absatz 1 setzt nicht voraus, dass der fünfjährige Aufenthalt nach den Regeln des Freizügigkeitsrechts (AufenthG/ EWG, Freizügigkeitsgesetz/EU) rechtmäßig war. Rechtmäßig ist jeder Aufenthalt, der entweder nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (früher: AufenthG/EWG) oder nach dem ( AufenthG/ (früher: AuslG) erlaubt ist. Bedingung ist jedoch, dass der Aufenthalt zuletzt nach Freizügigkeitsrecht rechtmäßig war, d. h. sich nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU richtete. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach das weitere Vorliegen der Voraussetzungen nicht mehr von Belang ist. Familienangehörige von Unionsbürgern müssen sich zum Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a fünf Jahre lang ununterbrochen mit dem Unionsbürger im Bundesgebiet aufgehalten haben. Bei einem drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Staatsangehörigen eines Beitrittsstaates ist eine Anrechnung des Voraufenthalts möglich, wenn er sich als Familienangehöriger des Staatsangehörigen eines neuen Mitgliedstaates mit diesem fünf Jahre lang ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dieser Grundsatz gilt entsprechend für die Fälle des § 4a Absatz 3, 4 und 5.

4a.2 Daueraufenthaltsrecht bei Beendigung einer Erwerbstätigkeit

Absatz 2 legt die Bedingungen für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts für Erwerbstätige fest, die ihre Erwerbstätigkeit beenden, bevor sie ein Daueraufenthaltsrecht gemäß Absatz 1 erworben haben. Er bildet die Vorgaben des Artikels 17 Freizügigkeitsrichtlinie ab.

4a.3 Familienangehörige verstorbener Unionsbürger

Absatz 3 regelt das eigenständige Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen, wenn der Erwerbstätige im Laufe seines Erwerbslebens stirbt, ohne zuvor ein Daueraufenthaltsrecht erworben zu haben. Er setzt Artikel 17 Absatz 4 Freizügigkeitsrichtlinie um.

4a.4 Familienangehörige daueraufenthaltsberechtigter Unionsbürger

Absatz 4 regelt das eigenständige Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen, wenn der Erwerbstätige, von dem sie ihr Aufenthaltsrecht ableiten, ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4aAbsatz 2 erworben hat. Er setzt Artikel 17 Absatz 3 Freizügigkeitsrichtlinie um.

4a.5 Familienangehörige nach § 3 Absatz 3 bis 5

Absatz 5 betrifft die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen, die gemäß § 3 Absatz 3 bis 5 nach Tod, Wegzug, Scheidung, Aufhebung der Ehe ihr Aufenthaltsrecht unter bestimmten Bedingungen behalten. Sie erwerben nach Ablauf von fünf Jahren das Daueraufenthaltsrecht.

4a.6 Abwesenheitszeiten

Absatz 6 nennt die vom Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Gründe, die bei der Fristberechung zum Erwerb des Daueraufenthaltsrechts unbeachtlich sind.

4a.7 Verlust

Absatz 7 enthält eine Regelung für den Verlust des Daueraufenthaltsrechts. Zur Auslegung des Begriffs "Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund" siehe Nummer 51.1.5 AufenthG-VwV.

5 Zu § 5 - Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht, Aufenthaltskarten

5.0 Allgemeines

Für keine Gruppe von Unionsbürgern (Erwerbstätige und Nichterwerbstätige) ist ein Aufenthaltstitel erforderlich. Vielmehr wird Unionsbürgern sowie den Familienangehörigen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU sind, im vereinfachten Verfahren von Amts wegen eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ausgestellt ( § 5 Absatz 1). Drittstaatsangehörigen Familienangehörigen wird von Amts wegen eine Aufenthaltskarte ausgestellt.

5.1 Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht

5.1.1 Bei der Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern handelt sich um eine Art Anmeldebestätigung, da die Angaben, die diese zu ihrem Freizügigkeitsrecht machen, i. d. R. nicht überprüft werden. Auf den Begriff "(An)Meldebescheinigung" wurde verzichtet,. um eine Verwechslung mit entsprechenden Papieren im Rahmen der meldebehördlichen Anmeldung zu vermeiden.

Die Handhabung des Anmeldeverfahrens vor Ort darf nicht dazu führen, dass die Bescheinigung zu einem Aufenthaltstitel unter anderem Namen aufgewertet wird. Artikel 8 Freizügigkeitsrichtlinie geht ebenfalls von einem reinen Anmeldeverfahren aus. Die Bescheinigung ist unverzüglich auszustellen (Umsetzung des Artikels 8 Absatz 2 Satz 2 Freizügigkeitsrichtlinie).

5.1.2 Es gibt keinen bundeseinheitlichen Vordruck für die Bescheinigung. Dies dokumentiert die beschränkte Bedeutung des Papiers. Folgende Hinweise sind bei der Gestaltung der Bescheinigung bundeseinheitlich zu beachten:

5.1.2.1 - Durch die Angabe der Nummer des Identitätsdokuments des Inhabers sollte der Bezug zum Personaldokument hergestellt werden. Artikel 8 Absatz 2 Satz 2 Freizügigkeitsrichtlinie sieht vor, dass die Bescheinigung Name und Anschrift sowie Zeitpunkt der Anmeldung angibt.

5.1.2.2 - Auf die Angabe der Personengruppe nach § 2 Absatz 2 sollte in der Freizügigkeitsbescheinigung verzichtet werden. Auch minderjährigen Unionsbürgern ist eine Freizügigkeitsbescheinigung auszustellen.

5.1.2.3 Die Bescheinigung ist regelmäßig ohne Angabe eines Gültigkeitszeitraums auszustellen. Da die Freizügigkeitsrichtlinie ausdrücklich eine Anmeldebescheinigung vorsieht, der ein Gültigkeitszeitraum naturgemäß fremd ist, sollte nur in Ausnahmefällen ein Gültigkeitszeitraum vermerkt werden. Dies ist dann denkbar, wenn z.B. der geplante Aufenthalt von vornherein vorübergehender Natur ist.

5.1.2.4 Obwohl die Ausstellung der Bescheinigung in einem vereinfachten Verfahren erfolgt, fällt ein Verwaltungsvorgang an, der in geeigneter Weise zu dokumentieren ist. Für Unionsbürger sind weiterhin Ausländerakten zu führen, in denen alle wesentlichen Aspekte des Einzelfalles nachvollziehbar und ersichtlich dokumentiert sind. Dies kann sowohl in elektronischer Form als auch in Papierform erfolgen.

5.1.3 Muster der Bescheinigung: Kopfbogen der ausstellenden Behörde

Bescheinigung gemäß § 5 Absatz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU

Name, Vorname:

Geburtsdatum:

Staatsangehörigkeit:

Anschrift:

Zeitpunkt der Anmeldung:

Die Inhaberin/der Inhaber dieser Bescheinigung ist Staatsangehörige/r eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Europäischen Gemeinschaft und nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.

(Der Inhaber/die Inhaberin dieser Bescheinigung benötigt zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung-EU.)

Diese Bescheinigung gilt nur in Verbindung mit folgendem Identitätsdokument der Inhaberin/des Inhabers:


Bezeichnung des Dokuments; Seriennummer

Im Auftrag

(Siegel)

_____________________________________________
Datum, Unterschrift

5.2 Aufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern

5.2.1 Die drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltskarte auf einem bundeseinheitlich vorgegebenen Vordruck ( § 58 Satz 1 Nummer 13 i. V. m. Anlage D15 zur AufenthV). Die Aufenthaltskarte ist deklaratorisch, d. h. das Freizügigkeitsrecht entsteht originär durch das Gemeinschaftsrecht und nicht durch die Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

5.2.2 Die Aufenthaltskarte wird i. d. R. mit einem Gültigkeitszeitraum von fünf Jahren ausgestellt, es sei denn, aus dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers., von dem sich das Recht des drittstaatsangehörigen Familienangehörigen ableitet, ergibt sich ein kürzerer Zeitraum. Die Ausstellung der Aufenthaltskarte erfolgt unabhängig davon, ob der Familienangehörige mit einem nach § 2 Absatz 4 Satz 2 ausgestellten Visum eingereist ist.

5.2.3 Die Aufenthaltskarte ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Familienangehörige die erforderlichen Angaben gemacht hat, von Amts wegen auszustellen (Umsetzung des Artikels 10 Absatz 1 Satz 1 Freizügigkeitsrichtlinie). Eine Bescheinigung darüber, dass die für das Verfahren erforderlichen Angaben gemacht wurden, wird unverzüglich ausgestellt. Einen bundeseinheitlichen Vordruck für diese Bescheinigung gibt es nicht. Die Bescheinigung kann mit folgendem Text ausgegeben werden: "Der Inhaber/die Inhaberin dieser Bescheinigung hat als Familienangehöriger eines Unionsbürgers die Angaben gemacht, die für die Ausstellung der Aufenthaltskarte erforderlich sind."

5.2.4 In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, Rs. C-459/99 - MRAX, hingewiesen (illegale Einreise bzw. abgelaufenes Visum von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen; siehe auch Nummer 2.4.2.2).

5.2.5 Auf der Aufenthaltskarte für Familienangehörige der neuen Unionsbürger ist der Hinweis "Die Inhaberin./der Inhaber dieser Aufenthaltskarte/dieser Bescheinigung benötigt für die Aufnahme einer arbeitsgenehmigungspflichtigen Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis-EU oder Arbeitsberechtigung-EU" aufzunehmen (siehe Nummer 13).

5.2.6 Gemäß § 15 gilt eine vor dem 28. August 2007 unter der bisherigen Bezeichnung ausgestellte Aufenthaltserlaubnis-EU als Aufenthaltskarte eines Familienangehörigen eines EU-Bürgers bis zum Ablauf des Gültigkeitsdatums fort.

5.3 Glaubhaftmachung der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen

5.3.1 Die Ausländerbehörde kann die Glaubhaftmachung der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen durch Angaben und Vorlagen der erforderlichen Nachweise sowohl bei Unionsbürgern als auch bei deren Familienangehörigen verlangen. Dies ist jedoch erst drei Monate nach Einreise zulässig (Artikel 8 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie). Davor besteht das voraussetzungslose Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Absatz 5. Hinsichtlich des Verfahrens ist zwischen Unionsbürgern einerseits und drittstaatsangehörigen Familienangehörigen andererseits zu unterscheiden.

5.3.1.1 Unionsbürger

5.3.1.1.1 Bei einem Unionsbürger ist grundsätzlich vom Bestehen der Freizügigkeitsvoraussetzungen auszugehen, wenn er erklärt, dass eine der geforderten Ausübungsvoraussetzungen vorliegt und keine Zweifel an seiner Erklärung bestehen. In diesem Fall ist von der Vorlage entsprechender Dokumente zur Glaubhaftmachung vor Ausstellung der Bescheinigung abzusehen. Eine Überprüfung der Angaben findet nicht statt.

5.3.1.1.2 Für den Fall, dass auf eine Prüfung nicht verzichtet werden kann, können von einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger nur die in § 5a Absatz 1 genannten und von einem Familienangehörigen, der ebenfalls Unionsbürger ist, nur die in § 5a Absatz 2 genannten Dokumente verlangt werden.

5.3.1.1.3 Sollten die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nicht vorliegen, stellt die Ausländerbehörde dies fest und teilt es dem Betroffenen mit. Die Ausreisepflicht entsteht mit der Feststellung der fehlenden Freizügigkeitsvoraussetzungen, es sei denn, es werden Rechtsmittel eingelegt ( § 7 Absatz 1, vgl. Nummer 7.1.1.1 f.). Die Unanfechtbarkeit der Feststellung muss nicht abgewartet werden. Die Pflicht zur Ausreise ist sofort vollziehbar.

5.3.1.1.4 Um auszuschließen, dass dem Aufenthaltsrecht bereits von Anfang an Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit entgegenstehen, ist i. d. R. unter Beachtung der Maßgaben des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Dezember 2008 (Rs. C-524/06 - Huber) eine AZR-Abfrage durchzuführen. Hierbei ist auch die Dokumentennummer des vorgelegten Identitätsdokuments zu prüfen. Ergeben sich aus der Abfrage mögliche Gründe, die dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts entgegenstehen (Sperrzeiten aus Voraufenthalten, Ausschreibung zur Einreiseverweigerung), ist zu prüfen, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Einzelfall unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerechtfertigt sind. Maßstab ist § 6 (vgl. Nummer 6 ff.).

5.3.1.1.5 Im Fall einer Wiedereinreisesperre ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Sperrwirkung nachträglich zu befristen bzw. die Frist zu verkürzen ist, weil die Gründe, die zu der Sperre geführt haben, zwischenzeitlich weggefallen sind. Solange der Antrag auf Aufhebung des mit der Ausweisung verbundenen Aufenthaltsverbots noch geprüft wird, besteht gemeinschaftsrechtlich kein Recht des wirksam ausgewiesenen Unionsbürgers, in den betreffenden Staat wieder einreisen zu können.

5.3.1.2 Familienangehörige aus Drittstaaten

5.3.1.2.1 Bei Familienangehörigen aus Drittstaaten ist das Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen durch die Ausländerbehörde zu prüfen. Die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Aufenthaltsrecht drittstaatsangehöriger Familienangehöriger (vgl. unter Nummer 3.0.3) ist bei der Entscheidung zu beachten.

5.3.1.2.2 Von den drittstaatsangehörigen Familienangehörigen können nur die in § 5a Absatz 2 genannten Dokumente verlangt werden.

5.3.1.2.3 Eine AZR-Abfrage ist durchzuführen.

5.3.1.2.4 Ggf. ist zu prüfen, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen sind (siehe Nummer 5.3.1.1.4, bei bestehender Wiedereinreisesperre siehe Nummer 5.3.1.1.5 und 7.2.4.

5.3.2 Unionsbürger und ihre Familienangehörigen können die Angaben zu den Freizügigkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit der meldebehördlichen Anmeldung gegenüber der zuständigen Meldebehörde abgeben.

5.3.2.1 Für Unionsbürger ist i. d. R. keine persönliche Vorsprache in der Ausländerbehörde erforderlich. Die Verfahrensausgestaltung im Einzelnen ist den Ländern überlassen.

5.3.2.2 Die Meldevorschriften der Länder sehen eine Meldung bereits spätestens 14 Tage nach Beziehen einer Wohnung vor. Die Ausländerbehörde kann die Angaben, die sie für die Ausstellung der Bescheinigung nach § 5 oder die Aufenthaltskarte benötigt, jedoch erst drei Monate nach der Einreise fordern (siehe Nummer 2.5.1). Der Unionsbürger muss daher darauf hingewiesen werden, dass er seine Angaben zum Freizügigkeitsrecht auch gesondert zu einem späteren Zeitpunkt vor der Ausländerbehörde machen kann.

5.3.3 Die Meldebehörde leitet die Angaben zu den Freizügigkeitsvoraussetzungen außerhalb der Meldedatenübermittlung an die Ausländerbehörde weiter. Die Festlegung des Verfahrensablaufs im Einzelnen bleibt den Ländern überlassen.

5.3.4 Eine über die dargestellte "Botenfunktion" der Meldebehörde hinausgehende Kompetenz bezüglich aufenthaltsrechtlicher Datenverarbeitung besteht nicht.

5.4 Überprüfung des Fortbestands der Ausstellungsvoraussetzungen

5.4.1 Die Ausländerbehörde kann innerhalb der ersten fünf Jahre des Aufenthalts den Fortbestand der Erteilungsvoraussetzungen aus besonderem Anlass prüfen. Ein besonderer Anlass liegt insbesondere dann vor, wenn nichterwerbstätige Unionsbürger oder deren Familienangehörige Leistungen nach SGB II oder SGB XII in Anspruch nehmen wollen. Dies entspricht Artikel 14 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie. Der Bezug von Leistungen nach den genannten Sozialgesetzbüchern darf jedoch nicht automatisch zur Verlustfeststellung führen.

5.4.2 Ein besonderer Anlass liegt auch vor, wenn hinreichende Anhaltspunkte bekannt werden, dass die Begünstigten über freizügigkeitsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben (z.B. Täuschung über nicht vorhandene Existenzmittel).

5.5 Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts

5.5.1.1 Der Verlust bzw. das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts aufgrund des Fehlens der Ausübungsvoraussetzungen (§ § 2 bis 4) kann nur innerhalb der ersten fünf Jahre nach Begründung des ständigen Aufenthalts festgestellt werden, § 5 Absatz 5 Satz 1. Die Feststellung des Verlustes ist mit der Einziehung der Bescheinigung bzw. dem Widerruf der Aufenthaltskarte zu verbinden. Nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt ist der Fortfall der Freizügigkeitsvoraussetzungen nicht mehr relevant, da das Daueraufenthaltsrecht erworben wurde (vgl. Nummer 4a).

5.5.1.2 Die Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Absatz 1 ist eine Ermessensentscheidung.

5.5.1.3 Eine Entscheidung gemäß § 5 Absatz 5 kann nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts auch dann nicht getroffen werden, wenn die Freizügigkeitsvoraussetzungen bereits früher nicht mehr vorlagen, jedoch keine Feststellung getroffen wurde. Sowohl nach den europarechtlichen Vorgaben (Artikel 16 Absatz 1 der Freizügigkeitsrichtlinie) als auch nach nationalem Recht ( § 4a Absatz 1) ist für den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts lediglich ein rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren Voraussetzung. Der Aufenthalt ist jedenfalls nicht rechtmäßig, wenn im Zeitpunkt der Vollendung der Fünf-Jahresfrist eine Entscheidung über den Verlust oder das Nichtbestehen des Rechts vorliegt. Sinn der Vorschrift zum Daueraufenthaltsrecht ist es, nach einem gewissen Zeitraum (fünf Jahre) für den Unionsbürger Sicherheit hinsichtlich seines Aufenthaltsstatus herzustellen und somit seine Integration zu fördern (Erwägungsgründe 17 und 18 der Freizügigkeitsrichtlinie).

5.5.2 Absatz 5 Satz 2 verweist auf § 4a Absatz 6 (siehe Nummer 4a.6). Die dort aufgeführten Aufenthaltszeiten führen ebenfalls nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts innerhalb der ersten fünf Jahre.

5.6 Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts

Die Bestätigung des Daueraufenthaltsrechts erfolgt auf einem bundeseinheitlich vorgegebenen Vordruck ( § 58 Satz 1 Nummer 14 i. V. m. Anlage D16 zur AufenthV).

5.7 Verlust des Daueraufenthaltsrechts

Der Verlust des Daueraufenthaltsrechts tritt nicht automatisch ein, sondern muss festgestellt werden. Die das Daueraufenthaltsrecht bestätigenden Dokumente sind gleichzeitig einzuziehen.

5a Zu § 5a - Vorlage von Dokumenten

5a.0 Allgemeines

Die Dokumente, die für die Ausstellung der Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht bzw. die Aufenthaltskarte nach § 5 verlangt werden dürfen, sind in § 5a abschließend aufgezählt. Die Vorschrift setzt Artikel 8 Absatz 3 und 5 sowie Artikel 10 Absatz 2 der Freizügigkeitsrichtlinie um.

5a.1 Dokumente, deren Vorlage von Unionsbürgern verlangt werden kann

5a.1.1 Absatz 1 betrifft die Nachweise, welche die Ausländerbehörde zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 5 Absatz 1 von einem Unionsbürger verlangen kann. Der gültige Personalausweis oder Reisepass kann von allen Unionsbürgern gleichermaßen verlangt werden.

5a.1.2 Im Übrigen ist bei den Nachweisen, welche die Ausländerbehörde gemäß Absatz 1 verlangen kann, nach den Kategorien freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger zu unterscheiden (Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3, Satz 2).

5a.1.2.1 Unter dem Begriff "andere Ausbildungseinrichtung" sind auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zu verstehen, soweit die ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort im Rahmen eines Praktikums von mehr als drei Monaten, in der Vorbereitung auf eine Promotion oder in der Postdoc-Phase erste praktische Erfahrungen in der Forschung machen.

5a.1.2.2 Ein besonderer Nachweis für Dienstleistungserbringer und -empfänger ( § 2 Absatz 2 Nummer 4 und 5), die Unionsbürger sind, ist nicht vorgesehen.

5a.2 Dokumente, deren Vorlage von Familienangehörigen eines Unionsbürgers verlangt werden kann

Absatz 2 betrifft die Nachweise, welche die Ausländerbehörde von einem Familienangehörigen eines Unionsbürgers verlangen kann. Dabei betrifft Absatz 2 sowohl Familienangehörige mit Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU, denen eine Bescheinigung nach § 5 Absatz 1 auszustellen ist, als auch Familienangehörige, die nicht Unionsbürger sind, denen eine Aufenthaltskarte nach § 5 Absatz 2 auszustellen ist.

6 Zu § 6 - Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt

6.0 Allgemeines

6.0.1 Das Freizügigkeitsgesetz/EU regelt im Grundsatz abschließend und umfassend die Beendigung bzw. Beschränkung des Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern und ihrer freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen. Die Vorschriften nach Kapitel 5 AufenthG sind mit Ausnahme einiger allgemeiner Regeln über die Ausreisepflicht ( § 50 Absatz 3 bis 7) auf diesen Personenkreis nicht anwendbar (vgl. § 11 Absatz 1 Satz 1).

6.0.2 Das Freizügigkeitsgesetz/EU unterscheidet zwischen dem Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, der in § 6 geregelt ist, und dem Verlust des Freizügigkeitsrechts wegen Wegfalls der Voraussetzungen für ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht (so genannte "administrative Ausweisung"). Für diesen letzten Fall sieht § 5 Absatz 5 ein besonderes Feststellungsverfahren über den Verlust des Freizügigkeitsrechts vor, wenn die Voraussetzungen für das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind (vgl. oben Nummer 5.5).

6.0.3 In § 6 Absatz 1, 4 und 5 ist die Differenzierung der Freizügigkeitsrichtlinie zwischen Betroffenen, die lediglich ein Aufenthaltsrecht genießen, solchen, die ein Daueraufenthaltsrecht genießen, und denjenigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten oder minderjährig sind, gesetzlich nachvollzogen. Die Eingriffsschwellen liegen jeweils höher. Dies spiegelt die Intention der Freizügigkeitsrichtlinie wieder, wonach der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen soll, wie die Unionsbürger und Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind (Freizügigkeitsrichtlinie, Erwägungsgrund 24).

6.0.4 Während für die Verlustfeststellung von Unionsbürgern und deren Familienangehörigen die allgemeinen Grundsätze (vgl. Nummer 6.1.1 ff.) Anwendung finden, darf ein daueraufenthaltsberechtigter Betroffener nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgewiesen werden (vgl. Nummer 6.4.1 f.). Eine noch höhere Schwelle besteht bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die entweder ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten oder minderjährig sind (vgl. Nummer 6.5 ff.).

6.0.5 Für die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 kann eine vormals nach AuslG bzw. AufenthG verfügte Ausweisung von Belang sein. Dies ist der Fall, wenn es sich um Personen handelt, die nach Erlass der Ausweisung durch den Beitritt ihrer Heimatstaaten zur Europäischen Union zu Unionsbürgern wurden, oder die zwischenzeitlich Familienangehörige von Unionsbürgern geworden sind (z.B. durch Heirat, Vaterschaftsanerkennung). In diesen Fällen können sich aus dem Sachverhalt, welcher der vormaligen Ausweisung zugrunde liegt, ggf. Gründe auch für die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts nach dem Maßstab des § 6 ergeben. Insoweit kommt es nicht auf den vormals verwirklichten Ausweisungsgrund nach AuslG bzw. AufenthG. an (keine Verweisung des § 11 auf § 11 Absatz 1 AufenthG), sondern auf das dahinter stehende persönliche Verhalten der Person. Ein persönliches Verhalten, welches seinerzeit zu einer Ausweisung nach § 55 AufenthG bzw. §§ 45, 46 AuslG geführt hat (Kann-Ausweisung), erfüllt im Regelfall nicht die Anforderungen für einen Rechtsverlust bzw. die Einreiseversagung nach § 6. Ein persönliches Verhalten, welches seinerzeit zu einer Ausweisung nach § 53 und 54 AufenthG bzw. § 47 AuslG geführt hat (Regel- und Ist-Ausweisungen), ist im Einzelfall an den Anforderungen des § 6 zu messen. Diese Prüfung kann das Fortbestehen einer Gefährdung und damit einen Versagungsgrund nach § 6 ergeben. Zu Wiedereinreisesperren, die aufgrund einer bereits vormals nach Freizügigkeitsrecht verfügten Ausweisung gegen Unionsbürger oder ihre drittstaatsangehörigen Familienangehörigen fortbestehen ("Altausweisungen"), siehe Nummer 7.2.4.

6.0.6 Gemäß Artikel 35 Freizügigkeitsrichtlinie kommt das Freizügigkeitsrecht aus Gründen von Rechtsmissbrauch im Einzelfall nicht zur Entstehung. Ausdrücklich nennt das Gemeinschaftsrecht den Fall der Scheinehe, d. h. die Eheschließung ohne Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausschließlich zur Erlangung einer Rechtsstellung nach dem Freizügigkeitsrecht. Hierzu müssen im Einzelfall hinreichend konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Bei der Ermessensausübung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

6.1 Verlustgründe

6.1.1 Ein freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger oder sein Familienangehöriger kann sein Aufenthaltsrecht nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne der Artikel 39 Absatz 3 und Artikel 46 Absatz 1 EGV, Artikel 27 ff. Freizügigkeitsrichtlinie verlieren (ordrepublic-Klausel). Der Verlust muss durch die zuständige Behörde festgestellt werden. Es handelt sich um ein eigenständiges, vom ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren gemäß AufenthG. unabhängiges Feststellungsverfahren.

6.1.1.1 Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist als Einschränkung des Prinzips der Freizügigkeit grundsätzlich eng auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff, der der Nachprüfung durch die Organe der Gemeinschaft zugänglich ist. Er ist mit dem Begriff der öffentlichen Ordnung des allgemeinen Polizeirechts nicht identisch. Den mitgliedstaatlichen Behörden wird nur in sehr beschränktem Maße ein Ermessensspielraum eröffnet. Es können vielmehr nur solche Verhaltensweisen den Verlust des Freizügigkeitsrechts rechtfertigen, die eine hinreichend schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft darstellen. Eine Verletzung der ungeschriebenen Regeln des menschlichen Zusammenlebens, die nicht zugleich eine strafbare Handlung begründet, reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Es müssen zudem besondere Tatbestände der Gefährdung der inneren Sicherheit oder eine anderweitige schwere Beeinträchtigung gewichtiger Rechtsgüter vorliegen.

6.1.1.2 Auch der gemeinschaftsrechtliche Begriff der öffentlichen Sicherheit ist mit dem des deutschen Polizeirechts nicht identisch. Es wird gemeinschaftsrechtlich keine scharfe Trennung zwischen öffentlicher Sicherheit und Ordnung vorgenommen. Vielmehr versteht der Europäische Gerichtshof den "ordre public-Vorbehalt" als eine umfassende Freizügigkeitsbeschränkungsklausel, für deren Auslegung die in der Freizügigkeitsrichtlinie geltenden Grundsätze maßgeblich sind.

6.1.1.3 Der Begriff der öffentlichen Gesundheit ist unter Berücksichtigung von Artikel 29 Freizügigkeitsrichtlinie auszulegen. Danach gelten als Krankheiten, die eine Verlustfeststellung rechtfertigen, ausschließlich Krankheiten mit epidemischem Potential im Sinne der einschlägigen Rechtsinstrumente der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen zum Schutz der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates getroffen werden.

6.1.1.3.1 Krankheiten mit epidemischem Potential i. S. d. einschlägigen Rechtsinstrumente der WHO sind die in der Anlage 2 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) ( IGV) ausdrücklich genannten Krankheiten: Pocken, Poliomyelitis durch Wildtyp-Poliovirus, durch einen neuen Subtyp des Virus verursachte humane Influenza, schweres akutes Atemwegssyndrom (SARS), Cholera, Lungenpest, Gelbfieber, virale hämorrhagische Fieber (Ebola, Lassa, Marburg). Ferner sind dies übertragbare Krankheiten, zu denen die Generaldirektorin/der Generaldirektor der WHO aufgrund eines Ereignisses gemäß Artikel 12 der IGV eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite festgestellt hat.

6.1.1.3.2 Sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, gegen die Maßnahmen zum Schutz der Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates getroffen werden, sind die in § 30 IfSG genannten Krankheiten: Lungenpest, von Mensch zu Mensch übertragbares hämorrhagisches Fieber. Ferner sind dies Krankheiten, zu denen die Gesundheitsverwaltung situationsabhängig Schutzmaßnahmen nach § 28 bis 31 IfSG trifft.

6.1.1.3.3 Erfasst sind Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige, Ausscheider ( § 2 IfSG) sowie sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht. Eine ordnungsgemäße Heilbehandlung einschließlich der Befolgung der erforderlichen Präventionsmaßnahmen schließt die Gefahr einer Weiterverbreitung der Krankheit weitgehend aus. Ein Verlustgrund wegen Gefahr für die öffentliche Gesundheit ist daher nicht gegeben, wenn nachgewiesen wird, dass die Krankheit auch im Inland ordnungsgemäß unter Beachtung des Arztprivilegs nach § 24 IfSG behandelt werden wird und erforderliche Präventionsmaßnahmen befolgt werden.

6.1.2 Satz 2 stellt klar, dass die in Satz 1 genannten Gründe auch bereits zur Verweigerung der Einreise, insbesondere auch zur Versagung eines nach § 2 Absatz 4 erforderlichen Visums eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen führen können. Eine entsprechende Feststellung durch die Ausländerbehörde ist vor der Einreiseverweigerung nicht erforderlich. Im Visumverfahren nach § 2 Absatz 4 ist eine AZR/SIS-Abfrage durchzuführen (vgl. Nummer 5.3.1.1.4). Im Fall einer AZR/SIS-Ausschreibung soll die Auslandsvertretung zum Zweck der Entscheidung über eine Visumversagung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die ausschreibende Behörde um ergänzende Informationen über den zugrunde liegenden Sachverhalt ersuchen.

6.1.3 Der neue Satz 3 setzt Artikel 29 Absatz 2 der Freizügigkeitsrichtlinie um. Hiernach kann die Verlustfeststellung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nur erfolgen, wenn die Krankheit innerhalb der ersten drei Monate nach Einreise auftritt. Die Ausländerbehörde trägt die Beweislast dafür, dass eine Gesundheitsgefährdung i. S. d. § 6 Absatz 1 vorliegt und dass der Unionsbürger sich noch nicht länger als drei Monate seit Einreise im Bundesgebiet aufhält.

6.2 Verlust nach einer strafrechtlichen Verurteilung

6.2.0 Absatz 2 nennt die gemeinschaftsrechtlichen, durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkretisierten, in Artikel 27 und 28 Freizügigkeitsrichtlinie genannten Vorgaben zum Verlust des Freizügigkeitsrechts nach einer strafrechtlichen Verurteilung.

6.2.1 Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung allein darf auch bei schwereren Straftaten nicht zur automatischen Feststellung des Rechtsverlusts führen. Die Ausländerbehörde muss das zu Grunde liegende persönliche Verhalten eigenständig bewerten und eine Prognose für die Zukunft erstellen, ob von dem straffällig gewordenen Unionsbürger eine Wiederholungsgefahr ausgeht, die zum einen eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und darüber hinaus ein Grundinteresse der Bundesrepublik Deutschland berührt (siehe Nummer 6.2.3). Es ist notwendig, alle für die Entscheidung über den Verlust des Freizügigkeitsrechts wesentlichen Gesichtspunkte umfassend und schlüssig zu begründen.

6.2.2.1 Entscheidend ist das der Straftat zu Grunde liegende persönliche Verhalten. Bei der Entscheidung über den Verlust des Freizügigkeitsrechts ist daher außerdem Folgendes zu beachten.

6.2.2.1.1 Vom Einzelfall losgelöste Erwägungen oder eine generalpräventive Begründung der Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts sind unzulässig.

6.2.2.1.2 Ein erheblicher Verstoß wird auch durch wiederholte Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder durch wiederholte Begehung leichter Kriminalität nicht zu bejahen sein. Bei mittelschwerer oder schwerer Delinquenz müssen eine sorgfältige Prüfung sowie eine prognostische Bewertung durch die Ausländerbehörde erfolgen.

6.2.2.1.3 Die Gefahrenprognose ist zu begründen. Für die individuelle Würdigung aller Umstände des Einzelfalles sind die einschlägigen strafrechtlichen Entscheidungen heranzuziehen, soweit sie für die Prüfung der Wiederholungsgefahr bedeutsam sind.

6.2.2.1.4 Rückschlüsse dürfen nur aus den noch nicht getilgten Eintragungen zu strafrechtlichen Verurteilungen im Bundeszentralregister gezogen werden.

6.2.2.1.5 Eine rechtliche Bindung an die tatsächlichen Feststellungen und an die Beurteilungen des Strafrichters besteht für die Ausländerbehörde grundsätzlich nicht (vgl. Vor Nummer 53.3.1.5 AufenthG-VwV).

6.2.2.1.6 Zur sofortigen Vollziehung der Feststellungsentscheidung vgl. Nummer 7.1.1.2.

6.2.3 Gemäß Satz 3 muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Das "Grundinteresse der Gesellschaft" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Ob dieses berührt ist, muss im jeweiligen Einzelfall entschieden und begründet werden. Von einem Grundinteresse kann in diesem Zusammenhang ausgegangen werden, wenn die von dem Unionsbürger ausgehende Gefahr allgemein anerkannte und gesetzlich festgelegte Werte und Normen in einem Maße beeinträchtigt, das ein Einschreiten seitens des Staates erforderlich macht. Zu den Grundinteressen der Gesellschaft gehören beispielsweise die effektive Bekämpfung von Drogenhandel und des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

6.2.4 Aus der Schwere eines begangenen Delikts allein lässt sich eine Wiederholungsgefahr nicht ableiten. Dies schließt jedoch nicht aus, dass in Einzelfällen nach Verurteilung wegen schwerwiegender Straftaten auf Grund des abgeurteilten, von der zu-. ständigen Behörde gründlich und prognostisch ausgewerteten Verhaltens eine hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen anzunehmen ist. Im Einzelfall kann die Annahme einer Wiederholungsgefahr und eine hierauf gestützte Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts bei erheblichen Straftaten schon bei einer einzigen Verurteilung möglich sein.

6.3 Ermessenserwägungen

Absatz 3 nennt die Faktoren, die bei der Feststellung über den Rechtsverlust zu beachten sind. Ersetzt Artikel 28 Absatz 1 der Freizügigkeitsrichtlinie um. Diese Ermessenserwägungen wurden zwar bereits vor der Gesetzesänderung in der Praxis bei der Entscheidung über den Verlust des Aufenthaltsrechts berücksichtigt, sind aber nunmehr wegen der Bedeutung dieser Bestimmungen für den betroffenen Unionsbürger ausdrücklich im Gesetzestext wiedergegeben.

6.4 Verlust nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts

6.4.1 Ob schwerwiegende Gründe, die nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a noch zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen können, vorliegen ( § 6 Absatz 4), ist im Einzelfall zu entscheiden. Dies ist insbesondere bei drohender Wiederholung von Verbrechen und besonders schweren Vergehen anzunehmen, wenn der Betroffene wegen eines einzelnen Deliktes rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden und die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

6.4.2 Erfolgt die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts zu Recht, wird weder die anteilige Dauer des zunächst rechtmäßigen Aufenthalts noch die anschließende Dauer des ausländerbehördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei einer erneuten Einreise nach Ablauf der Wiedereinreisesperre gemäß § 7 Absatz 2 Satz 2 berücksichtigt. Zusätzlich zu der Darstellung schwerwiegender Gründe sind auch die hier unter Nummer 6.2.1.ff. aufgeführten Entscheidungskriterien zu beachten und ausreichend zu erläutern.

Für die Feststellung des Verlustes des Daueraufenthaltsrechts ist es nicht erforderlich, dass das Recht aufgrund von § 5 Absatz 6 bescheinigt wurde bzw. dass bei Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt wurde.

6.5 Verlust bei zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet und bei Minderjährigen

6.5.0 Die höchste Schwelle für den Verlust des Freizügigkeitsrechts besteht bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen.

6.5.1 Die Verlustfeststellung kann nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Nach den Erwägungsgründen der Freizügigkeitsrichtlinie (Nummer 24) liegen solche zwingenden Gründe nur unter außergewöhnlichen Umständen vor.

6.5.2 Zwingende Gründe müssen dagegen nach Satz 2 bei Minderjährigen dann nicht vorliegen, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Der Begriff "Wohl des Kindes" orientiert sich an den Vorgaben des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II S. 121). Eine Anwendung der Klausel kommt in Betracht, wenn die Einhaltung der Familieneinheit eine Rückkehr des Kindes zu seinen Eltern oder zusammen mit seinen Eltern oder einem Elternteil erforderlich macht.

6.5.3 Das Freizügigkeitsgesetz/EU bestimmt als zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit die rechtskräftige Verurteilung des Betroffenen wegen einer oder mehrerer Straftaten zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren, die Anordnung von Sicherheitsverwahrung bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung, die Betroffenheit der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine vom Betroffenen ausgehende terroristische Gefahr. Liegt einer dieser zwingenden Gründe vor, muss die Ausländerbehörde unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte des Einzelfalls (vgl. Nummer 6.3) eine indivduelle Entscheidung treffen. Auf Nummer 6.1.1.2 wird hingewiesen.

6.5.3.1 Zum Begriff "Rechtskräftige Verurteilung des Betroffenen wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren" wird auf Nummer 53.1.1 AufenthG-VwV Bezug genommen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen übereinstimmen. Gleiches gilt für die "Anordnung von Sicherheitsverwahrung bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung" (vgl. Nummer 53.1.2.2 AufenthG-VwV).

6.5.3.2 Zur Betroffenheit der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vgl. Nummer 54.2.2.2 bis 54.2.2.2.2 AufenthG-VwV, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen übereinstimmen.

6.5.3.3 Zu einer vom Betroffenen ausgehenden terroristischen Gefahr vgl. Nummer 58a.1.2.3 AufenthGVwV, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen übereinstimmen.

6.5.3.4 Bei Auslegung der Begriffe "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen" und "vom Betroffenen ausgehende terroristische Gefahr" ist die Schrankensystematik des Gemeinschaftsrechts zu beachten, wonach zwingende Gründe nur unter außergewöhnlichen Umständen vorliegen. Eine Aufenthaltsbeendigung ist deshalb nur bei schwersten Straftaten in Verbindung mit einer Wiederholungsgefahr möglich. Die Schwelle der Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder Sicherungsverwahrung entspricht diesem Anforderungsprofil. In ihrer Schwere und ihrem Gefährdungspotential müssen auch die beiden anderen Varianten dem Anforderungsprofil entsprechen.

6.5.4 Das Vorliegen zwingender Gründe führt nicht automatisch zum Verlust des (Dauer-)Aufenthaltsrechts. Es muss eine Ermessensentscheidung nach Absatz 1 getroffen werden, bei der die Vorgaben der Absätze 2 und 3 zu beachten sind.

6.6 Nicht belegt.

6.7 Nicht belegt.

6.8 Anhörung

Die Anhörung richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts.

7 Zu § 7 - Ausreisepflicht

7.1 Allgemeines

7.1.0 Absatz, 1 betrifft die Ausreisepflicht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, sowohl nach der Feststellung, dass ein Freizügigkeitsrecht nicht besteht oder weggefallen ist (so genannte "administrative Ausweisung"), als auch nach der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß § 6.

7.1.1.1 Die Ausreisepflicht eines Unionsbürgers entsteht mit der Feststellung des Fehlens/Wegfalls der Freizügigkeitsvoraussetzungen oder mit der Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit. Sie beginnt mit der ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Feststellungsentscheidung nach den VwVfG der Länder.

7.1.1.2 Die Ausreisepflicht kann sofort durchgesetzt werden, es sei denn, es werden Rechtsmittel eingelegt (vgl. Nummer 7.1.5). Bis zu dieser Gesetzesänderung durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergaben sich in der Praxis Probleme daraus, dass die Ausreisepflicht für Unionsbürger erst entstand, wenn die Unanfechtbarkeit der Feststellungsentscheidung eingetreten war. Beim Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erwies sich die damit verbundene zeitliche Verzögerung als zusätzliche Hürde für die Aufenthaltsbeendigung. Da die Freizügigkeitsrichtlinie keine Vorgaben zum Zeitpunkt macht:, in dem die Ausreisepflicht entstehen muss, gibt sie ein Erfordernis der Unanfechtbarkeit nicht vor. Sie verlangt lediglich in Artikel 31 Absatz 2, dass eine Abschiebung nicht erfolgen darf, wenn ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt wurde und über diesen noch nicht erstinstanzlich entschieden worden ist. Mit der gesetzlichen Änderung wird das Entstehen der Ausreisepflicht zeitlich vorverlagert. Mit wirksamer Bekanntgabe der Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ist der Betroffene nach § 7 Absatz 1 ausreisepflichtig. Diese bestehende Ausreisepflicht ist allerdings nicht vollziehbar, wenn eine Klage, die aufschiebende Wirkung entfaltet, gegen die Feststellung eingelegt wird. Nur die - aufgrund der Gesetzesänderung mögliche - Anordnung der sofortigen Vollziehung der Feststellung kann die vollziehbare Ausreisepflicht als Abschiebungsvoraussetzung vor Eintritt der Unanfechtbarkeit erreichen. Das besondere Vollzugsinteresse muss eingehend dargelegt werden.

7.1.2 Die Ausreisepflicht drittstaatsangehöriger Familienangehöriger von Unionsbürgern entsteht mit Rücknahme/Widerruf der Aufenthaltskarte aus den unter Nummer 7.1.1.1 genannten Gründen.

Die Ausreisepflicht wird auch bei den drittstaatsangehörigen Familienangehörigen vorverlagert (vgl. Nummer 7.1.1.2).

7.1.3 Die Durchsetzung der Ausreisepflicht (Aufenthaltsbeendigung) richtet sich nach dem AufenthG, soweit das Freizügigkeitsgesetz/EU keine abweichenden Regelungen enthält ( § 11 Absatz 2). Solche Sonderregelungen treffen Absatz 1 Satz 3 und 4. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Durchsetzung der Ausreisepflicht in Kapitel 5 Abschnitt 2 des AufenthG (§ § 57 ff. AufenthG).

7.1.4.1 Über die Verweisung des § 11 Absatz 1 auf § 50 Absatz 3 bis 7 AufenthG sind folgende Regelungen über die Ausreisepflicht aus dem AufenthG. anwendbar:

7.1.4.2 Die Anordnung von Abschiebungshaft gegen Unionsbürger ist grundsätzlich nur in den Fällen möglich, in denen die Ausländerbehörde den Verlust oder das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festgestellt hat ( § 11 Absatz 2). Darüber hinaus kann Abschiebungshaft angeordnet werden, wenn gegen Unionsbürger eine bestandskräftige so genannte Altausweisung verfügt worden ist und die Voraussetzungen für eine Befristung der fortgeltenden Sperrwirkung nicht vorliegen (vgl. Nummer 7.2.4).

7.1.5 I.d.R. darf die Abschiebung nicht erfolgen, solange nicht über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz entschieden ist (Artikel 31 Absatz 2 Freizügigkeitsrichtlinie). Eine Ausnahme gilt bei der Feststellung des Verlusts des Aufenthaltsrechts aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit ( § 6 Absatz 5).

7.1.6 Bei der Anwendung der Bestimmungen des AufenthG. ist zu berücksichtigen, dass trotz des festgestellten fehlenden Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts über die Einschränkung des Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern innerhalb der Union zur Anwendung kommen. Die Vorschriften des AufenthG. sind daher unter Umständen einschränkend auszulegen.

7.2 Wiedereinreisesperre

7.2.1 Absatz 2 gilt nur für Feststellungen auf Grundlage des § 6, nicht dagegen im Fall des § 5 Absatz 5 (so genannte "administrative Ausweisung"). Um auch im Hinblick auf eine Ausschreibung im SIS die besonderen rechtlichen Anforderungen für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern nach der Freizügigkeitsrichtlinie berücksichtigen zu können, sollte schon bei der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung geprüft werden, ob der strenge Maßstab einer Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß § 6 für die freizügigkeitsberechtigten Drittstaatsangehörigen erfüllt ist. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung wird im SIS kenntlich gemacht, dass der Ausländer zum Zeitpunkt der Ausschreibung freizügigkeitsberechtigt war und die Ausschreibung die besonderen rechtlichen Anforderungen berücksichtigt.

7.2.2 Diese Vorschrift gewährt Unionsbürgern, die einen entsprechenden Antrag gestellt haben, einen Rechtsanspruch auf Befristung. Hiermit wird der hohe Rang zum Ausdruck gebracht, den das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht einnimmt. Die Ausländerbehörde entscheidet im Rahmen ihres Ermessens ausschließlich über die Länge der Frist. Entscheidungserheblich ist das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung sowie der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck: Es muss im jeweiligen Einzelfall festgestellt werden, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Absatz 1 und 2 tragen. Dabei hat die Ausländerbehörde auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung sowie alle persönlichen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Bei voraussichtlich langfristig andauernder Gefährdung kann die Frist entsprechend lang bemessen sein. Die Wiedereinreisesperre darf jedoch nicht auf Lebenszeit verhängt werden.

7.2.3 Die Wirkung einer befristeten Einreisesperre, nämlich das Wiederaufleben des Freizügigkeitsrechts, darf nicht von weiteren Voraussetzungen - wie etwa einer vorherigen Ausreise - oder der Begleichung von Kosten, die durch eine vorherige Abschiebung entstanden sind, abhängig gemacht werden. Soweit ein Unionsbürger trotz Feststellung gemäß § 6 Absatz 1 und befristeter Einreisesperre nicht ausgereist ist und die Gründe für die Feststellung gemäß § 6 nachträglich entfallen sind, muss sich das dem Unionsbürger nun wieder zustehende Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten können. Dies entspricht der sich aus der aus dem EGV ergebenden grundsätzlichen Vermutung für das Recht auf Freizügigkeit.

7.2.4 "Altausweisungen" (d. h. solche, die am 1. Januar 2005 bestandskräftig waren) von Unionsbürgern bleiben weiter wirksam. Ein Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Ausweisungsverfahrens gemäß § 51 Absatz 1 Nummer 1 VwVfG kommt nicht in Betracht, da sich die Rechtslage nicht nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dies folgt aus § 102 Absatz 1 Satz 1 AufenthG (Fortgeltung ausländerrechtlicher Maßnahmen), so dass keine für den Unionsbürger günstige Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Zwar ist das AufenthG. für Freizügigkeitsberechtigte nicht anwendbar und § 11 Absatz 1 sieht eine entsprechende Anwendbarkeit von § 102 AufenthG nicht vor. Jedoch greift § 11 Absatz 2, so dass eine bestandskräftige Ausweisung in ihrer Wirkung der Verlustfeststellung gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU gleichsteht. Die an die Altausweisung anknüpfenden gesetzlichen Sperrwirkungen bleiben auch nach dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes bestehen. Für ausgewiesene Unionsbürger besteht somit ein Einreiseverbot. Liegen die Voraussetzungen für eine Befristung der fortgeltenden Sperre nicht vor (vgl. Nummer 7.2.2), kann - bei gleichwohl erfolgter Einreise - Abschiebungshaft angeordnet werden.

Will ein nach altem Recht ausgewiesener Unionsbürger wieder einreisen, muss er im Fall einer noch wirksamen Einreisesperre zunächst deren Befristung beantragen. Diesem Antrag muss entsprochen werden, wenn die Gründe, die zur Ausweisung führten, keine Feststellung des Verlustes der Freizügigkeit nach § 6 (mehr) begründen können (siehe Nummer 7.2.2). Anders verhält es sich mit Unionsbürgern, die ohne vorherige Ausweisung abgeschoben wurden. Da es im Freizügigkeitsgesetz/EU keine dem § 11 Absatz 1 AufenthG entsprechende Regelung in Bezug auf Abschiebungen gibt, gibt es für diese Fälle nach dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetz/EU kein Einreise- und Aufenthaltsverbot.

7.2.5 Bei einer vormals nach AuslG bzw. AufenthG. verfügten Ausweisung gegenüber einer Person, die inzwischen (z.B. aufgrund Heirat, Vaterschaftsanerkennung, Beitritt des Herkunftsstaates zur Europäischen Union) dem Freizügigkeitsgesetz/ EU unterfällt, kommt die Feststellung des Verlustes des Rechtes auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Absatz 1 unter den in Nummer 6.0.5 beschriebenen Voraussetzungen in Betracht.

8 Zu § 8 - Ausweispflicht

8.1 Ausweispflichten

Absatz 1 regelt die Ausweispflicht der Unionsbürger. Mit den ausweisrechtlichen Vorschriften des § 8 korrespondieren die Bußgeldvorschriften des § 10. Die in § 8 Absatz 1 Nummer 2 enthaltene Verpflichtung zum Besitz des Passes oder Passersatzes für die Dauer des Aufenthaltes beinhaltet die Berechtigung für die zuständigen Behörden, den Unionsbürger und seine Familienangehörigen zu einem entsprechenden Nachweis des Besitzes (Vorzeigen) aufzufordern.

8.2 Erhebung und Abgleich biometrischer Daten

Mit Absatz 2 ist die erforderliche Rechtsgrundlage für die Erhebung und den Abgleich biometrischer Daten von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen in Anlehnung an die passrechtliche Regelung in § 16a PassG geschaffen worden. Im Rahmen der Ausweispflicht ist nunmehr auch eine biometriegestützte Identitätsüberprüfung zugelassen. Überprüft werden dürfen nur - soweit vorhanden - das Lichtbild, die Fingerabdrücke und die Iris.

9 Zu § 9 - Strafvorschriften

9.1 § 9 sieht eine eigene Strafvorschrift für Unionsbürger bei Verstoß gegen das Wiedereinreiseverbot des § 7 Absatz 2 Satz 1 vor.

9.2 Die zunehmende Gleichstellung von Unionsbürgern mit Inländern rechtfertigt es, eine unerlaubte Einreise bei Unionsbürgern milder zu bestrafen als bei sonstigen Drittausländern. Das Strafmaß orientiert sich deshalb an der Vorschrift des § 24 PassG, wonach ein Deutscher, der gegen ein Ausreiseverbot verstößt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft wird.

10 Zu § 10 - Bußgeldvorschriften Nicht belegt.

11 Zu § 11 - Anwendung des Aufenthaltsgesetzes

11.0 Allgemeines

11.0.1 Das AufenthG. findet nur in den folgenden Fällen Anwendung:

11.0.1.1 - in ausdrücklichen Verweisungsfällen ( § 11 Absatz 1 Sätze 1, 2, 3 und 4),

11.0.1.2 - in den Fällen, in denen es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das Freizügigkeitsgesetz/EU ( § 11 Absatz 1 Satz 5),

11.0.1.3 - sowie, wenn die Ausländerbehörde das Nichtbestehen oder den Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 oder des Rechts nach § 2 Absatz 5 festgestellt hat ( § 11 Absatz 2).

11.0.2 So finden z.B. die allgemeinen Ausweisungsregelungen des AufenthG. keine Anwendung, da die Rechtsgrundlage für die Aufenthaltsbeendigung von Unionsbürgern durch eine eigenständige Norm im Freizügigkeitsgesetz/EU abschließend geregelt ist ( § 6).

11.0.3 Verlieren die o.g. Personen ihr gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht (z.B. drittstaatsangehörige Ehepartner nach Scheidung vom Unionsbürger, wenn nicht die Voraussetzungen des § 3 Absatz 5 vorliegen, Unionsbürger nach Feststellung des Verlustes nach § 6), sind sie gemäß § 11 Absatz 2 als "Ausländer" i. S. d. AufenthG. zu behandeln, es sei denn, das Freizügigkeitsgesetz/EU enthält spezielle Vorschriften.

11.1 Anwendbare Bestimmungen des AufenthG.

11.1.1 Anwendbar sind folgende Bestimmungen des AufenthG.:

11.1.2.1 Drittstaatsangehörige haben bei einer Antragstellung für ein Ausnahmevisum gegenüber den mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden glaubhaft zu machen und ggf. nachzuweisen, dass sie als Familienangehörige von Unionsbürgern die Voraussetzungen eines von einem Unionsbürger "abgeleiteten" Rechts auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland erfüllen. Andernfalls erfolgt die Visumbearbeitung nach dem AufenthG.

11.1.2.2 Die in § 3 Absatz 2 Nummer 2 genannten Verwandten haben bei der Beantragung eines Ausnahmevisums in schriftlicher Form den Nachweis der tatsächlichen Unterhaltsleistung zu erbringen (z.B. durch amtliche Bescheinigungen seines Aufenthaltsmitgliedstaats). Eine einfache Erklärung des Familienangehörigen oder des Unionsbürgers selbst, in der diese z.B. bestätigen, dass in der Vergangenheit Unterstützung erfolgt ist und diese künftig fortgesetzt werden soll, genügt ohne jeden weiteren Beleg nicht.

11.1.2.3 Im Fall von Sicherheitsabfragen (vgl. Nummer 11.1.3.1 ff.) ist deren Ergebnis für die Entscheidung über die Visumerteilung zu berücksichtigen. Liegen gemäß Ausländerzentralregister und Abfragen im SIS sicherheitsrelevante Tatsachen vor, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die europarechtlich die Versagung der Einreise rechtfertigen können. Ergibt die SIS-Abfrage die Ausschreibung eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen zur Einreiseverweigerung durch einen anderen Mitgliedstaat, so dürfen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden das Ausnahmevisum nicht sofort aus diesem Grund ablehnen. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH unverzüglich den ausschreibenden Mitgliedstaat zu konsultieren und um ergänzende Informationen zu ersuchen, die es ermöglichen, selbst das Ausmaß einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung von Grundinteressen der Gemeinschaft am Maßstab des Freizügigkeitsrecht zu prüfen.

11.1.2.4 Das Einreisevisum wird als "C-Visum" zur einmaligen Einreise und für einen maximalen Aufenthalt für 15 Tage erteilt. Es wird in Unterscheidung zu nach Schengen-Recht erteilten Visa, insbesondere im Hinblick auf mögliche Inlandskontrollen, durch die Anmerkung "Familienangehöriger eines Unionsbürgers/EWR-Bürgers" im Auflagenfeld des Visumetiketts kenntlich gemacht. Dabei ist es unschädlich, wenn bei ausdrücklicher Beantragung eines Ausnahmevisums bereits erkennbar ist, dass anschließend ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland in Frage kommt. Sollten die Voraussetzungen für ein längerfristiges Aufenthaltsrecht gemäß Artikel 7 Freizügigkeitrichtlinie nicht vorliegen, stellt die Ausländerbehörde dies gemäß § 5 Absatz 5 fest.

11.1.3.1 Die Aufnahme von § 73 AufenthG in die Aufzählung des § 11 Absatz 1 Satz 1 ermöglicht Sicherheitsanfragen durch die Auslandsvertretungen und die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden im Rahmen der Visumentscheidung gegenüber drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern, die in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetz/EU fallen ( § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 73 Absatz 1 AufenthG).

11.1.3.2 Darüber hinaus können Sicherheitsanfragen anlassbezogen auch durch die Ausländerbehörden gegenüber Unionsbürgern oder ihren drittstaatsangehörigen Familienangehörigen durchgeführt werden ( § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 73 Absatz 2 AufenthG). Mit dem einschränkenden Verweis auf § 6 Absatz 1 in § 11 Absatz 1 Satz 2 wird den hohen europarechtlichen Anforderungen für eine Verlustfeststellung Rechnung getragen. Die Anfragen sind auf Tatsachen, die zur Feststellung gemäß § 6 Absatz 1 relevant sind; zu begrenzen.

11.1.3.3 Von der durch § 73 Absatz 2 AufenthG eingeräumten Befugnis zu einer Sicherheitsanfrage haben die Ausländerbehörden Gebrauch zu machen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von der Person des Unionsbürgers bzw. seines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eine Gefahr im Sinne des § 6 Absatz 1 ausgeht. Im Rahmen der Prüfung der tatsächlichen Anhaltspunkte sind die in der Anlage zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 73 Absatz 2 und 3 Satz 1 AufenthG vom 25. August 2008 (GMBl. 2008 Nummer 45 S. 943) genannten Fälle entsprechend zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings die hohe Eingriffsschwelle des § 6 zu beachten.

11.1.3.4 Das in § 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 73 Absatz 2 und 3 Satz 1 AufenthG geregelte Verfahren, das bei Sicherheitsanfragen anzuwenden ist, gilt im Rahmen von Sicherheitsanfragen gegenüber Unionsbürgern und drittstaatsangehörigen Familienangehörigen i. S. d. Freizügigkeitsgesetz/EU entsprechend.

11.1.4 Bei Unionsbürgern wird ein Lichtbild zur Führung der Ausländerdatei a gemäß § 65 Nummer 7 AufenthV benötigt. Die Mitwirkungspflicht des § 82 Absatz 5 Satz 1 AufenthG ist entsprechend modifiziert (vgl. § 11 Absatz 1 Satz 3).

11.1.5 Die Anwendbarkeit der Datenübermittlungsregelungen für öffentliche Stellen nach § 87 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 AufenthG ist auf die Fälle beschränkt, in denen die mitzuteilenden Tatsachen für die Feststellung gemäß § 5 Absatz 5 und § 6 Absatz 1 relevant sein können (vgl. § 11 Absatz 1 Satz 4).

11.1.6 Die Meistbegünstigungsklausel ( § 11 Absatz 1 Satz 5) stellt sicher, dass es im Einzelfall nicht zu einer unzulässigen Schlechterstellung von Unionsbürgern gegenüber sonstigen Ausländern kommt.

11.2 Anwendbarkeit des AufenthG bei Feststellung von Nichtbestehen oder Verlust des Freizügigkeitsrechts

11.2.1 Das AufenthG insgesamt ist nach § 11 Absatz 2 erst anwendbar, wenn eine Feststellung über Nichtbestehen/Verlust des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde getroffen wurde, da für Unionsbürger zunächst eine Vermutung für die Freizügigkeit gilt. Diese umfassende Verweisung kann zu einer Doppelung von Verweisungen in folgenden Fällen führen: § 11 Absatz 1 Satz 1 verweist auf einige Vorschriften des AufenthG., die tatbestandlich erst nach der Feststellung des Nichtbestehens/Verlusts des Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen können (z.B. § 11 Absatz 2 AufenthG - Betretenserlaubnis). Diese Doppelung ist überflüssig, aber unschädlich. Die umfassende Verweisung in § 11 Absatz 2 Satz 1 dient als Auffangnorm. Zur Anwendbarkeit der Vorschrift in Fällen der Weitergeltung von so genannten "Altausweisungen" von Unionsbürgern vgl. Nummer 7.2.4.

11.2.2 Sonderregelungen trifft insbesondere § 7 zur Ausreisepflicht. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht richtet sich dagegen nach den allgemeinen Regeln des AufenthG.

11.3 Anrechnung von Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU

Die Anrechnungsvorschrift des Absatzes 3 stellt sicher, dass bei Verlust des Aufenthaltsrechts nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU Zeiten, in denen nach diesem Gesetz ein rechtmäßiger Aufenthalt bestand, für den Erwerb eines Aufenthaltsrechts nach dem AufenthG. Berücksichtigung finden.

12 Zu § 12 - Staatsangehörige der EWR-Staaten

12.1 Die Staatsangehörigen der EWR-Staaten (d. h. Staatsangehörige Norwegens, Islands und Liechtensteins) und ihre Familienangehörigen werden durch diese Regelung in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetz/EU einbezogen. Sie sind damit Unionsbürgern in jeder Beziehung gleichgestellt, ohne jedoch den Status eines Unionsbürgers bzw. eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers zu erlangen.

12.2 Die Schweiz gehört nicht zur Europäischen Union und auch nicht zu den EWR-Staaten. Der Aufenthalt von Schweizer Staatsangehörigen richtet sich nach dem Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, das seit 1. Juni 2002 in Kraft ist (vgl. Nummer 4.1.1.1 AufenthG-VwV). Danach sind Schweizer Staatsangehörige den Unionsbürgern weitgehend gleichgestellt und haben das Recht, ihren Arbeitsplatz bzw. Aufenthaltsort innerhalb der Europäischen Union frei zu wählen. Voraussetzung ist, dass sie über einen gültigen Arbeitsvertrag verfügen, selbstständig sind oder - bei Nichterwerbstätigen - ausreichende finanzielle Mittel nachweisen können und krankenversichert sind.

13 Zu § 13 - Staatsangehörige der Beitrittstaaten

13.0 Die Unionsbürger aus den mit Wirkung zum 1. Mai 2004 bzw. 1. Januar 2007 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten werden aufenthaltsrechtlich ebenso behandelt, wie die Staatsangehörigen aus den bisherigen Mitgliedstaaten (EU-15). Für die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten beider Erweiterungsrunden - mit Ausnahme von Malta und Zypern - sehen die Beitrittsverträge und die Beitrittsakte im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie unter bestimmten Voraussetzungen für einige Dienstleistungssektoren bis zur Herstellung der vollständigen Freizügigkeit Übergangsregelungen vor. Gemäß § 13 gelten für die Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten besondere Bestimmungen im Hinblick auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.

13.0.1 Es gilt ein flexibles, so genanntes "2 + 3 + 2-Modell". Danach können Arbeitsmarktzugang sowie Erbringung von Dienstleistungen mit entsandten Arbeitnehmern in bestimmten Sektoren (vgl. Nummer 13.3) nach nationalem oder bilateralem Recht geregelt und der Arbeitsmarktzugang für eine Übergangszeit von maximal sieben Jahre beschränkt werden:

13.0.1.1 - Während der ersten, zweijährigen Phase finden die nationalen oder bilateralen Regelungen an Stelle der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. Dienstleistungsfreiheit Anwendung.

13.0.1.2 - Im Anschluss daran können Mitgliedstaaten der EU-Kommission ausdrücklich mitteilen, dass sie für weitere drei Jahre (zweite Phase) Beschränkungen des Arbeitsmarktzugangs vorsehen.

13.0.1.3 - In der dritten Phase können Mitgliedstaaten, die in der zweiten Phase ihre Beschränkungen beibehalten haben, im Fall schwerer Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr einer solchen Störung für weitere zwei Jahre nach Mitteilung an die EU-Kommission diese Regelungen weiter aufrecht erhalten.

13.0.2 Deutschland macht von diesen Möglichkeiten Gebrauch. Im Hinblick auf die am 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten (EU-8) endete die zweite Phase am 30. April 2009. Deutschland hat der EU-Kommission mit Mitteilung vom 23. April 2009 angezeigt, dass die Beschränkungen im Rahmen der gegenwärtigen dritten Phase weiterhin beibehalten werden (vgl. BAnz. 2009, S. 1572 f.). Diese dritte und letzte Phase läuft für die EU-8 bis zum 30. April 2011. Für die am 1. Januar 2007 beigetretenen Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien läuft gegenwärtig die zweite Phase. Diese endet am 31. Dezember 2011. Die entsprechende Mitteilung für die zweite Phase zu diesen beiden Mitgliedstaaten wurde der EU-Kommission im Dezember 2008 übermittelt (vgl. BAnz. 2008, S. 4807 f.).

13.1 Auswirkungen der Übergangsregelung auf das Aufenthaltsrecht

13.1.1 Die Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten benötigen als Unionsbürger zur Einreise kein Visum. Soweit die entsprechenden Voraussetzungen für ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht unter Beachtung der Beschränkungen der Übergangsregelungen vorliegen, erhalten sie eine Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Absatz 1.

13.1.2 Ohne Einschränkung freizügigkeitsberechtigt sind Staatsangehörige aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten in folgenden Fällen - soweit die europarechtlichen Voraussetzungen vorliegen:

13.1.2.1 - niedergelassene selbständige Erwerbstätige,

13.1.2.2 - Arbeitnehmer, die als Mitarbeiter der Erbringer von Dienstleistungen außerhalb der Sektoren Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige, Gebäude-, Inventar- und Verkehrsmittelreinigung sowie Innendekoration, tätig sind,

13.1.2.3 - selbständige Erbringer von Dienstleistungen aller Sektoren, soweit sie keine ausländischen Arbeitnehmer einsetzen,

13.1.2.4 - Empfänger von Dienstleistungen,

13.1.2.5 - nicht Erwerbstätige unter den Voraussetzungen des § 4,

13.1.2.6 - Familienangehörige von Unionsbürgern aus den EU-15 unter den Voraussetzungen der § 3 und 4 sowie

13.1.2.7 - Daueraufenthaltsberechtigte.

13.1.3 Für Arbeitnehmer sowie Dienstleistungserbringer mit eigenen Mitarbeitern als Staatsangehörige der Beitrittsstaaten in den den Übergangsregelungen unterliegenden Sektoren gilt, dass sie ebenfalls eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht erhalten, jedoch nur nach Maßgabe der Zulassung durch die Arbeitsverwaltung erwerbstätig sein können. Der Arbeitsmarktzugang, d. h. die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU durch die Arbeitsverwaltung, ist für das Aufenthaltsrecht mittelbar von Bedeutung.

13.2 Anwendung der Übergangsregelung im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit

13.2.1 § 13 verweist auf § 284 SGB III, welcher die Arbeitsgenehmigungspflicht für die neuen Unionsbürger, die den Übergangsregelungen unterliegen, festschreibt. Sie benötigen vor Aufnahme der arbeitsgenehmigungspflichtigen Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis-EU bzw. Arbeitsberechtigung-EU ( § 12a ArGV).

13.2.2.1 Der Arbeitsmarktzugang für die neuen Unionsbürger wird ausschließlich von der Arbeitsverwaltung geprüft und abschließend beurteilt. Die Prüfung des Arbeitsmarktzugangs beruht auf den einschlägigen Vorschriften des SGB III, der ArGV und der ASAV. Auf Grund des Günstigkeitsprinzips nach § 284 Absatz 6 SGB III finden das AufenthG sowie die BeschV und BeschVerfV auf die neuen Unionsbürger entsprechende Anwendung, soweit sie gegenüber den zuvor genannten Vorschriften günstigere Regelungen enthalten (z.B. § 6a BeschVerfV in Bezug auf Opfer von Menschenhandel, die mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren).

13.2.2.2 Soweit ein Unionsbürger aus den Beitrittstaaten während seines Voraufenthaltes bereits einen Aufenthaltstitel besaß, der zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigte (z.B. nichtdeutscher Ehegatte eines Deutschen, Inhaber einer Niederlassungserlaubnis), bleibt die Berechtigung zur Aufnahme der Beschäftigung bestehen. Ein Unionsbürger aus einem Beitrittsstaat, der Freizügigkeit genießt, aber gleichzeitig die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AufenthG. erfüllt, der zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt, kann auf die Antragstellung nach der für ihn günstigeren Rechtsgrundlage hingewiesen werden. Gleiches gilt für den Unionsbürger aus einem Beitrittsstaat, der Familienangehöriger eines "Alt"-Unionsbürgers ist.

13.2.3 Auf der Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ist für die Staatsangehörigen der neuen EU-Mitgliedstaaten, die den Übergangsregelungen unterliegen, die Arbeitsgenehmigungspflicht zu vermerken (Muster der Bescheinigung siehe Nummer 5.1.3). Der Hinweis auf die Arbeitsgenehmigungspflicht ist ebenfalls in die Aufenthaltskarte für drittstaatsangehörige Familienangehörige, die ihr Recht von einem Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten i. S. d. § 13 ableiten, aufzunehmen.

13.2.4 Die Bescheinigung kann für Arbeitnehmer - sofern es sich nicht ohnehin um eine arbeitsgenehmigungsfreie Tätigkeit handelt - auch vor Erteilung der Arbeitsgenehmigung-EU ausgestellt werden. Grundsätzlich sollte die Arbeitsverwaltung erste Anlaufstelle für die neuen Unionsbürger sein. Lediglich wenn es sich um eine arbeitsgenehmigungsfreie Tätigkeit handelt, ist die Ausländerbehörde erste Anlaufstelle.

13.3 Anwendung der Übergangsregelung im Bereich der Dienstleistungsfreiheit

In den Beitrittsstaaten niedergelassene Unternehmen können ihre Mitarbeiter, die die Staatsangehörigkeit des Beitrittsstaats besitzen, zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen der Sektoren Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige, Gebäude-, Inventar- und Verkehrsmittelreinigung sowie Innendekoration nur in den Grenzen des geltenden deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts und der bilateralen Vereinbarungen, insbesondere der Werkvertragsarbeitnehmerabkommen, einsetzen. Im Rahmen von Dienstleistungserbringungen in Wirtschaftbereichen, für die die Übergangsregelungen keine Anwendung finden, können in Beitrittsstaaten niedergelassene Unternehmen ihre Mitarbeiter ohne arbeitsgenehmigungsrechtliche Einschränkungen vorübergehend entsenden.

14 Zu § 14 - Bestimmungen zum Verwaltungsverfahren

Nicht belegt.

15 Zu § 15 - Übergangsregelung

Eine vor dem 28. August 2007 ausgestellte Aufenthaltserlaubnis-EU gilt als Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers weiter.

ENDE

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